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Was macht uns wirklich zufrieden?
Hätten Sie gedacht, dass Ihre Partnerschaft in eine Schieflage kommen kann, wenn Sie als Frau mehr verdienen als Ihr Mann? Dass Väter umso zufriedener sind, je länger sie arbeiten, und auch ihre Partnerinnen zufriedener sind, wenn der Mann aus dem Haus ist? Dass mehr als fünf Freunde die Lebenszufriedengeit ebenso wenig steigern wie mehr als 2000 Euro Nettoeinkommen im Monat. Um gesichert zu erfahren, was uns zu unserem Lebensglück verhilft, wurden seit 1984 bis heute die Menschen genau gefragt. Dabei herausgekommen ist eine einzigartige Datenbasis mit über 700.000 Befragungen. Der Soziologe Martin Schröder hat sie im Detail ausgewertet und dabei überraschende Erkenntnisse gewonnen. Anhand empirischer Daten zeigt er, worauf sich Zufriedenheit und Lebensglück tatsächlich gründen.
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Seitenzahl: 349
Autor
MARTIN SCHRÖDER, geboren 1981, ist Professor für Soziologie an der Philipps-Universität Marburg. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er durch Auftritte in den Tagesthemen, Stern TV oder RTL News bekannt. Er schreibt regelmäßig für Der Spiegel und FAZ. 2018 erschien sein Buch Warum es uns noch nie so gut ging und wir trotzdem ständig von Krisen reden.
Wann sind wir wirklich zufrieden? in der Presse:
»Schröders imposantes Pionierwerk lässt hoffen, dass uns die Wissenschaft helfen kann, die Lebenskunst der Zufriedenheit besser zu meistern.«Psychologie heute
»Das Buch ist … kurzweilig, interessant und bietet viele Anregungen und Überraschungen.«achtsamkeits-akademie.at
»Umfassende Gesellschaftsanalyse mit überraschenden Wendungen«Spektrum der Wissenschaft, Gehirn&Geist
»So interessant, erstaunlich und unterhaltsam kann Statistik sein!«ZEITENWENDE
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Martin Schröder
Wann sind wir wirklich zufrieden?
Überraschende Erkenntnisse zu Arbeit, Liebe, Kindern, Geld
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Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-25676-0V005
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1 Warum sind manche Menschen zufriedener?
1.1 Fragen Sie 700000-mal nach!
1.2 Vergessen Sie Glück, wichtig ist Zufriedenheit
1.3 Wie zufrieden sind die Deutschen?
1.4 Ist Zufriedenheit genetisch festgelegt?
1.5 Menschen können ihre Zufriedenheit verändern
2 Familie
2.1 Kinder machen nicht zufriedener, weil sie ärmer machen
2.2 Warum Männer anscheinend wenig Lust auf Kinder haben
2.3 Männer sind unzufriedener, wenn sie mehr Hausarbeit machen, Frauen nicht
2.4 Wer mit Anfang 30 Kinder kriegt, hat danach das zufriedenste Leben
2.5 Wer früher heiratet, ist länger unzufrieden
2.6 Heiraten, Single bleiben oder Single werden? Sie gewöhnen sich an alles
2.7 Zusammenziehen, sich trennen, Kinder kriegen, Kinder und Eltern verlieren
2.8 Warum Kinder, Enkel und Großeltern kaum zur Lebenszufriedenheit beitragen
2.9 Welche Kinder sind später zufrieden?
3 Arbeiten und Geld verdienen
3.1 Geld wird nutzloser, je mehr Sie davon haben
3.2 Fangen Sie nicht zu früh an zu arbeiten!
3.3 Zufrieden sind besser verdienende Männer und schlechter verdienende Frauen
3.4 Geldgeschenke unter einer halben Million bringen nichts
3.5 Väter sind zufriedener, wenn sie lange arbeiten, Mütter nicht
3.6 Gebildetere Menschen sind zufriedener, aber nicht viel
3.7 Mehr als ein Viertel seines Einkommens zu sparen bringt wenig
3.8 Sollten Sie Ihren Job verlassen? Es kommt darauf an, warum
3.9 Welche Jobbelastung ist schlecht?
3.10 Pendeln ist nicht so schlimm, wie Ihnen erzählt wird
4 Freizeit und Freunde
4.1 Bis zu drei Stunden tägliche Freizeit bringen etwas, danach wird es schwierig
4.2 Nehmen Sie Urlaub!
4.3 Mehr als fünf enge Freunde braucht man nicht, aber die braucht man
4.4 Engagierte Menschen sind zufriedener, vor allem im Alter
4.5 Schlafen Sie mindestens sieben Stunden!
4.6 Kippen Sie sich einen hinter die Binde, aber sparen Sie sich die Zigarette!
4.7 Engagement, Freunde, Sport, Kunst, Ausgehen: Gut ist, was Sie in Kontakt mit anderen Menschen bringt
5 Wohnen
5.1 Eine größere Wohnung macht kaum zufriedener
5.2 Geben Sie nicht mehr als ein Viertel Ihres Einkommens für Miete aus!
5.3 Ostdeutsche sind unzufriedener und infizieren sogar Zugezogene
5.4 Landbewohner sind zufriedener – wenn sie alt sind
6 Politik
6.1 Wer unzufrieden ist, wählt weit rechts oder weit links
6.2 Patrioten sind zufriedener
6.3 Weltreise: Das Wichtigste ist, dass Menschen sich frei fühlen können
7 Gesundheit
7.1 Im Alter geht es abwärts, außer Sie fühlen sich gesund
7.2 Stärkere sind zufriedener
7.3 Größere sind zufriedener
7.4 Dicke sind unzufriedener, abnehmen bringt trotzdem nichts
7.5 Sich gesund zu ernähren ist wichtig
7.6 Sport bringt weniger, als Sie denken
7.7 Erholt man sich wirklich von einer Behinderung?
8 Lebensstil und persönliche Eigenschaften
8.1 Wer religiös ist, ist zufriedener
8.2 Intelligente Menschen sind zufriedener, vor allem als Männer und wenn sie mehr Geld haben
8.3 Wer ist zufriedener: Männer oder Frauen?
8.4 Bisexuelle sind unzufriedener, Homosexuelle auch
8.5 Attraktive Menschen sind zufriedener, vor allem wenn Frauen sie attraktiv finden
8.6 Einstellungen: Was zufriedene und unzufriedene Menschen unterscheidet
8.7 Die großen fünf Persönlichkeitseigenschaften und Zufriedenheit
8.8 Zufriedene Menschen spielen keine Nullsummenspiele
8.9 Zufriedene Menschen sind vor allem mit ihrem Lebensstandard, ihrer Familie und ihrer Gesundheit zufrieden
9 Wer ist der richtige Partner?
10 Warum wir nie wissen, was Zufriedenheit bedingt, Sie die Effekte hier aber trotzdem ernst nehmen können
11 Große Erklärungen für Zufriedenheit und ihr Wahrheitsgehalt
11.1 Kapitalismus: hilft nur, wenn man arm ist
11.2 Buddhismus: hilft nur, wenn es einem schlecht geht
11.3 Wer Zufriedenheit sucht, wird sie nicht finden
12 Was hat die SARS-CoV-2 Epidemie mit unserer Zufriedenheit gemacht?
Anmerkungen
Literatur
Register
Soll ich den besser bezahlten Job annehmen, obwohl ich dann pendeln muss? Soll ich Kinder kriegen? Aber was ist der richtige Zeitpunkt? Und sollte ich dann arbeiten? Sollte ich überhaupt arbeiten? Sollte ich in meiner Beziehung bleiben? Brauche ich mehr Freunde? Eine größere Wohnung? Mehr Sport? Oder eine Pause von diesen Fragen, um einfach länger zu schlafen?
Hinter all diesen Fragen steckt dieselbe Megafrage: Was macht mich zufrieden? Auf Zufriedenheit als erstrebenswertes Ziel können wir uns alle einigen. Schließlich werden Sie bei allen Unterschieden zwischen Menschen niemanden finden, der nicht zufrieden sein will. Doch wie finden wir heraus, was uns zufrieden macht?
Pausenlos reden wir in Kneipen, Cafés und Wohnzimmern mit Freunden, Verwandten und Unbekannten darüber, wie es ihnen geht, nachdem sie ihren Traumjob, das lang ersehnte Kind oder ihren Partner gefunden haben. Doch erfahren wir dadurch wirklich, wann es Menschen gut geht? Wenn Ihr bester Freund sich nicht besser fühlt, nachdem er seinen Traumjob gefunden hat, wird er das ungern an die große Glocke hängen. Möglicherweise gibt er es nicht einmal vor sich selbst zu. Wenn Ihre beste Freundin ihr ersehntes Kind endlich hat, danach aber unzufriedener ist als vorher, wird sie vielleicht auch nicht herausposaunen wollen, was für eine Fehlentscheidung das doch war. Und wenn Ihr Cousin in seiner neuen Partnerschaft unzufrieden ist, obwohl er vorher monatelang von seiner Angebeteten schwärmte, so wird sein Mitteilungsbedürfnis jetzt, nun ja, nicht mehr ganz so hoch sein. Menschen erzählen nicht alles. Und wenn doch, wissen sie oft selbst nicht, warum sie zufrieden oder unzufrieden sind. Wären Ihre Bekannten auch die offensten und reflektiertesten Menschen der Welt, es bliebe immer noch ein Problem. Sie wüssten nicht, ob deren Erfahrungen überhaupt verallgemeinerbar sind. Es scheint deswegen, als ob wir nie herausfinden können, wann Menschen zufrieden sind.
Tatsächlich wissen wir nicht, was uns zufrieden macht. Der Harvard-Psychologe Daniel Gilbert zeigt in dem Buch Ins Glück stolpern, wie Menschen völlig falsch einschätzen, was sie zufrieden macht.1 Aber was ist mit Ratgebern? Sie versprechen Abhilfe, indem sie Zufriedenheit durch Meditation, Diät, Sport, Freundschaft, Erfolg oder Schönheitsoperationen propagieren. Doch jeder Ratgeber empfiehlt etwas anderes und basiert nur auf der subjektiven Überzeugung seines Autors. Es scheint hoffnungslos: Um die wichtigste Frage von allen zu beantworten, müssten wir Tausende jahrzehntelang anonym zu ihrer Zufriedenheit befragen und gleichzeitig alles andere über sie wissen. Aber das geht ja nicht.
Geht eben doch. Es wurde sogar schon für uns erledigt! In Berlin steht in der Mohrenstraße 58 das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, auch DIW genannt. Das DIW hat als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft einen exzellenten Ruf, es ist vom Bund und Berlin finanziert, um das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) zur Verfügung zu stellen. Dafür hat es seit 1984 insgesamt 98290 Menschen 705619-mal befragt, wie zufrieden sie mit ihrem Leben sind. Durch das SOEP wissen wir nicht nur, wie zufrieden Menschen sind, sondern auch fast alles andere, denn den Befragten wurden Hunderte weiterer Fragen gestellt. Diese Datenbasis ist erstens aussagekräftig für alle Deutschen, denn die Forscher achten darauf, dass alle gesellschaftlichen Gruppen so vorkommen, wie es ihrer Verteilung in der Bevölkerung entspricht. Weil zudem dieselben Personen immer wieder befragt wurden, erlauben die Daten zweitens nicht nur zu berechnen, ob manche Menschen zufriedener sind als andere, sondern auch, wie viel zufriedener oder unzufriedener dieselbe Person nach bestimmten Lebensveränderungen wird.
Es ist übrigens purer Zufall, dass Deutschland mit dem SOEP die weltweit beste Befragung hat, um zu berechnen, wann Menschen zufrieden sind. Es liegt einfach daran, dass ein paar Wissenschaftler Ende der 1970er Jahre die verrückte Idee hatten, dieselben Menschen immer wieder zu befragen, obwohl ihnen klar war, dass das erst Jahrzehnte später wirklich etwas bringen würde. Die Forscher gingen damit eine dreifach riskante Wette ein. Sie wetteten, dass Menschen jahrzehntelang jedes Jahr dieselben Fragen beantworten würden. Sie wetteten, für die Befragung über mehrere Jahrzehnte Geld zu bekommen. Und sie wetteten, dass es Jahrzehnte später Computer geben würde, die die Datenmassen überhaupt auswerten könnten. Jetzt ist es Jahrzehnte später, und die Wette ist aufgegangen. Obwohl die Berechnungen auch auf den modernsten Computern teils mehrere Stunden dauern, ist es nun tatsächlich möglich, mit dem SOEP das Schicksal von Menschen über mehr als 30 Jahre zu verfolgen. Und die sich daraus entwickelnde Lebenszufriedenheitsforschung ist eine boomende Wissenschaftsdisziplin geworden.
Dass wir mit diesen Daten ausrechnen können, wer wann zufrieden ist, hat eine Menge Vorteile: Stellen Sie sich vor, Ihr bester Freund bekommt eine Gehaltserhöhung. Dann zieht er in eine schönere Wohnung und ist zufriedener. Er kann Ihnen jedoch wahrscheinlich nicht sagen, ob seine höhere Zufriedenheit mit der schöneren Wohnung oder der vorherigen Gehaltserhöhung zusammenhängt. Die SOEP-Daten können das voneinander trennen, schließlich finden sich in den Daten auch Leute, die ohne Gehaltserhöhung in eine schönere Wohnung gezogen sind, und andere, die mit Gehaltserhöhung in derselben Wohnung geblieben sind. Durch diese Unterschiede der beiden Gruppen kann man berechnen, ob wirklich die schönere Wohnung die Lebenszufriedenheit erhöht oder ob diejenigen, die eine schönere Wohnung haben, zufriedener sind, weil sie meist mehr verdienen. Doch obwohl Deutschland mit dem SOEP die weltweit beste Datenbasis hat, um die wichtigste Frage von allen zu beantworten, hat sich bisher niemand die Mühe gemacht zu berechnen, wann Menschen wirklich zufrieden sind.
Das wiederum ist mein Job. Viele, die mich kennen, würden sogar sagen: Es ist das Einzige, was ich wirklich kann. Ich stehe oft verwirrt im Keller, weil ich vergessen habe, was ich dort holen wollte. Alle paar Wochen vergesse ich meinen Koffer im Zug, weil ich über Statistiken nachgedacht habe. Während ich diesen Satz schreibe, will die Deutsche Bahn beispielsweise, dass ich einen Drucker aus Frankfurt abhole, den ich letzte Woche im Zug vergessen habe (ich glaube, ich lasse ihn einfach liegen). Es ist also keine Überraschung, dass ich Soziologieprofessor bin. Und wenn Sie jetzt vermuten, dass ich nur begrenzt lebensfähig bin, dann haben Sie recht. Ich bin allerdings immer zufrieden, wenn ich an meinem Computer mit gigantischen Datenmengen berechnen kann, was Lebenszufriedenheit beeinflusst. Deswegen habe ich dazu etliche Artikel in einigen der besten soziologischen Fachzeitschriften veröffentlicht. Doch dabei wurmte mich immer, warum nur Fachleute erfahren sollen, wann Menschen zufrieden sind. Also habe ich dieses Buch geschrieben. Es hat denselben wissenschaftlichen Anspruch, wie meine bisherigen Publikationen in anerkannten Fachzeitschriften. So sind alle Dateien, mit denen ich die Ergebnisse dieses Buches berechnet habe, im Internet hochgeladen.2 Jeder Wissenschaftler, der mein Vorgehen nachprüfen will, kann dadurch alle meine Analyseschritte nachrechnen und kontrollieren, ob ich Fehler gemacht habe. Doch dieses Buch richtet sich nicht nur an Wissenschaftler, sondern auch an ganz normale Leser, die sich für unsere Gesellschaft interessieren. Denn es ist das einzige Buch, das wissenschaftliche Daten so verpackt, dass man sofort sieht, was Menschen zufrieden macht. Und eines kann ich Ihnen versprechen: Sie werden von den Ergebnissen überrascht sein.
Aber treffen diese statistischen Effekte überhaupt auf Sie zu? Schließlich personifizieren Sie nicht den Durchschnittswert. Vielleicht sind Geld, Familie oder Freunde Ihnen wichtiger als anderen? Das ist kein Problem. Denn wenn die Daten etwa zeigen, dass Menschen ab circa 2000 Euro netto mit zunehmenden Einkommen kaum noch zufriedener werden, dann sollten Sie sich durchaus überlegen, ob das auch auf Sie zutrifft. Wenn Ihnen nämlich Geld besonders wichtig ist, liegt die Zahl für Sie möglicherweise etwas höher. Doch ab wann Menschen generell mit mehr Geld nicht mehr zufriedener werden, ist trotzdem gut zu wissen, auch wenn es bei Ihnen persönlich etwas mehr oder weniger sein kann. Außerdem zeige ich Ihnen nicht nur, was die Lebenszufriedenheit wie stark beeinflusst, sondern auch das sogenannte Konfidenzintervall darum herum. Dieses Konfidenzintervall zeigt die Genauigkeit der statistischen Berechnung. Es zeigt also, wie viel Vertrauen Sie haben können, dass ein Ergebnis nicht nur Zufall ist, sondern immer wieder auftreten würde und entsprechend auch bei Ihnen selbst.3 Und ja, Sie haben recht, so ein Wort wie »Konfidenzintervall« können sich wirklich nur Wissenschaftler ausdenken. Grafik 2 zeigt beispielsweise nicht nur, wie viel zufriedener dieselbe Person ist, wenn sie mehr Geld hat, sondern auch, wie viel Schwankung es um diesen durchschnittlichen Effekt gibt, wie stark der Effekt sich also von einer Person zur nächsten unterscheidet. Ich zeige Ihnen somit nicht nur, was die Lebenszufriedenheit von Menschen beeinflusst, sondern auch, ob dieser Effekt auf fast alle oder nur wenige zutrifft. Und wenn ein Effekt nur auf wenige zutrifft, zeige ich meistens auch auf wen.
Ein weiterer, etwas gespenstischer Grund, weswegen das Big Data des SOEP so viel über Lebenszufriedenheit verrät, ist, dass diese Daten uns möglicherweise besser kennen als wir uns selbst. Klingt unglaublich? Dann ist hier ein reales Beispiel: Deutsche Männer sagen typischerweise, dass sie beruflich kürzertreten möchten, wenn sie Kinder haben. Doch wenn man deren tatsächliche Lebenszufriedenheit in Relation zu ihrer Arbeitszeit setzt, zeigt sich, dass Väter am zufriedensten sind, wenn sie sehr lange arbeiten, länger noch als kinderlose Männer. Frauen sagen dahingegen typischerweise, dass Väter sich um ihre Kinder kümmern sollten. Doch in Wirklichkeit sind Mütter umso zufriedener, je länger die Väter ihrer Kinder aus dem Haus sind. Das ist nicht, was die meisten vermuten. Es ist auch nicht das, was die meisten gerne hören wollen, und es widerspricht sogar dem, was wir für moralisch richtig halten. Doch wovon wir wollen, dass es uns zufrieden macht, deckt sich eben nicht immer mit dem, was uns tatsächlich zufrieden macht. Als Wissenschaftler will ich Ihnen die Welt jedoch zeigen, wie sie wirklich ist, und nicht, wie wir sie gerne hätten. Ansonsten würde unser Handeln auf einer nur herbeigewünschten Realität fußen. Das zu berücksichtigen ist besonders wichtig, weil Menschen oft eben nicht so handeln, dass sie dadurch zufrieden werden, und sich insofern selbst keinen Gefallen tun.
Fast jeder vermutet beispielsweise, zufriedener zu sein, wenn er mehr Geld hätte. Doch tatsächlich zeigen die Daten, dass Menschen eine Gehaltserhöhung von 100 Euro innerhalb eines Jahres vorkommt, als wäre sie nur noch 60 Euro. Warum? Weil wir – ohne es zu merken – unseren Lebensstil anpassen. Wer mehr Geld hat, geht beispielsweise öfter essen und vergisst, dass das früher etwas Besonderes war. Diese Gewöhnung an Geld geschieht so schnell, dass mehr Einkommen innerhalb eines Jahres unsere Zufriedenheit nur noch etwa halb so stark beeinflusst wie direkt nach einer Gehaltserhöhung. Der positive Effekt zusätzlichen Einkommens zerrinnt uns also zwischen den Fingern, weil wir uns – ohne es zu merken – so schnell an mehr Geld gewöhnen. Wir denken immer, nur noch etwas mehr zu brauchen, als wir gerade haben. So laufen wir ein Leben lang mehr Geld hinterher, das uns langfristig nichts bringt. Oft zeigen die Daten insofern, dass uns etwas anderes zufrieden macht, als wir denken, weil wir uns nicht so sehen, wie wir wirklich sind. Wer macht sich schon klar, dass er mit jeder Gehaltserhöhung nur noch mehr Unsinn kauft? Welcher Vater gesteht sich ein, umso zufriedener zu sein, je länger er aus dem Haus ist?
Erst die SOEP-Daten bieten einen schonungslosen Blick darauf, wann Menschen wirklich zufriedener sind. Und das ist gut für Sie. Denn dann müssen Sie nicht auf irgendwelche Philosophen oder Ratgeber hören, sondern können sich direkt die Daten anschauen, über die so lange Zeit gerätselt wurde. Zum ersten Mal müssen wir nicht mehr spekulieren, wann Menschen zufrieden sind, sondern können es einfach berechnen.
Doch warum Zufriedenheit statt Glück berechnen? Dafür gibt es gute Gründe: Glück hängt von Emotionen ab und schwankt deswegen wild, oft ohne erkennbare Muster. Ob wir zufrieden sind, folgt hingegen einer einfachen Regel: Zufrieden sind wir, wenn unser Leben unseren Vorstellungen und Wünschen entspricht. Wenn Menschen hingegen unzufrieden sind, befinden sie sich nicht in einer Situation, die zu dem passt, was sie brauchen. Indem wir berechnen, wann Menschen zufrieden sind, können wir also berechnen, welche Lebensbedingungen gut für Menschen sind. Statt endlos zu philosophieren, was das richtige Leben ist, kann man es erstmals mit Daten berechnen.4 Würden wir stattdessen berechnen wollen, was Glück beeinflusst, würde das kaum gehen, denn Glück kommt und geht und ist letztlich auch egal. Warum? Weil Sie mal glücklicher und mal unglücklicher sind. Doch solange Sie dabei keine ernsthaften emotionalen Probleme entwickeln, pendelt sich ihr Glück immer wieder in der Mitte ein. Unser Glücksempfinden hat sozusagen ein eingebautes Thermostat. Wenn wir immer wieder extremes Glück empfinden, beispielsweise durch Sex, Drogen oder Einkäufe, löst dieselbe Erfahrung einen immer geringeren Kick aus. Jede Liebe kennt das. Wer von seinem Partner nach fünf Jahren dieselben Emotionen wie am Anfang erwartet, dem steht ein Desaster ins Haus. Zufriedenheit ist anders: stabiler, rationaler und schlussendlich auch wichtiger. Denn dass Glück vergeht, ist so lange egal, wie Sie weiterhin zufrieden sind. Die SOEP-Zufriedenheitsdaten zeigen somit, wann das Leben von Menschen ihren Vorstellungen von einem guten Leben entspricht, unabhängig von Gefühlsschwankungen. Dass die Daten nicht nur die derzeitige Laune wiedergeben, sondern wirklich zeigen, wie zufrieden Menschen mit ihrem Leben sind, sieht man beispielsweise daran, dass die Zufriedenheit nicht mit dem Monat schwankt. Könnten Menschen ihr Leben nicht bewerten, sondern nur ihre derzeitige Stimmung, müssten sie in den grauen Monaten unzufriedener sein als im Sommer. Doch genau das zeigt sich nicht. Auch sprechen Forschungsergebnisse, die ich Ihnen gleich vorstellen werde, dafür, dass Menschen wirklich akkurat angeben können, wie zufrieden sie mit ihrem Leben sind.
Doch obwohl deswegen Zufriedenheit ein besserer Maßstab als Glück ist, kann ich schon einmal verraten: Wer zufrieden ist, ist im Durchschnitt auch glücklich. Aber das sehen Sie später noch anhand der Daten. Zufriedenheit ist zwar sinnvoller zu messen als Glück. Doch weil es zu monoton wäre, immer nur von Zufriedenheit zu sprechen, benutze ich zur Abwechslung manchmal auch den Begriff Glück. Was ich damit jedoch meine, und das wissen Sie ja jetzt, ist ein Gefühlszustand, der Menschen insgesamt mit ihrem Leben zufrieden sein lässt, nicht die kurzfristigen Glückswallungen, die kommen und gehen.
Aber wie zufrieden sind die Deutschen denn nun? Um das zu erfahren, hat das SOEP in über 700000 Interviews dieselbe Frage gestellt:
»Zum Schluss möchten wir Sie noch nach Ihrer Zufriedenheit mit Ihrem Leben insgesamt fragen. Antworten Sie bitte wieder anhand der folgenden Skala, bei der 0 ganz und gar unzufrieden, 10 ganz und gar zufrieden bedeutet: Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig, alles in allem, mit Ihrem Leben?«
Das Schöne an dieser Frage ist, dass jeder sich selbst überlegen kann, ob er mit seinem Leben zufrieden ist. Die Frage gibt also nicht vor, wann Menschen zufrieden sein sollten, sondern überlässt jedem selbst, wie er antwortet. Es geht insofern um ein radikal subjektives Verständnis von Zufriedenheit: Zufrieden ist, wer meint, zufrieden zu sein. Anfangs gab es Zweifel, was die Antworten auf diese Frage überhaupt messen. Doch die Forschung zeigte, dass Antworten damit einhergehen, ob Menschen sich das Leben nehmen, von ihren Freunden und Verwandten für zufrieden gehalten werden und viel lächeln. Deswegen zweifelt heute kaum noch jemand, dass man mit dieser einfachen Frage messen kann, wie zufrieden Menschen sind.5
Doch was bedeutet ein Wert von beispielsweise 8 statt 4 überhaupt? Jeder Statistikstudent lernt, dass man mit einer Lebenszufriedenheit von 8 nicht doppelt so zufrieden ist wie mit einer Lebenszufriedenheit von 4. Schließlich sind 40 Grad Celsius auch nicht doppelt so heiß wie 20 Grad. Doch praktisch zeigen Untersuchungen, dass man die Daten so interpretieren kann.6 Ich multipliziere zudem alle Werte mit 10, so dass daraus eine Skala von 0 bis 100 wird. Dann kann man sich jeden Wert als Anteil der maximal erreichbaren Zufriedenheit vorstellen. Wer also einen Wert von 70 angibt, erreicht 70 Prozent der maximal möglichen Zufriedenheit. Sehen Sie selbst, welcher Anteil aller Deutschen welche der elf Antwortmöglichkeiten auf der Skala von 0 bis 100 gewählt hat. Während ich ansonsten alle vorhandenen Daten von 1984 bis 2019 nutze, bilde ich hier nur Daten für das letzte Jahr 2019 ab. Aber eines noch: Bevor Sie sich die Daten anschauen, überlegen Sie doch einmal, welchen Wert Sie sich selbst geben würden.
Grafik 1: Zufriedenheit der Deutschen
Überrascht? Es gibt genug Vermutungen, dass Menschen nicht besonders zufrieden sind. In dem Buch Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück kommt Hector zu dem Schluss, dass die Frage nach dem eigenen Glück Männern höchstens ein müdes Lachen abringt und Frauen sogar in Tränen ausbrechen lässt.7 Doch das stimmt überhaupt nicht. Denn tatsächlich zeigt sich, dass die meisten ganz zufrieden sind. Ganze 59 Prozent der Deutschen gab sich zuletzt 2019 sogar 80 oder noch mehr von 100 möglichen Punkten! Dahingegen verortete sich zuletzt weniger als jeder Sechste zwischen 0 und 5 Punkten. Und weniger als einer von einhundert gibt sich den niedrigsten oder zweitniedrigsten Zufriedenheitswert.
Das ist nicht überall so. Eine durchschnittliche Person in Simbabwe bewertet ihre Lebenszufriedenheit mit nur 40 von 100 Punkten. Menschen in armen Ländern Afrikas und Osteuropas sind generell ziemlich unzufrieden. Es gibt allerdings ein paar Ausnahmen. Südamerikaner sind beispielsweise recht zufrieden, obwohl sie arm sind. Kolumbianer und Guatemalteken (tatsächlich der Name für die Bevölkerung Guatemalas) sind mit durchschnittlich mehr als 80 von 100 Punkten noch zufriedener als Deutsche. Doch während Armut keine Garantie für Unzufriedenheit ist, garantiert Reichtum Zufriedenheit. Kein einziges Land mit einer Kaufkraft pro Kopf von über 2000 Euro (ungefähr das Niveau Spaniens) hat eine Lebenszufriedenheit unter 65 Punkten.8 Tatsächlich liegen die Deutschen mit ihren circa 70 durchschnittlichen Lebenszufriedenheitspunkten nur im unteren Mittelfeld der entwickelten Länder. In welchen Ländern man wie zufrieden ist und warum, erfahren Sie später übrigens auch noch.
Sie wissen jetzt also, wie zufrieden Menschen durchschnittlich sind. Doch wie stabil ist dieser Durchschnitt? Ist eine Person, die letztes Jahr zufrieden war, meist auch nächstes Jahr zufrieden? Die erfreuliche Antwort lautet: Die meisten Menschen sind stabil zufrieden. Wenn man dieselben Menschen immer wieder fragt, berichten über 90 Prozent von mehr Momenten, in denen es ihnen gut geht. Selbst wer nicht genug zu essen hat, angegriffen wurde, kein Dach über dem Kopf oder eine geliebte Person verloren hat, beschreibt sich öfter als zufrieden denn als unzufrieden. Wie kann das sein? Eine Theorie lautet, dass Menschen meistens zufrieden sind, weil sie es damit eher schaffen, ihre Gene in die nächste Generation zu bringen. Wer derart depressiv ist, dass er es nicht einmal aus dem Bett schafft, wird kaum Kinder zeugen, geschweige denn sie lange genug am Leben halten, damit sie selbst Kinder kriegen.9 Das spricht dafür, dass Zufriedenheit eine starke genetische Komponente hat, was auch Hunderte von Zwillingsstudien zeigen.10
Ein eindrucksvolles Beispiel dafür sind die eineiigen Zwillinge Daphne und Barbara, die von zwei unterschiedlichen Familien adoptiert wurden. Als sie sich im Alter von 40 Jahren erstmals trafen, hatten beide mit 14 die Schule verlassen, daraufhin in der kommunalen Verwaltung gearbeitet, ihre Ehemänner mit 16 bei lokalen Tanzveranstaltungen getroffen, im selben Alter Fehlgeburten gehabt und dann jeweils drei Kinder bekommen. Beide hatten Angst vor Höhe und Blut, liebten kalten Kaffee, kicherten auf die merkwürdige gleiche Weise und trugen fast dieselbe Kleidung.11 Weil sich bei Hunderten von genetisch identischen Zwillingen solche unfassbaren Ähnlichkeiten fanden, die nicht an der Erziehung liegen konnten, vermuteten Forscher, dass Gene 50 bis 80 Prozent des langfristigen Zufriedenheitsniveaus erklären. Dieser Eindruck wurde erhärtet, als eine Untersuchung aufzeigte, wie selbst Lotteriegewinner und Querschnittsgelähmte sich in ihrer Zufriedenheit langfristig anscheinend kaum von einer Vergleichsgruppe unterscheiden.12 Wissenschaftler kamen deswegen zu dem Schluss, der Versuch, zufriedener zu werden, sei ähnlich sinnlos wie der Versuch, größer zu werden.13
Diese deprimierende Einsicht ballte sich zur sogenannten Set-Point-Theorie, wonach jeder Mensch, egal, was ihm widerfährt, früher oder später zu seinem genetisch bedingten Zufriedenheitsniveau zurückkehrt. Zufriedenheit würde dann wie ein Auge funktionieren, das mehr Licht hereinlässt, wenn es dunkel wird, damit wir etwas sehen können, wohingegen es bei Helligkeit weniger Licht hereinlässt, damit wir nicht geblendet werden. Genauso würde unser Geist für Zufriedenheit empfänglicher, je schlimmer eine Situation ist, damit wir nicht durch eine Depression handlungsunfähig werden. Doch ebenso würde unser Geist gegenüber Zufriedenheit abstumpfen, damit wir nie lethargisch werden, weil wir wunschlos glücklich sind.14 Die Set-Point-Theorie ist ein Meisterstück. Sie erklärt, warum Menschen sich in Konzentrationslagern nicht einfach das Leben nehmen, warum Deutsche oft grummeln, obwohl es ihnen viel besser geht als Menschen in Burundi, und warum man immer mehr will, egal, wie viel man schon hat. Niemand zweifelt heute daran, dass Menschen sich an die schlimmsten und besten Umstände gewöhnen. Trotzdem hat die Set-Point-Theorie nicht die allumfassende Erklärungskraft, die man ihr lange zugeschrieben hat. Denn Menschen können ihre Zufriedenheit eben doch verändern.
Gerade als immer mehr dafür sprach, dass manche Menschen genetisch dauerhaft zufriedener sind, zeigten sich erste Risse in der Set-Point-Theorie. Und wer war schuld? Das deutsche SOEP. Denn es war die erste Datenquelle, die Lebenszufriedenheit über lange Zeiträume zu messen ermöglichte. Dabei zeigte sich, dass manche Menschen viel länger über oder unter ihrer durchschnittlichen Zufriedenheit sind, als die Theorie vermutet.15 Und manche kommen, anders als von der Theorie vorausgesagt, überhaupt nicht mehr bei einem durchschnittlichen Zufriedenheitsniveau an. So hat mehr als jeder zehnte Deutsche ein langfristig ansteigendes und ebenfalls mehr als jeder zehnte ein langfristig fallendes Zufriedenheitsniveau.16 Man gewöhnt sich eben nicht an alles. Außerdem zeigte sich, dass Gewöhnung oft langsamer ist als gedacht. Das entwertete die Theorie ebenfalls. Denn was hilft es zu wissen, dass man sich nach sieben Jahren erholt, wenn einem heute etwas Schlimmes passiert?17 Weitere Messungen zeigten, dass die Zufriedenheit vieler Menschen stark schwankt. Ihr Leben ist eher eine Achterbahnfahrt als das leichte Pendeln um einen Mittelwert, welches die Theorie vermutet. Selbst die Zufriedenheit einer typischen Person variiert von Jahr zu Jahr um 12 Punkte und damit fast so stark wie zwischen zwei Personen. Diese Irregularitäten waren der Todesstoß für eine strenge Interpretation der Set-Point-Theorie; zeigten sie doch, dass Menschen langfristig nicht auf demselben Zufriedenheitsniveau verweilen. Und das ist auch gut so, denn deswegen sind wir nicht in unserer Lebenszufriedenheit gefangen, sondern können unser Schicksal selbst gestalten.
Daraus entwickelte der Psychologe Martin Seligman 2002 die Positive Psychologie. Denn als er 1998 Präsident der American Psychological Association wurde, fand er die damalige Psychologie miserabel. Psychologen konnten zwar Depressiven, Schizophrenen oder Phobikern helfen. Doch sie konnten kaum sagen, wie man ein zufriedenes Leben führt. Das wollte Seligman ändern. Seine neue Herangehensweise bezweifelt zwar nicht, dass jeder eine mehr oder weniger hohe – und im Wesentlichen genetisch festgelegte – Zufriedenheit hat. Doch dann müsste es die Aufgabe von Psychologen sein, Menschen ein Leben am oberen Ende ihrer genetischen Möglichkeiten zu ermöglichen. Die Set-Point-Theorie hatte klargemacht, dass nicht jeder immer vollkommen zufrieden sein kann. Aber ihre Schwäche eröffnete die Hoffnung, dass jeder zumindest so zufrieden werden kann, wie seine Gene erlauben.18
Weil diese Herangehensweise der Positiven Psychologie funktionierte und Zufriedenheit somit weniger statisch ist, als man befürchtete, war auch der Versuch, zufriedener zu werden, doch nicht so sinnlos wie der Versuch, größer zu werden. Mittlerweile hatten Forscher sogar gezeigt, dass die Lebenszufriedenheit von Menschen nicht nur weniger stabil ist als ihre Körpergröße, sondern auch weniger stabil als beispielsweise ihr Blutdruck oder ihr Körpergewicht. Und nur weil manche einen genetisch hohen Blutdruck haben, ist es ja nicht weniger sinnvoll, diesen zu reduzieren. Genauso sinnvoll und insgesamt sogar etwas einfacher ist es, seine Lebenszufriedenheit zu verändern, obschon es tatsächlich stabile Zufriedenheitsunterschiede zwischen Menschen gibt.19
Dafür gebe ich Ihnen alle Informationen. Denn so wie Ärzte zeigen können, was im Lebensverlauf mit einem hohen Blutdruck oder Übergewicht einhergeht, kann ich Ihnen zeigen, was mit einer niedrigen oder hohen Lebenszufriedenheit verbunden ist. Insofern kann ich zwar nie genau wissen, was Sie individuell machen müssen, damit Ihre Zufriedenheit steigt. Doch ich gebe Ihnen die Informationen, mit denen Sie dies selbst entscheiden können. Wäre ich ein Arzt, würde ich Ihnen also nicht direkt raten, was Sie selbst machen sollten, um gesünder zu sein. Aber ich kann Ihnen zeigen, was bei anderen Menschen nach einer bestimmten Lebensveränderung passiert. Ob das auf Sie ebenfalls zutrifft, müssen Sie selbst überlegen. Insofern ist das hier nicht in erster Hinsicht ein Ratgeber, sondern ein Buch, das aufklären will. Ob Sie die damit verbundenen Informationen als Ratschlag ansehen wollen, müssen Sie jeweils selbst entscheiden.
Doch nehmen wir mal an, Sie stellen Ihr Leben auf das um, was Menschen in der Regel zufrieden macht, und die Effekte wirken bei Ihnen so positiv wie bei anderen. Wie viel schreiben Ihre Gene Ihnen dann trotzdem vor? Die neuere Forschung sagt, dass Sie kurzfristig ein Drittel und langfristig zwei Drittel Ihrer Lebenszufriedenheit selbst in der Hand haben. Denn ein Drittel Ihrer Zufriedenheit ist durch Lebensumstände bestimmt, die Sie langfristig ändern können, beispielsweise die eigene Bildung. Ein zweites Drittel ist durch schnell veränderbare Umstände beeinflussbar, die allerdings meist auch nur kurz wirken, beispielsweise eine Gehaltserhöhung oder ein Umzug.20 Um gute Lebensentscheidungen zu treffen, sollte man deswegen wissen, was Menschen langfristig zufriedener macht; und um immer wieder einen Zufriedenheitsschub zu bekommen, sollte man wissen, was kurzfristig hilft. Das letzte Drittel der mehr oder weniger hohen Lebenszufriedenheit, da hat die Set-Point-Theorie recht, kann man wirklich nicht ändern.
Dabei ist erstens interessant, ob manche Menschen zufriedener sind als andere, beispielsweise, ob Reiche zufriedener als Arme sind. Doch nur weil es solche Unterschiede zwischen Gruppen gibt, müssen wir nicht automatisch selbst zufriedener werden, wenn wir eine entsprechende Veränderung durchmachen. Deswegen nutze ich zweitens sogenannte Fixed-Effects-Regressionen. Hört sich wie eine Krankheit an, ist aber eine großartige Revolution in der empirischen Sozialforschung und nicht einmal kompliziert zu verstehen. Denn eine Fixed-Effects-Regression zeigt einfach, ob dieselbe Person zufriedener ist, nachdem ihr etwas Bestimmtes passiert ist, beispielsweise eine Lohnerhöhung. Dadurch kann man beispielsweise nicht nur sehen, ob Reiche zufriedener als Arme sind, sondern auch, ob dieselbe Person zufriedener ist, nachdem sie reich geworden ist.
Trotzdem sind Bevölkerungsunterschiede manchmal wichtig, und dann zeige ich sie auch. Beispielsweise kann es lustig sein zu sehen, ob Landbewohner, Singles oder Menschen mit bestimmten Charaktereigenschaften zufriedener sind. Doch immer zeige ich ebenfalls, ob man auch zufriedener wird, wenn man selber Landbewohner, Single oder Mensch mit bestimmten Charaktereigenschaften wird. Bevor ich Ihnen das lang und breit theoretisch darlege, erkläre ich es allerdings lieber weiter unten an konkreten Beispielen. Es ist wie beim Skifahren: Man kann drüber reden, aber am besten versteht man es, wenn man es macht.
Schauen wir uns also für die wichtigsten Themen im Leben an, was zufrieden macht und was nicht. Ich kann Ihnen schon mal sagen: Dabei kommen ziemlich merkwürdige Ergebnisse raus. Oft nicht das, was Sie erwarten, und oft auch nicht das, was Sie gut finden werden. Aber es geht eben darum, unter welch merkwürdigen Umständen Menschen tatsächlich zufrieden sind, und nicht, was wir für richtig halten oder gerne hätten. Fangen wir damit an, welches Familienleben mit einer hohen Zufriedenheit einhergeht, und gleich mit einer der wichtigsten Fragen: Ist man mit Kindern zufriedener?
Daniel und Jan sind eigentlich meine besten Freunde.21 Jedes Jahr machen wir Urlaub auf einer Insel in Europa, die wir alle noch nicht kennen. Doch über ein Thema streiten die beiden regelmäßig: Kinder oder nicht? Daniel findet sein Leben super, wie es ist. Er versteht nicht, warum er es mit Mikroplagegeistern anreichern soll, die Windeln vollscheißen, selbst im besten Fall alles vollkrümeln und die Wohnung zuverlässig ins Chaos stürzen. Unrecht hat er damit nicht.
Für Jan geht dahingegen die Sonne auf, wenn er Kinder sieht. Er hat auch gute Argumente: Sollte man nicht etwas hinterlassen auf der Welt? Ist es nicht schön, sich in seinen Kindern noch mal aufwachsen zu sehen? Und hat man bei aller Freude über die nächste Beförderung, Kneipenrunde und Romanze nicht eigentlich schon längst gemerkt, dass alles sich nur noch wiederholt? Die Menschheit eine Generation weiterzubringen, Werte mitgeben, das ist doch wichtiger als mehr Geld, mehr Bier und mehr Dates, oder?
Ich bin in dieser Angelegenheit der typisch stoffelige Mann. Ich habe zwar nichts dagegen, mal Kinder zu haben, aber ich verzehre mich auch nicht gerade danach. Ich lebe da ganz nach dem kölschen Lebensmotto »Ett kütt, wie ett kütt.« Aber hat einer meiner beiden Freunde eher recht, wenn man sich die Lebenszufriedenheitsdaten anschaut? Sind Eltern zufriedener? Denken Sie an den Unterschied, den wir oben gemacht haben: Eltern als Gruppe mit der Gruppe der Kinderlosen zu vergleichen bringt wenig. Denn zufriedenere Menschen könnten eher Kinder kriegen. Dann gibt es zwar einen Zusammenhang. Doch der sagt nichts über den Effekt von Kindern auf das Leben einer Person aus, sondern darüber, wer überhaupt Kinder kriegt.
Aufschlussreicher ist deswegen, ob dieselbe Person in den Jahren zufriedener ist, in denen sie Kinder hat. Ob das so ist, sehen Sie in der folgenden Grafik. Sie zeigt, wie zufrieden derselbe Mensch in den Jahren ist, in denen er mit ein, zwei, drei, vier oder gar fünf Kindern im Haushalt lebt, verglichen mit den Jahren ohne Kinder. Hinter der Grafik stehen die Fixed-Effects-Regressionen, die ich oben angesprochen habe. Wichtig daran sind aber nur die grafisch dargestellten Effekte, die ich Ihnen gleich erkläre.
Grafik 2: Kinder im Haushalt
Das ist eine ziemliche Überraschung für alle, die durch Kinder zufriedener werden wollen. Denn die schwarze Linie zeigt, dass man in Jahren, in denen man mit Kindern zusammenlebt, kaum zufriedener ist als in Jahren ohne. Zwar ist beispielsweise eine Person mit einem Kind 0,2 Punkte zufriedener, als sie es war, während sie noch keine Kinder hatte. Doch 0,2 Punkte Zufriedenheitszuwachs bei 100 möglichen Punkten sind ein sehr schwacher Effekt.
Woher aber wissen wir, dass ein Effekt von 0,2 schwach ist? Sie werden mehr und mehr ein Gefühl für die Stärke von Effekten bekommen. Damit das passiert, benutze ich im ganzen Buch dieselbe Sprache zum Beschreiben von Effekten. Jeden Einfluss von weniger als einem Punkt auf der Hunderterskala bezeichne ich als »schwach«. Alle Effekte zwischen 1 und 2 Punkten nenne ich »mittelschwach«, zwischen 2 und 3 Punkten »mittelstark«, zwischen 3 und 4 Punkten »stark«, zwischen 4 und 5 Punkten »sehr stark«, zwischen 5 und 10 Punkten »extrem stark« und Effekte von mehr als 10 Punkten nenne ich »gigantisch«. Dadurch, dass ich für alle Effekte dieselbe genormte Sprache benutze, können Sie beispielsweise den Effekt eines Kindes auf die Lebenszufriedenheit mit, sagen wir, dem Effekt eines Balkons vergleichen.
Und was bedeutet der Strich um jeden Effekt? Dieses sogenannte Konfidenzintervall zeigt, wie Effekte von Person zu Person variieren. Denn einige Menschen sind mit Kindern eben doch zufriedener, wohingegen andere sogar unzufriedener werden. Liegt die graue Einfärbung auf der Nulllinie, spricht man davon, dass ein Effekt statistisch nicht signifikant ist. In diesem Fall kann man beispielsweise nicht sagen, dass ein eindeutig positiver oder negativer Effekt von Kindern auf die Zufriedenheit auszumachen ist, obwohl wir Lebenszufriedenheitsdaten von 96105 Menschen haben, die 698523-mal befragt wurden. Es gibt also immer eine Effektstärke und eine Schwankung um diese Effektstärke. Diese beiden Informationen sind alles, was Sie für dieses Buch von Statistik verstehen müssen.
In diesem Fall zeigt beides, dass derselbe Mensch in Jahren, in denen er mit Kindern im Haushalt lebt, nicht nennenswert zufriedener ist als ohne Kinder. Die Forschungsliteratur unterstützt diese Ergebnisse. Sie vermutet sogar, sie könnten der Grund sein, warum Frauen seltener Kinder kriegen: eben weil es ihre Zufriedenheit nicht erhöht.22 Doch Erhebungen zeigen, dass nur 35 Prozent aller Paare sich vorstellen können, ohne Kind glücklich zu sein.23 Das bedeutet, die restlichen 65 Prozent irren sich, wenn sie meinen, Kinder seien wichtig für ihre Zufriedenheit. Doch warum irren sich fast alle? Warum tragen Kinder so viel weniger zu unserer Lebenszufriedenheit bei, als wir vermuten?