Wären wir Engel - Irmgard Hierdeis - E-Book

Wären wir Engel E-Book

Irmgard Hierdeis

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Beschreibung

Diese Gedichte sind Engelsflügel, die sich aufmachen in eine Welt, die bisher nicht sichtbar war, die, erleuchtet durch Sätze und Gedanken, aufblitzt in einem Augenblick der Wahrheit und Wirklichkeit. Bevor die Worte in der Druckerschwärze versinken, heben sie den Blick nach oben, sehnen sich danach, eine neue Dimension zu erreichen und lösen sich in Zeichen und Symbole auf. Wer fügt sie wieder zusammen? Wer enthüllt ihre Geheimnisse?

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Seitenzahl: 44

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für Elisabeth und Gerhard

Immer wieder den Anfang beschneiden, ihn kürzen.

Die Welt sagt verbessern, ich aber denke mir den

Untergrund aus, bevölkere ihn mit Lebewesen,

keines davon aus dem Biologiebuch.

Eine Welt, wie für mich gemacht, in Dunkelheit

eingesperrt, schwarz gezeichnet, immer schwärzer

die Konturen, bis alles aufgeht in weichem Sumpf.

Wären wir Engel, schwebten wir drüber hin, so aber

saugt uns der Abgrund, schreit mit offenem Maul

seine Forderungen ans Leben, das so schnell erlischt.

Ich tränke die Erde mit meinen Tintenklecksen, ich

komme spät oder nie ans Ende mit ihr.

Ich halte die Tüte mit den Buchstaben fest,

ich schwanke,

das Kaninchen, eben noch starr vor der Schlange, läuft weg.

Erst dachten wir uns Geschichten aus,

dann kamen die

Gedanken und radierten daran herum, machten sie

zahm und zivilisiert,

bis sie absanken und verschwanden.

Ein neuer Tag, wie abgewischt

von Sonne und Wolken,

wir haben nur die Oberfläche abgesaugt, sie rein

gehalten im Gedächtnis an eine Geschichte,

deren Bruchstücke

herumtoben und an die Wände

des Irrenhauses pochen.

Es sind auf einmal wunde Erinnerungen

an zerschlagene

Knie, und, wie es sich gehört, haben andere längst

Photoalben mit allen Dokumenten angelegt, die noch

wichtig sein könnten fürs Überleben.

Es geht ein scharfer Wind hinter den Büschen,

die Wurzeln

kriegen Arbeit, sie halten, was sie können.

Es rauscht wie unter den Felsen.

Wasseradern dringen nach oben, ein Hirte

treibt die Schafe vorbei.

Hat mich jemand gesehen, gar photographiert?

Meine Hände muß ich verstecken,

meinen Kopf einziehen.

Die Erde hat Schluckbeschwerden.

An der Sankt Andreas Spalte wird gebaut.

Ich habe zugeschaut,

wie sie Beton in die Tiefe schütteten.

So ein Hunger, und das schon seit Jahrhunderten.

Man wird die Abgründe auffüllen,

aber ich in meinem

Erdloch werde das nicht mehr erleben.

Die alten Zweige, ein Zeichen mehr unter anderen,

sperren den Eingang gegen Zwerge ab, und alle

heiligen Zeiten, so heißt es, steigt einer drüber und

erzählt den andern oder uns, worauf es ankommt.

Alle Zeitungen sind voll davon,

aber wir machen kurzen

Prozeß und zünden ein Feuer damit an, das soll in die

Tiefe gehen und Wurzeln erwärmen und Würmer.

Ein Gruß an die Ahnen.

Neben mir bleibt der Erdhaufen liegen,

den du so fleißig ausgehoben hast.

Es ist Abend, und die Tore stehen offen.

Der Wind hat freie Bahn ins Haus.

Ich halte das Brot auf dem Küchentisch

fest, es atmet ein und aus.

Das Stilleben von gestern sitzt neben mir.

Keine zwei Schritte entfernt weht es

die Kälte her, macht braune Flecken

auf deiner jungen Haut.

Du bist gezeichnet von der langen Nacht.

Wie kann ich das Unausweichliche

mit Aussagesätzen umschreiben?

Wenn auf einmal der Weg aufleuchtet,

dann kommt der Mond durch die Büsche.

Es riecht nach Pilzen und einer schlaflosen Nacht.

Der Hund stöbert Reste im Unterholz auf, ich

bin allein mit den Rätseln der Wassertropfen.

Schwarze Wolken schieben sich vors Licht,

in der Dunkelheit stolpere ich weiter,

zertrete Eicheln und Äste und fürchte mich

vor dem entschlossenen Zugriff der Angst.

Der Wind schüttelt dich, mein Freund,

du wirfst alles ab, was mir gehörte,

die Briefe, die langatmigen Erklärungen,

das Inventar der Schubladen, vertrocknete

Bekenntnisse, aufgedröselte Haarlocken,

zerfasertes, braunes Papier.

Bei Nacht besehen, halten die Erleuchtungen

der Logik nicht stand.

Die Nacht ist nichts als Nacht.

Und fragst du den Mond als letzte Instanz:

Er treibt sich ziellos hinter Wolken herum.

Wenn es ernst wird über der Erde, setzt der Himmel

ein Zeichen und schickt Wolken,

die gelb aufleuchten.

Hüte dich, wie auch immer du jetzt heißen magst.

Eine herrenlose Hand hängt dir aus dem Ärmel.

Ich sollte sie einsammeln und zu den Fundstücken

auf der Kommode stellen.

Auch dein Kopf wackelt bedenklich auf dem Hals

hin und her, ein weißer Luftballonmond.

Es gibt schon fremde Töne im Garten,

sie singen davon,

wie unser Leben aus den Fugen gerät.

Schwarz umgegraben wartet das Beet.

Immer wieder ersticke ich den Angstschrei,

denn niemand soll hören, daß ich seit gestern

ein Werwolf bin, unerlöst von dir.

Denkmäler für Sumpf und Torf,

versinkende Grabkreuze

an der Grenze von Erde und Himmel:

Erst haben wir nachgedacht, dann

sind wir ausgewichen auf Melodien,

haben uns begleiten lassen von

Amselgeschwadern

und Krähen auf Urlaub.

Wer warst du, Fremder, als dein Kopf herausschaute

aus dem Beet, eine Hand südlich

des Endivien erhoben

zum Gruß, ein leises Winken im Wind,

ich sah es vom

Fenster aus und fragte,

aber niemand konnte mir sagen,

wer du bist.

Um die Feder des Huts

ein langes Geheimnis.

Später, nach dem Ausgraben,

Rätselraten über die Herkunft der Schuhe.

Ich hoffte noch, meine Augen würden

über die polizeilichen Absperrungen

und das Plastikband springen.

Ich hoffte:

Krieg oder Liebe

ist eröffnet.

Rückwärts beten mit den Knien im Himmel,

mit der Stimme im Keller, wo sie schwarze Noten

vom Blatt singt und hofft, jemand hört zu.

Längst ist sie heiser geschrien, bevor du

mit den Füßen zuerst aus der Mauer fällst.

So nehme ich Abschied:

die Verdunstungskälte

des heißen Kaffees

noch auf der Haut,

friert es plötzlich

ohne Vorwarnung.

Im Eispanzer

dieser Haut,

ohne Aussicht

auf eine neue,

krümmen sich

dennoch die Finger,

diesen Zustand,

diese Eiseshitze,

festzuhalten

auf Papier.

Die Sonne scheint ohne dich, später

regnet es, und am Abend zieht eine

Wolke waagrecht über den Schornstein.

Das Wetter ist eine Erfindung des

Augenblicks, die Jahreszeiten