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Das Mädchen Wala, zuhause auf einem weit entfernten Planeten, erfährt von den Problemen der Erdenbewohner – der Umweltverschmutzung und der Zerstörung ihres Lebensraumes. Aus Liebe zu ihnen beschließt sie, den Menschen die Lösung dieser Probleme und den Übergang in ein neues Bewusstsein zu übermitteln. Dafür muss es ihr jedoch gelingen, auf einem wichtigen Umweltkongress zu sprechen. Doch wie soll ein Kind, selbst wenn es ein Sternenkind ist, dies erreichen können? Wala gibt nicht auf und wunderbare Begegnungen ermöglichen ihr, ihren Weg zu gehen. Aber letztendlich ist dann doch alles nicht so einfach und die Mission scheint zum scheitern verurteilt zu sein. Allein Walas grenzenloses Vertrauen und ihre bedingungslose Liebe zur Erde und allen Wesen, schaffen eine Verbindung zu den Herzen der Menschen und lassen damit die Welt der Illusionen zerbröseln, die die Menschheit sich geschaffen hat. Wala und die Flamme ist eine fantastische, zutiefst berührende Geschichte, die man immer wieder und so lange lesen möchte, bis sie endlich Wirklichkeit geworden ist …
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Seitenzahl: 182
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ISBN 978-3-946723-09-7
ISBN der Druckausgabe 978-3-9814784-8-8
Christina Stupp
Wala und die Flamme
Copyright 2014
1. Auflage
Verlag Begegnungen : www.verlagbegegnungen.de
Alle Rechte vorbehalten
Wala und die Flamme
Christina Stupp
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Trotz meines nun beträchtlichen Alters, ist der Abend, der mein Leben von Grund auf verändern sollte, tief in meinem Gedächtnis eingebrannt. Nie werde ich den Augenblick vergessen, als ich sie zum ersten Mal sah. Nichts an diesem Tag war bis dahin irgendwie anders gewesen, und nichts hätte mich darauf vorbereiten können, was danach geschah.
Es war der Abend nach meinem 14. Geburtstag. Wir saßen im Speisesaal des Waisenhauses, in dem ich den größten Teil meiner Kindheit verbrachte. Ich war inzwischen das älteste der Kinder, die aus den verschiedensten Gründen hier gelandet waren. Ich konnte mich kaum mehr daran erinnern, wie mein Leben vorher ausgesehen hatte. Wenn ich manchmal durch die Straßen der Stadt ging, sah ich oft Kinder, die halb verhungert versuchten, etwas zum Lebensunterhalt ihrer Familien beizutragen. Unser Leben hier war wirklich nicht das schlechteste. Wir bekamen zu Essen und was das Allerwichtigste war: Wir hatten einen eigenen Lehrer, Mr. Ganji. Er war zwar streng und duldete keinerlei Störung, aber Bildung war etwas, was für die meisten Kinder in meinem Land nicht erreichbar war. Selbst damals wusste ich schon, dass mich das in die Lage versetzen würde, einen anderen Weg zu gehen als den, der hier für viele vorgesehen war. Ich wollte ein anderes Leben führen, als die meisten hier. Ich hatte zwar noch keine Ahnung, wie es aussehen sollte, aber ich hatte eine Vorstellung, wie es sich anfühlen würde.
Dieser Abend nun war der Anfang von etwas, das ich mir kaum hätte vorstellen können. Wir waren gerade dabei unsere Suppe zu löffeln, als jemand das Seil der Glocke vor unserer großen Eingangstür zog. Mr. Ganji stand auf, um nachzusehen, wer es war. Alle waren aufgeregt wer zu dieser Stunde wohl noch zu uns kam, denn Besucher waren selten. Kurze Zeit später kehrte er zurück, mit der wohl ungewöhnlichsten Erscheinung, die ich je gesehen hatte. Ein Mädchen, zart und blass, mit roten Sommersprossen und Haaren, die leuchteten wie Feuer. Nicht nur die Farbe ihrer Haare war ungewöhnlich, sondern auch ihre Form. Sie standen hoch in die Luft, als wären sie selbst eine Flamme, die in die Höhe züngelte. Ihre Haut war fast durchsichtig und ich hatte den Eindruck, von ihr gehe ein schwaches Leuchten aus. Sie betrat den Raum mit erhobenem Kopf und schaute uns aus strahlenden Augen neugierig an.
Mit offenem Mund bestaunten wir sie, bis uns unser Lehrer auf dieses unhöfliche Verhalten aufmerksam machte. Er setzte sie auf einen freien Platz und ließ ihr eine Suppe bringen. Die Kinder warfen ihr verstohlene Blicke zu und schubsten sich gegenseitig an, als sie anfing sie zu essen. Vorsichtig roch sie an dem dampfenden Eintopf, der hauptsächlich aus Gemüse und Linsen bestand, so als wüsste sie nicht so recht, was sie damit anfangen sollte. Sie schaute zu uns und als sie sah, dass wir Holzlöffel benutzten, versuchte sie es auch. Sie nahm etwas Suppe auf ihren Löffel und führte ihn vorsichtig zum Mund. Der Löffel wirkte bei ihr irgendwie überdimensional, was den merkwürdigen Anblick noch verstärkte. Sie ließ die warme Flüssigkeit in ihren Mund laufen, schloss die Augen und machte ein Gesicht, als wäre es das erste Mal, dass sie so etwas kostete. Der Geschmack schien sie zu freuen und sie löffelte weiter. Sie war so damit beschäftigt, dass sie unsere Blicke gar nicht bemerkte.
Am erstaunlichsten fand ich damals allerdings, mit welcher Selbstverständlichkeit sie vor unserer Tür stand. Später erfuhren wir, dass sie Mr. Ganji selbstbewusst erklärt hatte, ihr Name sei Wala und sie gehöre in dieses Waisenhaus, da sie hier auf der Erde keine Eltern hätte und hier würde man doch Kinder ohne Eltern aufnehmen.
Sie fragte uns über die einfachsten Dinge aus, wenn es jedoch darum ging, Umlaufbahnen zu berechnen oder uns die Positionen der einzelnen Sternenbilder in unserem Sonnensystem zu erklären, glich sie einem Computer. Unsere Schultheorien zweifelte sie meistens an, lächelte aber am Ende jeder Diskussion nur nachsichtig.
Doch Walas größtes Talent war ihre liebevolle Art, mit allen von uns umzugehen. Sie wusste immer wer gerade Trost brauchte und brachte uns mit ihren Geschichten zum Lachen, aber auch oft zum Nachdenken. Sie schien überall gleichzeitig zu sein und half uns, wo sie konnte. Mit Wala kamen für uns unbekannte Gefühle – wie Freude, Lebenslust und eine Dankbarkeit, sich endlich irgendwo zu Hause zu fühlen – an diesen Ort.
Bei der ersten Gelegenheit bedrängten wir sie mit Fragen, von wo sie kam und was sie hier tat. Als sie uns erzählte, sie käme von den Sternen und sei mit ihrem Freund, dem Drachen Femoir hierhergekommen, war ich zuerst richtig wütend. Ich glaubte, sie würde sich über uns lustig machen. Aber sie hatte ihre eigene Art uns von der Wahrheit zu überzeugen.
Es würde nicht mehr lange dauern, bis die ganze Welt ihre Sicht auf die Dinge würde verändern müssen. Und das war gut so ...
Übrigens – mein Name ist Zenta und dies ist meine Welt, genau wie eure.
Walas Heimat war ein kleiner Planet außerhalb dieses Universums, auf dem Drachen mit Wesen wie Wala friedlich zusammen lebten.
Als Wala eines Abends mit ihrem Drachenfreund Femoir vor seiner Höhle saß, erzählte er ihr, dass die Drachen nicht immer dort gelebt hatten und seine Eltern einst von der Erde kamen. Nun wollte sie unbedingt mehr von diesem fernen Planeten erfahren. Er erzählte ihr alles, was er von seinen Eltern wusste, von den Menschen, den Tieren und Pflanzen, die es in unglaublich bunter Vielfalt auf der Erde gab. Er erzählte von tiefen Ozeanen, der Atmosphäre, die einen strahlend blauen Himmel erschuf, den Wolken, die in reinem Weiß bis bedrohlich schwarz das Wetter bestimmten; von riesigen Gebirgen, großen Wäldern, Flüssen und unendlich erscheinenden Wüsten; von Sonne, Regen und Schnee. In Walas Vorstellung erschuf sich ein wahres Paradies vor ihrem inneren Auge.
Als Femoir ihr jedoch mehr von den Menschen berichtete, verwandelte sich Walas Faszination in ungläubiges Entsetzen. Femoir erzählte von Kriegen, von Schmerzen und von Leid, das die Menschen sich selbst und anderen zufügten. Er erzählte von der Ausbeutung der Erde, den Tieren und armen Menschen, von krankmachender Medizin, Umweltgiften, unglaublichem Reichtum und unbeschreiblicher Armut. Wala konnte und wollte sich eine solche Welt in ihren schlimmsten Albträumen nicht vorstellen.
Aber er vergaß auch nicht, Wala von der Liebe zu erzählen, die hier bei ihnen zuhause für alle ein selbstverständlicher Seins-Zustand war, und sie begriff, dass die Liebe für die Menschen noch einmal eine ganz andere und besondere Bedeutung haben musste. Sie hatte jedoch große Schwierigkeiten zu verstehen, dass die Menschen, die sich doch der Liebe jederzeit bedienen konnten, offensichtlich oftmals den Zugang zu ihr verloren oder vergessen hatten. Niemals hätte sie sich vorstellen können, wie ein Leben ohne Liebe überhaupt funktionieren konnte, sie war doch das Wichtigste überhaupt, für alle Lebewesen.
Femoir versuchte, so gut er konnte, zu erklären, warum seine Eltern damals die Erde verlassen hatten: Einst lebten auch die Menschen friedlich mit den Drachen zusammen. Die Drachen waren weise und gütige Wesen und sorgten dafür, dass alle respektvoll miteinander umgingen. Doch entwickelten sich die Menschen im Laufe der Zeit in eine andere Richtung und waren plötzlich nicht mehr bereit, den Drachen zuzuhören. Sie wollten ihre eigenen Erfahrungen machen und die Erde wurde für die Drachen immer lebensfeindlicher. Gier, Eifersucht und Neid begannen immer stärker die Welt zu beherrschen. Die Drachen hätten zwar durchaus die Macht besessen, die Menschen da-ran zu hindern, ihre eigenen Wege zu gehen, doch lag es nicht in ihrem Wesen, andere zu manipulieren oder ihnen die Chance auf eigene Erkenntnisse zu nehmen. Sie beschlossen, die Verantwortung für die Erde den Menschen zu überlassen und sich einen neuen Lebensraum zu suchen, wo sie und ihre Fülle an Wissen geschätzt wurden. Jedoch war ein Teil ihres Herzens noch immer mit der Erde verbunden, die sie ihre große Mutter nannten, und sie gaben sich das Versprechen, sollten die Menschen jemals aufwachen, würden sie dem Ruf folgen und den Menschen helfen, wieder eine neue und bessere Welt zu erschaffen.
Nun gab es in letzter Zeit viele Gerüchte, dass einige Menschen auf der Erde aus ihrer Illusion erwachten, sie könnten ohne Liebe und Respekt die Erde beherrschen und mit Hilfe von Wissenschaft und Technik ein immer besseres Leben führen – genau das Gegenteil war ja der Fall.
Einige wenige lebten in großem Reichtum, aber der größte Teil der Menschen hungerte. Die Erde hatte mittlerweile schon zu viele Verletzungen erlitten und das ökologische System schien kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen.
Die Drachen waren sich nicht einig, ob die Menschen wirklich schon bereit waren Hilfe anzunehmen, um das System, in das sie so große Hoffnungen gesetzt hatten, zu verändern. Es kam unter den Drachen bezüglich dieses Themas immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten. Aber nicht nur die Ansichten der Drachen waren unterschiedlich, auch ihr Äußeres variierte stark. Es gab Erddrachen von grün-brauner Farbe, die egal wo sie sich aufhielten, sofort mit ihrer Umgebung verschmolzen und somit unsichtbar waren. Sie wurden immer wieder zur Erde gesandt, um die Veränderungen dort zu erkunden. Es gab Luftdrachen, regenbogenfarbig mit schillernden Perlen, die wie Tau glitzerten, Wasserdrachen in Blau und Türkis, Drachen der Weisheit und Liebe wie Femoir, die rot und perlmutt schimmerten, und es gab die Feuerdrachen, die eher kämpferisch veranlagt waren und in ihrer Liebe zur Erde, die Menschen am liebsten einfach mit einem feurigen Hauch ausgelöscht hätten.
Der große Rat jedoch, der zu einem hohen Anteil aus Drachen bestand, die nicht auf der Erde geboren waren und die sich nicht vorstellen konnten, dass die Menschen die Hilfe der Drachen nicht freudig begrüßen würden, beschloss trotz aller Warnungen der alten Drachen, die noch kein Vertrauen in die Wandlung der Menschen hatten, sich ein eigenes Bild zu machen.
Auf der Erde gab es nur noch einige wenige Menschen, die sich noch an die Existenz der Drachen erinnerten. Diese wollte man kontaktieren und dazu sollte es einen Abgesandten geben.
Als Femoir Wala erzählte, dass die Wahl auf ihn gefallen war, weil er – obwohl zwar noch sehr jung – für seine Zuverlässigkeit bekannt war, konnte sich Wala vor lauter Aufregung kaum beruhigen. Für sie war klar, dass sie mit ihm auf die Reise gehen würde. Wala hatte in den Nächten, in denen er ihr von der Erde erzählt hatte, eine solche Sehnsucht entwickelt, diesen fremden Planeten kennenzulernen, dass sie vor Freude hätte platzen können, dass ihr Traum nun Wirklichkeit werden konnte. Femoir allerdings quälte sich mit der Entscheidung, ob es wirklich weise war, Wala an einen Ort zu bringen, der als einer der gefährlichsten im ganzen Kosmos galt.
Wala ließ Femoir keine Ruhe und erinnerte ihn daran, dass sie seit ihrer Geburt noch nie einen Tag ihres Lebens getrennt gewesen waren und sie sich – trotz der großen körperlichen Unterschiede – liebten wie Geschwister. Bei allem, was sie bisher gemeinsam erleben durften, hatten sie sich gegenseitig immer wieder geholfen und Mut gemacht. Wala liebte es, an Femoirs seidigem Bauch zu schlafen und sie teilten alles miteinander.
Femoir ging zu Walas Eltern, um sich deren Rat zu holen. Er berichtete ihnen von seinem Auftrag und Walas Wunsch mit ihm zu gehen. Walas Eltern waren weise Wesen, die an Bestimmung glaubten. Wenn ihre Tochter diese große Sehnsucht verspürte, auf die Erde zu reisen, fiel es ihnen zwar nicht leicht, sie gehen zu lassen, aber sie wussten, dass sie ihren Kindern nur so lange Begleiter sein konnten, solange die Kinder sie brauchten. Sie achteten stets darauf, den Neigungen, Talenten und Wünschen ihrer Kinder nachzugeben, denn sie respektierten die eigene Weisheit ihrer Mädchen und Jungen, die stets verbunden mit dem großen Wissen, ihrem ureigenen Weg folgen mussten. Letztendlich wussten alle auch um Walas starken Willen, hatte sie Femoir doch schon zu manchem Abenteuer überredet, zu dem er alleine nicht den Mut gefunden hätte. Er hatte ihren klaren Argumenten oft nichts entgegen zu setzen und spürte nun die Last der Verantwortung allein auf seinen Schultern. Doch die Zustimmung ihrer Eltern und der Wunsch dieses Abenteuer mit seiner treuen Freundin zu erleben, überwogen schließlich seine Zweifel. Er versprach, zu jeder Zeit, alles in seiner Macht stehende zu tun, um Wala zu schützen.
Nachdem sie alle Vorbereitungen getroffen hatten und von den alten Drachen noch einmal mit den Besonderheiten der Erde vertraut gemacht worden waren, begaben sie sich auf die Reise. Die Ältesten der Drachen hatten ihnen gesagt, dass auf der Erde einige wenige Menschen gelebt hatten, die das Wissen um die Drachen von Generation zu Generation weiter vermittelt hatten. Deren Nachfahren lebten in einem Gebirge mit Namen Himalaya, und das sollte auch der einzige Ort sein, den die beiden aufsuchen sollten. Gleichzeitig schärften sie Femoir ein, sich auf keinen Fall einem anderen Wesen auf der Erde zu zeigen.
Als sie sich der Erde näherten, war Wala überwältigt von dem Anblick, der sich ihnen bot. Keine Beschreibung hätte ihr je ein Bild vermitteln können, wie schön dieser Planet in Wirklichkeit war. Angestrahlt von der Sonne leuchtete sein Blau weit ins Weltall. Wolkenfelder umgaben die Erdkugel, deren Oberfläche zum größten Teil aus Wasser bestand. Es war teilweise von so dunklem Blau, dass es fast Schwarz wirkte, stellenweise aber auch Türkis und Grün – die Farben verzauberten ihr die Sinne. Dazwischen zeigten sich große Landmassen, die wie überdimensionale Inseln vor Ihnen auftauchten. Sie begannen die Erdanziehung immer stärker zu spüren und ein ihnen völlig unbekanntes Gefühl breitete sich in ihren Körpern aus. Sie flogen auf den größten Teil des Landes zu, und vor ihnen erschien ein gigantisches Gebirge. Die Bergspitzen leuchteten in der untergehenden Abendsonne, die Berghänge unterhalb der Gipfel waren von einer Wolkendecke verborgen. Sie hielten sich seitlich des höchsten Berges, tauchten durch die Wolken und landeten in einem felsigen Gebiet, das nur hier und da durch grüne Flächen unterbrochen wurde. Alles in allem war die Gegend eher karg, aber trotzdem empfand Wala die Farben, Formen und Gerüche sehr intensiv.
Nachdem Femoir das vor Urzeiten verabredete Zeichen gesetzt hatte, dauerte es nur wenige Tage – in denen er mit Wala die nähere Umgebung erkundete – bis sich am vereinbarten Ort fünf Menschen einfanden, die die Besucher vorsichtig bestaunten. Das Wissen, dass die Drachen eines Tages auf die Erde zurückkehren würden, war zwar immer von Vater zu Sohn weitergegeben worden, doch nach so langer Zeit mutete es sie doch eher wie ein Märchen an. Um so größer war nun die Freude, dass sich alle Geschichten um die Drachen und die Hoffnung, die diese Menschen in sie gesetzt hatten, nun zu bewahrheiten schienen.
Wala bestürmte die Männer mit Fragen. Sie hätte am liebsten sofort die näheren Städte erkundet und sich in das bunte Treiben der Menschen gestürzt. Femoir musste sie immer wieder zur Vorsicht ermahnen, da sie nicht begriff, dass nicht alle Menschen so selbstverständlich auf die beiden reagieren würden, wie diese besonderen Menschen mit denen sie hier sprachen.
Femoir hindessen ließ sich geduldig von der Situation auf der Erde berichten. Die Männer erzählten davon, dass Verfolgung und große Not zu ihrem Alltag gehörten. Da sie selbst jedoch mit dem alten Wissen der Drachen aufgewachsen waren, fanden sie in Liebe, Dankbarkeit und Vertrauen stets großen Trost. In ihrem Land gäbe es auch noch viele weise Männer und Frauen und in den letzten Jahren kämen immer mehr Menschen aus allen Teilen der Erde hierher, die auf der Suche nach altem Wissen waren. Sie waren unzufrieden mit ihrem Leben und dem, was in der Welt geschah. In ihrem Inneren war der Wunsch gewachsen, einen Weg zu finden, wie man die Dinge ändern könnte. Die Weisen erzählten ihnen, dass eigentlich jeder Mensch dieses Wissen bereits in sich trug. Wenn sie einmal still werden und ihrem Herzen lauschen würden, dann könnten die Menschen fühlen, wie sie sich selbst und der Erde am besten helfen könnten. Alle Menschen auf der ganzen Welt wurden mit diesem Wissen geboren, warum sie hier auf der Erde und in ihre Familien hineingeboren wurden. Nur, mit der Zeit, wenn sie nach und nach viele andere Dinge von ihren Eltern und ihrer Umwelt lernten, wurde dieses Wissen Stück für Stück überdeckt.
Irgendwann konnten sie sich schließlich nicht mehr erinnern. Sie vergaßen, welch wundervolle, perfekte Wesen sie waren und dass sie mit vielen Talenten und Fähigkeiten ausgestattet waren, Fähigkeiten, die ihnen gegeben waren um ihre ureigene Aufgabe erfüllen zu können. Sie vergaßen auch, dass sie in der Lage waren, alles und jeden lieben zu können, wenn sie nur ihr Herz öffneten. Weil sie jedoch von Menschen erzogen wurden, die dieses Wissen ebenfalls vergessen hatten und ihnen deshalb nur mitgeben konnten, was sie selbst erfahren hatten, war der Zugang in diese innere Welt oft nicht einfach. Die Menschen hatten sich ihre eigenen Gesetze geschaffen, in denen die Liebe keine große Rolle mehr spielte. Zwar sehnten sich alle nach diesem Gefühl, aber in dem Wunsch von den anderen Menschen und ihrer Umwelt anerkannt zu werden, verwechselten sie das Gefühl nach Bestätigung mit Liebe. Doch Liebe hat nichts damit zu tun, andere glücklich zu machen, nur um dafür selbst geliebt zu werden. Liebe ist immer bedingungslos. Sie könnten diese Liebe jederzeit geben und bekommen, für genau das, was sie sind. Doch sie verbringen viel Zeit damit, sich und andere nach ihren Vorstellungen zu beurteilen, und dadurch wächst in ihnen die Einstellung, sie selbst und die anderen seien nicht gut genug. Deshalb versuchen sie permanent sich und ihre Umwelt zu verändern. Das beschäftigt alle so sehr, dass keine Zeit mehr bleibt zu fühlen, dass eigentlich alles und jeder in jedem Moment gut und richtig ist.
Femoir hörte aufmerksam zu. Er stellte außerdem noch viele Fragen und versuchte sich ein Bild zu machen und zu ergründen, ob die Menschen wirklich schon bereit waren, Hilfe anzunehmen und neue Wege zu gehen.
Wala und Femoir verbrachten noch viele Tage und Nächte an diesem Ort und wollten möglichst viel von dem erfahren, was zurzeit auf der Erde geschah. Die Menschen brachten ihnen Bücher, und beide waren erstaunt über die Art und Weise wie die Menschen ihr Wissen weitergaben. In ihrer eigenen, weit entfernten Welt war Wissen immer dann vorhanden, wenn man es brauchte. Entweder es war dann einfach in ihren Gedanken oder sie trafen zum richtigen Zeitpunkt das passende Wesen, das ihnen die benötigten Erklärungen geben konnte. Es gab keine Notwendigkeit, Erkenntnisse irgendwo festzuhalten, da jeder stets alle Lebensumstände und Erkenntnisse genau so anzog wie er es benötigte, um seine Aufgabe perfekt zu meistern. Und da jeder seine eigene Aufgabe hatte, hatte auch jeder seine eigene Wahrheit und die wäre für einen anderen gar nicht nützlich gewesen.
Sie erfuhren, dass die Menschen in den zivilisierten Ländern der Erde viel Zeit damit verbrachten, sich von ihrem Leben abzulenken. Mit neuen Techniken erschufen sie sich virtuelle Welten und zerstreuten sich mit Büchern, Filmen und Spielen, die nur dazu dienten in das Leben anderer einzutauchen. Obwohl sich nahezu alle fast jeden Wunsch erfüllen konnten, schien den Menschen ihr Leben trotzdem so unerträglich zu sein, dass sie sich mit anderen Dingen ablenken und die Leere überdecken mussten. Viele fanden diese Ablenkung in ihrer Arbeit, die zwar oft nicht dem Wunsch ihres Herzens entsprach, aber sie dachten, wenn sie nur fleißig genug wären, bekämen sie viel Anerkennung und Geld. Viel Geld zu haben war für viele das höchste Ziel, denn dies würde zum einen noch mehr Anerkennung mit sich bringen, zum anderen konnten sie sich damit auch noch mehr Wünsche erfüllen. Jedoch schien dies meist nicht die erwartete Freude zu bringen und sie dachten, sie benötigten vielleicht noch mehr Geld, um sich ihre Wünsche in noch perfekterer Weise erfüllen zu können. Sie warteten beständig darauf, dass ihr Leben besser wurde oder irgendetwas passierte, damit sie endlich das tun konnten, was sie schon immer tun wollten, damit sie endlich der sein konnten, der sie sein wollten. So ging ihr Leben vorbei, in ständiger Suche und nur sehr wenige schafften es wirklich, zufrieden und glücklich zu sein.
Wala wurde immer stiller, während sie den Berichten über die Menschen lauschte, sie schien ihren eigenen Gedanken nachzuhängen.
Plötzlich schaute sie auf: „Femoir, ich werde hierbleiben! Ich muss mehr über die Menschen erfahren und ich möchte Kinder treffen. Sie können noch nicht alles vergessen haben. Sie sind bestimmt noch offen und vielleicht noch am ehesten bereit, andere Sichtweisen und die Möglichkeit, dass es noch andere Wesen im Universum gibt, zu akzeptieren. Ich möchte ihnen Mut machen und in ihnen wieder die Liebe für Mutter Erde wecken, die ihnen in Reichtum und Fülle alles bietet, was sie zum Leben und zum glücklich sein brauchen. Ich werde versuchen, sie darauf vorzubereiten, dass es noch andere Wesen gibt, Wesen wie die Drachen, die nur darauf warten, den Menschen Wege zu zeigen, wie sie friedlich mit sich und der Natur leben können. Es wird für mich leicht sein, Kontakt zu den Menschen zu finden. Ich sehe kaum anders aus als sie und vor einem Kind brauchen sie sich nicht zu fürchten. Das ist eine große Chance für die Menschen und auch für euch Drachen.“
Femoir hatte so etwas bereits befürchtet. Aber auch er erkannte, dass es für Wala möglich sein könnte zu vermitteln. Der Gedanke allerdings, sie alleine hier zu lassen, brach ihm fast das Herz. Er hatte versprochen, sie zu beschützen. Einer plötzlichen Eingebung folgend entnahm er seinem Herzen eine lila-goldene Flamme. Diese Flamme besaß die Kraft, Wala jederzeit mit ihm zu verbinden, und sie würde ihr in dieser Welt Führung und Schutz geben.
Er schaute Wala liebevoll an während er sprach: „Diese Flamme wird nur für dich sichtbar sein, und du kannst durch sie jederzeit, einfach aus dem Wunsch heraus, mit mir in Verbindung treten.“
Wala starrte fasziniert auf dieses wunderschöne, strahlende Licht. Doch dann runzelte sie zweifelnd ihre Stirn. „Aber ich bin doch immer mit dir verbunden, fühle was du fühlst und weiß was du denkst.“