Vorsicht Schwiegermutter! - Anja Koeseling - E-Book

Vorsicht Schwiegermutter! E-Book

Anja Koeseling

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Beschreibung

Die Schwiegermutter ist die ultimative Belastungsprobe für jede Beziehung. Egal, ob sie den Liebsten mit einem Fingerschnippen wieder in einen Zwölfjährigen verwandelt, die Familie zu Weihnachten mit furchtbaren Geschenken überhäuft oder gleich ganz bei dem frisch vermählten Paar einzieht – die Schwiegermutter sorgt garantiert in jeder Ehe für Trubel. Nun plaudern Schwiegertöchter und -söhne erstmals aus dem Nähkästchen! Mit viel Humor erzählen sie von ihren absurdesten Erfahrungen mit dem Phänomen Schwiegermutter – und von den kreativen Strategien, die sie entwickelt haben, um das Eheglück trotz allem zu bewahren.

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Inhalt

Prolog

Schwierig oder nicht? Das sagt die Wissenschaft.

1. Erstkontakt: Die Schwiegermutter, das unbekannte Wesen

Meine Hochzeit, zwei Schamaninnen und ein Albtraum aus 1001 Nacht

Das perfekte Schwiegerdinner

Schwiegermütter küssen besser

Meine liebste Schwiegermutter

2. Typisch Schwiegermutter – Verhaltensmuster einer dominanten Spezies

Hätten Sie’s gewusst? 15 interessante Fakten über Schwiegermütter

Der verschwundene Pass

Der teure Enkel

Liisa – Vermutungen über eine Finnin

3. Vorsichtige Annäherung – Schwiegermütter im Alltagstest

Auch Schwiegermütter brauchen Streicheleinheiten für die Seele. Die 7 ultimativen Einschleim-Tipps für sie und ihn

Yeah, Yeah, Yeah

Highway to Hell

Ist da Soja drin?

4. Brutpflege, Balzverhalten und Revierverteidigung

Ganz pragmatisch

Mutti

Gelassenheit samt Kalorientabelle

Beatrix die Große

5. Positive Mutationen – ein Ruf wird gerettet

Spaß mit Phrasen: Schwiegermutter-Bingo

Rosi und die Gartenzwerge

Jugendsünden

Als meine Schwiegermutter sich mit George Clooney verlobte

Deine Mudda und ich

6. Der ultimative Selbstversuch

Psychotest: Welcher Schwiegermutter-Typ sind Sie?

Der und meine Tochter?

Der Schwiegermütterclub

Schwiegermutter sein dagegen sehr

Der Schwiegermutter-Paragraph

Epilog

Die Autoren

Impressum

Prolog

In jeder Kultur gibt es Mythen über die Entstehung unserer Welt. In einer dieser uralten Geschichten war auch von der Erschaffung der Schwiegermutter die Rede. Über Jahrtausende wurde diese Geschichte mündlich weitergegeben, nur leider wurde sie nie aufgezeichnet und ging verloren, weswegen Genaueres darüber nicht bekannt ist. Wir vermuten, dass die Erzählung ungefähr so lautete:

Irgendwann in grauen, staubigen Urzeiten überfiel die Natur aus heiterem Himmel eine Idee. Sie hatte gerade das Schnabeltier, den Kolibri und die fleischfressende Pflanze erfunden und war überhaupt in ziemlich bizarrer Laune.

»Hmm«, murmelte sie vor sich hin. »Ich nenne es ›Schwiegermutter‹, so viel ist schon mal klar, aber wem hänge ich es nur an?«

Die Natur blätterte ihr großes Buch der Arten und Gattungen durch, denn sie war vergesslich und konnte sich oft nicht einmal merken, was sie erst am Vortag erschaffen hatte.

»Es müsste eine Spezies sein, deren Weibchen sich nicht bis zum Tod unentwegt vermehren, sondern eine recht lange Zeit beschäftigungslos in der Gegend herumhocken.« Die Natur biss sich auf die Unterlippe. Die Quallen fielen schon mal aus, die vermehrten sich ja das ganze Jahr über ohne Pause. Dasselbe galt für die Ziegen, wenn auch ihr Gemecker ziemlich passend wäre.

Die Natur sah nachdenklich zu den Wolken hinauf. »Perfekt wäre es, wenn die Weibchen eine hormongebeutelte Übergangszeit hätten, in der sie für jede Überraschung gut sind.«

Kurz blieb sie bei den Elefanten hängen, aber die Vorstellung, »Schwiegermutter« dort zu installieren, zusammen mit der Lautstärke des Elefantengetrötes, ließ die Natur ­schaudern.

»Dann kriege ich ja überhaupt kein Auge mehr zu«, schimpfte sie vor sich hin. Aber da war doch noch diese ­andere Spezies, die der Natur schon beinahe entfallen war.

»Das letzte Mal, als wir sie gesehen haben«, überlegte sie, denn sie neigte anfallartig zum Pluralis Majestatis, »da konnten sie reden. Und das ist immerhin nicht ganz so laut wie das Gejaule aus dem Urwald.« Die Natur, die sehr empfindliche Ohren besaß, verzog schmerzvoll das Gesicht. »Außerdem«, und nun blätterte sie eifrig weiter, »wird das Reden in den Händen von ›Schwiegermutter‹ schärfer sein als ein anständiger Faustkeil. Wo waren sie denn bloß?«

Kurzzeitig verharrte die Natur beim Karpfen. Bei seinem Anblick klingelte irgendetwas in ihrem Hinterkopf. Aber da sie nicht genau sagen konnte, was, und sich bald furchtbar langweilte, setzte sie endlich ihre Lesebrille auf und stieß … auf die Menschen.

»Ich wusste doch, dass ich sie irgendwo dazugeheftet hatte«, sagte sie, fischte das Blatt aus der Klarsichthülle, die sich die Menschen mit den Kakerlaken teilten, und buchstabierte sich durch die Gebrauchsanleitung.

»Das ist es«, grunzte sie zufrieden und pflanzte aufatmend die Schwiegermutter mitten zwischen die Menschen.

Sie hörte ihnen eine Weile zu und presste sich schließlich die Hände auf die Ohren. »Wisst ihr, damit ihr mal eine Weile die Klappe haltet, schenke ich euch demnächst vielleicht noch so eine Gehirnausbeulung vorn. Damit könnt ihr so nützliche Dinge erfinden wie das Handy und Facebook«, drohte sie und wandte sich mit Grausen ab.

Tja – und jetzt haben wir den Salat.

Schwierig oder nicht? Das sagt die Wissenschaft.

Mythen sind wie Märchen – sie sind wahr und unwahr zugleich. Man darf ihren Inhalt also nicht mit einer Tatsachenbeschreibung verwechseln. Dennoch sagen sie oft mehr über den Homo sapiens aus als Zahlen und Daten, denn sie arbeiten menschliche Urängste erzählerisch auf.

Aber natürlich soll es hier auch um knallharte Fakten gehen. Was also weiß die Wissenschaft über die Spezies Schwiegermutter?

Etymologie

Fangen wir bei der Bezeichnung an. Viele glauben, der Begriff »Schwiegermutter« habe dieselben Wurzeln wie das Wort »schwierig«. Das erscheint auf den ersten Blick plausibel, ist aber in Wahrheit nicht der Fall. Das Wort »schwierig« kommt von »schwer« und dieser Begriff geht nach Meinung von Experten auf das althochdeutsche »sueran« zurück, was »Schmerz empfinden« bedeutet. Diesen Wortstamm findet man zum Beispiel heute noch in dem Wort »Geschwür«.

Passt doch zur Schwiegermutter, könnten manche jetzt denken, aber tatsächlich lässt sich diese Wortverwandtschaft nicht belegen. Beide Teile des Begriffs »Schwiegermutter« sind nämlich älter als »sueran«. »Mutter« ist ein uraltes Wort mit indogermanischen Wurzeln und mit »Swigar« bezeichnete man schon sehr früh die Mutter des Ehepartners. Der Schwiegervater hieß damals übrigens »Sweher« und das »swig« ­beziehungsweise »sweh« in diesen beiden Wörtern bedeu­tete schlicht und ergreifend »durch Heirat verbunden«.

Das lässt vielleicht darauf schließen, dass man der »Schwieger« lange Zeit keine mütterlichen ­Gefühle zuschrieb.

Interessant ist, dass die beiden Wortteile »Schwieger« und »Mutter« erst im 16. Jahrhundert zusammengesetzt wurden, also vergleichsweise spät in der Geschichte unserer Sprache. Das lässt vielleicht darauf schließen, dass man der »Schwieger« lange Zeit keine mütterlichen Gefühle zuschrieb. Möglicherweise standen bei der »Verbindung durch Heirat« eher rechtliche Aspekte im Vordergrund. Einen Hinweis darauf gibt das englische Wort für Schwiegermutter, »mother-in-law«. Es betont, dass die Schwiegermutter damals vor dem Gesetz der leiblichen Mutter gleichgestellt war.

Die Franzosen sind, im Gegensatz zu den nüchternen Engländern, geradezu poetisch, wenn es um ihre Schwiegermütter geht. In Frankreich heißen sie »belle-mère«, also »schöne Mutter«, und die Schwiegertochter nennt man dort »belle-fille«, »schönes Mädchen«.

Verbessert diese positive Wortwahl die verwandtschaftlichen Beziehungen? Darüber gibt es keine Studien. Aber vielleicht kann ein Blick auf die Statistik zeigen, ob sie Einfluss auf die Zahl der Eheschließungen in den beiden Ländern hat. Lassen sich französische Liebespaare von den klangvollen Namen blenden? Heiraten sie unbeschwerter als englische Lover?

Die Zahlen zeigen: Das Gegenteil ist der Fall. Im Ranking der Eheschließungen liegt Großbritannien vor Frankreich. Es gibt also keinen Zusammenhang zwischen Wortwahl und Heiratsquote. Daher muss es auch nicht beunruhigen, dass viele Deutsche ihrer Schwiegermutter gern unfreundliche Zweitnamen verpassen: Schwiemu, Schwiegertiger, Schwiegermonster, Schwiegerdrache oder sogar Frau Hölle.

Biologie

Die Wortherkunft verrät also nichts über das wahre Wesen der Schwiegermutter. Ist ein Blick ins Tierreich hilfreicher? Leider nicht, denn die meisten Tiere fallen als Vergleichsobjekt von vornherein aus.

Beispiel Schildkröte: Wenn man seine Eier irgendwo im Sand vergräbt und danach einfach abhaut, hat das unter ­anderem die Konsequenz, dass man nicht weiß, wer von dem ganzen Nachwuchs, der sich da am Strand tummelt, der ­eigene ist. Und natürlich kennt man dann auch seine Schwiegerkinder nicht.

Man sollte Schildkröten wegen dieses Verhaltens übrigens nicht vorschnell verurteilen. Viele legen um die zweihundert Eier, da kann man schon verstehen, dass sie ihren Elternpflichten nur ungern nachgehen. Außerdem verzehren Schildkröten auch immer mal wieder ein Jungtier. Es speist sich sicher unbeschwerter, wenn man nicht lange über den Verwandtschaftsgrad nachdenkt.

Aber selbst wenn sich Tiereltern aufopfernd um ihren Nachwuchs kümmern, wie zum Beispiel die meisten Vogelpaare, ist es bei ihnen doch üblich, dass Eltern und Kinder sich nach der Aufzuchtphase aus den Augen gehen oder fliegen. Denn spätestens im nächsten Jahr kommt meist eine neue Generation zur Welt und die pflanzt sich nach kurzer Zeit selbst fort. Alt- und Jungtiere haben dann vor allem die Brutpflege im Kopf, die Pflege verwandtschaftlicher Beziehungen ist für sie unwichtig.

Diese beiden Beispiele aus dem Tierreich verdeutlichen drei ganz grundlegende Unterschiede zwischen dem Homo sapiens und den meisten anderen Tieren: Da ist einmal die ­Sache mit der Jungenaufzucht. Kaum ein anderes Tier bringt im Laufe seines Lebens so wenige Nachkommen zur Welt wie der Mensch. Zweitens: Kaum ein anderes Tier braucht für die Aufzucht so lange. Und drittens gibt es für die Weibchen fast aller Tierarten kein Leben nach der Kinderphase. Tiere kennen nämlich keine Wechseljahre. Sie bekommen Nachwuchs, bis sie dafür zu schwach sind, und dann sterben sie in der Regel bald. Da bleibt keine Zeit, sich um die Partner des Nachwuchses und möglicherweise auch noch um deren Kinder zu kümmern. Deswegen sind auch Großmütter im Tierreich nahezu unbekannt. Nur bei wenigen Arten – Walen, in Gefangenschaft gehaltenen Schimpansen und Elefanten – konnte man bisher beobachten, dass sich ältere Weibchen um die Betreuung von Jungtieren kümmern, die nicht ihre ­eigenen sind.

Bei diesen Menschenaffen, die eng mit uns verwandt sind, nehmen die Männchen zur »Brautschau« gern ihre Mutter mit. Deren Anwesenheit verbessert nämlich den Sexerfolg der Söhne gravierend.

Gibt es Schwiegermütter also wirklich nur bei den Menschen? Oder ist da vielleicht einiges noch unerforscht?

Dafür könnte eine neuere Beobachtung an Bonobos sprechen: Bei diesen Menschenaffen, die eng mit uns verwandt sind, nehmen die Männchen zur »Brautschau« gern ihre Mutter mit. Deren Anwesenheit verbessert nämlich den Sexerfolg der Söhne gravierend. Je höher der Rang der Mama, desto mehr Sex hat der Filius. Aber Achtung, lieber nicht ­nachmachen: Es gibt keine Studien darüber, ob das beim Homo sapiens ebenfalls funktioniert.

Ethnologie

Weil das menschliche Jungtier extrem lang für seinen Reifeprozess benötigt, entwickelten Wissenschaftler die sogenannte »Großmutter-Hypothese«. Danach bringen Omas ihrer Familie evolutionär betrachtet enorme Vorteile. Bei ­einer so langen Aufzuchtphase kann den Eltern schließlich viel passieren und da kann es lebensrettend für den Nachwuchs sein, wenn im Falle eines Falles ein erfahrenes Weibchen zur Brutpflege bereitsteht. Forscher beobachteten etwa beim ­Jäger- und Sammlervolk der Hadza in Tansania, wie Großmütter jungen Müttern das Leben erleichterten und sie bei der Nahrungsbeschaffung entlasteten. Die Kinder der Frauen, die so unterstützt wurden, waren größer, schwerer und überlebensfähiger als die Kinder von Müttern, die diese familiäre Hilfe nicht hatten.

Es gibt allerdings auch Studien, die diese Theorie ein Stück weit einschränken, zum Beispiel diese: Evolutionsbiologen haben 2003 ostfriesische Kirchenbücher analysiert, in denen Geburten aus dem 18. und 19. Jahrhundert dokumentiert sind. Hier zeigte sich, dass die Anwesenheit einer Großmutter nur dann positive Auswirkungen auf den Nachwuchs hatte, wenn es sich dabei um die Mutter der Mutter handelte. Lebte hingegen die Mutter des Vaters im selben Haushalt, sank die Überlebensrate ihrer Kinder. Warum das so ist, dafür haben die Wissenschaftler noch keine schlüssige Erklärung gefunden.

Psychologie

Psychologen kennen viele Gründe für die gegenseitige Abneigung von Schwiegermüttern und Schwiegerkindern. Früher war es vor allem das oft schlechte Verhältnis zwischen Schwiegersohn und Schwiegermutter, das im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Betrachtungen stand. In Anlehnung an Freud vermutete man, dass das Altern der Schwiegermutter den Mann an das Altern der eigenen Frau erinnern würde.

Heute stehen Konflikte zwischen Schwiegermüttern und Schwiegertöchtern im Vordergrund, vermutlich auch, weil sie ein beliebtes Thema in Frauenzeitschriften darstellen. Als Ursachen nennen Psychologen Neidgefühle, die ihre Wurzeln in mangelndem Selbstwertgefühl auf einer oder auf beiden Seiten haben. Auch unterschiedliche Familien- und Rollenvorstellungen können Fremdheitsgefühle entstehen lassen, ebenso Generationenkonflikte und Trennungsschmerz.

Wenn man das alles liest, könnte man meinen, dass ­zwischen Schwiegermüttern und ihren Schwiegerkindern fast ausnahmslos Krieg herrscht. Aber das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Eine Studie an der Fernuniversität Hagen zeigte, dass Schwiegermütter viel besser sind als ihr Ruf. Und auch Umfragen haben in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen, dass die Hälfte bis zwei Drittel der Befragten mit ihrer Schwiegermutter ganz zufrieden sind.

Kapitel 1

Erstkontakt: Die Schwiegermutter, das unbekannte Wesen

Verliebtheit ist ja neurobiologisch gesehen nichts anderes als eine psychische Erkrankung mit wahnhaften Zügen.

Zwangsgedanken, manische Erregungszustände und gelegentliche Halluzinationen (Mein Handy hat gezwitschert. Doch. Ich habe es genau gehört.) würden normalerweise vollkommen ausreichen für eine anständige Einweisung in die Psychiatrie. Es gibt nur einen einzigen Grund, warum das nicht geschieht: Man kann ja nicht ganze Menschenhaufen in der Psychiatrie einquartieren.

Dann aber folgt das kalte Erwachen. Denn wenn die Bindung aus welchen Gründen auch immer die Zeit der psychischen Störung überdauert, stellt man fest: Der »einzig geliebte« Mensch mag zwar der einzige sein, den man liebt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass eine ganze ­Sippe an ihm dranhängt, die vorher – irgendwie – noch nicht so prominent war. Und diese Sippe will jetzt das neue potenzielle Familienmitglied kennenlernen.

Genauer gesagt: die Schwiegermutter.

Normalerweise begegnet man ihr schon innerhalb des ersten Jahres der aufkeimenden Liebe, die so zart und verletzlich ist. Doch wehe, man erfüllt nicht die Erwartungen der Frau Mama. Dann wirkt diese nicht wie Dünger auf das Pflänzlein, sondern vielmehr wie ein Rasenmäher – und man steht ganz schnell wieder allein da. Denn rein instinktiv ­betreibt die potenzielle Schwiegermutter eine natürliche Auslese in ihrem Revier. Dem Kandidaten oder der Kandidatin drohen viele Stolpersteine: Was macht man denn beruflich? Und die eigenen Eltern, die sind hoffentlich noch zusammen, denn daran erkennt man ja immer schnell die Bindungsfähigkeit … Also nein, Vegetarismus, eine Unart, die rein gar nicht in ihr ­Rudel passt, der Bub isst doch so gern seinen Sonntagsbraten. Wie steht es denn mit der Religion? Und Kindern? Und Putzen? Hat man bei diesem Casting für »Deutschland sucht die Superschwiegertochter/den Superschwiegersohn« vor der Schwiegermutter-Version von Dieter Bohlen bestanden und ist in den Recall gekommen, geht es eigentlich erst richtig los.

Meine Hochzeit, zwei Schamaninnen und ein Albtraum aus 1001 Nacht

Ben und ich sind seit acht Jahren ein Paar, seit vier Jahren sind wir Eltern unserer kleinen, ziemlich niedlichen Tochter ­Paulina. Warum wir nicht verheiratet sind? Weil wir diesen bürokratischen Verwaltungsakt beide spießig fanden. Doch nun ist es trotzdem bald so weit: Ben hat mir während des Winterurlaubs in einer verschneiten Berghütte einen romantischen Antrag gemacht und ich habe Ja gesagt. Wir würden heiraten – und zwar am 6. Juli!

Unsere Kleinfamilie lebt in einer Vorstadt in einer großen Etagenwohnung mit wunderschöner Dachterrasse. Eigentlich ist unser Leben so schön, dass wir die Hauptdarsteller einer Fernsehwerbung für reich machende Finanz­produkte, kalorienfreie Butter oder super-mega-ultra-turbo-weiß ­waschendes Waschmittel sein könnten. Wäre da nicht meine zukünftige Schwiegermutter.

Hildegard hat vor 15 Jahren Bens Vater – der mittlerweile leider verstorben ist – verlassen und ist in die weite Welt aufgebrochen: Nach Stationen in Indien, Sri Lanka und Nepal wohnt sie nun seit vielen Jahren in den USA. Sie ist ­gelernte Silberschmiedin und verdient genug mit handgefertigtem Schmuck, um sich ein großes Haus in den Hügeln bei Los Angeles leisten zu können. Ich kannte sie bisher nur vom ­Telefon und von Fotos, unser Kontakt war eher sporadisch.

Ben hat ein sehr entspanntes Verhältnis zu seiner Mutter – er macht sich keine Sorgen, wenn sie sich mal monatelang nicht meldet. In mein Leben aber brach Hildegard herein wie ein Unfall, der jemand anderem passiert und von dem man den Blick nicht abwenden kann.

Als wir ihr vor vier Monaten am Telefon von unseren Hochzeitsplänen berichteten, beschloss sie, zu unserem schönsten Tag nach Deutschland zu kommen. Dabei war sie nicht mal zur Geburt unserer Tochter Paulina erschienen.

Es war wohl so weit: Ich sollte meine Schwiegermutter endlich persönlich kennenlernen.

16. Mai – noch 53 Tage bis zur Hochzeit

Unser Familienzusammenführungs-Date begann mit Terminschwierigkeiten. Ben rief seine Mutter an und fragte, wann sie denn Zeit hätte, um mit uns gemeinsam essen zu gehen – schließlich würde sie Anfang Juni in Deutschland ankommen und während ihres Besuchs bei ihrer Freundin Gerdi übernachten.

Mitten während des Gesprächs legte Ben den Hörer für einen Moment zur Seite und fragte mich: »Andrea, wann bist du geboren?«

Ich guckte ihn verdutzt an: »Du weißt nicht, wann ich ­Geburtstag habe?«

Er antwortete: »Doch, na klar. Aber ich meine die Uhrzeit! Meine Mutter muss das wissen, um den Termin für unser ­gemeinsames Essen zu berechnen.«

»Wie … was …?«, stotterte ich. »Moment, ich gucke nach.« Ich griff mir das Fotoalbum mit meinen Kinderfotos. Darin befand sich eine Geburtsanzeige, die meine Mutter liebevoll zusammen mit einer Locke meiner Babyhaare in das Album eingeklebt hatte. »6 Uhr 37!«, informierte ich Ben.

Ben gab seiner Mutter die Uhrzeit durch und legte auf.

»Sag mal, Schatz … wieso braucht deine Mutter die ­genaue Zeit meiner Geburt, um einen Termin zum Essen mit uns zu vereinbaren?«, fragte ich.

Sie ist eben Schamanin und deswegen kann ein solches Date nur nach komplexen Berechnungen der Mondphasen in Verbindung mit unseren Tierkreiszeichen und den Aszendenten ­geplant werden.

Er zuckte nur die Achseln. »Du weißt doch, meine Mutter ist ein bisschen anders. Aber eigentlich ist sie auch total normal. Sie ist eben Schamanin und deswegen kann ein solches Date nur nach komplexen Berechnungen der Mondphasen in Verbindung mit unseren Tierkreiszeichen und den Aszendenten geplant werden.«

Ich prustete innerlich los: Die Mutter meines bodenständigen, rationalen Bens war Schamanin? Sofort hatte ich ein kunterbuntes Kopfkino am Start: Ich sah die Frau, die ich bisher nur von Fotos kannte, in weiten, erdfarbenen Wallegewändern mit einer Adlerschwinge in der Hand um ein Feuer kreisen, während sie wie in Trance vollkommen unverständ­liche Dinge in sich hinein murmelte. Zwischendrin drehte sie den Kopf in Richtung Himmel und stieß kleine, spitze Schreie aus …

Zwanzig Minuten später klingelte das Telefon, Ben nahm den Hörer und stellte auf laut. »Der 8. Juni wäre ideal! Die Sternenkonstellation passt perfekt zu uns – wir müssen uns am besten um vier Uhr in der Früh treffen!«

»Mutter, der 8. Juni ist ein Sonntag. Andrea und ich möchten an diesem Tag gern ausschlafen. Und außerdem können wir Paulina nicht mitten in der Nacht aus dem Bett holen. Wie wäre es, wenn wir uns zum Brunch in der kleinen Brasserie am Marktplatz treffen, wo wir früher schon zusammen mit Papa waren? So gegen elf Uhr?«

Widerwillig gab Bens Mutter nach: »Nun gut, vier Uhr früh wäre perfekt gewesen, aber elf Uhr ist auch eine gute Zeit für dieses Treffen. Hauptsache, es wird nicht nach 17 Uhr, das wäre gar nicht gut!«

Ich saß mit offenem Mund auf der Couch – das konnte ja heiter werden!

8. Juni, 10.30 Uhr

Langsam wurde ich nervös: Gleich sollte ich meine Schwiegermutter kennenlernen. Sie war vor zwei Tagen in Frankfurt gelandet und sofort zu ihrer Freundin Gerdi einen Ort weiter gefahren. Ich packte meine Handtasche und nahm Paulina an die Hand. Auf dem Weg zum Auto sah Ben mich auf einmal so komisch an.

»Was ist?«

»Ach, nichts.«

Am Marktplatz fanden wir recht schnell einen Parkplatz und liefen zur kleinen Brasserie – ich freute mich vor allem auf einen leckeren Brunch. Ben öffnete die Tür und wir traten ein. Einen kleinen Augenblick mussten sich meine Augen an das Dunkel gewöhnen und dann sah ich sie: Hildegard! Sie hatte leuchtend rot gefärbtes Haar, lange Fingernägel, die im selben Farbton lackiert waren, und ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, die ihr aber nicht schlecht standen. Sie trug ­farbenfrohe, bequem und trotzdem chic aussehende Kleidung in verschiedenen Rottönen. Hildegard stürmte auf uns zu, öffnete ihre Arme und rief dabei einen Tick zu laut: »Ben! Andrea! Und die kleine Paulina! Ich freue mich so sehr, euch zu sehen!«

Sie knutschte uns der Reihe nach ab, wobei Paulina einen Flunsch zog. »Kommt zu uns an den Tisch, Pamuy freut sich auch schon auf euch!«

Ich warf Ben einen fragenden Blick zu: Wer ist Pamuy? Ben zuckte nur mit den Schultern und wir steuerten zielstrebig auf einen Tisch in der Ecke zu. Dort saß eine Frau, ebenfalls Mitte sechzig, ebenfalls sehr gepflegt, ebenfalls sehr bunt angezogen – wobei sie ganz offensichtlich Lila und Pink liebte und auch verschiedenen Grüntönen gegenüber nicht ganz abgeneigt war.

Ben umarmte Pamuy und sagte: »Gerdi, schön, dich auch mal wieder zu sehen!« Aha, das war also die beste Freundin von Bens Mutter.

»Ich heiße jetzt Pamuy«, sagte Gerdi. »Diesen Namen hat deine Mutter für mich erträumt! Er bedeutet ›Wassermond‹ – passt das nicht perfekt?« Ben und ich guckten uns schon wieder fragend an. »Na, ich kann doch bei Vollmond nie schlafen und außerdem gehe ich so gern schwimmen!«, ­erklärte Pamuy-­Gerdi.

Schon stand der Kellner bei uns am Tisch und nahm die Bestellungen auf. Die Gespräche drehten sich um alte Zeiten, die vielen Kleinstadtgeschichten, die seit der Abreise von Bens Mutter passiert waren, und natürlich auch um Paulina und unsere Hochzeit.

Es hätte ein entspannter Sonntag werden können, wenn Paulina nicht irgendwann »Oma Hildegard« gesagt hätte …

Meine Schwiegermutter blickte uns alle drei streng an: »Oma? Sie nennt mich Oma? Und dann auch noch Hildegard? Diesen Namen habe ich schon vor zehn Jahren abgelegt! Ich heiße Magaskawee – Ma-gas-ka-wiii! Und das bedeutet Schwanenmädchen.«

Paulina schob trotzig die Unterlippe vor: »Das ist ein doofer Name, so heißt doch keiner!«

Ich befürchtete, dass Paulina gleich anfangen würde zu weinen, und erklärte ihr: »Oma Hil…, äh, Magaskawee nennt sich so, weil sie gern so heißen möchte. Sag mir mal nach: Ma-gas-ka-wii – das ist ganz einfach.«

Paulina grinste mich an und antwortete: »Ma-ga-kacka-wii!« Ich zuckte zusammen und blickte vorsichtig in Richtung Hil…, äh, Magaskawee.

Meine Schwiegermutter stutzte einen Moment, schüttelte leicht den Kopf und fing an zu lachen: »Wie Ben in dem Alter – ziemlich kreativ, die kleine Paulina!« Auch Gerdi lachte und so entspannte ich mich wieder und lachte mit. Ben machte das alles offenbar nichts aus, er saß locker zwischen mir und seiner Mutter, plauderte und ließ sich die köstlichen, kleinen Kalorienbomben schmecken.

Es wurde Nachmittag und wir verabschiedeten uns. Magaskawee und Pamuy hatten abends noch ein Treffen mit ein paar anderen Frauen aus einer freien Energie-Tanzgruppe und wir wollten in Ruhe das Wochenende ausklingen lassen. Küsschen rechts, Küsschen links, das übliche Abschiedss­zenario.

Wir wollten gerade gehen, da fragte Magaskawee: »Und wann können wir bei euch vorbeikommen? Wir müssen noch eure Wohnung einrichten nach den neuesten heilenden, transzendentalen und klärenden Erkenntnissen. Schließlich sollt ihr eine glückliche, lange Ehe führen!«

Was? Unsere Wohnung einrichten? Die Wohnung, die ich mit viel Liebe über die letzten Jahre hinweg zu unserem gemütlichen, an uns und unsere Bedürfnisse perfekt angepassten Lieblingsaufenthaltsort gemacht habe? Tickte die noch ganz richtig?

Ich holte tief Luft, doch bevor ich Einwände erheben konnte, sagte Magaskawee: »Ich habe schon die Sternenkonstellation ausgewertet – zehn Tage vor eurer Hochzeit passt alles super zusammen! Also kommen Pamuy und ich am 26. Juni bei euch vorbei.« Sprach’s und verschwand mit Pamuy-Gerdi am Arm wie eine rot-orange-grüne, lustig vor sich hin schnatternde Wolke.

»Du wirst ihr ja wohl sagen, dass unsere Wohnung schön ist, so wie sie jetzt ist. Und gemütlich. Und zu uns passt. Wir brauchen keine ›Neuausrichtung unserer Wohnung nach ­irgendwelchen esoterischen Erkenntnissen‹!«, wandte ich mich entrüstet an Ben.

Der meinte nur: »Ach, lass mal, das hat sie bis dahin eh wieder vergessen, reg dich nicht auf!«

Mitte Juni – noch knapp drei Wochen bis zur Hochzeit

Wer jemals geheiratet hat, weiß, wie aufregend, stressig und verrückt diese Zeit vor dem großen Tag ist! Wird alles so werden, wie man sich das erträumt hat? Wird alles rechtzeitig fertig werden? Passt die Platzordnung oder sitzt Nadine neben Olaf, den sie noch nie leiden konnte? Und Tante Gabi mit dem tauben Ohr neben Klaus, mit dem sie zwar verheiratet ist, aber ohnehin seit Ewigkeiten nicht mehr redet? Und Daniela und Udo – die sind beide Singles und würden so gut zusammenpassen. Sitzen die nebeneinander? Wird das Menü so gut schmecken wie beim Probeessen? Und überhaupt – warum heiraten wir eigentlich? Das Leben war doch auch ohne Trauschein super. Machen wir das wirklich richtig? Sollten wir nicht besser einfach alles so lassen, wie es ist? Ach, nein, das geht ja gar nicht, die Location ist reserviert, die Band bezahlt, das Essen bestellt, die Freunde und Verwandten eingeladen. Wir müssen das jetzt durchziehen – es gibt keinen Weg zurück!

Ben und ich waren also ziemlich beschäftigt in diesen Tagen und düsten hin und her zwischen Arbeit, Kindergarten und den ganzen Vor-Hochzeits-Terminen wie ­Anprobe, Weinprobe und Generalprobe. Eines Abends lagen wir ­erschöpft auf dem Sofa, kuschelten uns aneinander und zählten die Tage bis zur Hochzeit.

»Heute in elf Tagen ist es so weit. Ich liebe dich, Schatz!«, flüsterte Ben und küsste mich zärtlich.

»Ich liebe dich auch, Ben. Sehr!«, säuselte ich und ­kicherte vor mich hin. »Stell dir mal vor, morgen würde Hildegard-­Magaskawee-Schwanenmädchen bei uns vorbeikommen und unsere Wohnung umgestalten!«

Ben zuckte zusammen. »Auweia, heute ist der 25. Juni«, murmelte er.

Ich ahnte Schlimmes. »Hast du vergessen, mit deiner ­Mutter zu sprechen?«

»Ja, sorry dafür«, sagte er kleinlaut. »Was machen wir nun? Aus der Nummer kommen wir wohl nicht mehr raus – sie hat bestimmt mit Gerdi schon alles vorbereitet!«

Jetzt war ich an der Reihe, die Unterlippe vorzuschieben. »Ben, du weißt doch genau, wie viel Mühe es mich ­gekostet hat, diese Wohnung so einzurichten, wie sie jetzt ist. Sie ist schön! Sie ist praktisch! Sie ist unser Zuhause! Ich möchte nicht, dass jemand unsere Wohnung energetisch und astral umstylt!«

Ben meinte versöhnlich: »Aber Liebling, wir können das ja alles wieder zurückräumen, sobald sie fertig sind. Sorry, ich habe in all dem Stress echt vergessen, anzurufen. Meinst du nicht, du kannst das für ein paar Tage akzeptieren? Sie ist doch meine Mutter – und bald ohnehin wieder in den USA! Ich bringe alles wieder in seinen Ursprungszustand – ­versprochen!«

Grummelnd gab ich nach, um des lieben Friedens willen.

26. Juni – noch zehn Tage bis zur Hochzeit

Ich stand sehr früh auf und brachte Paulina in den Kindergarten. Anschließend rief ich in der Firma an und gab Bescheid, dass ich im Homeoffice arbeiten würde. Ben verschwand pünktlich um acht Uhr – der Donnerstag war immer sein ­besonders stressiger Tag in der ­Praxis.

Um zehn Uhr klingelte es an der Haustür – ich ­telefonierte gerade mit einer Kollegin. Mit dem Telefon zwischen Schulter und Ohr und einem Notizblock in der Hand öffnete ich die Tür und schrak zurück: Es waren die Schamanin und ihre Assistentin. Die beiden waren schwer bepackt und unten im Treppenhaus standen noch mehrere Kartons, wie ich mit einem flüchtigen Blick feststellte.

»Guten Morgen, Andrea, hier sind wir!« Hildegard-­Magaskawee lächelte mich freundlich an. »Ach, du arbeitest? Lass dich nicht stören, Pamuy und ich übernehmen das mit eurer Wohnung. Du wirst sehen, heute Abend wird auch der letzte Rest schlechter Schwingungen aus euren vier Wänden verschwunden sein! Ihr werdet ganz andere Energieflüsse spüren, versprochen!« Ich winkte den beiden zu und ging ­zurück ins Arbeitszimmer.

In den nächsten zwei Stunden übte ich mich in Gelassenheit – und das ist nun wirklich nicht meine Stärke. Ich hörte die beiden reden, lachen, Möbel rücken, poltern und rumräumen. Ich zwang mich dazu, in meinem Arbeitszimmer zu bleiben und das alles unkommentiert zu ertragen.

Nach zwei Stunden und einem lauten Knall konnte ich aber nicht mehr anders. Ich öffnete die Tür vom Arbeitszimmer und ging über den Flur in Richtung Wohnzimmer. Tür auf … und ich stand mitten in einem kitschigen Filmset aus 1001 Nacht! Die Wände waren mit farbigen Tüchern in Erdtönen behängt, kleine Messingvasen, die aussahen wie Aladins Wunderlampe, »verschönerten« unseren edlen, weißen Wohnzimmertisch. Auf dem Designersofa lagen gefühlt hundert Kissen aus dicken Brokatstoffen, die mit goldenen Troddeln und Glitzerapplikationen verziert waren. In einer Ecke stand ein vollkommen überdimensionierter Zimmerspringbrunnen in Form eines dicken Buddhas, an dessen Körper Wasser ähnlich wie Schweißbäche herunterlief. Außerdem stand kein Möbelstück mehr an dem Ort, an den ich es mal gestellt hatte. Und überall qualmten Räucherstäbchen vor sich hin! Igitt!

Mittendrin in dieser orientalischen Pracht: die zwei durchgeknalltesten Interieur-Designerinnen des Universums! ­Sichtlich verschwitzt lächelte Hilde-Maga mich an: »Wunderschön, gell? Hier werdet ihr euch von nun an noch viel wohler ­fühlen!«

Gerade, als ich explodieren wollte, kam Ger-Pam aus dem Schlafzimmer. »Ach, Andrea, schön, dass du nun Zeit hast – ich bin gerade mit dem Schlafzimmer fertig geworden!« Sie griff meine Hand und zog mich hinter sich her – in unser Allerheiligstes. Ich trat über die Schwelle und stand … mitten in einem indischen Albtraum aus Sternenlandschaften, Kitsch und Knallfarben.

»Chic, nicht wahr?«, hörte ich Hildegard-Magaskawee-­Schwanenmädchen neben mir säuseln. »Euer Bett stand ­mitten auf einer Wasserader, wie Pamuy mit ihrer Wünschelrute herausgefunden hat. Glücklicherweise haben wir das heute behoben, sonst wärt ihr womöglich noch krank ­geworden!«

Die dreiteilige Wand war mit Paaren verziert, die sich in Stellungen verrenkten, von deren Existenz ich bis heute nicht die blasseste Ahnung gehabt hatte.

Ich sah mich in dem Raum um, der bis vor ein paar Stunden noch mein heiß geliebtes Schlafzimmer gewesen war. Das Bett hatten sie in eine Ecke geschoben, sodass nun ­einer von uns über den anderen drüberklettern musste, um ins Bett zu kommen beziehungsweise um es wieder zu verlassen. Es war neu bezogen mit einer wild gemusterten Bettwäsche, ­deren Designer vermutlich zu viele bewusstseinserweiternde Pilze zu sich genommen hatte. Auf dem einen, noch verbliebenen Nachtisch standen ein paar Statuen, aus deren übergroßen Geschlechtsteilen ich nur schließen konnte, dass es sich um Fruchtbarkeitsstatuen irgendeiner Naturreligion handeln musste. Unser Kleiderschrank verschwand hinter einer riesigen Aufstellwand mit … Ich traute meinen Augen nicht: Motiven aus dem Kamasutra? Ja, ich hatte richtig gesehen, die dreiteilige Wand war mit Paaren verziert, die sich in Stellungen verrenkten, von deren Existenz ich bis heute nicht die blasseste Ahnung gehabt hatte. Apropos blass: Ich ­bemerkte, wie mein Kreislauf wegsackte, die Knie nachgaben – und dann wurde mir schwarz vor Augen.

Als ich wieder zu mir kam, lag ich mitten auf unserem Bett, guckte in einen rot-goldenen Baldachin, der mit glitzernden Tierkreiszeichen bestickt war, und hörte meine Schwiegermutter telefonieren.

»Ja, Ben, sie war so glücklich über das, was wir aus eurer schmucklosen und kalten Wohnung gemacht haben, dass sie in Ohnmacht gefallen ist! … Ja, wenn ich es dir doch sage – sie ist total happy! Kann sie ja auch sein, endlich ist es gemütlich bei euch!«

Ich schloss die Augen wieder und entschied mich, weiterhin die freudige Ohnmacht zu simulieren. Zehn Minuten später hörte ich, wie jemand den Schlüssel in der Haustür umdrehte.

»Da liegt sie, sie kommt wohl gerade wieder zu sich! Das war aber auch eine tolle Überraschung!«, sagte Gerdi, während ich die Augen öffnete.

Ben stand besorgt neben unserem Bett. »Andrea, geht es dir wieder gut? Ich messe mal deinen Blutdruck – ist dir schlecht? Hast du Kopfweh?« Er schien noch gar nicht ­bemerkt zu haben, in welch einen Albtraum seine Mutter und deren beste Freundin unsere eben noch so schöne Wohnung verwandelt hatten.

»Mit mir ist alles in Ordnung, aber – sieh dich mal um!«

Ben guckte sich im Zimmer um … dann stand er auf. Sein Blick wanderte über die Sexturner-Aufstellwand hin zu den detailreich ausgestalteten Fruchtbarkeitsstatuen und blieb am farbexplodierenden Baldachin hängen. Dann ging er langsam Richtung Wohnzimmer. Ich hörte, wie er dort hin und her lief. Die beiden Schamaninnen und Verursacherinnen dieses ­Tohuwabohus lächelten zufrieden vor sich hin und warteten gespannt auf seine Reaktion. Ben holte tief Luft. Gleich würde er schreien und die beiden tollwütig gewordenen Design-­Furien aus unserer Wohnung werfen!

Doch er fing an zu lachen. Er lachte, bis er kaum mehr Luft bekam. Sein Lachen war so ansteckend, dass ich auch irgendwann losprustete – obwohl ich das gar nicht wollte! Schließlich hatte diese unheilige Allianz aus Hilmagas und Gerpam gerade unsere Wohnung komplett verunstaltet!

Ben wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht. »­Meine Güte, das ist … entsetzlich … schrecklich! Das ist alles so unfassbar schlimm, dass es schon wieder ganz wunderbar ist! Diese Farben, diese Accessoires … und dann diese bumsfidele Wandgestaltung – wo habt ihr denn diese Perlen des Designs her?«

Hildegard und Gerdi sahen sich fragend an. »Wir sind tagelang durch alle Esoterikshops und Indienläden der Stadt gelaufen. Sogar bis nach Frankfurt sind wir gefahren!«, antwortete meine Schwiegermutter mit leichter Empörung in der Stimme. »Und jetzt sagst du, dass es dir nicht gefällt!«

Es wurde still im Raum. Sehr still. Aus den Sekunden wurden gefühlte Minuten.

Dann guckte meine Schwiegermutter ihre beste Freundin an und blaffte: »Komm, Pamuy, wir gehen. Wir sind hier offen­sichtlich nicht erwünscht!« Sprach’s und rauschte aus dem Schlafzimmer Richtung Wohnungstür. Rumms, die Tür war zu.

6. Juni – der große Tag

Ben und ich hatten in der Nacht vor unserer Hochzeit kaum geschlafen. Wir waren beide ziemlich aufgeregt und hatten uns natürlich nicht an das real gewordene Bollywood in unserer Wohnung gewöhnt.

Nach dem großen Knall vor zehn Tagen hatten sich ­weder Magaskawee-Hildegard noch Pamuy-Gerdi bei uns ­gemeldet. In den ersten Tagen war das auch besser so, denn Ben und ich waren sauer. Doch je mehr Zeit verging, umso amüsierter waren wir. Da hatten die beiden Schwanenmondfrauen unsere gesamte Wohnung so verschandelt, dass wir uns fast darin verlaufen hätten. Und das in kürzester Zeit!

Um sieben Uhr klingelte der Wecker und wir standen auf, weil gleich die Stylistin kommen sollte, um mich in eine wunderschöne Braut zu verwandeln. Ich wurde also aufgehübscht, meine Haare wurden zu einem Turm aufgebaut, sämtliche Nägel wurden lackiert und mein Gesicht bekam ein tolles Make-up. Mein Etuikleid aus Seide passte wie angegossen – was ein Glück. Beim finalen Blick in den Spiegel schaute mich eine wunderschöne Frau an. Ich war happy!

Dann kam Ben aus dem Arbeitszimmer, in das er sich zurückgezogen hatte. Auch er sah einfach toll aus in seinem Hochzeitsanzug, den wir extra für diesen Tag von einem italienischen Maßkonfektionär hatten schneidern lassen.

Aus ihrem Kinderzimmer kam eine quietschfidele Paulina gehüpft, der meine beste Freundin Susanne in der Zwischenzeit ein ganz bezauberndes Kleidchen angezogen hatte. »Mama und Papa heiraten, Mama und Papa heiraten!«, jubelte sie.

»Gut, dann sind wir ja alle fertig und können aufbrechen«, verkündete Ben.

Wir gingen zum Auto und auf dem Weg dorthin fiel mir auf, dass Ben bedrückt wirkte. »Ist es wegen deiner Mutter? Meinst du, sie wird heute kommen? Zusammen mit Gerdi?«, fragte ich.

»Ich weiß es nicht«, kam die leise Antwort, »aber ich fände es ziemlich blöd, wenn sie nicht erscheinen würde.«

Die Hochzeit

Unsere Hochzeit war romantisch, wunderschön, herrlich, traumhaft, ein einziger Superlativ – eben genau so, wie Ben und ich uns alles ausgemalt hatten. Und auch die anschlie­ßende Feier war toll! Unsere Freunde und Verwandten hatten sich ein ziemlich lustiges Programm ausgedacht. Das Essen und der Wein waren exzellent, mein Vater hielt eine Rede, die uns alle zu Tränen rührte, und die Band spielte einen Hit nach dem anderen, sodass ich schon nach kurzer Zeit meine schicken, aber eben unbequemen Schuhe in die Ecke warf, um mit Ben zusammen richtig abzurocken.

Zu unserer großen Freude waren auch Hildegard und Gerdi erschienen. Wie immer farbenfroh gekleidet hielten sich die beiden Frauen aber entgegen ihrem sonstigen Auftreten sehr zurück. Es stand den beiden ins Gesicht geschrieben, dass sie offenbar noch beleidigt waren. Ben und ich beschlossen, das zu ignorieren, um uns diesen Tag nicht zu verderben.

Irgendwann tauten die beiden innendesignenden Schamaninnen dann doch auf: Hildegard tanzte mit Onkel Rudi an uns vorbei. Kurze Zeit später folgte Gerdi, die mit Bens Freund Sascha eine wirklich flotte Sohle aufs Parkett legte.

Plötzlich war das Lied zu Ende und wir alle standen ­nebeneinander, irgendwie unbeholfen.

Da platzte es aus Hildegard raus: »Na ja, wenn wir ehrlich sind, haben wir schon bei dem einen oder anderen Stück überlegt, ob es vielleicht doch nicht so zu euch beiden passt …«

Gerdi nickte zustimmend. »Ja, ihr jungen Leute heute habt doch einen recht anderen Geschmack. Das hat man ja an eurer Wohnung gesehen – alles so kalt und ungemütlich! Wir haben es nur gut gemeint, ehrlich!«

Ben und ich lachten die beiden an und mein Mann sagte: »Vergessen wir das – heute wird gefeiert! Und zwar richtig! Wenn ihr mögt, kommt ihr in den nächsten Tagen bei uns vorbei und helft uns, euer innenausstatterisches Wunderwerk wieder zurückzubauen, okay?«

Magaskawee und Pamuy wirkten sichtlich erleichtert: »Okay, Dienstag ganz früh sind wir da. Und die Accessoires geben wir einfach weiter an die Frauen von der Energie-­Tanzgruppe, die finden das toll!«

Wir feierten ausgelassen bis in die frühen Morgen­stunden.

Dienstag nach der Hochzeit

Pünktlich um neun Uhr standen Hildegard und Gerdi bei uns vor der Tür. Gemeinsam drängten wir die subkontinentalen Einflüsse in unserer Wohnung schnell wieder zurück, hängten die Tücher ab und verpackten die Kissen zusammen mit dem Paravent und den Statuen. Auch unser Bett stand wieder da, wo es stehen sollte. Ein kleiner Diskussionsversuch von Gerdi wurde von Ben mit einem einzigen Blick gestoppt.

Nach nur zwei Stunden sah unsere Wohnung wieder so aus, wie Ben und ich sie liebten: klares, gradliniges Design in gedeckten Farben mit einigen wenigen bunten, sehr wirkungsvollen Accessoires.

Hildegard wollte gerade noch eine letzte Wunderlampe aus Aladins Zauberland wegräumen, da ging ich zu ihr und nahm ihr dieses reich verzierte Kleinod aus Messing aus der Hand. »Liebe Magaskawee, liebe Pamuy – diese kleine ­Lampe möchte ich gern als Erinnerung behalten. Sie bekommt einen Ehrenplatz in unserem Bücherregal. Und ich werde jedes Mal, wenn ich sie sehe, schallend lachen, das verspreche ich euch!«

Das perfekte Schwiegerdinner

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich koche für mein ­Leben gern. Nichts ist entspannender, als bei einem Glas Rotwein und dezenter Musik etwas zu zaubern, das die lieben Gäste zu schätzen wissen.

Denn es gibt zwar so etwas wie liebe Gäste, jedoch ganz gewiss nicht in Form meiner Schwiegermutter!

Doch heute lag genau da das Problem. Denn es gibt zwar so etwas wie liebe Gäste, jedoch ganz gewiss nicht in Form meiner Schwiegermutter!

Ich möchte nicht voreingenommen klingen, schließlich bin ich der Guten noch nicht begegnet. Mit Klaus war ich erst seit fünf Monaten zusammen. Dennoch wusste ich, dass er der Richtige war. Es passte einfach alles. Umso wichtiger war es für mich, heute einen guten ersten Eindruck zu machen. Alles in allem also keine idealen Voraussetzungen für einen entspannten Abend.

Ach, die ist bestimmt ganz nett, Iris.

Die überhebliche Stimme in meinem Innern gehörte nicht zu mir. Zumindest nicht so richtig.

Nein ehrlich, das ist doch die Mutter von Klaus. Dann muss sie doch nett sein, oder?

Klar. Ich vernahm die Worte und wünschte, ich könnte es glauben. Fünf Monate waren genug, um einen Mann wie Klaus zu durchschauen. Und damit meine ich nicht seine ewige Suche nach dem zweiten Socken oder diese stän­dige Handy-Starrerei. Es war die Art, wie er von seiner Mutter sprach. Voller Respekt. Nein, voller Angst. So als kämpfe er mit der nackten Panik, wenn er nur an sie dachte.

So viel zu meinen guten Aussichten für den heutigen Abend.

Schweren Herzens machte ich mich an die Arbeit. Vielmehr stand ich vor der geöffneten Kühlschranktür und zerbrach mir den Kopf, was man aus diesen mageren Zutaten wohl kochen könnte.

Zweifel nagten an meinen Nerven. Vielleicht war der heutige Abend keine gute Idee gewesen. Ich rief Klaus an.

»Der Teilnehmer ist im Moment nicht erreichbar«, war die einzige Antwort. War ich etwa das Opfer einer Verschwörung? Verunsichert und allein gelassen?

Aus der Nummer kam ich jetzt ohnehin nicht mehr raus. Ich würde mein Bestes geben und ein zauberhaftes Abendessen servieren. Schließlich hatte Klaus mir wertvolle Tipps gegeben. Da konnte ja nicht so viel schiefgehen.

Ein Blick auf die Uhr. Mir blieben noch knapp fünf Stunden, bis ich zum allerersten Mal meiner zukünftigen Schwiegermutter gegenüberstehen würde. Das würde knapp werden, aber mit gekonnter Planung würde ich das schaffen.

Immer noch genauso ratlos wie zuvor öffnete ich wieder den Kühlschrank. Während ich die gähnende Leere der Kühlfächer bestaunte, hörte ich wieder die Stimme aus dem Off.

Na Iris? Schon eine Idee, was es heute Abend geben wird?

Das hatte mir gerade noch gefehlt! Dass mir meine ­eigene Einbildung zynische Kommentare um die Ohren schlug!

Zumindest scheint es ja nicht kalorienreich zu werden …

Ich schloss eine Sekunde lang meine Augen, um mich auf die Tatsachen zu besinnen. So schnell ich konnte, ­schnappte ich mein Survival-Kit – Geldbörse, Handy, Autoschlüssel, Korb. Mir blieben noch vier Stunden und dreiunddreißig ­Minuten. Meine Laune stieg merklich, als ich den Supermarkt betrat. Denn Einkaufen war mehr, als nur einen Blechwagen durch die Gegend zu schieben, um irgendwelche Produkte hineinzuwerfen. Einkaufen, das war für eine Köchin wie das Auswählen der Farben für einen Maler. Die reinste Inspiration.

Nur nicht unter solchem Druck wie heute. Ich betrachtete das gammelige Gemüse, das so aussah, als hätte man es mit dem Handkarren von Holland hierhertransportiert.

Noch vier Stunden und fünfzehn Minuten.

Da bleibt dir nicht mehr allzu viel Zeit. Wissen wir denn jetzt endlich, was es heute Abend geben wird?

Selbstverständlich hatte ich mir unterwegs Gedanken über das Menü gemacht. Unter Berücksichtigung von Klaus’ Empfehlungen.

Für den Salat brauchte ich Tomaten, denn die liebte seine Mutter, hatte er gesagt. Doch der Anblick dieser matschigen Früchte erregte lediglich mein Mitleid.

Dann vielleicht Gurkensalat? Mit einem raffinierten Dressing konnte er zu einer Delikatesse werden. Schnell suchte ich den passenden Gemüsekorb. Nur leider herrschte hier gähnende Leere.

Es blieb mir nur ein bunter Kopfsalat. Vielleicht mit Oliven und Lauchzwiebeln? Ich liebte einen frischen Sommersalat – Klaus jedoch nicht und seine Mutter dann wohl auch nicht. Schließlich fiel der Apfel nicht weit vom Stamm. Egal, ich hatte ja noch die Hauptspeise und mit der bekam ich sicher zehn Punkte. Wenn ich meinem Schatz glauben konnte, denn der schwärmte für meine Quiche Lorraine mit Pfiff. Und seine Mutter würde sie genauso lieben, hatte er gemeint.

Als ich den frischen Spargel im Korb sah, traf es mich wie ein Blitz. Letzte Woche hatte ich ein neues Rezept ­ausprobiert: Spargel mit Joghurtdressing. Hörte sich seltsam an, ­schmeckte aber einfach lecker. Meine Vorspeise stand somit fest.

Guten Mutes raste ich durch den Supermarkt und jagte nach allem, was ich brauchte: Eier, Rahm, Gouda, Speck und Zwiebeln. Natürlich auch nach einer guten Flasche Wein.

Zurück in meiner Küche fühlte ich mich wieder wie ein Mensch. Ein gutes Gefühl. Vielleicht lag es daran, dass ich endlich anfangen konnte. Ohne nachzudenken, griff ich nach meiner liebsten Rührschüssel. Der Teig für die Quiche würde ein Kinderspiel werden.

Ob die Mutter von Klaus mein Essen wirklich mögen würde? Eine Reihe von möglichen Szenarien drängte sich ­beharrlich in meinen Verstand. Zweifel stiegen auf und ich verspürte ein ungutes Drücken in der Magengegend.

Ob es der Iris wohl gelingt, ihre Schwiegermutter mit Quiche Lorraine zu beeindrucken?

Das war das Dumme an so einem Sprecher aus dem Off. Man konnte keine gusseiserne Bratpfanne nach ihm werfen.

Ich hatte ohnehin keine Zeit für so etwas. Die lief mir nämlich geradezu davon. Nicht einmal mehr drei Stunden blieben noch.

Im Geiste ging ich die Ingredienzien noch einmal durch. Super, alles da. Ich hätte zufrieden sein können. Wäre da nicht dieser kleine Teufel in meinem Ohr gewesen, der mich langsam in den Wahnsinn trieb.

Na Iris, hast du auch an alles gedacht?

»Hab ich!«, schnauzte ich den unsichtbaren Gesprächs­teilnehmer selbstsicher an. »Alles da.«

Wirklich alles?

Leicht irritiert sah ich meine Einkäufe noch einmal durch. Unsicherheit schlich sich in meinen Verstand und lähmte mein neu gewonnenes Selbstbewusstsein. Wie ein tückisches Gift.

Alles?, wiederholte die ätzende Stimme.

Es war wie eine juckende Stelle am Rücken, die man nicht kratzen konnte. Unerreichbar, und doch war sie da.

Auch den Muskat?

Muskat. Kein Muskat! Nicht einmal eine winzige Nuss. Verdammt. Quiche Lorraine ohne Muskat, das war wie eine Kerze ohne Docht. Sofort stürzte ich los, um Muskat zu ­kaufen.

Als ich wieder nach Hause kam, war Klaus schon da.

Und die Uhr zeigte gnadenlos an, dass mir nur noch zwei Stunden blieben. Da half es mir herzlich wenig, dass er mit Dackelblick in meiner Küche herumstand.

»Wie läuft’s?«, fragte er vorsichtig und schien sich im gleichen Augenblick zu wünschen, dass er mich nicht gefragt hätte. Ein Wimpernschlag von mir und er gab den Weg frei.

Schweigend machte ich mich an die Arbeit. Schneller als gedacht landete die Quiche im Backofen. So viel dazu. Während ich die Kerzen auf dem Tisch ausrichtete, stellte ich Klaus die Frage: »Sag mal, wie ist deine Mutter eigentlich so?«

Sofort erblasste seine Gesichtsfarbe. Er suchte nach Worten. Vielleicht auch nach Ausflüchten. Wer konnte das schon sagen?

»Na ja«, sagte er. Sonst nichts. Aber das genügte, ich hatte verstanden. Wenn sie wirklich so ein Drache war, dann stellte ich besser den Feuerlöscher bereit.

Eine Stunde später kehrte langsam so etwas wie Ruhe ein. Die Spargel-Joghurt-Vorspeise sah so aus, wie es meiner Erwartung entsprach, und auch die Quiche Lorraine war ­gelungen. Verschwitzt, aber glücklich betrachtete ich mein Werk.

Na, Iris? Hast du jetzt alles, was man für ein Drei-­Gänge-Menü braucht?

Der schon wieder. Diesmal konnte er mich nicht verunsichern. Das schwor ich mir still. Denn jetzt war es an der Zeit, mir Gedanken über mein Aussehen zu machen. Wie wäre es mit dem roten Kleid? Nein, das wäre eindeutig ein bisschen overdressed.

Ein Drei-Gänge-Menü?, wiederholte das ungreifbare ­Ekelpaket.

Vielleicht doch eher bequem in Jeans? Die mit den drei Nähten?

Drei?

Mein geistiger Kleiderschrank verschwand. Zurück blieb nur die Zahl drei. Siedend heiß fiel es mir ein. Ich hatte nur Vorspeise und Hauptspeise. Alles andere als ein perfektes Dinner. Ich hatte nur Vorspeise und Hauptspeise.

Weil die Nachspeise fehlte!

Bestimmt ist die Schwiegermutti keine Süße. Sind sie doch meistens nicht.

Ich schwor mir, mich eigenhändig auf die Suche nach diesem Menschen zu machen, der da unvermittelt in meinen Kopf hineinsprach, sobald alles vorbei war.

»Ich kriege dich, hörst du?«

»Hast du etwas gesagt, Iris?«, fragte Klaus.

»Ich habe keinen Nachtisch«, blaffte ich ihn an.

Er machte so ein bestürztes Gesicht, dass es mir sofort leid tat. Ich sah in das fassungslose Klausgesicht und zuckte mit den Achseln.

»Ich weiß was.« Ein Siegerlächeln erschien auf seinen Lippen und rettete meine Stimmung. Normalerweise hätte ich mich jetzt vorsehen müssen. Doch Verzweiflung macht leichtgläubig.

Deshalb lauschte ich einfach nur dem, was er zu sagen hatte.

»Mama mag nichts so sehr wie fertige Schokodesserts. Ehrlich!«

Ungläubig begann ich seine Worte nachzuvollziehen. »Pudding aus dem Plastikbecher?«

»Natürlich«, grinste er. »Dafür lässt sie alles stehen und liegen.«

Wäre ich nicht so verzweifelt gewesen, dann hätte ich das sicher nicht in Betracht gezogen. So aber hatte ich ­keine Wahl. Schließlich war es seine Mutter. Und die kannte er wohl hoffentlich besser als ich. Stirnrunzelnd gab ich nach und Klaus verschwand durch die Haustür.

Ich dagegen verzog mich schnurstracks ins Schlafzimmer zu meinem Kleiderschrank.

Es klingelte.