Wahn und Widerstand - Armin Peter - E-Book

Wahn und Widerstand E-Book

Armin Peter

0,0

Beschreibung

In der postdramatischen, auf originelle Regie und schauspielerischen Glanz gestellten Bühnenepoche lassen sich differenzierte politische Stoffe kaum noch vermitteln. Das Lese-Drama bietet einen Ausweg: Eine vorgestellte Bühne mit Leserinnen und Lesern, die konzentriert reflektierend den Dialogen folgen können. Die Lese-Dramen "Wahn und Widerstand" folgen dem Gedanken, dass politischer Widerstand oft Teil des Wahn ist, gegen den er sich richtet. Typisch dafür "Der Tod des Kugelgießers": 1934 wird der Ghostwriter des Vizekanzlers von Papen von den Nazis umgebracht, weil er in Papens Reden seine von ideologischem Wahn geprägten Widerstand geschürt hat. Das Lesestück "Mort pour la France" geht der Frage nach, warum die Franzosen 1942 in Algier sowohl einem getöteten Regierungschef als auch seinem Mörder das Ruhmesblatt "Gestorben für Frankreich" gewidmet haben. Gerhart Hauptmann erhält 1932 zu seinem 70. Geburtstag die preußische Staatsmedaille in Gold, die ihm gleich zweimal verliehen werden muss, nämlich von der rechtmäßigen Regierung und der im "Preußenschlag" okkupierten - und er schweigt dazu. Ein stellungsloser deutschnationaler Studienrat vertreibt in verspätet aufklärerischer Absicht Hitlers zum 50. Geburtstag präsentierte Prachtausgabe von "Mein Kampf" (das "Buch mit dem goldenen Schwert"). Konflikte, Tragödien, Komödien - das kann auch ein Lese-Drama bieten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 369

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Mort pour la France

Vorspiel in Colombey-les-Deux-Eglises

Erster Teil: Das Unternehmen „Fackel“

Zwischenspiel in London

Zweiter Teil: Das Attentat von Algier

Nachspiel in Colombey-les-Deux-Eglises

Der Tod des Kugelgießers

Eine Goldmedaille für den Dichter

Das Buch mit dem goldenen Schwert

Mort pour la France

Personen

Admiral François Darlan

Madame Darlan

Hourcade, Adjutant

Fernand Bonnier de la Chapelle

Jeanne, seine Schwester

Bernard d’Astier de la Vigerie

Sabatier

Mario Faivre

Henri d’Astier de la Vigerie

Josiane, seine Frau

Rigault, Verleger

Oberst van Hecke

Oberst Jousse

Lemaigre-Dubreuil, Unternehmer

Robert Murphy, Diplomat

GenLt. François d’Astier de la Vigerie

GenLt. Mark W. Clark

General Juin

General Mast

Captain Gerauld Wright

Zwei Polizisten

Ein Polizeioffizier

Zwei Offiziere

Ein Soldat

Im Vor-, Zwischen- und Nachspiel:

Winston Churchill

Charles de Gaulle

Ort und Zeit

Algier und Vichy, Herbst/Winter 1942; Vor-, Zwischen- und Nachspiel in Colombey-les-Deux-Eglises 1950 und London 1942

Vorspiel in Colombey-les-Deux-Eglises

De Gaulles Arbeitszimmer mit Eckfenster. De Gaulle, Churchill

Churchill Sie schreiben Ihre Memoiren, mon Général?

de Gaulle Winston Churchill hat seinen Krieg beschrieben, Charles de Gaulle beschreibt den seinen.

Churchill Zwei Kriegshelden im Ruhestand. Sie sind jung, M. de Gaulle, zu jung, um Ihre Memoiren zu schreiben.

de Gaulle Wir leben im Wartestand, Mr. Churchill, Sie und ich. Die Geschichte hat uns noch nicht entlassen.

Churchill Unsere undankbaren Völker taten es.

de Gaulle Das Volk ist vergesslich. Aber es hat doch ein großes Gedächtnis. Was wäre das britische Volk ohne Sie gewesen? Sie waren sein Wille, seine Seele, seine Ehre. Ohne das alles – was ist ein Volk? Und Sie sind sein Schicksal, Mr. Churchill.

Churchill Halt, mon Général! Das ist mein Wort, und ich münzte es auf Sie, auf den General de Gaulle. Sie haben mein Buch gelesen –

de Gaulle Ein großes Buch!

Churchill Ihr Land kopflos, mutlos im Chaos seiner Überrumpelung. Die Häupter der Republik verzweifelt. Patrioten überall, voller Leidenschaft ohne Entschluss. Da stand der General, regungslos, wie unbeteiligt –

de Gaulle Sekretär im Kriegsministerium, ich hatte zu schweigen.

Churchill Ich sah ihn stehen – stehen, mon Général! – und ich sagte zu ihm: l’homme du destin. Er sah über die Köpfe hinweg. Seine Stunde würde kommen. Ich wusste es. Sie erinnern sich! (de Gaulle blickt Churchill schweigend an) Dass Sie Ihr Buch hier unter diesem grauen Marnehimmel schreiben müssen! (blickt durchs Fenster) In dieser öden Landschaft. Gehen Sie an die Côte d’Azur. Die liebe ich. Sonne. Erinnern Sie sich an unsere Konferenz in Casablanca? – als wir die Freiheit und den Sieg ins Buch der Geschichte diktierten. Roosevelt –

de Gaulle Roosevelt!

Churchill Mit ihm bin ich nach Marakesch gefahren – in die Oase unter der hellsten Sonne. Schade, mon Général, dass sie nicht mitreisen konnten –

de Gaulle Wollten!

Churchill Roosevelt ließ sich in seinem Stuhl auf einen Turm tragen, ich packte an. Der Sonnenuntergang über den Schneebergen des Atlas! Wir haben gelacht, wir haben gesungen. Dort malte ich das einzige Bild, das ich während des ganzen Krieges zu malen unternommen habe. Ah, Nordafrika!

de Gaulle Ich habe keine angenehmen Erinnerungen an Casablanca. Roosevelt hat mich herbeizitiert. Ein Gefangener hinter Stacheldraht war ich, umlauert von Agenten und GIs.

Churchill Wir alle lebten hinter Stacheldraht, auch der Präsident. Wir mussten uns verstecken vor der Welt, um unsere Pläne im Stillen schmieden zu können.

de Gaulle Und der Charme des Briten war brutal. Sie haben mir den Giraud aufgezwungen –

Churchill Ach, der arme General Giraud!

de Gaulle – mich gezwungen, meine Regierung in Nordafrika mit ihm zu teilen. Mich gezwungen – zu dieser Revolverhochzeit mit Giraud. Mein Landsmann hat nie begriffen, was er mir und dem Befreiungskomitee schuldig war.

Churchill Revolverhochzeit. (lacht) Die Amerikaner lieben diese herzigen Begriffe. Wir hatten uns geirrt in General Giraud – sorry!

de Gaulle Der ewige Leutnant. Soll ich Ihnen Ihr Buch zeigen, Win-ston? (er erhebt sich)

Churchill Lassen Sie es liegen, ich kenne es.

de Gaulle Revolverhochzeit. Sie hätten sich nicht einmischen dürfen in die Führungsfrage der französischen Nation – mit Ihrer Revolver-hochzeit!

Churchill Mon Général! Welche Rolle spiele ich in Ihrem Buch? Ich war Ihr Freund. Im Krieg, immer, unwandelbar. In allen Krisen und Krächen.

de Gaulle Wenigstens haben Sie mich nicht Jeanne d’Arc genannt, wie viele sonst.

Churchill Lesen Sie mein Buch, mon Général! Muss ich Ihnen vorlesen, wie ich dachte über Sie? (de Gaulle setzt sich) Für mich war Charles de Gaulle der Konnetabel von Frankreich. Davon konnte ich Roosevelt nicht überzeugen. Was wissen wir Angelsachsen vom Geist einer Nation, die ihren Führer ruft.

de Gaulle Die ihre Führer in den Ruhestand schickt, wenn sie ihrer nicht mehr bedürftig zu sein glaubt.

Churchill Wie mich.

de Gaulle Zwölf Jahre hat Roosevelt regiert. Zwölf!

Churchill Zehn Jahre General de Gaulle! Der deutsche Blitzkrieg war zu Ende, Frankreich ohnmächtig. Da war der Flugplatz von Bordeaux. Die gegen Hitler verbündeten Offiziere schüttelten sich die Hände zum Abschied, der Motor knatterte. Mein General Spears war in seinen Doppeldecker geklettert. Da sprang der General de Gaulle in die Maschine. In einem winzigen Flugzeug nimmt er Frankreichs Ehre in die Emigration.

de Gaulle Das Knie habe ich mir bei meinem Sprung gestoßen. Ein kleiner Schmerz gegen den Schock des Todesurteils, mit dem Franzosen mich für ihren eigenen Verrat bestraften.

Churchill Wir waren verbündet mit einer Nation, doch die war ein einziger Mann.

de Gaulle In Nordafrika war ich nicht Ihr Verbündeter! Sie haben mit Admiral Darlan paktiert. Stand seine Unterschrift nicht auch unter meinem Todesurteil? Dann haben Sie mich mit Giraud verkuppelt.

Churchill Sie lebten, mon Général, und mit Ihnen lebte Frankreich. Ihr Chablis ist exzellent, Monsieur. Einen Whisky haben Sie nicht im Haus?

de Gaulle Whisky. Ich fürchte – (er erhebt sich)

Churchill Der Arzt hat ihn mir verboten, wie meine Zigarre. Ich bleibe wohl beim Chablis, er ist exzellent, voller Kraft und Eleganz. (de Gaulle setzt sich) Ach, sechzig Jahre! Wie beneide ich Sie jungen Mann.

de Gaulle Wir beide waren Akteure in einem Weltendrama. Sie haben Ihre großen Bücher geschrieben. Mein Buch stockt. Das Drama ist beendet, der Vorhang ist gefallen. Kann ich ihn wieder heben?

Churchill Schreiben Sie! Kämpfen Sie wieder! Der Kampf ist die Mutter der Kunst.

de Gaulle Mr. Churchill, Sie verstehen sich darauf, Sie sind ein grandioser Autor.

Churchill Ich war ein Berichterstatter, mon Général!

de Gaulle Ich stocke – im dritten Kriegsjahr. Ich sitze in Nordafrika, nein, ich stehe noch auf dem Weg zwischen London und Algier. Auf der Suche nach einem Stützpunkt für die kriegführende Macht Frankreich, die nicht geschlagen war – gegen allen Anschein.

Churchill Unter dem Lothringer Kreuz! Ihrem!

de Gaulle Ich musste das kämpfende Volk um mich versammeln. Nicht ein paar versprengte Truppen. Ich musste aus meinem Herzen eine Nationale Regierung schaffen und sie dem Volk ins Herz pflanzen. Ich musste die Einheit des zerrissenen Frankreichs wieder herstellen – gegen Widerstand und Dummheit. Gegen die Alliierten!

Churchill Wir Alliierten haben den General de Gaulle unterstützt.

de Gaulle Als er eine Macht geworden war. In Nordafrika haben sie auf den Admiral Darlan und auf General Giraud gesetzt.

Churchill Wir brauchten die beiden. Der große de Gaulle war noch zu klein.

de Gaulle Frankreich lässt sich nicht gebrauchen. Nie durfte sich ein amerikanischer Präsident zum Schiedsrichter über das zerstrittene Frankreich setzen. Wie konnte Amerika, dieser glänzende neue Stern am Himmel der Weltgeschichte, glauben, Frankreichs Schicksal lenken zu können? Warum haben Sie sich, Mr. Winston, der Europäer, in diese Koalition der Anmaßung begeben?

Churchill Der militärische Erfolg hat uns recht gegeben. Wir wollten Europa befreien – ja, Europa! – mit Amerikas Kraft. Das wissen Sie doch, mon Général – wenn wir Briten zwischen dem Kontinent und der Weite des Meeres zu wählen haben, werden wir uns immer für das Meer entscheiden. Als Sie mich zwingen wollten – oh, Sie haben es oft getan! –, mich zwischen Ihnen und Roosevelt zu entscheiden, habe ich Roosevelt gewählt. Der Admiral Darlan hat das besser verstanden als der Panzergeneral de Gaulle.

de Gaulle Darlan! Der Held eines Systems, das aus der schändlichen Demütigung noch einen kleinen schäbigen Sieg machen und die Beute Europa mit den Faschisten teilen wollte!

Churchill Sprechen Sie nicht so über Darlan! Er hat uns geholfen, Hitler zu besiegen. Ich weiß nicht, warum der Schöpfer der großen französischen Flotte sich in der Niederlage nicht an die Spitze des kämpfenden Frankreichs gestellt hat, warum er nicht mit seiner Flotte und den Truppen nach Nordafrika gegangen ist, um an der Seite Großbritanniens den Kampf fortzusetzen. Er hat es nicht getan. Er hätte mit Charles de Gaulle das freie Frankreich verkörpern können.

de Gaulle Der Ehrgeiz hat ihn blind gemacht für diese große Chance. Lieber ein kleiner Marineminister im Vichy-Kabinett Pétains! Des törichten greisen Vasallen Hitlers! Er hätte sich nur der Pläne bemächtigen müssen, die ich entwickelt hatte.

Churchill Admiral Darlan hat seine Chance verpasst. Misstraute er uns Briten? Konnte er es den Briten nicht verzeihen, dass sein Urgroßvater sein Leben in der Schlacht von Trafalgar gelassen hat? Europa ist voll von solchen schmerzlichen Erinnerungen. Doch der Admiral Darlan hat das Versprechen gehalten, das er mir gegeben hat: Die französische Flotte werde nie, nie, in deutsche Hände fallen. Er hat es gehalten. Das ist viel, mon Général. In Nordafrika haben wir Admiral Darlan seine zweite Chance gegeben. Darlan – das ist eine Tragödie.

de Gaulle Wenn wir schreiben, verstehen wir uns, Winston Churchill! Tragödie, ja. So habe ich das Kapitel über den Kampf in Algier überschrieben. Tragödie. Soll ich es Ihnen vorlesen?

Churchill Viele schreiben an einer Tragödie mit. Kein Autor ist der Herr seines Stoffes. Er sieht nur den, den das Schicksal ihm vor die Füße legt.

de Gaulle Ja. (geht zu seinem Schreibtisch, rafft einige Blätter zusammen; Churchill entzündet eine Zigarre, der Gastgeber schlägt auf einen Gong afrikanischen Stils, in den verhallenden Klang mischt sich eine Wolke aus Churchills Zigarre)

Erster Teil Das Unternehmen „Fackel“

1

Wohnung der d’Astiers in Algier. Bernard d’Astier de la Vigerie, Fernand Bonnier de la Chapelle, Sabatier, Mario Faivre, Jeanne Bonnier de la Chapelle

Bernard Der General Giraud! Das ist ein Kerl. Er soll leben! (hebt sein Glas) General Giraud, hoch, hoch, hoch!

Die andern (außer Jeanne) Hoch, hoch, hoch!

Sabatier Du trinkst nicht mit uns, Jeanne?

Jeanne Hoch.

Fernand Begeistert klingt das nicht, Schwesterchen.

Jeanne Wird General Giraud zu uns kommen, nach Nordafrika?

Bernard Er wird, er wird! Wir können seine Ankunft schon heute feiern. Willkommen, General Giraud.

Jeanne Er hat dem Marschall Pétain sein Offizierswort gegeben, dass er nach seiner Flucht nicht gegen die Deutschen kämpfen wird. Sonst hätte der Marschall ihn zurückschicken müssen in die deutsche Festung.

Bernard Den schickt keiner wieder in die Gefangenschaft – nach dieser halsbrecherischen Flucht.

Mario Was ist ein Wort schon wert, das einer den alten Männern in Vichy gibt, die ihren Mut verloren haben. Der Hitler weiß: der Giraud geht nach Nordafrika. Der führt das freie Frankreich – in den Kampf! Auch gegen den Greis von Vichy. Hat uns der alte Marschall nicht die nationale Revolution versprochen! Was ist eine Revolution ohne Kampf?

Bernard Giraud kämpft! Er wird unsern alten Pétain aufrütteln.

Jeanne Giraud ist selber alt! Über sechzig.

Fernand Nur dein Charles de Gaulle ist jung! Wir sind jung, wir, wir! Wir sind die Jugend, wir sind die Legion, die kämpfen wird. Wir – hoch die Chantiers de la Jeunesse! (hebt sein Glas) Unsere Führer sind jung. Es lebe unser Oberst van Hecke – hoch!

Die andern (außer Jeanne ) Hoch!

Jeanne Eure Soldatenspielerei. Grabt eure Schützengräben und Schan-zen in die Wüste, ihr Pfadfinder! Das habt ihr doch den Faschisten ab-geguckt. Ja, die kämpfen! Die lachen über uns Franzosen.

Sabatier Fernand, bring deine Schwester nach Haus! Sofort! Sie macht mich nervös.

Fernand Jeanne, du kannst bleiben, wenn du schweigst.

Sabatier Sie soll gehen! Wir sind die neue Nation. Wenn sich das Mutterland feige in die Flanke des Feindes drückt, wir stoßen hinein. Ich kann es nicht ertragen, dass sie über uns lacht.

Jeanne Wer lacht denn? Ich weine. Habt ihr Flugzeuge, habt ihr Panzer, habt ihr Schiffe –

Bernard Frankreich hat in Nordafrika eine starke Armee. Wir haben unsere Flotte, in Mers el Kebir, in Toulon –

Fernand Nein, Bernard, die Flotte hat Admiral Darlan in Toulon an die Kette gelegt.

Bernard Aber wir haben sie! Wir haben alles. Wir sind noch eine Macht. Wir haben den Willen zu kämpfen. Uns fehlt nur ein Führer. Giraud! Giraud muss kommen.

Mario Alt ist er – aber ein Draufgänger, verwegen, drahtig. Der hat Mut, der vertraut auf sein Glück. Der gibt sich nicht geschlagen –

Jeanne Aber in Belgien musste seine 9. Armee sich geschlagen geben.

Sabatier Fernand, deine naseweise Schwester! Ich halte das nicht mehr aus.

Mario Die Volksfront wurde geschlagen, das müde, feige, zerrissene Frankreich, die verfluchte Republik. Die ihrer Armee die Waffen und den Geist zerstörte. Doch nicht Giraud! Den konnten die Deutschen nicht einsperren auf ihrer Festung Königstein. Wie eine kluge Spinne spinnt er sich ein Seil aus Hanf und Kabeln, seilt sich ab in die schwindelnde Tiefe, hangelt sich an der Festungsmauer – dreißig, vierzig Meter – in die Freiheit, reist seelenruhig mit der Bahn von der Elbe ins Elsass – und Hitler tobt! Den kann keiner bezwingen, der ist so jung wie wir.

Bernard Hoch! Hoch, Giraud! (hebt sein Glas)

Die andern (außer Jeanne ) Hoch, hoch Giraud!

Sabatier Fernand, wenn deine Schwester nicht sofort geht –

Fernand Jeanne, wir gehen, bitte, komm.

Jeanne Ich kann alleine gehen.

Fernand Nein, ich bringe dich nach Haus. Ich komme zurück, Kameraden! (geht zur Tür, zieht Jeanne mit sich)

Jeanne(an der Tür) Glaubt General de Gaulle! Baut auf seine Worte. In der Welt sind die Mittel vorhanden, um unseren Feind zu vernichten. Frankreich hat eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg. Unser Vaterland schwebt in der Gefahr zu sterben. Kämpfen wir, es zu retten! Vive la France.

Bernard Ich, General de Gaulle! Hast du alle seine Aufrufe auswendig gelernt, Jeanne? Weißt du nicht, dass General Giraud der Vorgesetzte deines Generals gewesen ist? Verlass dich drauf, er wird es immer bleiben. De Gaulle hat sich abgesetzt, Giraud kommt zu uns, um mit uns zu kämpfen. Mit uns – der Legion der französischen Jugend. Wir finden unsere Verbündeten ( Jeanne tritt in den Raum zurück)

Sabatier Jeanne, geh! Fernand! So geht endlich. Wir haben etwas zu bereden. Du kommst zurück, Fernand, ja? – ohne die Agentin de Gaulles. Verstanden! Die Zeit der Appelle ist vorbei. Schluss mit der Poesie. Jetzt machen wir Politik.

2

Ein Platz. Jeanne, Fernand

Jeanne Schau, Fernand, das Licht! (blickt ins Weite)

Fernand Komm, Jeanne, bitte, ich muss zurück.

Jeanne Geh nur! Lass mich allein.

Fernand Wir gehen nach Hause, und ich geh’ zurück zu meinen Kameraden.

Jeanne Die Gruppe der Hydra – schlägt man ihr einen Kopf ab, wächst ein neuer nach. Die Geheimgesellschaft von Mont Hydra –

Fernand Wir werden kämpfen, lach du nur. Komm, Jeanne!

Jeanne Oktober in Paris. Das Laub der Platanen raschelt auf den Champs-Elysées. Wie gern wär’ ich in Paris.

Fernand Dein General wird dir keinen Passierschein ausstellen können. Komm, Jeanne.

Jeanne Wie lange werden die Deutschen in Paris sein? Ein Jahr, zwei, zehn Jahre? Dann bin ich alt.

Fernand Vergiss dein Paris. Die Deutschen machen ihren Lunapark daraus. Hier ist die Hauptstadt Frankreichs, hier in Algier. Hier schlägt das Herz unseres Kolonialreichs. Paris ist ein Provinznest auf einer deutschen Landkarte. Bitte, Jeanne, ich muss zurück.

Jeanne Fernand Bonnier de la Chapelle, der Befreier Frankreichs!

Fernand Lach’ nur! Dinge könnte ich dir erzählen – lach’ nur.

Jeanne General Giraud führt die Chantiers de la Jeunesse ins Mutterland und befreit Paris. Der Kinderkreuzzug!

Fernand Das Corps France d’Afrique. Ich kann’s dir nicht sagen, Jeanne, es ist alles geheim. Aber Dinge könnte ich dir erzählen –

Jeanne Tu’s, Fernand.

Fernand Warte nur ein paar Wochen.

Jeanne Giraud? De Gaulle?

Fernand Frag nicht. Ich sage nur ein Wort! Amerika.

Jeanne Amerika!

Fernand Psst! Bist du still. Komm!

Jeanne Die überlegene technische Macht. Das Schicksal der Welt. Das sagt General de Gaulle. De Gaulle und die Amerikaner.

Fernand Was redest du von de Gaulle? Der sitzt in London. Was weiß der von dem, was wir planen, wir, Jeanne, in Algier. Wir sind es, Jeanne – wir, die Franzosen des Empire, die Franzosen Nordafrikas, wir, Jeanne, hörst du, Frankreichs Aristokratie, wir schmieden das Schicksal der Nation.

Jeanne Dein Französisch-Afrika! Es waren Franzosen, die General de Gaulle zurückgeschlagen haben, als er in Dakar mit seinen Truppen landen wollte. Französische Schiffe schossen auf französische Schiffe, Franzosen fielen im Kampf gegen Franzosen. Und britische Bomben fielen auf französische Schiffe. Die Franzosen werden auf die Amerikaner schießen. Das ist dein Französisch-Afrika.

Fernand Wenn ich dir das erklären soll, Jeanne, stehen wir noch im Morgengrauen hier. (packt sie am Arm) Komm jetzt. Ich muss zurück, die Kameraden warten. (zieht sie fort)

Jeanne(singt) Allons enfants de la patrie –

Fernand Bist du still!

3

Im Haus d’Astier. Eine Karte Nordafrikas, ein Globus. Josiane d’Astier deckt einen Clubtisch; Henri d’Astier in einem Sessel, in Papieren blätternd

d’Astier Stell’ alles hin, Josiane. Es ist doch kein Personal im Haus?

Josiane Nein. Zigarren?

d’Astier Gut. Dann können wir wenigstens Lemaigre etwas bieten. Der ist verwöhnt, unser Großunternehmer. Reist durch die Welt wie im tiefsten Frieden.

Josiane Kommt Monsieur Saint-Hardonin heute?

d’Astier Nein, heute nicht.

Josiane Schade, er kann so amüsante Geschichten über die Deutschen erzählen, aus Berlin, aus Wiesbaden.

d’Astier Josiane, ich muss dich aussperren, leider. Stell’ nur alles hin. Aber Oberst Jousse wird da sein. Wir brauchen seinen Rat. Josiane, bitte, sag’ unsern jungen Kriegern, dass sie unser Haus verlassen sollen. Ich möchte nicht –

Josiane Aber wen stören sie denn?

d’Astier Oberst van Hecke mag es nicht, seine jungen Leute hier zu sehen. Eine Konspiration genügt, sagt er.

Josiane Aber sie sitzen unterm Dach! Die sehen doch keinen.

d’Astier Sie sollen gehen. Es ist spät genug.

Josiane Ich sag’s ihnen. Ich werde sagen: die Gruppe der Fünf plant ihren Hoch- und Landesverrat, da müssen die jungen Kämpfer verschwinden.

d’Astier Josiane!

Josiane Henri, mach’ mir unser Haus nicht zum Stabsquartier einer Verschwörung. Das ist ein friedliches Haus.

d’Astier Patrioten arbeiten für ihr Land – das ist keine Verschwörung, Josiane. Dies ist das Haus eines d’Astier de la Vigerie. Wir dienen! Mein Bruder François dient dem General de Gaulle in London, mein Bruder Emmanuel dient der Résistance im Mutterland, und ich diene hier, in Algier. Hier schlagen wir los. Hier planen wir die Wende. Hier ist die Front. In unserm Haus, Josiane, wird Geschichte geschrieben. Ich bin stolz darauf.

Josiane Wir haben eine Regierung in Vichy. Ihr habt keinen Auftrag, für Frankreich zu handeln.

d’Astier Der Widerstand braucht keinen Auftrag.

Josiane Niemand wird euch schützen, nicht der Marschall Pétain, nicht de Gaulle, nicht der Dauphin. Und wenn die Deutschen Nordafrika besetzten?

d’Astier Josiane, geh’ zu den Jungen. Bernard soll auf seinem Zimmer bleiben, den ganzen Abend, ja. Wir sind keine Verschwörer, Josiane. Wir sind freie Franzosen, die tun, was sie tun müssen. Bitte, geh.

Josiane Darf ich deinen Gästen wenigstens die Tür öffnen?

(ab; Henri verteilt Blätter auf dem Tisch)

4

Henri d’Astier, Oberst van Hecke, Rigault, Oberst Jousse

d’Astier Meine Herren, es gibt eine Komplikation. Ende Oktober wird Admiral Darlan in Algier die Truppen inspizieren.

van Hecke Wie lange bleibt Darlan in Nordafrika?

d’Astier Ein paar Tage. Bis Ende Oktober.

van Hecke Er wird uns nicht stören.

Rigault Was weiß General Juin? Was könnte er Darlan sagen? Der Admiral ist sein Oberbefehlshaber – auch in Nordafrika. Darlan ist Pétain.

d’Astier General Juin weiß nichts.

van Hecke Warten wir auf Herrn Lemaigre-Dubreuil?

d’Astier Er kommt später.

Rigault Er kommt mit Robert Murphy.

d’Astier Das ist gut. Murphy wird neue Nachrichten von den Amerikanern haben.

Jousse Darlan – Darlan. Meine Herren, könnte die Anwesenheit Admiral Darlans in Nordafrika nicht eine Chance sein? Wenn wir ihn für unseren Plan gewinnen könnten? General Giraud der militärische Kopf, Darlan die politische Autorität. Das wäre eine Kombination. Die Armee und die Verwaltung Nordafrikas stünden geschlossen hinter ihnen. Giraud allein? Ich zweifele, ob er allein überall die Gefolgschaft findet, die wir brauchen.

Rigault Ausgeschlossen, Oberst Jousse! General Eisenhower setzt auf Giraud. Können Sie sich vorstellen, dass Giraud mit Darlan zusammenarbeitet? Sich ihm unterstellt! Darlan steht auf der falschen Seite. Er kommt nicht von den Deutschen los. Die Landung der Amerikaner in Nordafrika – das ist die Wende! Sollen wir Darlan vielleicht die Chance geben, sich an den amerikanischen Sieger zu klammern, wie er sich an die deutschen Sieger geklammert hat?

Jousse Aber die Flotte gehorcht Darlan, und er hat sie frei gehalten vom Regiment der Sieger. Die Truppen in Nordafrika hören auf ihn. Die Amerikaner hoffen auf eine Zusammenarbeit mit der legalen Macht. Sie gehen ein gewaltiges Risiko ein, in kriegsentscheidender Stunde. Sie betreten zum zweiten Mal die Bühne der Weltgeschichte, hier, bei uns, in unserem Land. Alle Franzosen müssen an ihrer Seite stehen!

van Hecke Ich will das nicht hören, Oberst Jousse. Darlan – indiskutabel. Wir brauchen nur General Giraud. Darlan – der wird wägen, warten, zaudern. Der hofft auf den Sieg der Alliierten, aber er erwartet den Sieg der Deutschen. Wessen Fahne hebt sich, wessen Fahne sinkt? Und er schwört nur auf eine Fahne, seine eigene. General Eisenhower braucht Verbündete mit Enthusiasmus. Die findet er nur in wahren Patrioten. Hoch Giraud!

d’Astier, Rigault Hoch Giraud!

d’Astier Glauben Sie ernsthaft, Herr Oberst, dass sich ein französischer Offizier in Nordafrika der Landung der Amerikaner widersetzen wird?

Jousse Nicht Marschall Pétain ruft die Amerikaner, wir tun es. Wer sind wir, Herr Leutnant d’Astier? Die Offiziere haben ihren Eid auf Marschall Pétain geschworen. Darlan könnte General Juin für unsere Sache gewinnen.

van Hecke General Juin wird das Gebot der Stunde erkennen.

Jousse Und die Kommandierenden in Tunesien, Marokko? Westafrika? Die Generalresidenten stehen treu zu Vichy. Das ist eine Tatsache, meine Herren. Das Offizierskorps folgt der legitimen Gewalt. Noch heißt sie Marschall Pétain. Und Darlan – sein Vertreter, sein Dauphin.

d’Astier Herr Oberst Jousse, ich bitte Sie – nicht diesen Titel. Er gehört unserm Prinzen.

Jousse Die Amerikaner sind demokratische Formalisten. Sie haben das Regime in Vichy anerkannt.

van Hecke Ein Regime von Hitlers Gnaden – und legitim?

Jousse In Roosevelts Augen ist unser General Giraud ein romantischer Abenteurer. Wie der General de Gaulle.

van Hecke Die Amerikaner brauchen Giraud!

Jousse Den größten Nutzen hätte der Oberbefehlshaber Eisenhower von einem Oberbefehlshaber Darlan. Sie werden sehen, meine Herren, Mr. Murphy wird die Karte Darlan spielen.

van Hecke Ein unheimlicher Mann, dieser Murphy. Ist er eigentlich Botschafter? Einer von den diplomatischen Statisten am Hof von Vichy?

Rigault Er hat keinen Rang. Er hat eine Aufgabe. Offiziell ist er Konsul. Er ist der Vertraute Präsident Roosevelts, sein Beauftragter für Nordafrika. Er ist Eisenhowers Spähtrupp in Person. Er ist ein kluger Diplomat unter Kriegern. Er ist ein Freund von Herrn Lemaigre-Dubreuil.

van Hecke Der Erdnusskönig und der Agent –

Rigault Bitte, Herr Oberst. Was wären alle die Schwarmgeister ohne diese kühlen hellen Köpfe.

van Hecke Herr Rigault!

Jousse Die Amerikaner sollen kämpfen, und die Franzosen streiten.

d’Astier Das Elend der Franzosen ist es, dass sie keinen Führer haben. Wir kämpfen, um Frankreich einen Führer zu geben – einen Führer allerhöchster Legitimität.

Jousse Das lassen Sie nur nicht Mr. Murphy hören. Die Amerikaner wollen keinen Erwählten, die wollen wählen. Sonst depeschiert der Mur-phy seinem Präsidenten: Mission beenden, lassen wir Europa dem Hitler.

d’Astier Herr Oberst!

Jousse Verzeihen Sie, Herr d’Astier de la Vigerie.

van Hecke Wir kämpfen, wir, die Franzosen. Unsere Jugend kämpft: dreißigtausend stehen unter den Fahnen der Chantiers de la Jeunesse bereit. In Französisch-Afrika stehen immer noch 130 000 Mann unter Waffen. Die Amerikaner kämpfen an unserer Seite. Aber es ist unser Kampf. Wir werden das Mutterland befreien.

Jousse Ja, Oberst van Hecke. Als Soldat will ich aber Amerikas Hilfe nicht unterschätzen. Ohne die Hilfe der gewaltigsten Streitmacht der Welt –

van Hecke Streitkräfte sind Instrumente! Sie werden sich unserm ungebrochenen französischen Geist unterordnen.

Jousse Die Amerikaner sind keine Söldner. Sie folgen ihrem Geist.

Rigault Dem Geist der Freiheit! Meine Herren, streiten wir nicht!

5

Die Vorigen, Lemaigre-Dubreuil, Robert Murphy

Lemaigre Meine Herren, ich bringe Ihnen einen lieben Gast. Mr. Murphy. Sie kennen die Herren?

Murphy O ja. Guten Abend, meine Herren. Das heißt – (sein Blick geht zu Jousse)

d’Astier Oberst Jousse. Er berät uns in militärischen Fragen. Guten Abend, Mr. Murphy. Willkommen! (Alle schütteln sich die Hände; d’Astier reicht Getränke)

Lemaigre Neuigkeiten, meine Herren!

Murphy Meine Herren, ich darf Ihnen – zu meiner Freude – heute sagen: General Eisenhower hat die operativen Pläne abgeschlossen. Das Unternehmen ‚Fackel‘ steht. Die Flamme brennt.

d’Astier Die Flamme des Widerstandes.

Murphy Der Plan der Landung, ja.

van Hecke Wann, Mr. Murphy? Wann?

Murphy Der Tag X – ist noch nicht festgelegt.

Jousse Aber doch in diesem Jahr!

d’Astier Das Jahr 42 muss die Wende bringen.

Murphy Ja. Möglicherweise, Herr d’Astier. Die wichtigste Frage, meine Herren! General Eisenhower ist mit Präsident Roosevelt übereingekommen, mit General Giraud zusammenzuarbeiten – er soll die französischen Truppen Nordafrikas führen. Wir haben ihn schon von Südfrankreich nach Gibraltar gebracht, in einem U-Boot. Dort hält er sich bereit.

van Hecke Mr. Murphy! Es war unser Wunsch, unser aller Wunsch – (energisches beifälliges Nicken bei den andern): Bei der Landung soll der Oberbefehl über alle operativen Kräfte in einer Hand liegen – über alle! –, in General Girauds Hand. Wir kämpfen auf französischem Boden, Mr. Murphy. Wir wollen Frankreich befreien, Frankreich!

Murphy Die alliierten Streitkräfte –

van Hecke Die alliierten? – die britischen Streitkräfte werden teilnehmen! Die Briten?

Murphy General Eisenhower braucht die Briten. Das Landeunternehmen liegt voll in amerikanischer Hand.

d’Astier Wir wünschen keine Briten in Nordafrika. Die Amerikaner und wir Franzosen – das war der Plan!

Murphy Um auf den Oberbefehl zurückzukommen, meine Herren – nur General Eisenhower kann seine Soldaten in das riskanteste Unternehmen dieses Krieges führen.

Lemaigre Ich weiß, meine Herren, dass General Giraud das anders sieht – sehen muss. Das ist ein Problem. Ich reise nach Gibraltar. Ich spreche mit ihm.

Murphy Das amerikanische Volk und mein Präsident setzen ihr Vertrauen auf Eisenhower. Sie wissen nur, dass General Giraud ein tapferer Offizier ist. Aber das ist nicht genug.

van Hecke Er hat in Belgien gegen die Deutschen gestanden!

Murphy Er hat die Schlacht verloren. Sorry, Herr Oberst.

van Hecke Mr. Murphy, wir sind enttäuscht.

Murphy Die Landung steht unter alliiertem – unter amerikanischem Oberbefehl.

d’Astier Wir machen den Weg frei für die amerikanischen Truppen. Kann Giraud uns nach der Landung führen?

Murphy Nach der erfolgreichen Landung, meine Herren! Das heißt: kein französischer Widerstand! Kein Schuss. Unser Feind heißt Hitler. Kein amerikanischer Soldat darf sterben. Das amerikanische Volk liebt diesen Krieg nicht. Es hätte kein Verständnis dafür, dass seine Söhne getötet werden von Franzosen, die sie befreien wollen. Eine gewaltige Verantwortung ist in Ihre Hände gelegt, meine Herren.

Lemaigre Aber dafür brauchen wir General Giraud!

Murphy Ich mache kein Hehl daraus, meine Herren, dass wir gern mit Admiral Darlan zusammengearbeitet hätten. Er könnte mit der Autorität der französischen Regierung in Vichy handeln. Ich hatte Kontakte zu Darlan, über seinen Sohn Alain – er steht nicht zur Verfügung, leider. Der Admiral zweifelt offenbar an unserer Fähigkeit, schon jetzt eine so große Streitmacht über den Atlantik zu bringen.

van Hecke Der Herr Alleskönner, der Herr Besserwisser!

Murphy Ja, auch so ein so tüchtiger Armeechef wie Darlan kann kleinmütig sein. Es gibt viele in Europa, die unsere Fähigkeiten unterschätzen. Meine Herren, vertrauen Sie General Eisenhower.

Lemaigre Das tun wir, Mr. Murphy. Ich überzeuge Giraud. Meine Herren, was wollen wir? Wir wollen die Befreiung Frankreichs, wir wollen unser Kolonialreich unangetastet in die neue europäische Ordnung bringen. Zum Teufel mit Vichy, zum Teufel mit Darlan. Wir handeln! Wir freien Franzosen laden die Amerikaner ein, zu uns nach Nordafrika zu kommen. Von hier aus bauen wir gemeinsam den Brückenkopf an die Küste Frankreichs.

Murphy Wir dürfen die Deutschen nicht unterschätzen. Sie werden das ganze Frankreich besetzen und das Mittelmeer unpassierbar machen. Der Krieg wird nicht durch Mut entschieden.

Jousse Mr. Murphy, darf ich Sie um Details bitten. Uns fehlen Informationen!

Murphy Ich bin kein Militär, Herr Oberst. Zu gegebener Zeit, bald, werde ich mich in der Lage sehen, Ihnen Näheres mitzuteilen.

van Hecke Wir müssen den Plan kennen, in allen Einzelheiten. Wir müssen ihn beschließen.

Murphy Er ist beschlossen, nach gründlicher Planung. General Eisen-hower ist der beste Kommandeur, den wir haben. Wir sind stolz auf ihn. Die Fackel wird brennen. Ohne Ihre Unterstützung, meine Herren, wäre der Plan nicht denkbar. Präsident Roosevelt dankt Ihnen dafür.

Lemaigre Mr. Murphy, meine Herren, ich spreche im Namen General Girauds und im Namen seines Stellvertreters, General Mast, wenn ich feststelle: ohne eine gemeinsame Operationsplanung ist das Landeunternehmen nicht möglich.

van Hecke(erregt) Richtig! Wir sind keine Juniorpartner. Wir wollen Partnerschaft. Die französische Armee –

Murphy Herr Oberst van Hecke, Sie sind nicht der Sprecher der französischen Armee. Bringen Sie uns die Kommandeure Ihrer afrikanischen Armee! Wer hat ihren Kopf, wer hat General Juin gefragt? Er entscheidet, ob geschossen wird – wenn er General Giraud nicht folgt. Wird er ihm folgen? Wenn Sie aber mit Juin sprechen, dann sprechen sie auch mit seinem Chef, mit Darlan.

Lemaigre Mr. Murphy, Sie haben recht. Wir müssen uns treffen, beide Seiten, kompetente Männer guten Willens. Fragen wir nicht nach Vollmachten. Wir alle wissen: wir sind nicht die französische Armee, wir sind nichts als eine Verschwörergruppe. Scheitern wir, verliert Frankreich viel, wir aber verlieren unseren Kopf.

6

Haus an der Küste bei Cherchell; ein Raum in einfacher Ausstattung, auf dem Boden ein kleiner Teppich. Generalleutnant Clark, Robert Murphy, Captain Wright, General Mast, Jousse, van Hecke, Rigault, Henri d’Astier, alle in ziviler Kleidung. Später Polizisten

Murphy Wenn Sie sich erst ein bisschen ausruhen wollen, General Clark?

Clark Nein, nein! Wir müssen zurück. Eisenhower ist ungeduldig. Und wenn die Rückfahrt so verdammt ungemütlich ist wie die Herfahrt – verdammt, das haben wir in Westpoint nicht gelernt. Sind Sie schon einmal bei Windstärke 7 umgestiegen, General Mast? – vom U-Boot in ein Kajak, das wir eine Nussschale auf den Wellen tanzt?

Mast Ich weiß, warum ich beim Heer bin, General Clark.

Clark Ich auch! Warum müssen wir Amerikaner auch übers Wasser gehen! Lassen uns von dem verdammten Hitler wie die Katzen ersäufen! Mussten wir uns in diesem gottverfluchten Küstenwinkel treffen? Sind wir denn Seeräuber?

d’Astier Herr General, es tut uns leid. Aber hier in Cherchell ist alles für unser Treffen günstig, die Küste, der einsame Ort. Wir dürfen Sie und Ihre Delegation nicht in Gefahr bringen.

Clark Verrückte Situation! Wir müssen uns in einem Land verstecken, das wir befreien wollen. Ein Dutzend Amerikaner, ein Dutzend Franzosen, versteckt in diesem Piratennest – und das Unternehmen ‚Fackel‘ ist das größte, das wir in diesem gottverdammten Krieg vorbereiten. Fangen wir an!

Murphy Es ist wohl die seltsamste Konferenz dieses Krieges, ja. General Clark! Sie und Ihre Offiziere sind heute Nacht Gäste eines tapferen Kreises französischer Patrioten, die ein großes Wagnis eingehen. Sie handeln als Verschwörer in ihrem eigenen Land, dessen Regierung ein Mündel unseres gemeinsamen Feindes ist. General Mast vertritt General Giraud, der sein Mandat nur aus der Liebe und dem Vertrauen freier Franzosen hat.

Clark Ja, ist denn endlich klar, dass Giraud mitmacht?

Murphy Er wird zur Verfügung stehen.

Mast Wenn die Frage des Oberbefehls in einer für ihn – für uns freien Franzosen – befriedigenden Weise geklärt ist. In Nordafrika kann nur ein Franzose kommandieren.

Clark Geht es um Nordafrika? Ich denke, es geht dem verdammten Hitler an den Kragen?

Jousse Herr General, wir brauchen die Gefolgschaft und den Gehorsam aller Offiziere Französisch-Afrikas. Sie sind es nicht gewohnt, die Befehle eines amerikanischen Kommandeurs zu akzeptieren.

Clark Wir wollen unsere Jungs heil an Land bringen! Sie sollen nicht krepieren, ehe wir gegen den verdammten Hitler losschlagen. Unsere Jungs sprechen amerikanisch, ihre Waffen sind amerikanisch. Meinen Sie, die sind begeistert von diesem verdammten Afrika und diesem verdammten Europa, das seine verbohren Stammeskriege führt?

Murphy Die Frage des Oberbefehls wird geklärt. Das verspreche ich Ihnen, General Clark.

Mast Sobald die Landung gelungen ist, erwarten wir, dass General Giraud den Überbefehl übernimmt –

Clark Über alle verbündeten Truppen?

Mast Das Mutterland in deutscher Hand, das Kolonialreich in amerikanischer Hand – so gewinnen Sie keine Verbündeten unter den Franzosen.

Clark Und die Welt in Hitlers Hand? Ich verstehe Sie nicht, General. Wir Amerikaner kommen nicht als Besatzungsmacht. Wir wollen dem verdammten Hitler den Bauch aufschlitzen! Mr. Murphy, haben Sie mit General Giraud gesprochen?

Murphy Es gibt ein Problem, General. Uns fehlt ein geeignetes U-Boot, um Giraud herzubringen. General Giraud lehnt es ab, in einem britischen U-Boot übergesetzt zu werden.

Clark Kein U-Boot? Ja, sollen wir ihm einen Zerstörer schicken? Sollen wir die verdammten Deutschen einladen, Jagd auf ihn zu machen?

Murphy Es geht nicht um das U-Boot. Er will kein britisches.

Clark Mein Gott! Aber ich darf mir in einem afrikanischen Kajak eine Lungenentzündung holen. Die Briten sind unsere Verbündeten!

Mast Nicht in Nordafrika, General Clark. Die Briten sind in unserem Kolonialreich nicht willkommen. Das müssen Sie verstehen, General.

Wright General Clark! Ich habe das Patent für die Unterseefahrt. Wenn ich das U-Boot kommandiere, wird es ein amerikanisches.

Clark Sie, Captain Wright? Sie konnten ja nicht mal die verdammten Kajaks vernünftig navigieren.

Wright Herr General!

Clark Lassen Sie sich aber nicht von den Deutschen schnappen. Amerika braucht Sie noch, mein mutiger Captain.

Wright O. k., General Clark.

van Hecke General Clark! Der Tag der Landung! D-Day – wann? Das ist die wichtigste Frage.

Jousse Der Zeitpunkt! Wenn alle Häfen offen sein sollen –

d’Astier Ruhe! Das ist doch – (rennt nach draußen)

van Hecke Schnell, meine Herren, schnell (hebt den Teppich und öffnet eine Falltür) Da hinunter, in den Keller. Schnell! (drängt Clark und Wright zur Falltür) Ich muss Sie bitten, in den Keller, schnell!

Clark Vom Kajak in den Keller! O diese Franzosen! (Clark und Wright in den Keller; van Hecke schließt die Falltür, schiebt den Teppich über sie)

d’Astier(kommt mit zwei Polizisten) Die Polizei hält uns für Schmuggler, Kameraden. Ist das nicht phantastisch?

Erster Polizist Arabische Fischer – sie haben Männer am Strand gesehen, sie sind in dieses Haus gegangen. Wir müssen das Haus durchsuchen.

d’Astier Sehen wir wie Schmuggler aus? Meine Herren, wir feiern ein Fest, ein fröhliches Fest – (von oben Stimmengewirr, Lachen)

Zweiter Polizist(lauscht) Wir müssen das Haus durchsuchen!

van Hecke Wir sind Offiziere, meine Herren.

Zweiter Polizist Offiziere?

d’Astier Ein Kameradschaftstreffen, meine Herren.

Zweiter Polizist In dieser Einöde?

d’Astier Wir sind nicht allein, meine Herren, wir sind mit Damen hier.

Zweiter Polizist Ich sehe keine Damen.

d’Astier Die Damen sind oben.

Zweiter Polizist Oben, Damen?

d’Astier Bei den Herren, meine Herren! Mit den Herren. Sie verstehen. Nun, es sind nicht gerade Damen – Müssen Sie das Haus durchsuchen, meine Herren? Was würden Sie schon finden? Ich bitte Sie.

Erster Polizist Sie sind der Eigentümer dieses Hauses?

d’Astier Ich bin Leutnant Henri d’Astier de la Vigerie. Genügt Ihnen das, meine Herren? Aber, bitte vergessen Sie meinen Namen. Die Damen – da oben – haben auch keine Namen. Schenken Sie uns unsere fröhliche Nacht, meine Herren!

Erster Polizist Wir durchsuchen das Haus nicht, Herr Leutnant. Wir wünschen eine fröhliche Nacht, meine Herren! (grüßen, gehen, d’Astier begleitet sie)

van Hecke(öffnet nach einer Weile die Falltür) Bitte, kommen Sie, meine Herren.

Clark Sie können sich freuen, dass ich hier bin und nicht General Eisen hower. (klopft sich die Ärmel ab) Was war?

Murphy Die französische Garde hat uns für Schmuggler gehalten, General.

Clark Warum sind Sie nicht in dieses verdammte stinkende Loch gekrochen, Mr. Murphy?

Murphy Ich bin Diplomat, General.

Clark Aha, Sie dürfen schmuggeln. Captain Wright, ich glaube, wir Amerikaner sind in diesem Land nicht willkommen. Lassen Sie die Kajaks klarmachen.

Jousse Bitte, meine Herren! Der Zeitpunkt. Wann ist der Tag X?

Wright Zweitausend Flugzeuge, fünfhunderttausend Mann, über den Atlantik, durch das Mittelmeer, eine gewaltige Logistikaufgabe, die Versorgung –

Mast Fünfhunderttausend? Unmöglich!

van Hecke In drei Wochen, vier?

Clark Wir werden Sie informieren, rechtzeitig. Sagen Sie, General Mast, im Stab haben wir die Information, dass Admiral Darlan hier in Algier seine Truppen inspizieren will.

Mast Er bleibt nur ein paar Tage, bis Ende Oktober. Er stört uns nicht.

Clark Rufen wir unsere Leute! Lassen Sie uns anfangen. Ich will nicht noch mal in diesen verdammten Spinnenkeller. In Berlin will ich mir den Hals brechen, meinetwegen, aber nicht in diesem verdammten arabischen Kaff.

7

Im Haus Darlans in Vichy; im Zimmer zwei Koffer. Admiral Darlan, seine Frau

Darlan Die Uniform.

Mme. Darlan Die Uniform? Die brauchst du nicht.

Darlan Die Uniform. Ich habe sie vergessen.

Mme. Darlan François, musst du immer nur an deinen Dienst denken? Wir fliegen zu unserm kranken Sohn. Du brauchst die Uniform nicht.

Darlan Wenn ich sie brauche – (wendet sich zögernd zum Gehen)

Mme. Darlan Lass die Uniform, François. Müssen wir nicht gehen? Wann fliegen wir?

Darlan Ich brauche die Uniform.

Mme. Darlan Musst du in der Uniform an Alains Bett stehen? An dieser schrecklichen Maschine? Wird er uns überhaupt erkennen, François?

Darlan In Algier habe ich mit ihm sprechen können. Kinderlähmung ist doch nicht lebensgefährlich! Alain hat die eiserne Disziplin des Offiziers.

Mme. Darlan Warum rufen sie uns nach Algier? Warum rufen sie uns zu Alain? Du hast doch mit ihm gesprochen, vor einer Woche erst. Was ist geschehen? Warum konntest du ihn nicht mitbringen von Algier?

Darlan Der Transport wäre zu gefährlich gewesen für ihn.

Mme. Darlan Der Roosevelt regiert im Rollstuhl. Er kann sogar gehen. Er ist Herr über die Lähmung geworden. Alain wird so stark sein wie er. Wann fliegen wir?

Darlan Gleich. Liebe, wir fahren gleich. Ich brauche die Uniform.

Mme. Darlan Wozu? Warum? Meinst du – François! –, dass du die Uniform brauchst für den schlimmsten Fall! Denkst du, dass der Admiral nicht ohne seine Uniform an der Bahre seines Sohnes stehen dürfe? Denkst du das? François!

Darlan Liebe, bitte. Ich denke, dass wir nicht so rasch zurückfliegen können. Und in Algier bin ich kein Privatmann.

Mme. Darlan Du bist ein Vater, dem ein Telegramm befiehlt, nach Algier zu kommen, weil sein Sohn in dieser schrecklichen Maschine mit dem Tode ringt. Wo ist da der Staat? Wo ist da die Armee? Da ist nur ein Vater, der würde im Schlafrock zu seinem Sohn laufen, läge er hier in Vichy.

Darlan Du wirst mit ihm sprechen, Liebe. Heute. Er wird mit uns sprechen, glaube mir. Alain wird aber nicht über seine Krankheit sprechen. Er will, dass wir an der Seite der Amerikaner den Kampf aufnehmen in Nordafrika. Der denkt nicht an seine Krankheit.

Mme Darlan Du wirst mit ihm nicht über die Amerikaner sprechen. Nicht über Politik!

Darlan Ich teile Alains Hoffnung nicht. Die Amerikaner machen große Worte. Sie versprechen der Welt viel.

Mme. Darlan Aber spricht mit Alain über Roosevelt. Über seinen Willen. Seine Energie, die stärker war als die Lähmung. Darüber musst du mit Alain sprechen! Wann fliegen wir endlich?

Darlan Liebe, ich möchte mit dir fliegen und nie mehr zurückkommen nach Vichy. Nach Afrika! Da wären wir frei.

Mme. Darlan Lass uns fliegen und nie mehr zurückkommen, François. Die afrikanische Sonne! Sie heilt unsern Alain, sie heilt auch dich. Lass uns fliegen – für immer.

Darlan Ich bin der Vertreter des Marschalls Pétain. Ich habe Frankreich immer im Gepäck. Ich hätte fliegen sollen, damals, wie der Charles de Gaulle. Ich habe es nicht getan. Ich hätte ausbrechen und fliehen sollen wie Henry Giraud. Ich habe es nicht getan. Will Alain mich jetzt rufen? Ist mein Sohn klüger als ich?

Mme Darlan Die Franzosen würden dich lieben in Nordafrika, als wäre Marschall Pétain selbst zu ihnen gekommen. Warum bleiben wir nicht dort?

Darlan Ich hole die Uniform (ab; ein Soldat kommt ihm entgegen, macht unhörbar Meldung, trägt die Koffer hinaus).

Mme. Darlan François, du kannst die Uniform nicht über dem Arm tragen! Warte! (läuft hinaus) Wir legen sie in einen Koffer.

8

Darlan, Adjutant Hourcade

Darlan Hourcade, Sie können mich nicht begleiten.

Hourcade Herr Admiral!

Darlan Sie müssen bleiben! Ich bitte Sie um einen großen Dienst. Ich weiß nicht, ob meine Rückkehr möglich ist.

Hourcade Herr Admiral!

Darlan Ich habe Informationen, dass die Amerikaner in Nordafrika landen wollen. Möglicherweise, bald. Ich halte das für ausgeschlossen.

Hourcade Ausgeschlossen, Herr Admiral.

Darlan Nicht vor dem Frühjahr, frühestens. Nicht ohne unser ausdrückliches Ersuchen. Sollten die Deutschen die freie Zone besetzen, ja, dann sofort. Aber das tun die nicht. Die Amerikaner können noch nicht landen. Ihre Flotte leistet das nicht, sie lösen das Tonnageproblem nicht. Wir haben das berechnet. Aber – wenn sie es wagten!

Hourcade Nehmen Sie mich mit nach Algier, Herr Admiral. Erlauben Sie mir, an Ihrer Seite zu sein.

Darlan Ich habe mit General Juin gesprochen. Er ist meiner Meinung. Keine Landung der Amerikaner, ohne dass wir sie rufen. Es gibt da ein paar Hitzköpfe, die wollen die Amerikaner rufen. Verrückte! Sie setzten Frankreich, sie setzen unser Kolonialreich aufs Spiel. Wir müssen warten, bis die Deutschen schwächer und die Amerikaner stärker sind. Wir müssen unser Territorium sichern. Und ich will die Briten nicht in Nordafrika. Ich will die Deutschen nicht im freien Frankreich. General Juin sieht die Dinge wie ich.

Hourcade Warum denn, bitte, muss ich hierbleiben, Herr Admiral?

Darlan Hourcade, um meinen Sohn steht es ernst. Ich muss mit dem Schlimmsten rechnen. Helfen Sie mir, Capitaine. Wenn die Amerikaner angreifen, und ich bin in Algier – dann kann ich nicht zurück. Die Deutschen würden mir nicht glauben, dass ich meines Sohnes wegen nach Nordafrika gegangen bin. Nicht einmal der Marschall würde es mir glauben. Mein Sohn stirbt vielleicht, Hourcade –

Hourcade Poliomyelitis ist heilbar, Herr Admiral. Glauben Sie mir, Ihr Sohn wird es schaffen.

Darlan Ich habe andere Nachrichten. Die Ärzte im Hôpital Maillot rechnen mit dem Tod meines Sohns. Wenn ich nicht zurückkehren kann, Hourcade, sorgen Sie dafür, dass mein Sohn zurückkehren kann. Er soll in der Heimat begraben werden. Er soll überführt werden mit den Ehren, die einem Offizier gebühren. Versprechen Sie mir das, lieber Hourcade? Vielleicht bin ich morgen, übermorgen ein Hoch- und Landesverräter. Sie tun es, ja?

Hourcade Ich wünsche, dass ich Ihnen diesen Dienst nicht erweisen muss, Herr Admiral.

Darlan Ich danke Ihnen, Capitaine. Es könnte der größte Dienst sein, den sie mir erwiesen haben. Mein Sohn hat mir so treu gedient wie sie, Hourcade. Er war mein stiller kluger Botschafter bei den Amerikanern. Eine unüberlegte Landung – das gibt ein Blutbad in Nordafrika. Mein Sohn wollte das verhindern. Dafür hat er gekämpft, weitsichtiger als ich. Die Amerikaner kennen meine Botschaft! Keine Landung in Nordafrika ohne eine kluge Kooperation mit der französischen Regierung. Wir sind schwach in Vichy. Aber wir sind die Regierung! Die Amerikaner wissen das, sie haben es immer respektiert.

Hourcade Fliegen Sie, Herr Admiral. Und kehren Sie zurück. Mit Ihrem Sohn, damit er in Paris genesen kann. Die Amerikaner werden nicht so töricht sein, das Wort des Admirals Darlan zu missachten, dem sie immer vertraut haben.

Darlan Ich danke Ihnen, mein junger Freund. Auf Wiedersehen, Capi-taine.

Hourcade Einen guten Flug, Herr Admiral!

9

Im Haus Bonnier de la Chapelle in Algier. Eine Kammer mit einem Radioapparat. Fernand, Bernard, Mario, Jeanne. Die Jungen tragen eine Armbinde mit dem Zeichen VP

Jeanne Darf ich den Herren Freiwilligen noch eine Flasche Wein bringen? Oder befürchten die Herren Freiwilligen, der Rausch könnte ihre Kampfeslust lähmen? Darf ich den Herren Freiwilligen noch ein paar Sandwiches anbieten? Oder denken sie: voller Bauch kämpft nicht gern? Es ist bald Mitternacht, meine Herren Freiwilligen. Wollen Sie die ganze Nacht hier sitzen?

Bernard Spotte nicht, Jeanne, nicht in dieser Nacht.

Jeanne Freiwilliger d’Astier, Ihre Armbinde hängt so schlapp an Ihrem Arm. Sie könnte adretter sitzen. Soll ich sie nicht festnähen?

Fernand Jeanne, nicht deine Späße heute Nacht. Nicht diese Nacht.

Jeanne Die Nacht, in der die Amerikaner kommen.

Mario Sie kommen.

Bernard Mein Vater ist verzweifelt. General Giraud ist nicht da. Kein Mensch weiß, wo er steckt.

Jeanne Ihr hättet nicht auf Giraud bauen sollen. General de Gaulle, das wäre der richtige Mann gewesen.

Bernard De Gaulle!

Fernand Die Amerikaner haben General Giraud getäuscht. Er hat erst vor vier Tagen erfahren, dass sie heute landen wollen. Vor vier Tagen! Die Koordination klappt nicht. Die Amerikaner misstrauen uns Franzosen.

Bernard Die haben die Operationspläne auf den Tisch gelegt, als ihre Armee schon auf dem Atlantik war.

Jeanne Ich sage es ja! Wenn die Amerikaner den General de Gaulle zum Partner gewählt hätten, wäre der jetzt da. Der hätte sich nicht an der Nase herumführen lassen.

Mario Weil seine Nase so groß ist?

Jeanne Ein großer Mann, der Ehre und Respekt erzwingt. Kein König auf dem Schachbrett, der sich in die Ecke stellen lässt.

Mario