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In "Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen Deutschland seit der Mitte des 14. Jahrhunderts" untersucht Herman Haupt die komplexen Wechselwirkungen zwischen der waldenserischen Bewegung und der römischen Inquisition in einer Zeit, die von religiösem Umbruch und politischer Instabilität geprägt war. Haupt verbindet akribische historische Analyse mit einem klaren, didaktischen Stil, wodurch er die Leserschaft nicht nur informiert, sondern auch fesselt. Die Darstellung der sozialen und religiösen Strukturen dieser Epoche, begleitet von einem tiefen Einblick in die psychologische Dimension der Verfolgung, hebt dieses Werk im Bereich der Geschichtswissenschaft hervor. Herman Haupt, ein profunder Kenner der mittelalterlichen Geschichte, hat sich zeitlebens mit den Themen Religionsgeschichte und Inquisition auseinandergesetzt. Sein Studium der Geschichtswissenschaft und seine umfassende Forschungstätigkeit im Bereich der Waldenser und deren Verfolgung bilden den intellektuellen Hintergrund seiner Publikationen. Haupts Leidenschaft für das Aufdecken und Interpretieren von historischer Unrechtmäßigkeit und Verfolgung zieht sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes Werk. Dieses Buch ist für jeden Leser, der sich für die dunklen Kapitel der europäischen Religionsgeschichte interessiert, von unschätzbarem Wert. Es bietet nicht nur einen umfassenden Überblick über ein oft übersehenes Thema, sondern regt auch zu Reflexionen über die heutige gesellschaftliche und religiöse Dynamik an. Haupts prägnante Analyse ist sowohl für Historiker als auch für interessierte Laien von Bedeutung und sollte in keiner Bibliothek fehlen.
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In unserer früheren Darstellung der Geschichte der häretischen Bewegungen in Böhmen bis zum Ende der Regierung König Johann’s[1] sahen wir Karl IV. bereits als Thronfolger der Ketzerverfolgung hilfreich zur Seite stehen; als König und Kaiser hat sich Karl als einen nicht minder eifrigen Förderer der Inquisition erwiesen. In dem um 1350 von ihm entworfenen, aber bekanntlich nicht in Kraft getretenen neuen Böhmischen Gesetzbuche, der Majestas Carolina, nehmen die Strafbestimmungen gegen die Ketzerei, die angeblich durch Ausländer in Böhmen eingebürgert worden, und gegen welche der Kaiser eine Fluth von leidenschaftlichen Vorwürfen schleudert, die erste Stelle ein. Die königlichen Beamten sollen nicht allein den Inquisitoren jede mögliche Unterstützung leihen, sondern auch selbständig gegen die Häretiker vorgehen und die Verdächtigen dem Inquisitionsgerichte zur Aburtheilung überliefern; als Strafe für die unbussfertigen Ketzer wird der Feuertod festgesetzt[2]. In gleich entschiedener Weise wird in einem für den neuernannten Inquisitor Swatibor ausgestellten königlichen Erlasse dessen Unterstützung seitens aller Unterthanen, in erster Linie seitens der Geistlichkeit und der königlichen Beamten gefordert. Zur Bestreitung der dem Inquisitionsgerichte erwachsenden Kosten wird ein Drittel des Besitzes der verurtheilten Häretiker bestimmt; bei dieser Gelegenheit etwa erfolgende Hinterziehungen sollen für die Schuldigen den Verlust des gesammten Vermögens zur Folge haben[3]. Ein königliches Edict vom 18. September 1376 spricht dann wiederholt den Bann gegen jede Ketzerei im Böhmischen Königreiche aus, bedroht deren Anhänger mit dem Scheiterhaufen und ordnet ihre energische Verfolgung seitens der königlichen Beamten an[4].
Ein näheres Eingehen auf die Reichsgesetzgebung Kaiser Karl’s IV. in Bezug auf die Verfolgung der Häretiker müssen wir uns hier versagen[5]. So spärlich auch die Spuren sind, welche die Wirksamkeit der von Karl IV. mit den weitgehendsten Privilegien für das ganze Deutsche Reich ausgerüsteten Inquisitoren hinterlassen hat, so wird man doch die Bedeutung jener Ketzererlasse für die Niederhaltung der mächtig angewachsenen kirchlichen Oppositionsparteien des 14. Jahrhunderts nicht hoch genug anschlagen können. Die sämmtlichen Gesetze haben sich ja bekanntlich in erster Linie gegen die – unfraglich grösstentheils orthodoxen – Begharden und Beginen gerichtet, die nun auf lange hinaus, in schreiendem Widerspruch mit den thatsächlichen Verhältnissen, als die hauptsächlichste ketzerische Secte Deutschlands gelten[6]; wir erfahren aber mit Bestimmtheit, dass die päpstlichen Inquisitoren jener Zeit auch Angehörigen wirklicher häretischer Secten, namentlich Geisslern und Waldensern den Process gemacht haben[7]. Für Böhmen ist jene missbräuchliche Anwendung der Bezeichnung „Beghard“ als Ketzername in der Folge insoferne von Wichtigkeit geworden, als hier mit besonderer Vorliebe unter dem Namen der „Beghardia“ oder „Picardia“ fortan die verschiedenartigsten ketzerischen Systeme – darunter auch das Waldenserthum – zusammengefasst worden sind[8].
Auch im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts hat die Bekämpfung der Häresie die Kirche in Böhmen und Mähren fortdauernd beschäftigt. Die Prager Synodalstatuten haben allerdings über die vom Erzbischof Arnest getroffenen und fortan in Geltung bleibenden Bestimmungen hinaus keine diesbezüglichen Zusätze erhalten, es sei denn dass die Klage der Statuten von 1371 über die Entheiligung der Feiertage in diesen Zusammenhang gebracht werden müsste[9]. Dagegen haben die sogenannten Vorläufer der Husitischen Bewegung wiederholte Veranlassung zur Untersuchung der ihnen mit Recht oder Unrecht beigemessenen Ketzereien gegeben. Ein äusserer Zusammenhang zwischen dem Auftreten Konrad’s von Waldhausen, Milicz’ von Kremsier und Mathias’ von Janow und der vor ihnen zu Tage getretenen sectirerischen Opposition, namentlich dem Waldenserthum, hat sicherlich nicht bestanden[10]. Eine andere, nicht ohne Weiteres zu verneinende Frage ist es aber, ob die von den sämmtlichen drei Predigern eröffnete Polemik gegen das Mönchthum, Milicz’ Anfeindung des Universitätsstudiums und des weltlichen Besitzes des Klerus, Mathias’ von Janow Bekämpfung der Auswüchse[7] des Heiligencultus und der Reliquien- und Bilderverehrung[11] nicht die übereinstimmenden Waldensischen Lehren, wenigstens zum Theil zur Voraussetzung hatten. Müssen wir nach unseren früheren Auseinandersetzungen das Waldenserthum um 1370 seit Generationen in weiten Kreisen Oesterreichs und Böhmens uns eingewurzelt denken, so ist es anderseits leicht verständlich, dass die steigende religiöse Erregung jener Zeit, welche Wallfahrer in unerhörter Anzahl zur Gewinnung von Ablässen und Verehrung der Reliquien nach der Böhmischen Hauptstadt führte[12], auch der gegen diese Seiten des kirchlichen Lebens gerichteten Waldensischen Opposition erhöhten Einfluss verliehen hat. Ausser allem Zweifel ist die tiefgehende Waldensische Beeinflussung des Böhmischen Geistlichen Jacobus, der gleichzeitig mit Mathias von Janow am 18. October 1389 eine Reihe von ketzerischen Lehrsätzen vor der Prager Synode zurücknahm[13]. Er hatte u.a. die Wirksamkeit der Fürbitten der Heiligen und der Gottesmutter, den Nutzen der guten Werke für die Todten und des Sichbekreuzens geleugnet, jede Verehrung der Reliquien und Bilder, die zu Ehren der Heiligen eingesetzten Fasttage, die für die Verehrung der Muttergottesbilder gewährten Ablässe und die Breviergebete verworfen, die Autorität der Kirchenväter bestritten. In Uebereinstimmung mit Mathias von Janow trat er für den möglichst häufigen Abendmahlsempfang der Laien ein. In gleicher Weise an die leidenschaftliche Opposition der Oesterreichischen Waldenser von 1315 wie an den späteren Bildersturm der Taboriten klingt der Satz des Jacobus an, die Reliquien dürfe man mit Füssen treten und verbrennen; auch das Muttergottesbild hatte er verhöhnt und sich bereit erklärt, mit Heiligenbildern seine Erbsen zu kochen.
Ein dritter Böhmischer Geistlicher, Andreas, hatte vor der Synode von 1389 gleichfalls seinen Widerspruch gegen die Verehrung der Bilder zu widerrufen[14]. Als mit den Oberösterreichischen Waldensern in Verbindung stehend wird uns um 1370 ein Johannes von Prag, wie es scheint, ein Meister der Secte, genannt.[15]
Als Inquisitoren der Diöcese Prag fungirten unter den Nachfolgern Arnest’s von Pardubič der spätere Domherr Jogelinus oder Johann von Prag (um 1370), Bischof Nicolaus von Nazareth (1392, 1395, 1413 ff.), der Cölestinerprovinzial Petrus Zwicker (1390 ff.), ein nicht näher bezeichneter Dominicaner (um 1384), endlich der Minorit und Bischof von Sarepta Jaroslaw (1403 ff.)[16]. Für die Olmützer Diöcese war um 1370/71 der durch seine Verketzerung des Sachsenspiegels bekannt gewordene Augustiner Johann Klenkok als Inquisitor bestellt; am 4. Juli 1370 übertrug er seine Vollmachten auf kurze Zeit zwei Mitgliedern des Olmützer Domcapitels[17].
Wenn wir um dieselbe Zeit den Inquisitor Heinrich von Olmütz mit der Untersuchung gegen Waldenser im Oesterreichischen Theil der Diöcese Passau betraut finden[18], so liegt es sehr nahe, die Berufung des Mährischen Inquisitors daraus zu erklären, dass derselbe vorher bereits Processe gegen Mährische Waldenser geführt hatte. Die unter dem Bischof Johann von Neumarkt (1364–1380) beginnenden und bis ins 15. Jahrhundert hinein fortdauernden Streitigkeiten zwischen den Bischöfen und dem Domcapitel von Olmütz einerseits und den Markgrafen von Mähren andererseits[19] – gegen die Letzteren und die Stadt Olmütz wurde im Laufe derselben der Bann ausgesprochen – machten eine geordnete kirchliche Verwaltung Mährens während dieser Zeit nahezu unmöglich und mussten das Anwachsen der Ketzerei ganz besonders begünstigen.