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Warum sind manche Menschen reich und andere arm? Warum haben manche Leute die Macht, ihren Mitmenschen Befehle zu erteilen – und warum hören die anderen auf sie? Wieso gibt es all die Unterschiede zwischen Kasten, Hautfarben und Geschlechtern? Und was hat das alles damit zu tun, dass die Menschen sich vor zehntausend Jahren von Jägern und Sammlern zu Bauern entwickelten? In Band 2 der ›Unstoppable Us‹-Reihe erzählt Bestsellerautor Yuval Noah Harari lebendig und zielgruppennah von der landwirtschaftlichen Revolution sowie der Bildung der ersten Städte und Königreiche und vermittelt, wie dadurch die Ungleichheit in die Welt kam. Seine Kernaussage: Die Geschichte hat uns im Griff – aber wir können gute gegen schlechte Geschichten austauschen.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
YUVAL NOAH HARARI
WARUM DIE WELT NICHT FAIR IST
übersetzt von Birgit Niehaus
illustriert von Ricard Zaplana Ruiz
Band 2 der Reihe Unstoppable Us
Band 2 der ›Unstoppable Us‹-Reihe von Bestsellerautor Yuval Noah Harari
Warum sind manche Leute reich und andere arm? Wie kam es, dass die Menschheit sich in Könige und Sklaven unterteilte, ein paar antike Nerds die Schrift erfanden und unsere Vorfahren den Göttern große Tempel bauten? Und was hat das alles damit zu tun, dass die Menschen sich vor zehntausend Jahren von Jägern und Sammlern zu Bauern entwickelten?
Landwirtschaftliche Revolution, die ersten Städte und das alte Ägypten: Erneut schildert Bestsellerautor Yuval Noah Harari inspirierend und mitreißend die abenteuerliche Geschichte der Menschheit.
Von Yuval Noah Harari ist in der Reihe außerdem lieferbar:
Wie wir Menschen die Welt eroberten
Yuval Noah Harari, 1976 in Haifa, Israel, geboren, ist der wohl einflussreichste Sachbuchautor der Welt und einer der wichtigsten Vordenker unserer Zeit. Er promovierte 2002 im Fach Geschichte an der Oxford University und lehrt an der Universität in Jerusalem. Seine Bücher »Eine kurze Geschichte der Menschheit«, »Homo Deus« und »21 Lektionen fürs 21. Jahrhundert« wurden zu Weltbestsellern. Nun widmet er sich erstmals einer jungen Zielgruppe.
Ricard Zaplana Ruiz ist ein in Barcelona geborener Illustrator und Designer. Er hat zahlreiche Bücher und Zeitschriften für Kinder und Jugendliche illustriert, darunter die Comicserien »Lego Star-Wars« und »Tigger« (Disney). Außerdem arbeitet er als Trickfilmzeichner und Storyboarder für Film und Fernsehen.
Überblick: Unsere Geschichte
»Das ist unfair!«
1: Alles unter Kontrolle
Sag mir nicht, was ich zu tun habe!
Eine Pflanze verändert die Welt
Fünf Mützen für einen Kopf
Bequemlichkeit siegt
Ein mulmiges Gefühl
Ein kleines Problem
Gräben buddeln
Das Wolken-Problem
Ein Haus für die Götter
Die Nachtwache
Kontrollfreaks
Big Horn und Ba Baaa
50 Milliarden Hühner
Die Goldmedaille für das elendste Leben
Die hässliche Seite der Milch
Best Friends Forever
Wer hat Lust, Bauer oder Bäuerin zu werden?
Wie sich die Landwirtschaft durchsetzte
2: Uuups, so war das nicht geplant!
Unbeabsichtigte Folgen
Skelettgeschichten
Weizenkinder
Tage mit Durchfall
Mehr Sachen – mehr Kriege
Ameisen und Grillen
Pflanzen, die die Welt eroberten
Ende gut, alles gut?
Die zehn Plagen der landwirtschaftlichen Revolution
3: Was Erwachsenen Angst macht
Schlimmer als böse Geister
Lugal-banda und Lugal-kinische-dudu
Mit acht plötzlich Pharao!
Wozu sind Königreiche gut?
Willkommen in Krokodil-Stadt!
Wer schreibt Geschichte?
Etwas besitzen und etwas schulden
Die Mammut-Steuer
Viele Wege in die Armut
Eine neue Art von Eigentum
Was Gehirne nicht leisten können
Matheprobleme
Nerds finden die Lösung
Im Matsch spielen
Gezeichnet, Kushim
Die Dichterin und ihr Friseur
Mal schnell googeln
Der Schreibtisch ist König
Warum du so viele Klassenarbeiten schreiben musst
Die Erfindung der Schule
Skelette lügen nicht
4: In den Träumen der Toten
Die Regeln verändern
So läuft der Hase nun mal
Bitte nicht berühren!
Wer möchte eine Belohnung?
Wer wacht über die Wächter?
Das Geheimnis der Macht
Die Feder und das Krokodil
Jede Geschichte hat eine dunkle Seite
Aus dem Mund des Riesen
Magischer Gestank
Jungen und Mädchen
Noch erschreckender als Gespenster und Steuern
Das Erzählte mit eigenen Augen sehen
Mit dem rechten Fuß zuerst
Die Macht des So-tun-als-ob
Flaggen und T-Shirts
Drei Arten von Dingen
Was nur du spürst
Gemeinsame Träume
Endlos lange Träume
Warum ziehen Menschen in den Krieg?
Den Fluch brechen
Die Geschichte über die Frauen
Halt deine Ohren offen
Wenn verschiedene Geschichten aufeinandertreffen
Dank
Über dieses Buch
Karte: Schrift und Landwirtschaft – eine weltweite Geschichte
Für alle Lebewesen – die von gestern, von heute und von morgen. Unsere Vorfahren haben die Welt zu der gemacht, die sie ist. Aber wir sind es, die über ihre Zukunft entscheiden.
Wie oft hörst du Leute so schimpfen? Oder regst dich selbst über eine Ungerechtigkeit auf? Bestimmt nicht so selten, oder?
Es gibt Menschen, die sind unvorstellbar reich. Sie wohnen in palastartigen Häusern mit Swimmingpool, fliegen in Privatjets durch die Gegend und müssen nie selber aufräumen oder abwaschen. Das erledigen ihre Hausangestellten.
Andere Menschen sind bitterarm. Sie hausen in Hütten ohne Toilette und müssen bei Wind und Wetter auf den Bus warten, um zu den Häusern der Reichen zu fahren – wo sie aufräumen und abwaschen.
Außerdem gibt es extrem mächtige Menschen. Sie bestimmen die Regeln, schreiben anderen vor, was sie zu tun haben, und halten wichtige Reden.
Andere Menschen haben überhaupt keine Macht. Von ihnen wird erwartet, dass sie die Regeln befolgen. Sie müssen tun, was ihnen gesagt wird, und brav applaudieren, wenn die Mächtigen ihre Reden schwingen. Ist das gerecht?
»Was willst du später mal werden?« Diese Frage bekommen Kinder oft zu hören. Doch in vielen Ländern haben sie kaum eine Wahl. Wenn du in einer armen Familie aufwächst, kannst du dir noch so sehr wünschen, Präsident oder Kanzlerin zu werden. Du wirst dich dem Regierungssitz höchstens nähern, um vor dem Eingangstor zu fegen. War das schon immer so?
War die Menschheit schon immer in Arm und Reich, in Herrschende und Dienende aufgeteilt?
Manche Leute sagen: Das ist einfach die natürliche Ordnung der Dinge. Man braucht sich doch nur umzuschauen: Überall bestimmen die Starken und gehorchen die Schwachen. Historische Filme und Videospiele sind voller Könige und Prinzessinnen, die in prächtigen Schlössern leben und über riesige Reiche mit Millionen Untertanen herrschen.
Dabei gab es ursprünglich gar keine Könige und Königreiche, erst recht keine mit Millionen Untertanen. Bis vor ungefähr 10.000 Jahren lebten unsere Vorfahren in kleinen Gruppen oder Stämmen zusammen, mit höchstens ein paar Tausend Menschen.
Klar, auch damals gab es Leute, die sich zum Anführer aufschwingen und andere herumkommandieren wollten. Aber selbst der grimmigste Anführer hatte kaum Macht – es gab einfach noch nicht genug Menschen, die ihm eine schicke Burg hätten bauen oder ein riesiges Reich hätten erobern können. Und die wenigen Menschen, die es gab, zogen oft einfach weg und ließen den Tyrannen alleine, wenn er sie mit seiner Herrschsucht nervte.
Doch dann, vor rund 10.000 Jahren, geschah etwas Verwunderliches. Etwas, das alles veränderte. Etwas, das Millionen Menschen ihre Entscheidungsmöglichkeiten raubte und ein paar wenige Ehrgeizige zu Herrschern machte.
Was genau passierte damals, vor 10.000 Jahren? Und wieso hat es einige wenige in die Lage versetzt, über alle anderen zu herrschen? Warum haben sich Millionen Menschen darauf eingelassen, ein paar Tyrannen zu gehorchen? Und wo kamen die Könige, Königinnen und Königreiche plötzlich her?
Die Antwort auf diese Fragen ist eine der erstaunlichsten Geschichten, die du je hören wirst.
Und noch dazu ist es eine wahre Geschichte.
1
Die Geschichte, die wir hier erzählen, startet vor etwa 10.000 Jahren in Vorderasien. Die Leute dort waren Jäger und Sammler, wie überall auf der Welt. Sie jagten wilde Schafe, Gazellen, Kaninchen und Enten. Sie sammelten wilden Weizen, wilde Zwiebeln, Linsen und Feigen. Und wenn sie ans Meer, an einen See oder einen Fluss kamen, fingen sie Fische, Krebse und Muscheln.
Zu der Zeit waren die Menschen bereits die mächtigsten Tiere weit und breit. Aber sie versuchten noch nicht, über alles zu herrschen. Sie sammelten Pflanzen, aber sie sagten den Pflanzen noch nicht, wo sie zu wachsen hatten. Sie jagten Tiere, aber sie befahlen ihnen nicht, wo sie sich bitte schön aufhalten sollten.
Das Leben damals war nicht immer leicht. Es gab noch einige sehr gefährliche Tiere in der Gegend, Schlangen zum Beispiel, und jede Menge Naturkatastrophen, von Schneestürmen bis zu Hitzewellen. Hin und wieder kam es auch zu Prügeleien mit den Nachbarn – wir Menschen konnten schon immer fies zueinander sein.
Aber im Großen und Ganzen ging es den Leuten gut. Sie hatten ausreichend zu essen und genügend Freizeit, um sich Geistergeschichten zu erzählen, ab und zu ein Nickerchen zu machen oder mit den Nachbarn zu feiern. Kriege waren selten. Seuchen und Hungersnöte ebenso.
Wenn die Gazellen weiterzogen oder alle reifen Feigen abgepflückt waren, schlugen die Menschen ihr Lager einfach woanders auf – dort, wo Gazellen und Feigen nicht knapp waren.
Es gab aber auch Gegenden, in denen die Menschen so viel Nahrung fanden, dass sie gar nicht weiterzuziehen brauchten. Sie konnten dauerhaft am selben Ort siedeln – weil dort nämlich ganz spezielle Pflanzen wuchsen. Obwohl diese Pflanzen ziemlich unscheinbar waren, weder besonders groß noch besonders schön, beginnt mit ihnen unsere Geschichte – denn sie haben die ganze Welt verändert. Ahnst du schon, welche Pflanzen das waren? Genau, die Getreidepflanzen.
Getreide isst du wahrscheinlich jeden Tag. Weizen, Gerste, Reis, Mais und Hirse sind Getreidesorten. Und Brot, Kekse, Kuchen, Frühstücksmüsli und Nudeln werden daraus gemacht.
Bis vor ungefähr 10.000 Jahren haben die Menschen kaum Getreide gegessen, denn die Pflanzen waren noch nicht sehr verbreitet. Weizen zum Beispiel kam in Amerika, China oder Australien gar nicht vor. Er wuchs nur in einigen Gegenden Vorderasiens. Und auch nicht auf großen Feldern, wie wir sie kennen, sondern sehr verstreut. Ein paar Halme hier, ein paar Halme dort. Deshalb haben selbst in Vorderasien die meisten Menschen dem Weizen keine große Beachtung geschenkt. Einige wenige aber schon.
Wir wissen nicht, wann und wo genau sich die ersten Menschen für Getreide interessierten, aber wir können es uns vorstellen. Nehmen wir einmal an, ein Mädchen zog herum, um Pflanzen und kleine Tiere zu sammeln, und stieß dabei auf ein Mädchen aus einem anderen Stamm, das die ganze Zeit am selben Fleck hockte und Weizen pflückte.
»Hallo«, sagte das erste Mädchen. »Ich bin Wanda. Die Leute nennen mich so, weil ich viel herumwandere. Wie heißt du?«
»Meine Leute nennen mich Weizi, weil ich Weizen so liebe.«
»Weizen? Pah! Nach dem Zeug bücke ich mich gar nicht erst. Den ganzen Tag ist man mit Abzupfen beschäftigt und am Ende hat man doch immer zu wenig. Und selbst wenn man mal genug zusammenbekommt – die Körner sind so verdammt hart! Einmal hab ich vom Kauen fiese Kopfschmerzen bekommen und mir einen Zahn kaputt gemacht. Und dann hatte ich auch noch drei Tage Bauchweh.«
»Aber du hast das ja auch völlig falsch gemacht!«, rief Weizi. »Man kann Weizenkörner nicht einfach so essen – roh! Du musst sie mit ins Lager nehmen, die harte Außenhaut abpulen und das Korn zermahlen. Das Pulver, das du erhältst, vermischst du mit Wasser und formst einen Fladen daraus. Den legst du auf einen flachen Stein neben dem Feuer. Dann wartest du ein bisschen – und schwups, hast du ein leckeres Brot! Keine Kopfschmerzen, kein kaputter Zahn, kein Bauchweh.«
»Puh, klingt anstrengend. Nach viel Arbeit. Da bleib ich doch lieber bei Feigen und Fisch.«
»Hast recht, es ist anstrengend. Dafür hat Weizen einen Riesenvorteil gegenüber Fisch und Feigen.«
»Was? Die kleinen trockenen Dinger? Welcher Vorteil soll das denn sein?«
»Wenn du Fische nicht gut räucherst und saftige Feigen nicht vollständig trocknest, verrotten sie schnell. Hast du schon mal Fisch gegessen, der drei Tage irgendwo herumlag?«
»Igitt, hör auf!«
»Siehst du? Getreide ist da ganz anders. Das hält sich monatelang, kein Problem. Wenn es reif ist, sammeln wir so viel davon wie möglich und horten es. Und wenn die Ernte vorbei ist, gehen wir auf die Jagd, zum Beispiel nach Gazellen, oder sammeln Feigen und anderes, genau wie ihr. Aber manchmal gibt’s eben nichts zu jagen oder zu sammeln.«
»Dann zieht ihr in ein anderes Tal?«
»Nein! Dann kehren wir in unser Lager zurück, nehmen etwas Getreide aus dem Vorrat, mahlen es und backen Brot. Oder kochen Getreidebrei. Wenn wir während der Erntesaison genug Korn zusammenbekommen, können wir das ganze Jahr über am selben Ort bleiben.«