Warum hat mir das niemand früher über Geld verraten? - Mario Lochner - E-Book
SONDERANGEBOT

Warum hat mir das niemand früher über Geld verraten? E-Book

Mario Lochner

0,0
13,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 13,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Geld regiert die Welt. Aber warum verrät uns niemand in der Schule oder in Ausbildung und Studium, wie wir damit umgehen sollen? Und warum es so wichtig ist, frühzeitig die Balance zwischen finanzieller Disziplin und dem Glück im Leben zu finden? Mario Lochner zeigt dir in seinem neuen Buch, wie du den Weg hin zu »finanzieller Unbesiegbarkeit« gehen kannst. Er gibt Einblick in die Mechanismen der Finanzwelt, enthüllt, warum die Gefühle Angst und Gier den Umgang mit Geld dominieren, und hilft, das wahre Wesen von Börse und Risiko zu verstehen. Und er gibt dir eine konkrete Anlagestrategie, damit du dir ein finanzielles Fundament aufbauen kannst, sowie Werkzeuge für ein glückliches und selbstbestimmtes Leben – frei von finanziellen Sorgen. Dieses Buch sorgt für jede Menge Aha-Momente und dafür, dass du dich fragst: Warum haben sie mir das nicht früher über Geld verraten – die Lehrer, die Professoren oder die Eltern?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 409

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



MARIO LOCHNER

WARUMHAT MIR DAS NIEMANDFRÜHERÜBERGELDVERRATEN?

Wie du finanziell unbesiegbar wirst

FBV

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Originalausgabe

4. Auflage 2021

© 2021 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Die im Buch veröffentlichten Ratschläge wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann jedoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung des Verfassers beziehungsweise des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.

Redaktion: Conny Rutsch

Korrektorat: Silvia Kinkel

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildung: shutterstock.com/FREEPIK2 Satz: ZeroSoft, Timisoara

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-461-6

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-873-7

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-874-4

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

INHALT

PROLOG

KAPITEL 1: FEAR & GREED

Angst

Die Macht des Negativen – oder: Schreib deine eigene Geldgeschichte

Gier – oder: Warum mich ein doppelter Außenbandriss in Euphorie versetzte

KAPITEL 2: BALANCE – DAS LIED VON FEUER UND EIS

Feuer

Warum Balance alles ist

Reich durch die Mitte

Fuck you Frugalismus

KAPITEL 3: KRISE UND KONTROLLE

»Der Crash kommt« – oder: Der belangloseste Satz der Welt

Man kann keine Krise voraussagen, aber man kann sie messen!

Money Management – So investiert man im Crash

Die Modelle der anderen – oder: Warum Querdenker oft einfach nur danebenliegen

Warum kommt die Inflation denn nicht endlich?

Warum selbst Warren Buffett nicht alles weiß

Die Illusion vom Gleichgewicht

Warum Denken tödlich sein kann

Warum der Durchschnitt noch tödlicher sein kann

KAPITEL 4: RISIKO, RESILIENZ UND DER ZUFALL – ODER: UNBESIEGBAR IN EINER WELT VOLLER UNGEWISSHEIT

Das Problem mit dem dicken Ende

Ohne Vola keine Cola

Warum Reiten gefährlicher ist als Ecstasy

Die Resilienz-Falle – oder: Was wir von der Hydra lernen können

Warum Investoren ihr Smartphone hassen sollten

Warum wir ständig in die Zukunft schauen und trotzdem keine Hellseher sind

Ein Kapitel über den Zufall – und: Warum Asterix das Coronavirus (nicht) vorausgesagt hat

Ein Muster ist nur so viel wert wie die Vergangenheit

Warum der Teufel in der Ente steckt

KAPITEL 5: WIE DU DICH IN UNSICHEREN ZEITEN MÖGLICHST SICHER BEWEGST

Denk wie ein Fuchs – oder: Wie du mental liquide bleibst

Pluralistische Unwissenheit – oder: Wenn sich alle einig sind, dass sie nichts wissen

KAPITEL 6: SO WIRST DU FINANZIELL UNBESIEGBAR

Die rationalste Lösung für dein Geld – drei unschlagbare Gründe für ETFs

Das Märchen vom passiven Investieren

Weil es passiv einfach nicht gibt

Warum es dich besser macht, in Einzelaktien zu investieren

Deine ersten Schritte zum Investor

Raus mit dem Schrott – nicht mit den Diamanten

Der Kern und die Satelliten – die Lösung für dein Geld

KAPITEL 7: DAS TIMING DEINES LEBENS – SO FINDEST DU DIE ULTIMATIVE BALANCE

Warum wir die Welt oft nicht verstehen

Die Jetzt-Falle

Das Märchen vom »Nie Aufgeben«

Geh langsam – oder: Warum Zeit mächtiger ist als alles andere

Die Legende der Leidenschaft – oder: Wie du das Feuer findest

Wie du die Zeit anhältst und das Jetzt wirklich erlebst

Schlaf dich hoch

EPILOG

AUFLÖSUNG ZUM TEST AUF SEITE 159

DANKE

ÜBER DEN AUTOR

ANMERKUNGEN

PROLOG

Es ist ein Wunder. Und es ist mein Wunder. Ich springe mit einem lauten Schrei vom Tisch auf und reiße die Arme in die Höhe! Sekunden zuvor hat Neymar den Ball hinter die Abwehr von Paris gelupft, sein Mitspieler Sergi Roberto war eingelaufen und beförderte den Ball mit einer Grätsche ins Tor. Barcelona führt damit 6:1 in der Nachspielzeit und erreicht das Viertelfinale der Champions League. In der allerletzten Minute hat die Mannschaft ein Wunder geschafft. Die Spieler rennen jubelnd durchs Stadion und bilden eine Jubeltraube. Und ich springe durch eine Bar in Barcelona und bin umringt von Spaniern, die es wie ich kaum fassen können. Drei Tore in den letzten sieben Minuten. Das Wunder von Barcelona.

»Sollen wir heute Abend ins Stadion?«, hatte mich Sherlock am Mittag noch gefragt.

»Das lohnt sich wirklich nicht, Barcelona hat das Hinspiel in Paris mit 0:4 verloren. Das wird das langweiligste Rückspiel aller Zeiten«, antwortete ich.

Wir liegen am 8. März 2017 am Strand von Barcelona und genießen die Sonne bei 20 Grad, trinken Weißwein und blicken aufs Meer. Wir sind für drei Tage in Katalonien. Mein Kumpel Sherlock nimmt an einem Start-Up-Summit teil, weil seine Expertise als Universalgenie gefragt ist. Und ich bin spontan mitgekommen, weil ich es liebe, mich in fremden Städten treiben zu lassen, um auf neue Ideen zu kommen. Am Abend steht das Rückspiel des Champions-League-Achtelfinales zwischen dem FC Barcelona und Paris Saint-Germain an. Es würde mich zwar reizen, das Spiel live im Camp Nou mit knapp 90.000 Zuschauern zu sehen, aber ich rechne mit wenig Spannung, da sich die Katalanen beim Hinspiel in Paris mit 0:4 blamiert haben. Aber das Schlimmste daran: Ich habe eine Wette laufen. Sämtliche andere Paarungen der Champions-League habe ich bereits richtig getippt. Es fehlt nur noch, dass Barcelona weiterkommt, es ist also ein Wunder nötig. Weil ich daran nicht mehr glaube, will ich nicht auch noch 100 Euro für ein Ticket ausgeben.

Trotzdem werden wir das Spiel am Abend in einer Bar im Stadtteil Eixample schauen. Wir stolpern auf gut Glück hinein, weil wir ein Lokal suchen, in dem man sich das Spiel live ansehen kann. Zunächst wirkt die Bar wie eine Touristenfalle, aber als sie sich füllt, sitzen wir ausschließlich zwischen Katalanen im Barca-Trikot. Als Barcelona zur Halbzeit mit 2:0 führt, kommt Hoffnung auf, dass ich meine Wette doch noch gewinnen kann. Aber als es nach 88 Minuten nur 3:1 steht, habe ich schon längst abgeschaltet. Barcelona braucht noch drei Tore in sieben Minuten. Eigentlich ist das nicht zu schaffen. Aber Tore von Neymar, Messi und schließlich Sergi Roberto machen es möglich und bringen die Stadt zum Beben. Die Fans freuen sich übers Viertelfinale und ich mich über 3.000 Euro auf meinem Konto. Doch dieser Jubel hat nichts mit Geld zu tun. Ich wette nur noch, um mich daran zu erinnern, was ich aus meinen Fehlern gelernt habe, und das feiere ich in diesem Moment mehr als alles andere.

Ich habe gelernt, in Wahrscheinlichkeiten zu denken.

Ich habe gelernt, was Risiko wirklich bedeutet.

Ich habe gelernt, wie man finanziell unbesiegbar wird.

Heute frage ich mich, warum hat mir das alles niemand früher über Geld verraten? Warum zocken wir überhaupt? Und was bedeutet Risiko? Damit du dir diese Frage nicht auch irgendwann stellen musst, habe ich dieses Buch geschrieben.

Für mich änderte sich alles im Jahr 2009. Ich wollte meine größte Schwäche in eine Stärke drehen, weil ich die Monate zuvor viel zu viel Geld verzockte. Alles hatte mit einem großen Knall begonnen: Im Juli 2008 setze ich 1.000 Euro auf den Wimbledon-Sieg von Rafael Nadal und staube innerhalb von zwei Wochen 5.000 Euro ab. Doch das schnelle Geld vernebelt mir die Sinne. In den kommenden Tagen will ich sofort mehr von diesem Kick und setze auf alles, was mir bei Sportwetten, Poker und Roulette in den Weg kommt. Als die 5.000 Euro weg sind, wird mir erst klar, was ich damit hätte anstellen können, und meine Emotionen übernehmen das Ruder. In meinem Gehirn existiert nur noch ein Gedanke: Ich muss mein Geld zurückholen! Doch dieser Reflex führt erst recht in den Abgrund: Ende des Jahres habe ich noch mehr Geld verzockt.

Novak Djokovic gewann die US-Open leider nicht und schied im Halbfinale gegen Roger Federer aus (6. September 2008).

Der AS Rom verlor daheim gegen den CFR Cluj mit 1:2 (16. September 2008).

Werder Bremen gewann leider nicht und kassierte in der 92. Minute den Ausgleich gegen Borussia Dortmund (18. Oktober 2008).

Die Liste der knappen Niederlagen wird immer länger, Ende des Jahres ziehe ich einen Schlussstrich und schwöre mir, nie wieder eine Sportwette abzuschließen. Tatsächlich schaffe ich es per Knopfdruck, lösche alle Wettkonten und beschließe, mein Geld wieder für Dinge auszugeben, die mir guttun, und es zu investieren, statt es zu verjubeln. Mein Geld arbeitet jetzt wieder für und nicht mehr gegen mich. Aber die Misere bei den Sportwetten lässt mich trotzdem nie los. Es geht mir gar nicht ums Geld, sondern vielmehr um meine Dummheit. Wie konnte das passieren? Es treibt mich um, dass ich mich mit meinen Schwächen und Fehlern nie detailliert auseinandergesetzt habe.

Aber was du verdrängst, das bleibt bestehen.

Der Psychologe Carl Jung behauptete sogar, dass die Dinge, denen wir uns widersetzen, nicht nur bestehen bleiben, sondern noch größer werden.1 Diesen Schatten, der mich verfolgt, will ich abschütteln und mich selbst verstehen. Was kann ich aus meinen Fehlern lernen und besser machen? Meine erste Idee: Ich brauche Ruhe, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Ich brauche eine Thinkweek. Dieses Ritual habe ich mir von Bill Gates abgeschaut. Er zieht die Thinkweek bereits seit Jahrzehnten durch. Seit er Microsoft gegründet hat, gönnt sich Gates zweimal pro Jahr eine Woche Zeit fürs Denken. Er zieht sich von sozialen Kontakten völlig zurück und verschanzt sich sieben Tage im Wald mit Büchern, Magazinen und Unternehmensberichten.

Meine zweite Idee: Ich will mich nicht wie Gates von allen sozialen Kontakten zurückziehen, sondern brauche jemanden, der mir den Kopf wäscht. Ich brauche eine andere Perspektive, jemanden, der die Dinge ohne Emotionen betrachtet und sagt, was ist. Die Lösung: Eine Thinkweek spezial mit Sherlock – sieben Tage in der Toskana. Die Regeln: kein Internet und kein Smartphone. Nur ich, Sherlock und ein altes Nokia 3210 in einem abgelegenen Ferienhaus auf dem Land.

Wenn du mein erstes Buch gelesen hast, dann kennst du Sherlock bereits. Er begegnete mir zum ersten Mal in einer Kneipe in Rosenheim, als ich noch zur Schule ging. Ein Freund erzählte mir, dass ihn seine Freundin ausgerechnet jetzt verlassen habe, als alles perfekt zu laufen schien. Und aus dem Off kommentierte Sherlock: »Immer antizyklisch handeln.« Dabei grinste er teuflisch. Genau deshalb spielt Sherlock in diesem Buch wieder eine wichtige Rolle – genauso wie in meinem Leben: weil die Wahrheit oft schmerzt, aber unser bester Lehrmeister ist. Sherlock agiert wie das unangenehme Gewissen, das uns den Spiegel vorhält. Er kann über jedes Thema referieren, egal, ob es um den Konjunktiv im Spanischen geht, das Silicon Valley Chinas oder die Schwächen des Bitcoin. Er hat Philosophie, Physik und Informatik studiert und zeigt jedem gnadenlos seine Schwächen auf. Sherlock ist das Genie ohne Empathie. Seine größte Stärke ist aber zugleich seine größte Schwäche: Sherlock besteht quasi aus 100 Prozent Ratio. Er hat zwar eine umfassende Bildung, die ihm einen anderen Blick auf die Welt ermöglicht, aber das verbaut ihm auch einiges. Für ein Genie ist es schwer zu akzeptieren, dass sich die Welt nicht um ihn und seine rationalen Gedanken dreht. Und es fehlt ihm an Empathie und Emotionen. Genau das stört mich auch an ihm. Ich habe ständig das Gefühl, ich müsste ihm in den Hintern treten und ihm beibringen, wie sich ein normaler Mensch im Alltag benimmt. Vor allem Frauen reagieren allergisch auf Sherlock. Also schließen wir einen Pakt beim Pub Quiz in jener Kneipe, in der wir uns zum ersten Mal begegnet sind: Er bringt mir Physik und rationales Denken bei und ich ihm, wie man richtig lebt.

»Aristoteles wird uns dabei helfen«, sagt Sherlock mit diesem teuflischen Grinsen im Gesicht, »und Goldilock könnte für uns die Lösung sein.«

Nach dem vierten Guinness habe ich keine Lust mehr, zu fragen, was er damit meint. Ich werde es spätestens bei der Thinkweek erfahren.

Zwei Wochen später sitzen wir auf der Terrasse unseres Ferienhauses in der Toskana, trinken frisch gebrühten Espresso und blicken auf die Weinberge. Es ist perfekt, kein Mensch weit und breit zu sehen. Um das einsame Haus zu erreichen, mussten wir mit unserem Mietwagen allein 15 Minuten durch einen Pinienwald fahren. Endlich frage ich Sherlock, was er mit Goldilock und Aristoteles gemeint hat.

»Goldilock steht für Goldlöckchen und beschreibt die perfekte Mitte. Das Goldlöckchen-Prinzip stammt aus dem Märchen ›Die drei Bären‹. Darin probiert ein junges Mädchen namens Goldlöckchen drei verschiedene Schalen Brei und stellt fest, dass sie Brei am liebsten mag, wenn er weder zu heiß noch zu kalt ist. Goldilock heißt also, genau die richtige Menge zu ermitteln. Du findest dieses Prinzip überall in der Natur. Viele Experten beschreiben die US-Wirtschaft in den späten 1990er-Jahren als Goldilock-Wirtschaft. Damals wuchs die US-Wirtschaft stark und das praktisch ohne Inflation, weil sich die Produktivität stark verbesserte.«

»Und was willst du mir jetzt damit sagen?«, frage ich nach Sherlocks Vortrag über die goldene Mitte.

Sherlock nimmt sich ein Blatt Papier und zeichnet folgende drei Kreise auf:

»Wir versuchen jetzt, die goldene Mitte für dich zu finden«, sagt Sherlock, »ich habe mir natürlich Gedanken im Vorfeld gemacht und finde diese Grafik am treffendsten für dein Problem. Du hattest einen hungrigen Wolf in dir, nachdem du das Geld verloren hattest. Du wolltest es wieder gutmachen, du wolltest dein Geld wieder zurück, und deine Entscheidungen wurden immer mehr von deinen Emotionen beherrscht und nicht von deiner Ratio. Du hast den falschen Wolf gefüttert. Das schnelle Denken hat dein langsames Denken außer Gefecht gesetzt. Und dann hast du auch noch versucht, die Naturgesetze zu überlisten – das geht selten gut. Weißt du zum Beispiel, warum sich Planeten in einer festen Umlaufbahn bewegen?«

»Nein, nicht wirklich«, sage ich.

»Das Gesetz des Gleichgewichts!«, sagt Sherlock und fuchtelt mit seinen Händen, sodass er fast die Espressotassen vom Tisch wischt.

»Hat das nicht Newton erfunden?«, frage ich und wundere mich, dass ich doch noch was vom Schulunterricht behalten habe.

»So ist es!«, ruft Sherlock und hält mir dann einen Kurzvortrag über Sir Isaac Newton.

Im Jahr 1665 nahm Newtons Leben eine unerwartete Wendung. Als die Pest London heimsuchte, wurde Cambridge geschlossen, und er war gezwungen, sich auf den Hof seiner Eltern zurückzuziehen. Seinem Genie tat die Landluft anscheinend gut: In diesem später so genannten Annus mirabilis, also Wunderjahr, brachte Newton eine Idee nach der nächsten hervor. Er entwickelte die Infinitesimalrechnung und die Theorie der Optik. Doch als Höhepunkt des Jahres entdeckte er das allgemeine Gesetz der Schwerkraft. Der Legende zufolge sah Newton, wie ein Apfel von einem Baum fiel und entwarf in einem Geistesblitz die Idee von der Schwerkraft. Er überlegte sich, dass die Kraft, die auf den Apfel wirkt, die gleiche sei, die den Mond in einer Umlaufbahn um die Erde und die Planeten in Umlaufbahnen um die Sonne hält. Allerdings veröffentlichte Newton seine geniale Entdeckung über 20 Jahre nicht, weil er sie mathematisch nicht präzise genug darstellen konnte. Also beschrieb er sie in seinem Hauptwerk Philosophiae Naturalis Principia Mathematica mit seinen drei Bewegungsgesetzen. Er zeigte, dass Planeten deshalb in einer festen Umlaufbahn bleiben, weil die Geschwindigkeit ihrer Vorwärtsbewegung durch die Schwerkraft ausgeglichen wird, die sie in Richtung Sonne zieht. Und so erzeugen zwei gleich große Kräfte einen Zustand des Gleichgewichts.

»Wir lassen jetzt mal außen vor, was Einstein und Co. danach alles entdeckt haben und machen uns nur die Idee des Gleichgewichts zunutze. Denn dieses Gleichgewicht hast du verloren, weil eine Kraft übers Ziel hinausgeschossen ist«, sagt Sherlock.

Dann nimmt er einen Stift und ergänzt die Kreise mit folgenden drei Begriffen:

»Emotion, Ratio und Natur: Diese drei Faktoren bestimmen die Stabilität. Und die entsteht genau in der Mitte, wenn alles im Einklang ist! Die goldene Mitte hat auch schon Aristoteles als das Maß der Dinge ausgemacht.«

Du kennst bestimmt diese Heureka-Momente im Leben. Wenn die Stimme in deinem Kopf schreit: »Das ist es!« Wenn du das Gefühl hast, endlich etwas zu kapieren. Genau dieses Gefühl erlebte ich damals mit 23 Jahren in der Toskana. Sherlock und ich nennen dieses Konstrukt seit diesem Tag: die Physik des Erfolgs. Und wir profitierten beide von der Physik des Erfolgs. Ich musste mich mehr auf meine Ratio konzentrieren, Feuer hatte ich genug. Vor allem die Ungeduld ist meine größte Schwäche. Und Sherlock brauchte mehr Verständnis für Emotionen. Er kann sich nicht nur in seine rationale Ecke zurückziehen. Es geht um die Balance und darum, welchen Wolf wir füttern. In diesem Buch will ich dir zeigen, wie du die optimale Balance findest.

Emotion: Ich zeige dir, wie Emotionen und Erfahrungen unsere persönliche Einstellung zum Geld prägen, warum wir überhaupt zocken und oft der Biochemie zum Opfer fallen. Wenn wir einmal verstanden haben, welches Hormon uns steuert, lassen sich dumme Risiken vermeiden. Darum wird es vor allem in den ersten beiden Kapiteln gehen.

Ratio: Was ist Risiko? Und wie können wir es einschätzen und gezielt in Wahrscheinlichkeiten denken? Ich zeige dir Techniken, wie sich Prognosen und Entscheidungen rational treffen lassen. Aber ich zeige dir auch, warum uns zu viel Denken sogar zu schlechten Entscheidungen führt und wie wir unseren inneren Kritiker gezielt verstummen lassen. Ab dem dritten Kapitel konzentrieren wir uns voll auf die Börse und das rationale Denken.

Natur: Ich zeige dir, warum die Stabilität in der Natur immer durch die Extreme zustande kommt und sich die Wirtschaft selbst nach Schocks wie Corona wieder erholt. Wenn du einmal verstanden hast, warum triviale Systeme wie einzelne Unternehmen leicht kippen können, die Börse als nichttriviales Ökosystem aber ganz anders funktioniert, wirst du mehr von Geld verstanden haben als 99 Prozent der Menschen. Das Grundprinzip der Stabilität durch eine gesunde Balance wird sich durchs ganze Buch ziehen und sich in der Statik meines Depots widerspiegeln. Die konkrete Anleitung für deine finanzielle Unbesiegbarkeit gibt es ab dem fünften Kapitel.

Dieses Buch soll dir dabei helfen, den ewigen Kampf zwischen Emotion und Ratio zu bestreiten. Sonst drohen die Extreme die Stabilität zu gefährden: Die einen denken nicht übers Geld nach und sind Opfer ihrer Triebe. Die anderen erheben das Sparen zum Lebenssinn und leben nicht mehr. Ich lehne beide Extreme ab. Wir müssen die goldene Mitte finden, die Balance zwischen Geiz und Verschwendung. Denn sonst muss immer jemand dafür bezahlen. Aus dem Konflikt entsteht nämlich ein Konflikt zwischen Jung und Alt: Wenn du als junger Mensch alles verjubelst, beraubst du dich des mächtigen Hebels der Zeit. Archimedes sagte einst, dass er nur einen Punkt brauche, wo er sicher stehen könne, und einen Hebel, der lang genug sei, und er könne die Erde mit einer Hand bewegen. Dieser Hebel ist beim Investieren die Zeit – und je länger er ist, umso mehr kannst du die Welt und vor allem dein Vermögen bewegen. Wenn Geld und Zeit Sex haben, kommt Reichtum dabei heraus. Jeder Tag, den du beim Investieren verschenkst, kostet dich in 20, 30 oder 50 Jahren also einen Batzen Geld. Unserem alten Ich sollten wir die Chance auf Reichtum nicht verbauen, aber noch weniger unserem jungen Ich die Chance auf ein reiches Leben in seinen besten Jahren. Dieses Buch zeigt dir, wie du deine Finanzen regelst, damit du Zeit für dein Leben hast. Am glücklichsten macht es uns nämlich, wenn wir unsere Zeit so bewusst wie möglich nutzen.2

Ich hoffe, dass du beim Lesen dieses Buches deinen Aha-Moment erlebst und dich fragst: Warum haben sie mir das nicht früher über Geld verraten – die Lehrer, die Professoren oder die Eltern? Also lass uns das Geld und das Leben gemeinsam in die Hand nehmen, denn ein stabiles und glückliches Leben lässt sich nicht kaufen – wir müssen es uns erschaffen.

Und falls du dich fragst, warum ich immer noch Sportwetten abschließe wie im Jahr 2017? Weil ich auf eine seltsame Art und Weise dankbar bin für die Lektionen, die mich das Scheitern gelehrt hat. Die Fehler und die Schmerzen haben mich erst auf den richtigen Weg gebracht und mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Ich verdränge mein Scheitern nicht, sondern zelebriere es sogar. Aber das Wetten hat für mich nur noch symbolischen Charakter, deswegen erlaube ich mir genau eine Wette pro Jahr. Und natürlich nur mit einem so geringen Einsatz, dass es keine Rolle spielt, wenn ich verliere. Geld und rationales Denken kann man also lernen. Ich werde dir in diesem Buch verraten, was ich gerne schon viel früher gewusst hätte.

KAPITEL 1

FEAR & GREED

Angst

Trump hat Corona – ich bin mir sicher«, schreibt mir Sherlock per iMessage, »wir müssen jetzt sofort noch härter shorten!«

Eigentlich habe ich gerade andere Probleme. Es ist Freitagabend, 13. März 2020, und das Datum allein passt schon zur Corona-Situation, die sich immer weiter zuspitzt. Aber es kommt noch besser. Ich stecke gerade mitten im Umzug mit meiner Freundin. Meine alte Single-Wohnung im Franzosenviertel in München ist bereits gekündigt, ausgeräumt und frisch gestrichen. Und jetzt ziehen wir um nach Sendling in die erste gemeinsame Wohnung – mitten im Chaos. Der Corona-Lockdown steht kurz bevor, wenige Tage später sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Stillstand für das ganze Land beschließen. Es muss also schnell gehen. Am Vorabend habe ich bis tief in die Nacht Kisten in den dritten Stock geschleppt – eine Altbauwohnung ohne Aufzug! Und am nächsten Tag haben wir in der Wohnung viele Klamotten, Bücher und eine Katze, aber noch nicht mal einen Kleiderschrank, weder ein Bett oder eine Couch noch einen Kühlschrank oder WLAN. Wir wollen die Wohnung komplett neu einrichten. Also liege ich auf der neuen Matratze, die noch nackt auf dem Boden im Schlafzimmer liegt, und schaue alle fünf Minuten auf die Börsenkurse. Normalerweise halte ich das für irrational, aber in diesen Stunden packt mich die Angst.

Corona ist neu.

Corona ist anders.

Corona erwischt uns auf dem falschen Fuß.

Der Deutsche Aktienindex (DAX) wird an diesem Freitagabend offiziell mit 9.232,08 Punkten schließen. Aber nachbörslich wackeln die Kurse weiter. Sämtliche Indizes blinken rot. In den USA hat die Börse gerade erst eröffnet, es könnte also noch gehörig scheppern, wenn in Deutschland schon die Lichter ausgehen. Die Frage der Stunde lautet: Wie tief können die Kurse noch fallen? Ich bin schon seit einigen Tagen short, spekuliere also auf fallende Kurse, weil ich das Risiko und die Bedeutung des Virus in diesen Tagen nicht ansatzweise einschätzen kann.

Ich fürchte mich vor der kognitiven Dissonanz. Wir blenden gerne Dinge aus, die nicht in unser Weltbild passen. Und ein Virus, das die Welt lahmlegt, passt mir natürlich auch nicht ins Weltbild. Deswegen galt in den Tagen vor dem Crash folgende Hypothese: Im Zweifel wird ein solches Virus keine Katastrophe sein. Der Vergleich mit SARS drängte sich im Februar auf, als die Kurse ins Rutschen kamen. SARS hielt die Welt Anfang des Jahrtausends in Atem, und das Virus hatte ebenfalls seinen Ursprung in China. Ich wühle mich sofort durch Statistiken zu sämtlichen Pandemien und Krankheiten und wie sie sich auf die Börse ausgewirkt haben: Ebola, SARS, Zika und Co. Das verblüffende Ergebnis: Praktisch keine Krankheit zwang die Börse in die Knie.1 Im Gegenteil: Sechs Monate nach dem Ausbruch von SARS (im November 2002) war die Börse schon wieder obenauf.

Epidemie

Ende

6-Monats-Veränderung des S&P 500 in %

12-Monats-Veränderung des S&P 500 in %

HIV/Aids

Juni 1981

-0,20

-10,73

Lungenpest

September 1994

8,22

26,31

SARS

April 2003

14,59

20,76

Geflügelpest

Juni 2006

11,66

18,36

Dengue-Fieber

September 2006

6,36

14,29

Schweinegrippe

April 2009

18,72

35,96

Cholera

November 2010

13,95

5,63

MERS

Mai 2013

10,74

17,96

Ebola

März 2014

5,34

10,44

Masern/Röteln

Dezember 2014

0,20

-0,73

Zika

Januar 2016

12,03

17,45

Masern/Röteln

Juni 2019

9,82

Doch kurzfristig überschlagen sich in diesen Tagen die Ereignisse an der Börse, und viele Anleger packt die Angst. Ich interviewe für den YouTube-Kanal Mission Money, bei dem ich als Moderator vor der Kamera stehe, Experten vor Ort in China. Wir wollen alle wissen, wie schlimm das Virus uns treffen könnte. Aber wir sind alle keine Virologen. Es fällt immer wieder der Vergleich zu SARS, aber einfach in den Rückspiegel zu schauen und auf einen ähnlichen Verlauf zu hoffen, erscheint mir als einziges Szenario immer naiver. Spätestens seit das Virus Anfang Februar nach Deutschland gelangt ist, spüre ich ein unangenehmes Gefühl in der Magengrube und denke an Voltaire: »Zweifel sind unbequem, aber Gewissheiten sind absurd.«

Als ich auf der Matratze liege, suche ich ein neues Hebelzertifikat auf fallende Kurse beim S&P 500 bei Lang & Schwarz raus – und kaufe es. Ich will mich in den nächsten Stunden entspannen und nicht ständig das Gefühl des freien Falls in meiner Magengrube spüren, denn wir sind auf dem Sprung zu einem griechischen Restaurant ums Eck. Eine Viertelstunde später beiße ich in ein perfektes Rinder-Steak, medium rare, griechische Musik dröhnt in meinen Ohren, es riecht nach Gyros und Metaxa. Aber ich habe fast nur Augen für mein iPhone. Der S&P 500 fällt weiter, mein Put ist schon wieder im Plus. Aber freuen kann ich mich darüber nicht. Ich schreibe Sherlock und versuche ihn zu beruhigen. Und dann fällt mir ein, dass er die Sache von Anfang an ernst genommen hat. Bereits Mitte Januar hatte er mir als nachträgliches Weihnachtsgeschenk eine hellblaue Maske von Drägerwerk überreicht. Damals hatte ich es noch belächelt, weil wir uns gegenseitig immer Spaß-Geschenke machen. Aber in diesen Sekunden wird mir klar, dass doch alles anders sein könnte. Ich weiß in diesem Moment nicht mehr, was rational, emotional und was dissonant ist. Ich weiß nur, dass ich mich mit einer Absicherung fürs Depot sehr wohl fühle, wenn selbst Sherlock die Fassung verliert.

Bei Mission Money veröffentlichen wir am folgenden Samstag, 14.03.2020, in unserem wöchentlichen Format »Mission5« ein Video mit folgendem Titel: »Börsenbeben und Krisen-Angst: Warum ich SHORT bin«. Normalerweise halte ich nichts von Timing, aber ich rechne in diesen Minuten mit dem Schlimmsten. Mir gehen auf einmal nur noch katastrophale Szenarien durch den Kopf:

Was passiert, wenn Millionen Menschen sterben? (Die Todesfälle steigen in diesen Tagen massiv an, und der Vergleich zu SARS könnte sehr schnell hinken. Damals sind »nur« 774 Menschen gestorben.)

Was passiert, wenn Politiker wie Donald Trump oder Angela Merkel wirklich an Corona erkranken oder gar sterben?

Corona ist neu.

Corona ist anders.

Trotzdem weiß ich eine Sache sicher: Ich werde keine einzige Aktie verkaufen. Denn der größte Fehler ist immer wieder, panisch zu werden, wenn es schon zu spät ist, und dann Verluste zu realisieren. An Gewinnmitnahmen ist noch niemand gestorben, aber tödlich wäre es, gute Aktien mit einem Verlust von 20 Prozent zu verkaufen, die nur wegen einer Krise in einen Strudel aus Angst gezogen werden – um sie dann später wieder teurer zurückzukaufen, wenn sich die Lage beruhigt hat. Diese Unsicherheit muss man aushalten. Man muss gerade dann riskieren, wenn das Blut in den Straßen fließt. Nachgekauft habe ich bereits, aber nur kleine Positionen. Ich will mein restliches Pulver noch trocken halten.

Tatsächlich sollte der DAX in den kommenden Tagen noch weiter fallen, aber das Armageddon bleibt aus. Exakt sechs Tage später werde ich in den Vorwärtsgang schalten und alles richtig machen. Wie ich es mit Strategie, Mut und etwas Glück geschafft habe, den Crash ins Positive zu drehen, erkläre ich dir ab dem dritten Kapitel des Buches. Aber bleiben wir noch bei den Emotionen, die mich für wenige Tage im Griff hatten. Denn genau darum soll es auf den nächsten Seiten gehen: Wie beeinflussen Emotionen unseren Erfolg mit Geld? Warum sind wir immer wieder anfällig für Angst und Gier? Diese Frage trieb auch den amerikanischen Starinvestor Barry Ritholtz um, bis er 2008 eine Entdeckung machte und verstand, wie die Börsen im Abschwung ticken. Er kam zu folgender Erkenntnis: An der Börse Geld zu verlieren, das fühlt sich an wie trauern.2 Spannend ist dabei die Frage, was sich bei Investoren während des Crashes im Kopf abspielt – und welche Parallelen lassen sich zu den fünf Trauerphasen der Sterbeforscher ziehen?

Leugnen

Zorn

Feilschen

Depression

Akzeptieren

Den typischen Verlauf anhand eines Aktienkurses könnte man so darstellen (inspiriert vom DAX-Verlauf zwischen 2000 und 2003):

Am Vergleich mit den Sterbephasen scheint etwas dran zu sein. Gerade unerfahrene Anleger verfallen in Euphorie und leugnen gerne, dass die Party jemals enden wird. Dieses Mal könnte doch alles anders sein. Die kognitive Dissonanz droht jedem, wenn ein Ereignis auftritt, das einem nicht in den Kram passt. Bei Corona war der typische Reflex eben, es mit SARS zu vergleichen – ein neues Virus aus China einfach mit dem letzten aus China gleichzusetzen. Im Nachgang lässt sich festhalten, dass viele die Auswirkungen zu Beginn unterschätzt haben.

In der zweiten Phase dann soll typischerweise der Zorn übernehmen. Anleger verkaufen in Panik und schimpfen auf die Regierung, die Notenbanken, und in Sachen Corona traf der Zorn auch das Ursprungsland des Virus: China. Spätestens wenn man zornig wird, weil die Kurse fallen, sollte man sich hinterfragen und versuchen, die Emotionen zu kontrollieren und sich auf die Ratio zu konzentrieren. Denn auf wen sollte man sauer sein? Sauer kann man höchstens auf sich selbst sein, wenn man sich für eine Sache keinen Plan gemacht hat, die an der Börse nun mal immer wieder vorkommen wird: fallende Kurse. Der Zorn kann in dieser Phase sehr gefährlich werden. Manche Investoren verkaufen aus Frust und begehen damit einen großen Fehler. Deswegen sind Strategie und Money Management so wichtig. Den konkreten Fahrplan für einen Crash zeige ich dir im dritten Kapitel.

In der dritten Phase verhandeln oder feilschen die Anleger typischerweise. Sie lassen die Märkte für einige Tage plötzlich heftig steigen, weil sie günstige Einstiegsgelegenheiten sehen. Eine wichtige Beobachtung für Börsenneulinge: Crash heißt nicht, dass Aktien von heute auf morgen ins Bodenlose fallen. Das Feilschen trifft es sehr gut, denn heftige Gegenbewegungen sind typisch für einen Crash. Die Kurse können an einem Tag um zehn Prozent stürzen und am nächsten Tag wieder um 20 Prozent steigen. Es geht zu wie bei einer Achterbahnfahrt, und immer wieder schimmert die Hoffnung in den Augen der Investoren. Aber es droht dann oft die Depression, wenn die Kurse einfach immer wieder nach unten donnern und keine Ruhe einkehren will. Erst nach dieser Phase können Anleger üblicherweise mit dem Markt ins Reine kommen und den Absturz schlussendlich akzeptieren.

Die Macht des Negativen –oder: Schreib deine eigene Geldgeschichte

Die Händler rennen durch die Gänge, und ich höre einen Satz, der sich in meine Erinnerung brennt: »So schlimm war es noch nie!«

Im August 2007 stehe ich mit 20 Jahren als Grünschnabel mitten in einer großen Münchner Bank und weiß nicht genau, was los ist. Aber ich weiß, dass es ein Problem gibt. In diesen Tagen zieht die Finanzkrise auf, die später das Bankensystem erschüttern und Aktien in den Keller schicken sollte. Das richtige Beben sollte erst im Januar 2008 beginnen. Der DAX stürzt binnen elf Monaten um knapp 50 Prozent ab. Aber ich spüre das Vorbeben schon Monate früher und stecke mittendrin – auch mit meinem Geld. Ich hatte ursprünglich zwei Fonds in meinem Depot, die ich extra verkaufte, um Platz für die ultimative Aktien-Offensive im Jahr 2007 zu machen. Aus meinem Depot flog ein Fonds auf das »Euroland« (WKN: 975791) und ein Bio-Pharma-Fonds (WKN: 921556) von Union Investment. Ersetzt hatte ich sie durch einen Wasserfonds (WKN: 763763) und einen Zukunftsfonds (WKN: 515246). Davon versprach ich mir in den kommenden Monaten den großen Reibach. Und dann das: Kaum hatte ich die zwei Fonds gekauft, waren sie schon dick im Minus. Die Verluste hielten sich mit 15 Prozent aber noch in Grenzen. Deswegen rannte ich in der Mittagspause panisch aus der Bank, und in meinem Kopf hörte ich immer wieder einen Satz: »So schlimm war es noch nie!« Das sind jene Momente, wenn die Biochemie in unserem Körper auf Hochtouren schaltet: Es wird Adrenalin ausgeschüttet.

Das Herz schlägt schneller.

Wir wollen nur noch fliehen.

Und genau diesen Instinkt spüre ich in diesem Moment. Ich fühle mich, als würde ich in einem Strudel stecken und ertrinken.

Ich muss da raus.

Also zücke ich mein Handy und rufe bei der Sparda-Bank an. Ich kann es kaum erwarten, bis sich jemand meldet und ich endlich sagen kann, dass ich alles verkaufen will.

Wenn ich mich an außergewöhnliche Börsentage erinnere, dann kommen mir zuerst die schlechten Tage in den Sinn.

Die Macht des Negativen.

Im Kopf scheinen sich die Ausnahmefälle einzubrennen und alles zu überschatten. Aber wird das der Realität gerecht? Tatsächlich befinden sich die Märkte seit 2001 nur in 5 Prozent der Zeit in sogenanntem Stress. 5 Prozent der Zeit verbringen sie damit, sich zu erholen. Der Stress ist zwar noch zu spüren, aber er nimmt ab. In 90 Prozent der Zeit läuft alles normal ab.3 In unserer Erinnerung sind natürlich die 90 Prozent der normalen Zeit nicht präsent. Warum sollte man sich auch an Tage erinnern, an denen nichts passiert ist? Die negativen Erlebnisse brennen sich dagegen mehr ein, denn nichts fürchten wir mehr als Verluste. Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat herausgefunden, dass Verluste doppelt so schmerzvoll für uns sind wie Gewinne im Gegenzug erfreulich!4 Angst ist aber kein guter Berater, denn du solltest immer investiert sein. Teilweise entscheiden nur die zehn besten Börsentage in einem Jahr über signifikante Kursgewinne.5 Und wer soll im Voraus wissen, welche die goldenen Tage in einem Jahr sind?

Unser Augenmerk liegt oft darauf, mögliche Verluste zu umschiffen, weil sie uns Angst machen und wir ein falsches Verständnis von Risiko haben. Dabei riskieren wir für unsere kurzfristigen Emotionen den langfristigen Erfolg. Denn was wäre passiert, wenn ich die Fonds einfach gehalten hätte, statt panisch zu verkaufen? Obwohl ich sie zu einem katastrophalen Zeitpunkt kaufte, wäre ich nur wenige Jahre später bereits dick im Plus gewesen.

Im Juli 2020 stehe ich mit Sherlock vor dem Guggenheim-Museum in Bilbao. Das Corona-Virus wütet rund um die Welt und hat Länder wie Spanien hart getroffen. Deswegen tragen wir auch im Freien eine Maske und müssen uns die Hände desinfizieren, bevor wir das Museum überhaupt betreten dürfen. Dann zielt ein Sicherheitsmitarbeiter mit einem Fiebermessgerät auf unsere Stirn. Das Ergebnis: 36 Grad. Also stehen wir zehn Sekunden später an der Kasse, um Tickets zu kaufen. Doch Sherlock wird auf einmal blass, als er auf sein iPhone schaut.

»Unser Flug ist weg!«, schreit er.

Eigentlich sollte der Besuch im Museum die letzte Amtshandlung sein, bevor wir zum Flughafen fahren und zurück nach München fliegen. Aber die Pandemie traf auch den Flugplan der Lufthansa. Unser Flug war drei Stunden vor dem Boarding einfach ersatzlos gestrichen worden. Während wir auf einer Bank im Museum sitzen und auf den Fluss draußen schauen, der sich durch Bilbao schlängelt, versuche ich rational zu denken. Das Problem: Es gibt an diesem Tag keine Flüge mehr und am nächsten Tag erst wieder am Nachmittag. Ob die Strecke während der Pandemie vielleicht noch ganz eingestellt wird, ist eine andere Frage. Egal, ich muss am nächsten Vormittag in München sein, weil ein wichtiger Drehtermin ansteht. Deswegen gibt es nur eine Lösung: schnell handeln und die Kontrolle zurückerlangen. Wir buchen sofort einen Flug nach Madrid in drei Stunden. Von der Hauptstadt aus soll es dann am kommenden Morgen zurück nach München gehen.

Glücklicherweise sind unsere Notfall-Flüge wegen der geringen Auslastung während der Pandemie spottbillig, und wir ergattern auch das Zimmer in einem Vier-Sterne-Hotel in Madrid zu einem Schnäppchenpreis. Wir verbringen aus der Not heraus noch einen tollen Abend, der eigentlich gar nicht geplant war. Aus der Macht des Negativen machten wir die Macht des Positiven, weil wir unser Schicksal so schnell selber in die Hand nahmen. Aber das ist leider nicht selbstverständlich. Jetzt überleg mal, was dir als erstes in den Sinn kommt, wenn es um negative Reise-Erlebnisse geht:

als dir ein Flug gestrichen wurde,

als die überfüllte Bahn drei Stunden auf der Strecke liegengeblieben ist,

als dir die U-Bahn vor der Nase weggefahren ist und du zu spät zum Vorstellungsgespräch gekommen bist.

Für mich ist die Bahn leider das beste Beispiel: Wenn ich ans Zugfahren denke, kommen mir nur negative Gedanken in den Sinn, so wie wahrscheinlich den meisten Deutschen. Ich denke daran, als wir zu einem Dreh nach Frankfurt fuhren und ich angeschlagen mit Fieber im Abteil saß – und dann fiel im August bei 35 Grad auch noch die Klimaanlage aus. In Gedanken fühlt es sich heute noch wie ein tropisches Wachkoma an. Oder ich denke daran, als wir mit kompletter Kamera-Ausrüstung am Kölner Messe-Bahnhof standen und uns am Bahnsteig exakt für einen Wagen platzierten, in dem wir zwei Plätze reserviert hatten. Aber dann waren dummerweise die Wagennummern vertauscht, und wir mussten vollbepackt das ganze Gleis entlang sprinten. Oder ich erinnere mich an sämtliche Bahnfahrten, bei denen das Schild für die Sitzplatzreservierung defekt war. Unser Gehirn wird von der Macht des Negativen erdrückt, und es macht daraus schnell Glaubenssätze wie: »Mit der Bahn hat man immer nur Ärger!«

Kennst du dieses Problem, dass du Dinge nicht magst, weil du eine negative Erinnerung daran hast, die alles überstrahlt? Bei den meisten Dingen im Leben läuft es wie an der Börse: 90 Prozent der Zeit läuft alles normal ab. Das gilt wahrscheinlich sogar für die Bahn. Trotzdem beschäftigt sich die ganze Welt mit den negativen 5 Prozent. Für eine Studie wurden Pendler gefragt, die gerade am Bahnsteig warteten, wie sie sich fühlen würden, wenn sie den Zug an diesem Tag verpassen würden.6 Bevor sie antworteten, wurden einige der Pendler gebeten, sich an einen Vorfall zu erinnern, bei dem sie den Zug verpassten und ihn zu beschreiben (Zufallserinnerung). Andere Pendler sollten sich an den schlimmsten Vorfall erinnern und ihn beschreiben (Worst-Case-Erinnerung). Das Ergebnis: Die Erlebnisse der Gruppe mit der Zufallserinnerung waren ungefähr genauso schlimm wie die bei jener Gruppe, die explizit aufgefordert wurde, sich an den schlimmsten Vorfall zu erinnern. Die schlimmsten Erlebnisse brennen sich also in unsere Vergangenheit und unser Gedächtnis ein. Wir müssen uns vor Augen führen, wie oft uns die Vergangenheit bei jenen Dingen lenkt, die wir für die Zukunft tun.

Hast du manchmal auch diese Momente, in denen deine Gedanken abschweifen? Wenn du in eine Spirale des Selbstzweifels verfällst und fühlst, dass alles nichts bringt? Das kann sehr gefährlich sein. Achte auf Sätze wie:

»Das kann ich nicht.«

»Ich habe immer Pech.«

»Geld ist einfach nichts für mich.«

Ich habe schon viele Menschen sagen hören, dass Geld einfach nichts für sie wäre und Aktien natürlich nur was für Reiche seien. Solche Denkweisen sind menschlich, aber gefährlich. Ein solcher Glaube verfestigt sich immer stärker wie bei einer Prophezeiung, die sich dann selbst erfüllt. Um erfolgreich mit Geld umzugehen, müssen wir zuerst überlegen, welche Sätze uns beschränken, die wir uns ständig vorsagen. Man spricht auch von limitierenden Glaubenssätzen. Du kannst es dir so vorstellen: Du sitzt seit Jahren auf einem Pferd und versuchst Richtung Reichtum zu reiten. Aber du kommst keinen Schritt vorwärts, obwohl du das Pferd ständig mit der Gerte antreibst. Du sitzt zwar als Reiter im Sattel, aber das Pferd symbolisiert in diesem Beispiel dein Unterbewusstsein, das du mit den falschen Glaubenssätzen gefüttert hast. Du hast deinem Pferd seit Jahren erzählt, dass Geld einfach nichts für dich ist und das Investieren eh nichts bringt. Deswegen bricht das Pferd ständig in eine andere Richtung aus, und du kommst deinem Ziel nie näher, obwohl du denkst, dass du es doch eigentlich versuchen würdest.

Bevor wir unser Geld selber in die Hand nehmen, müssen wir die Geschichten hinterfragen, die wir uns selber erzählen. Besonders beim Geld beeinflusst die persönliche Geschichte, was wir mit ihm machen. Das haben die Wissenschaftler Stefan Nagel und Ulrike Malmendier herausgefunden.7 Normalerweise gehen Wissenschaftler davon aus, dass Daten einfach Daten sind, dass es keinen Unterschied macht, ob jemand die Große Depression erlebt oder einfach davon gehört hat. Man hat also nie zwischen Wissen und Erlebnissen unterschieden. Aber genau solche Erlebnisse wie die Große Depression haben eine Generation geprägt und einen Einfluss darauf, ob jemand Anleihen, Aktien oder Gold kauft. Nagel und Malmendier stammen beide aus Deutschland und fanden durch ihre Studie heraus, warum ältere Familienmitglieder eine ganz andere Einstellung zum Geld haben als jüngere Nachkommen. Der Grund: Sie hatten die Hyperinflation in den 1920er- Jahren erlebt, und das hat sie nachhaltig geprägt.

Wenn es darum geht, was wir mit unserem Geld machen, zählen persönliche Erfahrungen. Von ewig steigenden Aktien zu träumen, fällt leichter, wenn jemand nur steigende Kurse erlebt hat. Aber stell dir mal vor, du wärst 1929 in Aktien eingestiegen. Die Katastrophe begann im August 1929: Der amerikanische Aktienindex S&P 500 stürzte binnen 20 Monaten um 83,7 Prozent ab! Erst im Juni 1932 war der Tiefpunkt erreicht – nach drei Jahren. Aber der Horror war da noch lange nicht vorbei. Es dauerte 152 Monate, bis sich der Markt erholte und seinen alten Höchststand erreichte. Also fast 13 verlorene Jahre.

Erlebnisse und Geschichten können so mächtig sein, dass sie unser Weltbild auf den Kopf stellen. Wenn Hochschulstudenten eine überzeugende Rede hören, die ihre politischen Ansichten verändert, dann denken sie, dass sie sich schon immer gefühlt hätten, wie sie es in diesem Augenblick tun.8 Wenn dich also die Rede eines Politikers mitreißt oder dieses Buch dich begeistert, dann kann es wie eine Gehirnwäsche wirken und deine Festplatte löschen. Ich wittere also meine Chance, dir einen neuen Blick auf Aktien und Risiko zu ermöglichen.

Vor allem eine Angst möchte ich dir nehmen: dass heute ein schlechter Tag zum Investieren ist und die Welt zu riskant wäre, um Aktien zu kaufen. Denn eine Frage wird mir seit Jahren ständig gestellt: »Wann soll ich einsteigen?« Wenn ich darauf antworte, dass heute der beste Tag zum Investieren ist, weil wir wie Archimedes ja einen möglichst großen Hebel namens Zeit haben wollen, dann wird meistens eine Liste von Bedenken aufgezählt. Momentan sei es doch schlecht, weil Aktien viel zu teuer wären, die politische Lage schlecht sei und das Wetter auch noch. Das Thema Geld schieben viele wie die Steuererklärung bis zum letzten Tag auf. Aber warum halten sie heute für den schlechtesten statt den besten Tag? Das Problem sind Mythen, die von den Medien, dem Umfeld und Untergangspropheten bedient werden, um Angst zu schüren. Auch wenn diese Ängste für manche unverständlich erscheinen, werden doch diejenigen, die sie in sich tragen, dadurch massiv beeinflusst. Denn das Problem an Mythen und Fake News ist: Sie wollen gar keine Meinungen ändern, sie wollen sie nur bestärken. Wie schwierig ein Glauben aus dem Kopf zu bekommen ist, wissen wir bereits. Wenn jemand einen Glauben verinnerlicht hat, dann ist er sehr empfänglich für Informationen, die diesen Glauben bestärken. Das verstärkt das sogenannte Motivated Reasoning – die wechselseitige Beeinflussung von Motivation und Kognition. Wenn wir ein bestimmtes Ergebnis im Kopf bevorzugen (die Motivation), denken wir unbemerkt in die gewünschte Richtung.9

Schauen wir uns ein Narrativ an, das seit Jahren dominiert, wenn es um die Börse geht: Die Zinsen waren noch nie so niedrig. Das klingt nach Ausnahmezustand, auch vom größten Experiment der Notenbanken aller Zeiten ist gerne die Rede. Aber sind die niedrigen Zinsen wirklich so überraschend? Der Wissenschaftler Paul Schmelzing hat herausgefunden, dass es sich eigentlich um eine logische Entwicklung handelt. Denn die Zinsen sinken bereits stabil seit dem späten Mittelalter.

Die historische Entwicklung der Zinsen in Prozent

Der Wirtschaftshistoriker der Harvard-Universität hat für seine Forschung die Quellen der letzten sieben Jahrhunderte ausgewertet. Seine ältesten Daten reichen zurück bis ins Jahr 1311. Schmelzing kommt zu dem Schluss, dass niedrige reale Zinsen kein neues Phänomen sind. Die Sätze erreichten im 15. Jahrhundert einen Spitzenwert, und seither gehen sie auf breiter Front zurück. Schreibt man den Trend aus den letzten 500 Jahren fort, könnten im Jahr 2100 Negativzinsen in Höhe von 2 Prozent eher die Regel als die Ausnahme sein.10

Wie hat Schmelzing das herausgefunden? Durch Puzzlearbeit. Gerade für die Zeit vor dem 18. Jahrhundert musste er Aufzeichnungen auswerten. Fast alle größeren Städte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation verfügten etwa über Stadtregister, in denen über die Amtsgeschäfte Buch geführt wurde. Das Ergebnis der Recherche: Im Schnitt geht der um die Inflation bereinigte langfristige Realzins seit dem späten Mittelalter jedes Jahr um etwa 0,006 bis 0,016 Prozentpunkte zurück. Es gibt aber immer wieder Schwankungen. Sie werden oft von geopolitischen Entwicklungen ausgelöst. Im 14. Jahrhundert fielen die Realzinsen beispielsweise innerhalb von zehn Jahren um fast 6 Prozentpunkte, weil die Pest in manchen Gegenden Europas ein Drittel bis die Hälfte der Bevölkerung ausgelöscht hatte. Der Kapitalstock an Häusern, Gold und Pfluggeschirr blieb aber unverändert. Kapital war auf einmal im Überfluss vorhanden, was dazu führte, dass der Preis des Kapitals, also der Zins, sank. Einer der wichtigsten Faktoren, der die Zinsen langfristig nach unten gedrückt hat: Die Welt ist sicherer geworden. Beispielsweise ließ der französische König im 15. Jahrhundert seine Gläubiger noch regelmäßig ins Gefängnis werfen, wenn er nicht bezahlen konnte oder wollte. Deshalb verlangten Kreditgeber oft eine Prämie, um sich gegen das Risiko eines möglichen Zahlungsausfalls abzusichern. Solche Risiken drohen heute natürlich nicht mehr, und deswegen fallen die Zinsen deutlich niedriger aus.11

Wir müssen die Geschichte des Geldes verstehen. Wer die Fakten kennt, der lässt sich nicht mehr von den Geschichten der anderen beeinflussen und wird nie wieder zum Spielball von Medien und Mythen. Oft nutzen die anderen nur Ängste aus, um Schlagzeilen zu machen oder Produkte zu verkaufen. Wir müssen uns klarmachen, welche Erfahrungen mit Geld unser Leben bislang geprägt haben, woher gewisse Ängste und Vorurteile stammen und wer uns etwas eingeredet hat, was wir dringend hinterfragen sollten. Denn unsere Überzeugungen und Glaubenssätze bestimmen, wie wir handeln. Und wer auf dem falschen Pferd sitzt, wird sich nie an die Börse trauen.

Test yourself Welche Erfahrungen hast du gerade als junger Mensch mit Geld gemacht? Was haben dir deine Eltern über Geld beigebracht? Schreib dir drei limitierende Glaubenssätze zum Thema Geld auf. Versuche diese Gedankenmuster sofort zu unterbrechen, wenn du sie wahrnimmst.

Gier – oder: Warum mich ein doppelterAußenbandriss in Euphorie versetzte

Ich humple im August 2020 am Münchner Stachus zur U-Bahn und strahle vor Glück. Ich spüre dieses Feuer im Bauch, wenn man die Welt erobern will. Doch als ich diese Zeilen schreibe, bin ich wieder fasziniert, wie ich mich damals so gut fühlen konnte. In diesem Moment war mein rechtes Fußgelenk ein Totalschaden: Seit einer Woche war ein Außenband gerissen, ein zweites Band angerissen, und ich hatte auch noch einen sogenannten Bone Bruise – also eine Prellung des Knochens, bei der auch das Knochenmark betroffen ist. Aber warum war ich trotzdem so aufgepumpt? Die Antwort lautet: Ich wurde positiv überrascht!

Was war passiert? Ich erzähle dir kurz die Vorgeschichte: Am 27. Juli 2020 bin ich für die Mission Money bei einem Drehtermin bei Scalable Capital in der Münchner Innenstadt. Wir wollen den Gründer des Fintech-Unternehmens, Erik Podzuweit, interviewen und lassen uns vor dem Dreh noch von ihm durch die neuen Büroräume führen. Wir halten während des Rundgangs Ausschau nach einem geeigneten Platz, an dem wir gleich unser gemeinsames Interview aufnehmen. Wir brauchen gutes Licht und einen vorzeigbaren Hintergrund. Als ich die letzten Treppenstufen nach unten auf dem Weg zurück ins Erdgeschoss nehme, trage ich Mundschutz, habe ein Glas Wasser in der Hand und keine Brille auf der Nase, deswegen sehe ich weniger als normalerweise. Dann ruft mir mein Kollege Matze auch noch von unten zu: »Schau mal, hier wäre ein guter Platz zum Drehen, wenn wir den Stuhl wegrücken.«

Als ich antworten will, knallt es. Ich übersehe die letzte Stufe, gerate ins Stolpern und knicke mit dem rechten Fuß um. Ich spüre sofort, dass etwas kaputt ist. Der Knöchel schwillt innerhalb von wenigen Sekunden an, und der Schmerz schießt ein. Ich bekomme Eis zum Kühlen, die Schmerzen werden zumindest nicht schlimmer. Wir drehen sogar noch unser Interview ab, und ich hoffe, dass es nur eine Prellung und nichts gerissen ist. Aber in den Stunden danach schwindet die Hoffnung. Langsam fühlt es sich an, als wäre mein Knöchel gebrochen. Also fahre ich doch in die Notaufnahme. Es stellt sich beim Röntgen zwar heraus, dass nichts gebrochen ist. Aber offensichtlich ist mein rechter Fuß ein Totalschaden. Also suche ich in den kommenden Tagen einen Orthopäden auf, und mein Fuß steckt wenige Stunden später in einer sehr lauten Maschine, die ein MRT durchführt. Der Arzt war sich bereits sicher, dass beide Außenbänder kaputt sind, die große Frage lautet nun: Ist auch das Syndesmoseband gerissen? Das wäre der Supergau, denn dann müsste ich operiert werden! Da das MRT noch schnell am Freitagnachmittag durchgezogen wurde, habe ich das ganze Wochenende Zeit, um zu grübeln, ob das Band jetzt durch ist oder nicht. Ich denke zwar meistens positiv, aber da der Schmerz genau an jener kritischen Stelle zwischen Schien- und Wadenbein immer heftiger sticht, stelle ich mich auf ein gerissenes Syndesmoseband ein. Am Montag habe ich dann endlich Klarheit: Das Syndesmoseband ist doch unversehrt! Da ich mich bereits auf den Supergau eingestellt hatte, euphorisiert mich diese positive Überraschung.

Aber was spielte sich genau in meinem Körper ab, als ich dieses Feuer im Bauch spürte? Das Geheimnis hinter der Euphorie heißt: Dopamin. Bei Dopamin handelt es sich um einen Neurotransmitter, der erregend wirkt und beispielsweise ausgeschüttet wird, wenn wir positiv überrascht werden. Kennst du dieses Gefühl, wenn du dich bei der Steuer verrechnet hast und auf einmal 1.000 Euro mehr auf deinem Konto eingehen? Wenn du diesen Fehler begehst, ist es der schönste Fehler der Welt, er wird dir nämlich genau diesen Kick verpassen, wenn Dopamin ins Spiel kommt. Denn die Aktivität des Dopamins ist eine Reaktion auf etwas Unerwartetes. Wissenschaftler, die dieses Phänomen untersuchten, nannten den Kick, den etwas Neues uns verschafft: Belohnungsvorhersagefehler.12 Einfach ausgedrückt: Wenn die Realität besser ausfällt als unsere Prognose, dann schüttet unser Körper Dopamin aus.

Wenn es uns schon in Euphorie versetzt, wenn ein Syndesmoseband doch nicht gerissen ist, dann stell dir mal vor, wie das Dopamin einschießt, wenn eine Aktie nicht mehr aufhört zu steigen.

Das Dopamin schießt deine Gefühle in den siebten Himmel.