Warum wir zu viel essen - Andrew Jenkinson - E-Book

Warum wir zu viel essen E-Book

Andrew Jenkinson

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Beschreibung

Alle kennen die goldene Regel: Weniger essen, mehr Sport treiben und schon nimmt man ab. Aber was ist, wenn das nicht so einfach ist? Dieses Buch entlarvt Mythen über das Körpergewicht bzw. den Stoffwechsel und erklärt systematisch und faktenbasiert, warum Diäten kontraproduktiv sind. Es erklärt den "Gewichts-Sollwert", der für jeden von uns individuell und von zentraler Bedeutung ist. Es erläutert die "guten" und die "schlechten" Fette und wie sehr Gene und Umwelt unseren Stoffwechsel und damit unser Gewicht beeinflussen. Die Auswirkungen von Diäten auf den Hormonhaushalt, insbesondere auf die Steuerungshormone des Appetits bzw. Sättigungsgefühls, werden aufgezeigt. Einleuchtend wird präsentiert, wie durch Veränderungen unserer Ernährungsgewohnheiten seit Beginn der 1980er Jahre diese Regelmechanismen gestört werden - und wie man sie wieder unter Kontrolle bringt. Im Anhang des Buches erklärt der Autor die Bedeutung des Cholesterins und welch schädlichen Einfluss Zucker auf die Blutfette hat. Umfangreiche Ernährungstabellen unterstützen bei der Auswahl der richtigen Lebensmittel. Dieses Buch wird Ihnen helfen, Ihren Körper besser als je zuvor zu verstehen und zu kontrollieren. Seit über zwei Jahrzehnten behandelt der Autor Tausende von Menschen, die im endlosen Kreislauf der Diäten gefangen sind. Er erklärt die physiologischen Zusammenhänge anhand aktueller medizinischer Forschungsergebnisse und Beobachtungen aus anderen Forschungsgebieten . WARUM Wir (zu viel) ESSEN basiert auf seiner wissenschaftlichen Expertise und den Erfahrungen seiner Patienten. Es verbindet Fallstudien aus der Praxis mit dem gegenwärtigen Wissen über den Stoffwechsel und erklärt, wie unser Appetit tatsächlich funktioniert.

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WARUM WIR (ZU VIEL) ESSEN

,Ein fesselnder Blick auf die Wissenschaft von Appetit und Stoffwechsel'Vogue

,Cool, klar und sehr überzeugend ... Ein radikaler Ansatz zur Gewichtsabnahme'Sunday Times

,Dr. Jenkinson will Lösungen, denn er weiß, wie aktuell und überwältigend das globale Gewichtsproblem ist ... Seine Botschaft richtet sich an Einzelpersonen, die Hilfe suchen, nicht an Ministerien oder Regierungen, die sich die Ohren zuhaiten könnten. Es geht um Genuss, nicht um Entbehrung, zusammengefasst mit „mehr essen, mehr ruhen" 'Jenni Russell, The Times

,Es ist jedem zu empfehlen, der versucht, Gewicht zu verlieren. Es ist auch denjenigen empfehlen, die Schwierigkeiten haben, freundlich zu Menschen mit Fettleibigkeit zu sein.'The Times

,... das Buch von Andrew Jenkinson ist ein Meisterwerk. Ich werde es jedem meiner Kunden empfehlen, weil es so kluge und vernünftige Ratschläge zum Abnehmen gibt ... Es ist ein seltenes Vergnügen, wenn man auf ein Buch stößt, bei dem man bedauert, wenn es zu Ende ist, bei Sachbüchern ist das noch seltener. Dies ist wirklich das beste Buch, das ich seit langem über Gesundheit und Ernährung gelesen habe!'Kate Berkeley, reg. Ernährungstherapeutin

,Es wird jeden fesseln, der jemals mit Diäten zu kämpfen hatte, aber man muss nicht abnehmen wollen, um es zu lesen ...'Sunday Telegraph

faszinierende Wissenschaft ... Einer der britischen Top-Experten zur Gewichtsreduktion'ITV

Inhalt

Teil I: Lektionen in Energie

1 Stoffwechsellehre für Anfänger

2 Die heilige Kuh

3 Diäten und die größten Verlierer

4 Warum wir essen

5 Der Vielfraß

6 Der letzte Ausweg

Teil II: Lektionen zur Fettleibigkeit

7 Der Chefkoch

8 Die Wurzel des Übels

9 Der Omega-Code

10 Die Zucker-Achterbahn

11 Das französische Paradox

12 Das Wunder-Diät-Buch

13 Äußere Einflüsse

Teil III: Der Weg zu einem gesünderen Gewicht

14 Vorbereitung zum Selbermachen

15 Mehr essen, mehr ruhen

16 Ihre persönliche „blaue Zone"

Epilog

Anhang 1

Anhang 2

Covid-19 und Fettleibigkeit

Literaturverzeichnis

Glossar

Bibliographie

Danksagung

Sach- und Personenverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abb. 1 Täglicher Energiebedarf bei sitzender Tätigkeit im Vergleich zu körperlicher Arbeit

Abb. 2 7.000 kcal entsprechen einer Gewichtszunahme von einem 1 kg

Abb. 3 Anstieg des Kalorienverbrauchs und der Adipositasrate ab 1980

Abb. 4 Stoffwechselveränderungen nach Gewichtszunahme und Gewichtsabnahme

Abb. 5 Der Gewichts-Sollwert

Abb. 6 Gewichtsverteilung in Jäger- und Sammlerpopulationen

Abb. 7 Gewichtsverteiiung in bäuerlichen Populationen

Abb. 8 Anzunehmende Gewichtsveränderung, durch verarbeitete Lebensmittel wenn alle Menschen gleichermaßen betroffen sind

Abb. 9 Tatsächliche Gewichtsveränderung, durch verarbeitete Lebensmittel

Abb. 10 Ernährungsstatus während der Schwangerschaft und späteres Adipositasrisiko

Abb. 11 Stoffwechselveränderungen sechs Jahre nach der Show „The Biggest Loser"

Abb. 12 Wechseldiät, kontinuierlich fettarme oder hochkalorische Diät

Abb. 13 Spannbreite des Grundumsatzes bei Personen gleicher Körpergröße

Abb. 14 Die Appetit- und Sättigungshormone Leptin, PYY und Ghrelin

Abb. 15 Ghrelinspiegel vor und nach einer Diät

Abb. 16 Leptinwirkung auf Senkung des Sollgewichts

Abb. 17 Wie Leptin dem Gewichtsverlust durch eine Diät entgegen wirkt

Abb. 18 Der Weg zur Leptinresistenz

Abb. 19 Magenbypass und Schlauchmagen

Abb. 20 Nach einer Diät wird der Gewichts-Sollwert neu festgelegt

Abb. 21 Massenvergleich von Gehirn und Magen-Darm-Trakt

Abb. 22 Größenrelation von Gehirn und Magen-Darm-Trakt gleichgroßer Primaten

Abb. 23 Cro-Magnon Mensch:Forensische Gesichtsrekonstruktion

Abb. 24 Die (hypothetische) Ernährungspyramide der Jäger-Sammler - Epoche

Abb. 25 Zuckerverbrauch zwischen 1822 und 2000

Abb. 26 Vergleich der Sieben-Länder-Studie mit den fünfzehn anderen Ländern

Abb. 27 Konsum zugesetzter Fette und Öle zwischen 1970 und 2005

Abb. 28 Ernährungspyramide der Jäger und Sammler

Abb. 29 Moderne Ernährungspyramide

Abb. 30 Die Entwicklung der menschlichen Ernährung

Abb. 31 Adipositasraten in den USA1960 - 2008

Abb. 32 Fettkonsum in den USA1909-2009

Abb. 33 Kalorienzufuhr nach Lebensmittelgruppen in den USA: 1970 und 2010

Abb. 34 Aufbau der Fettmoleküle

Abb. 35 Aufbau einer gesättigten Fettsäure

Abb. 36 Aufbau der Omega-3. und Omega-6 Fettsäure

Abb. 37 Omega-3- und Omega-6-Gehalt in Speiseölen und Fetten

Abb. 38 Linolsäurekonzentration (Omega-6) im Unterhautfettgewebe

Abb. 39 Die entzündungs-relevanten Anteile von Omega-3 und Omega-6

Abb. 40 Pflanzenölkonsum und Adipositasraten in den USA, 1970-2010

Abb. 41 Die Blutzucker-Achterbahn

Abb. 42 Die fünf ursprünglichen „Blauen Zonen"

Tab. 1 Raucherguoten und Herzkrankheitsraten 1960-2000

Tab. 2 Krankheiten und Todesursachen in prähistorischer Zeit und heute

Tab. 3 Eigenschaften Omega-3 und Omega-6

Tab. 4 Verhältnis von Omega-6/Omega-3 in unterschiedlichen Populationen, Stand 2004

Tab. 5 Gewichtsverlust durch Diät oder durch Sollwert-Änderung

Tab. 6 Glykämische Last gängiger Lebensmittel

Einführung

Ambulanz für Adipositas-Chirurgie, London, Dezember 2012

In diese Klinik kommen Menschen mit Übergewicht, um über eine Magenoperation zu sprechen.

Von meiner Praxis im ersten Stock des University College Hospital, habe ich dank der Panoramafenster einen großartigen Ausblick auf die Kulisse von London. Ich sehe die roten Busse und schwarzen Taxis auf der Euston Road und ich erinnere mich, dass ich einmal eine meiner Patientinnen beobachtete, wie sie sich langsam auf den Haupteingang des Krankenhauses zubewegte. Sie versuchte vergeblich, ihren massigen Körper im Sturm unter einem flatternden Regenschirm zu schützten und den Eingang trocken zu erreichen. Sie tat mir leid.

Wenige Minuten später trat sie ein, Furcht und Verzweiflung standen ihr ins Gesicht geschrieben. Sie hatte aufgegeben, die weiße Fahne gehisst und im Kampf gegen ihr Gewicht schließlich kapituliert: Der Diätkrieg war verloren. Nun sollte ich ihr den größten Teil ihres Magens entfernen. Sie ließ sich in unseren übergroßen Klinikstuhl fallen und erzählte unter Tränen von ihrem jahrelangen Diätversagen. Und während sie erzählte, hörte ich zu und lernte.

Das vorliegende Buch wurde von Patienten wie dieser Dame inspiriert - normalen Menschen, die jahrelang mit ihrem Gewicht kämpften; Menschen, die auf der Suche nach einer Behandlung zu mir kamen.

Meine Patienten ermutigten mich, dieses Buch zu schreiben. Ich hatte ihnen über die Jahre zugehört, und was sie sagten, stimmte nicht mit meinem eigenen Verständnis von Fettleibigkeit überein. Ich wollte die Lücke zwischen dem, was Wissenschaftler, Ärzte und Diätassistenten uns über die Krankheit und den Umgang mit ihr erzählten, und dem, was schwer übergewichtige Menschen tatsächlich selbst erlebten, schließen - denn diese beiden Geschichten passten nicht zusammen.

Wenn es so einfach wäre, durch Diäten und Sport abzunehmen, wie uns die Wissenschaftler sagten, und wenn die Vorteile dieser Gewichtsabnahme in Bezug auf Glück, Selbstvertrauen, Gesundheit und Finanzen so groß sind, warum schafften diese Menschen es dann nicht? In den folgenden fünf Jahren beschäftigte mich diese Frage: Warum kann sich etwas scheinbar so Einfaches in der Praxis als so schwierig erweisen? Warum schaffen es die Menschen nicht, ihr Gewicht dauerhaft zu reduzieren? Wie kann eine Gewichtsabnahme durch Diäten so schwierig sein, dass Menschen zu so extremen Maßnahmen wie einer Magenverkleinerung (oder Bypass-Operation) greifen?

Das University College London Hospital (UCLH) verfügt über eine fantastische Stoffwechsel-Forschungsabteilung, die von meiner Kollegin, Professor Rachel Batterham geleitet wird. ihre Spitzenforschung verschaffte mir tiefe Einsicht und Verständnis dafür, wie unser Appetit durch Hormone (die im Magen und im Darm gebildet werden) gesteuert wird, die einen tiefgreifenden Einfluss darauf haben, was und wie viel wir essen. Der Appetit schien nicht unter bewusster Kontrolle zu stehen, sondern wurde von diesen neu entdeckten Hormonen gesteuert.

Meine Studien führten mich vom Appetit zum Stoffwechsel: Wie wird die Energiemenge, die wir verbrennen, gesteuert? Es schienen weitere Hormone beteiligt zu sein. Aber seltsamerweise wurden viele der bahnbrechenden Forschungsergebnisse, die unseren Stoffwechsel erklärten, von der Schulmedizin ignoriert. Warum war das so?

Wenn unser Appetit und unser Stoffwechsel von stark wirkenden Hormonen gesteuert werden, dann würde dies erklären, warum es meinen Patienten so schwerfällt, mit einfacher Willenskraft abzunehmen. Die hormonellen Auslöser, die unser Ess- und Ruheverhalten steuern, werden offenbar vornehmlich von unserer sich verändernden Umwelt beeinflusst.

In diesem Buch werde ich die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse über Stoffwechsel und Appetit nutzen und dieses Wissen mit dem zusammenführen, was uns fettleibige Menschen seit Jahren zu sagen versuchen. Ich werde darlegen, warum die meisten Dinge, die man Ihnen über Fettleibigkeit erzählt hat, Mythen sind, die auf schlechter Forschung und Eigeninteressen beruhen.

Sie werden erfahren:

1. Warum es so schwierig ist, Gewicht zu verlieren, wenn man die aktuellen Ratschläge von Medizinern und Ernährungsexperten befolgt

2. Wie einige dieser Ernährungsempfehlungen kontraproduktiv sein können und das Abnehmen noch schwieriger machen

3. Warum viele stark übergewichtige Menschen das Gefühl haben, in der Falle zu sitzen und nicht entkommen zu können, egal wie sehr sie sich bemühen.

4. Welche Strategien die besten für eine langfristige Gewichtsabnahme und Gesundheit sind, egal ob Sie 2 kg oder 30 kg abnehmen möchten

Nach der Lektüre dieses Buches sollten Sie besser verstehen, warum medizinische Fachleute mit ihren Ratschlägen zur Gewichtsabnahme über Jahre versagt haben, und, was noch wichtiger ist, Sie werden dieses Wissen zur Verbesserung Ihrer eigenen Gesundheit und Ihres Wohlbefindens nutzen können. Ich hoffe, dass Sie am Ende dieses Buches erleichtert sein werden, weil Sie endlich nicht nur eine Erklärung, sondern auch eine Lösung haben. Ich vermeide übermäßigen medizinischen Fachjargon (und erkläre alle Begriffe, die verwendet werden müssen) und präsentiere meine Ideen in einer zugänglichen, lockeren Art und Weise, die Sie zum Lesen anregen soll.

Doch zunächst einige Hintergrundinformationen. Ich bin Chirurg am University College Hospital in London. Meine Aufgabe ist es, Menschen zu behandeln, die mit Diäten nicht abnehmen können und am Ende ihres Weges angelangt sind. Sie haben akzeptiert, dass es für sie unmöglich ist, Gewicht zu verlieren und dieses Gewicht langfristig zu halten. Sie wissen, dass sie ihr Leben damit verbringen werden, unter Fettschichten gefangen zu sein und allmählich immer kränker, frustrierter und unglücklicher werden, wenn sie nicht etwas Drastisches unternehmen. In den letzten fünfzehn Jahren habe ich bestimmt über 2.000 Menschen in dieser Situation befragt.

Die Lösung, die meine Patienten suchen, ist eine Operation. Keine Maßnahme wie die „Liposuction", bei der das Fett abgesaugt wird, sondern eine Operation, bei der Magen und Darm so verändert werden, dass die Betroffenen leichter abnehmen können: die bariatrische oder auch Adipositas-Chirurgie. Vielleicht haben Sie in den Medien schon von dieser Art der Operation gehört. Eine beliebte bariatrische Operation ist das „Magenband" Dabei wird ein verstellbares Silikon-Kunststoff-Band um den oberen Teil des Magens gelegt. Das Band verhindert, dass man sehr schnell isst, so dass man sich schon nach einer sehr kleinen Mahlzeit satt (und manchmal unwohl) fühlt. Das Magenband wurde inzwischen von zwei anderen Verfahren in seiner Beliebtheit überholt: Bei dem einen wird der Magen vollständig umgangen (sodass die Nahrung nicht in den Magen gelangt), bei dem anderen werden drei Viertel des Magens vollständig entfernt, der verbleibende Rest hat dann die Form und Größe eines engen Schlauches. Dies wird als Sleeve-Gastrektomie (oder Schlauchmagen) bezeichnet (mehr dazu in Kapitel 6).

Meine erste Operation zur Gewichtsreduzierung war ein Magenbypass im Jahr 2004, bei dem die laparoskopische oder Schlüsselloch-Chirurgie zum Einsatz kam. Das ist ein ziemlich schwieriger Eingriff. Ich war gut ausgebildet, aber als der Morgen der Operation kam und ich meinen Patienten sah, hatte ich Angst um ihn. Er war ein Risikopatient: ein junger orthodoxer jüdischer Koch namens Jac mit einem Gewicht von 210 kg.

Die Operation verlief gut. Sie dauerte zweieinhalb Stunden, obwohl es gefühlt viel kürzer war. Wenn man einen Eingriff durchführt, konzentriert man sich so sehr, dass es einem vorkommt, als sei man in einer anderen Welt. Eine Operation, vor allem, wenn man damit vertraut ist, kann fast eine meditative, tief entspannende Erfahrung sein.

Jac erholte sich gut, und da es bei der Schlüssellochchirurgie keine großen Wunden in der Bauchwand gibt – nur kleine Einschnitte – sind die Schmerzen danach minimal. Erfreulicherweise konnte er das Krankenhaus schon bald nach der Operation schmerzfrei verlassen.

Viele meiner ärztlichen Kollegen halten bariatrische Eingriffe für unnötig und verstümmelnd. Sie denken oder sagen: „Warum können Ihre Patienten nicht einfach mit einer Diät abnehmen und ein bisschen mehr Willenskraft haben"? Und nicht nur Ärzte sind dieser Meinung. Auch viele Politiker und Journalisten, also Menschen, die Macht und Einfluss haben, sind der Meinung, dass diese Art von Chirurgie nicht wirklich notwendig ist. Ich bin der Meinung, dass sie sich irren. In diesem Buch geht es darum, unser grundlegendes Missverständnis über die Ursachen und Behandiungsmöglichkeiten von Fettleibigkeit aufzuklären. Genau wegen dieses fehlerhaften Denkens vieler Experten und Berater hat sich die Adipositas-Krise verschlimmert, und jeder, der davon betroffen ist, leidet darunter. Wenn wir als Gesellschaft die Fettleibigkeit verstehen und gemeinsam dagegen vorgehen würden, bräuchten wir weder meine noch die Dienste irgendeines Chirurgen für Gewichtsreduktion.

Nach meinerersten erfolgreichen Operation im Jahr 2004 begann ich, immer mehr dieser bariatrischen Operationen durchzuführen: Magenbypass, Magenbänder und Sleeve-Gastrektomien. Mit zunehmender Erfahrung wurde das Homerton University Hospital, in dem ich als Facharzt anfing, zum meistfreguentierten Zentrum für bariatrische Chirurgie in London. Mit zunehmender Erfahrung verkürzte sich die Zeit, die ich für eine Operation benötigte, auf eine Stunde, und die meisten Patienten mussten nur eine Nacht im Krankenhaus bleiben und brauchten nur eine Woche Urlaub zu nehmen.

Im Laufe der Monate und Jahre wurde meine Ambulanz von immer mehr Patienten aufgesucht, die in unterschiedlichem Ausmaß an Fettleibigkeit litten. Ich sprach mit Hunderten von Patienten über ihre Ansichten und Erfahrungen mit dieser Krankheit. Dann hatte ich eine Art Offenbarung: Sie alle schienen mir immer wieder das Gleiche zu sagen – und es gab sicher keine Absprachen zwischen den Patienten. Ihre Ansichten und Erfahrungen mit der Fettleibigkeit standen im Widerspruch zu den konventionellen Ansichten von Ärzten, Diätassistenten und anderen Gesundheitsexperten. Während sie von ihren Erfahrungen berichteten, hörte ich genau hin und machte mir meine Gedanken.

Ich erinnerte mich an einen Satz von David Maclean, einem beeindruckenden Chirurgen, mit dem ich am Royal London Hospital zusammengearbeitet hatte und der im Alter von achtundsechzig Jahren noch über das Rentenalter hinaus arbeitete, weil man keinen adäguaten Ersatz für ihn fand. Er sah mich eindringlich an und sagte: „Hören Sie immer genau zu, was Ihre Patienten Ihnen sagen" Dieser Rat blieb mir im Gedächtnis – ich hörte zu. Dies waren einige der typischen Sätze, die ich immer wieder hörte:

„Ich kann abnehmen, Herr Doktor, aber ich kann es nicht halten."„Ich glaube, ich habe einen langsamen Stoffwechsel im Vergleich zu den Menschen, mit denen ich zusammenlebe." „Ich glaube, Fettleibigkeit ist in meinen Genen"„Diäten funktionieren bei mir nicht, ich habe sie alle ausprobiert und am Ende habe ich mehr zugenommen als zu Beginn der Diät"„Ich brauche mir nur eine Sahnetorte anzusehen und schon werde ich fett!"„Ich kann meinen Hunger nicht kontrollieren, ich fühle mich schwach, wenn ich nichts esse."

Als ich anfing, diese Eingriffe zu machen, verließ ich mich auf meine begrenzte Ausbildung in Adipositas, die ich an der Medizinischen Fakultät erworben hatte. Mittlerweile beherrschte ich die Operationen sehr gut, aber wie vielen Ärzten, die mit einem Patienten konfrontiert sind, der an Fettleibigkeit leidet, fehlte es mir an Empathie und Einfühlungsvermögen – ich konnte nicht wirklich nachvollziehen, was der Patient durchmacht. Für mich galt das einfache Prinzip der Energiebilanz: Wenn man mehr Energie in Form von (Nahrungs-)Kalorien aufnimmt, als man (durch Bewegung) verbrennt, dann speichert man diese zusätzliche Energie im Körper als Fett. Meiner Meinung nach war es daher sehr einfach, Gewicht zu verlieren. Man musste nur weniger essen und sich mehr bewegen – so verstanden wir Mediziner das, aber für meine Patienten war es nicht so einfach.

Was mir in diesen ersten Jahren der Adipositasbehandlung ebenfalls auffiel, war die Veränderung meiner Patienten nach der Operation. Ihr Leben hatte sich grundlegend gewandelt. Die Fettleibigkeit, mit der sie ihr ganzes Leben lang gekämpft hatten, war nicht mehr vorhanden. Viele sagten, sie seien wieder so wie früher – so, wie sie vorder Adipositas waren. Das Problem, das sie jahrelang mit einer Diät nach der anderen und einer Enttäuschung nach der anderen in den Griff zu bekommen versucht hatten, war nun verschwunden. Sie waren aus ihrer Fettleibigkeitsfalle befreit.

Als ich bemerkte, dass jeder meiner Patienten mir praktisch dieselbe Geschichte vor der Operation erzählte, und dass sie nach der Operation andere Menschen geworden waren, stellten sich mir einige Fragen: War das, was die Patienten mir berichteten richtig und das, was wir Ärzte dazu sagten, war falsch? War unser herkömmliches Verständnis von Fettleibigkeit fehlerhaft? Handelte es sich um einen Zustand, der bei den Patienten auftrat, ohne dass sie irgendeine Kontrolle daüber hatten? Mit anderen Worten, handelte es sich eher um eine Krankheit als um einen selbst gewählten Lebensstil? Ich wollte Antworten auf diese Fragen.

Die Journalisten der Boulevardpresse, die Ärzte, die Entscheidungsträger, die Öffentlichkeit und die Politiker zeigten mit dem Finger auf meine Patienten und sagten: „Das ist euer Problem, ihr habt es verursacht, und wenn ihr genug Willenskraft hättet, könntet ihr es lösen". Aber die Patienten gaben mir eine andere Botschaft: Ich würde alles tun, aber ich sitze in der Falle. So entwickelte sich bei mir der Wunsch, die Wahrheit herauszufinden. Was wäre, wenn meine Patienten Recht hätten und das medizinische Establishment falsch läge? Ich griff wieder zu den Büchern und studierte und erforschte den gesamten Bereich des Stoffwechsels, der Gewichtsregulierung und des Appetits. Ich wollte das, was ich in den Jahren, in denen ich mit adipösen Patienten sprach und sie behandelte, gehört und gesehen hatte, mit den Ergebnissen der medizinischen Forschungsliteratur abgleichen. Ich begab mich auf eine weite Reise in die Tiefen der Stoffwechselforschung, in die Genetik und Epigenetik der Fettleibigkeit. Dabei erfuhr ich wie Anthropologie, Geografie und Wirtschaft unsere Lebensmittel beeinflussen und wie Wissenschaftler und Lobbyisten unsere Sicht manipulieren.

Nachdem ich meine Nachforschungen angestellt hatte, hatte ich meine Antwort. Den Patienten gefiel meine Art, ihnen genau zu erklären, warum sie in diesem Zustand gefangen waren. Dass das Gewicht nicht unter bewusster Kontrolle steht und daher nicht durch Diäten dauerhaft manipuliert werden kann. Und wie man den Körper dazu bringen kann, leichter sein zu wollen, indem man die täglichen Signale, die er empfängt, verändert. Dies ist die Grundlage von Warum wir (zu viel) essen.

Ich hoffe, dass dieses Buch von jedem gelesen wird, der daran interessiert ist, sein Gewicht zu kontrollieren, aber es leid ist, Diäten zu machen. Ich hoffe, dass Menschen, die Fettleibigkeit und Gewichtsregulierung wirklich verstehen wollen, dieses Buch in die Hand nehmen - jeder, der einen Freund oder Verwandten hat, der mit Fettleibigkeit kämpft und sie nicht kontrollieren kann. Und schließlich hoffe ich, dass die Mächtigen – Politiker, Journalisten und sogar Ärzte – dieses Buch lesen werden. Es wird ihre Vorstellungen zur Fettleibigkeit verändern und vielleicht künftigen Generationen helfen, das damit verbundene Leid zu vermeiden.

Teil I

Lektionen in Energie

Wie unser Körper das Gewicht kontrolliert

Eine leichte, isolierende Energiequelle

Fett besteht aus einzelnen Zellen, den Adipozyten. Diese Zellen spielen eine entscheidende Rolle für das Überleben aller Säugetierarten – von Robben über Kamele bis hin zum Menschen. Es hat drei wichtige Eigenschaften. Erstens ist es im Vergleich zu Muskeln oder Knochen leicht und lässt sich daher gut transportieren. Zweitens isoliert es gegen Kälte und verhindert so, dass zu viel Wärmeenergie an die Umgebung verloren geht, insbesondere in kalten Gebieten. Das ist gut, wenn man als Robbe mit einer dicken Speckschicht in eiskalten Ozeanen herumschwimmt, aber nicht so gut, wenn man als Kamel in der 40 °C heißen Wüste lebt – es sei denn, man speichert das gesamte Fett in einem großen Klumpen oder Höcker und lässt den Rest des Körpers atmen. Drittens kann es große Mengen an Energie speichern. Fett ist eine effiziente Energiequelle und zudem leicht und gut isolierend.

Jede Fettzelle hat die einzigartige Fähigkeit, Energie für Zeiten zu speichern, in denen sie benötigt wird. Je mehr Energie sie speichert, umso mehr quillt sie auf und vergrößert sich. Zu Beginn der Gewichtszunahme entstehen nicht mehr Fettzellen. Die Anzahl der Zellen bleibt gleich, aber jede Zelle schwillt mit ihrer gespeicherten Energie an und wächst auf das Sechsfache ihres ursprünglichen Volumens. Wenn kein Platz mehr in den Zellen ist, steigt die Zahl der Fettzellen im Körper – von durchschnittlich 40 Milliarden auf – in manchen Fällen – über 100 Milliarden. Wenn man die Fettzellen mit einer Fettabsaugung absaugt (eine gängige, kurzfristige Lösung, die von plastischen Chirurgen durchgeführt wird), werden immer neue Fettzellen produziert, um dies auszugleichen.

Die Energiespeicherung ist die wichtigste Funktion des Organs Fett. In Zeiten von Hunger und Nahrungsmittelknappheit ist es unverzichtbar, einen Energiespeicher zu haben, um zu überleben. Das Gehirn benötigt für seine Funktion eine konstante Menge an Glukose (Zucker) im Blut, um zu funktionieren. Wenn keine Nahrung zur Verfügung steht, wird der Blutzuckerspiegel ständig von unseren Fettzellen aufgefüllt. Bei vielen Säugetierarten, so auch beim Menschen, bedarf es keiner echten Hungersnot, damit unsere Fettspeicher in Anspruch genommen werden. Bei Wanderungen, Revierkämpfen, Kämpfen um einen Partner, dem Paarungsakt, der Schwangerschaft und dem Stillen kann es vorkommen, dass die Zufuhr von Nahrungsenergie reduziert ist, obwohl der Energiebedarf steigt. Hier kommt die Funktion der Fettspeicherung ins Spiel. Der Energiespeicher in Form von Fett ist entscheidend für unser Überleben und unsere Fähigkeit, uns fortzupflanzen und die nächste Generation aufzuziehen – so wie der gefüllte Tank eines Autos vor Beginn einer Reise.

Man könnte also meinen, dass ein großer Energiespeicher einen großen evolutionären Vorteil darstellt. Aber Energie im Wert eines Öltankers mit sich herumzutragen würde die Möglichkeiten einschränken, den normalen Überlebensaktivitäten wie der Jagd nachzugehen oder vor hungrigen Raubtieren davonzulaufen. Es muss also einen Mechanismus geben, um die Größe dieser Fettspeicher zu kontrollieren: Tatsächlich ist Fett sehr effizient bei der Selbstregulierung.

Metabologie-Regel 2 – Negatives Rückkopplungssystem

Die zweite Regel wird als negatives Feedbacksystem bezeichnet. Die negative Rückkopplung beschreibt die Regulierung eines Systems: Das kann ein Bürosystem oder ein mechanisches System (wie eine Maschine) oder ein biologisches System (wie das eines Menschen) sein. Das System hat eine Vorgabe (z. B. Körpertemperatur), und wenn es merkt, dass von der festgelegten Regel abgewichen wird, korrigiert es sich automatisch.

Systeme mit negativer Rückkopplung sind einfach. Sie brauchen nur einen Sensor, der mit einem Schalter verbunden ist, der das System wieder in den richtigen Zustand versetzt.

Ein Beispiel für eine Maschine wäre ein Haushaltsthermostat. Dieser ist so konstruiert, dass er eine bestimmte Temperatur hält. Er erkennt, wenn die Temperatur im Haus unter diesen Wert fällt, und schaltet die Zentralheizung ein. Übersteigt die Temperatur den eingestellten Wert, schaltet er die Heizung automatisch ab.

In den im Medizinstudium erforschten Organsystemen haben wir viele Beispiele für biologisch – negative Rückkopplungsmechanismen gesehen. Dabei handelt es sich um Schutzmechanismen, die unser Körpermilieu im Gleichgewicht halten (in der medizinischen Fachsprache wird dies Homöostase genannt). Das bedeutet, dass schädliche Veränderungen wahrgenommen und automatisch ausgeglichen werden – der Grund für die negative Rückkopplung ist die Aufrechterhaltung von regulären Funktionen und Gesundheit. Lassen Sie uns einige Beispiele am Menschen demonstrieren. Um richtig zu funktionieren müssen wir die richtige Temperatur und den richtigen Wasseranteil in unserem Körper haben. Dies wird automatisch über negative Rückkopplung reguliert.

Schwitzen oder Frieren

Es ist wichtig, dass wir unsere Körpertemperatur bei etwa 37°C halten. Alle chemischen Reaktionen in unserem Körper beruhen auf thermischer Bewegung (der ständigen Bewegung der Atome) mit einer bestimmten Geschwindigkeit. Diese Geschwindigkeit wird durch unsere Temperatur bestimmt. Wenn unsere Temperatur auf über 40 °C ansteigt, bekommen wir einen Hitzschlag; wenn sie auf 35 °C sinkt, entwickeln wir Unterkühlung.

Unser innerer Thermostat versucht, die Körpertemperatur in einem recht engen Bereich zu regeln. Wir alle haben schon einmal erlebt, dass uns zu heiß oder zu kalt war. Was passiert dann? Wenn der Sensor „zu heiß" meldet, schaltet der Körper den „Kühlmodus" ein und wir beginnen zu schwitzen (der verdunstende Schweiß kühlt den Körper dadurch, dass er ihm Wärme entzieht). Wenn der Sensor meldet, dass es zu kalt ist, schaltet der Körper in den „Heizmodus" und wir beginnen zu zittern (durch die Muskelaktivität des Zitterns erzeugt der Körper seine eigene Wärme).

Durstig?

Ein weiteres Beispiel für negative Rückkopplung ist unser Flüssigkeitshaushalt. Wenn wir einmal verstanden haben, wie unser Körper seinen Wassergehalt reguliert, verstehen wir auch wie der Energiehaushalt reguliert wird und damit, wie viel Fett gespeichert wird – die Systeme der Flüssigkeitszufuhr und der Energiespeicherung sind ähnlich. Alle Ärzte wissen, wie der Wassergehalt in unserem Körper reguliert wird – das wird in der medizinischen Fakultät gelehrt -, aber ich glaube, dass nur eine Minderheit von ihnen die Energieregulierung versteht.

Schauen wir uns den Wasserhaushalt an. Dieses System mit negativer Rückkopplung hat einen Sensor, der mit zwei Schaltern verbunden ist. Unser Körper besteht zu 70% aus Wasser. Unter unserer Haut befinden wir uns im Grunde in einem 37°C warmen Salzbad. Wir müssen darauf achten, dass das Wasser in unserem Körper weder zu konzentriert noch zu verdünnt ist. Eine Überwässerung kann zu Krampfanfällen (und schließlich zum Tod) führen, eine zu starke Dehydrierung zu Schwäche und Schwindel (und in schweren Fällen auch zum Tod).

Der Sensor – die Niere

Der Sensor zur Feststellung von Dehydratation oder Überhydratation im Blut befindet sich in der Niere. Sobald dort eine Veränderung festgestellt wird, schüttet die Niere ein Hormon (Renin) aus, das eine Nachricht an zwei Schalter sendet. Die beiden Schalter steuern:

1. die aufgenommene Wassermenge - durch den Durst

2. die ausgeschiedene Wassermenge - durch die produzierte Urinmenge.

Wir brauchen nur 700 ml, aber wir haben Durst auf mehr

Die Nieren reinigen das Blut von Abfallstoffen (Harnstoff), indem sie Urin produzieren. Dazu brauchen sie nur700 ml Urin pro Tag.2

Unterhalb dieser Urinmenge fühlen wir uns unwohl und beginnen, ein Nierenversagen zu entwickeln. Deshalb signalisieren uns die Nieren, dass wir etwa das Doppelte der für die Gesundheit erforderlichen Mindestmenge an Wasser trinken sollen. Wir trinken also etwa 1,5 Liter Wasser pro Tag und produzieren die gleiche Menge an Urin. Wir müssen nicht 1,5 Liter trinken – wir könnten mit etwa 700 ml pro Tag überleben -, aber zur Absicherung wird unser Durstschalter hochgeschaltet, damit wir reichlich lebenswichtiges Wasser durch unser System laufen lassen.

Biologische Systeme gehen gerne auf Nummer sicher, so dass sie uns in diesem Fall daran gewöhnen, viel mehr Wasser zu trinken als nötig.

Die Biologie mag einen Sicherheitspuffer – das ist ein wichtiger Punkt, den wir uns merken sollten, wenn wir unser Wasserregulierungssystem mit unserem Energieregulierungssystem vergleichen. Wenn wir ein paar Stunden lang nichts trinken, wird das von der Niere registriert. Sie sendet ein Signal, um den Schalter im Gehirn einzuschalten, der den Durst kontrolliert - den „Wasseraufnahmeschalter" Das Gehirn erhält das Durstsignal, und man kann nur noch daran denken, Wasser zu trinken. Je mehr man dehydriert ist, desto stärker ist das Durstsignal. Gleichzeitig sendet die Niere ein Signal, um den „Wasserabgabeschalter" auszuschalten. Wir produzieren dann nur noch eine Minimalmenge an konzentriertem, dunklem Urin – es wird weniger Wasser ausgeschieden und mehr zurückgehalten. Die Dehydrierung wird behoben.

Der Sensor funktioniert auch umgekehrt: Hat man zu viel Wasser getrunken und dadurch das Blut übermäßig hydriert, schaltet der Sensor das erste Signal an das Gehirn ab: man will nicht mehr trinken, das Durstgefühl verschwindet. Außerdem wird der Schalter Nummer 2 in der Niere umgelegt, was dazu führt, dass viel verdünnter Urin produziert wird. Weniger Wasser rein und mehr Wasser raus – die Überhydratation ist korrigiert.

2 Bei schwerkranken Patienten sollte die minimale Urinausscheidung 30 ml pro Stunde betragen, um ein Nierenversagen zu verhindern und das Überleben zu sichern. Das entspricht 700 ml pro Tag. Wir verlieren auch Wasser durch unsere Atmung (400 ml), durch Schwitzen (400 ml) und mit den Fäkalien (100 ml), aber dies wird durch die Wassermenge ausgeglichen, die wir durch unseren eigenen Stoffwechsel erzeugen (400 ml) und durch das Wasser, das in der Nahrung enthalten ist (500 ml).

Sechs Big Macs ... mit sechs Portionen Pommes frites ... und sechs Cola

Die traditionelle Erklärung für den überwältigenden Anstieg der Fettleibigkeit in den letzten dreißig Jahren ist die, dass wir zu viele leckere „westliche Lebensmittel", zu viele Big-Mac-Mahlzeiten zu uns genommen haben. Hinzu kommt, dass wir mehr Autos, Geschirrspüler, Videospiele usw. haben und uns deshalb nicht mehr so viel bewegen wie früher. Die gängige Meinung ist, dass wir eine Gesellschaft geschaffen haben, in der es leicht ist, zu gierig und zu faul zu werden, und das hat dazu geführt, dass wir dick geworden sind. Es ist unsere Schuld. Wenn wir nur die Metabologie-Regel 1 zur Erklärung der Fettleibigkeit heranziehen, dann muss diese Schlussfolgerung richtig sein.

Abb. 2 7.000 kcal entsprechen einer Gewichtszunahme von einem 1 kg

Anhäufen von Energie

Wir erinnern uns, dass die Regel der negativen Rückkopplung dazu dient, den Körper vor ungesunden Veränderungen zu schützen, indem Prozesse aktiviert werden, die diesen Veränderungen entgegenwirken. Im Körper sind viele solcher Mechanismen am Werk, die dazu beitragen, einen gesunden Zustand zu erhalten. Die Regulierung unserer Temperatur und unseres Wasserhaushalts sind nur zwei dieser Systeme. Wir wissen, dass die Regulierung und Speicherung von Energie bei Tieren ein wesentlicher Teil des Überlebens ist. Man muss Energie für Notzeiten speichern, aber man kann nicht unbegrenzt Energie horten. Wenn das geschieht, wird es, wie bei jedem Hortungsverhalten, unübersichtlich und man hat keinen Platz mehr, um sich zu bewegen. Es sollte uns also nicht überraschen, wenn die in unserem Körper gespeicherte Energiemenge (genau wie die Wassermenge) ebenfalls durch einen negativen Rückkopplungsmechanismus gesteuert wird. Dies würde erklären, warum das Gewicht amerikanischer Männer bei so viel übermäßigem Konsum von Nahrungsmitteln viel weniger anstieg als vorhergesagt.

Aber wie könnte ein negatives Rückkopplungssystem funktionieren, um eine massive Gewichtszunahme zu verhindern? Wir wissen, dass die Energie vom Körper aufgenommen wurde, aber der Körper hat sie nicht gespeichert. Sie muss also irgendwie verbraucht worden sein. Aber wo? Rekapitulieren wir den Energieaufwand:

Energieverbrauch

aktiver Energieverbrauch (Fitnessstudio)

+

passiver Energieverbrauch (Gehen/Bewegen)

+

Grundumsatz (Atmung/Herzschlag/Temperaturregelung)

Wie wird die zusätzliche Energie verbraucht? Spüren die Menschen, dass sie sich bewegen müssen, wenn sie zu viel gegessen haben? Die meisten Menschen denken ein paar Sekunden darüber nach, handeln aber nicht entsprechend, sodass wir den aktiven Energieverbrauch als das wahrscheinlichste Szenario ausschließen können. Einige Wissenschaftler vermuten, dass die Menschen vielleicht mehr mit den Beinen zappeln, wenn sie zu viel essen, und dass dadurch die zusätzliche Energie in Form von passivem Energieaufwand verbraucht wird.5 Aber um fast 500 kcal pro Tag abzuarbeiten, indem man mit den Beinen zuckt, braucht es eine Menge Zuckungen, wenn man bedenkt, dass ein Spaziergang von 1.5 km weniger als 100 kcal aufzehrt. Ich glaube nicht, dass wir so viel Energie durch Zappeln verbrauchen. Was ist mit dem Grundumsatz? Schaltet der Körper diesen hoch, um zu verhindern, dass wir zu viel Energie speichern?

Festmahl im Gefängnis

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir fünfzig Jahre zurückgehen und ein außergewöhnliches Experiment verfolgen.6 Ein Team amerikanischer Wissenschaftler unter der Leitung von Ethan Sims richtete sein Labor im Staatsgefängnis von Vermont in Burlington (Vermont) ein. Sie untersuchten die Fettleibigkeit und wollten beobachten und analysieren, was passiert, wenn eine Gruppe von Männern vorsätzlich zu viel isst, um ihr Körpergewicht über einen Zeitraum von drei Monaten um 25 % zu erhöhen. Übermäßiges Essen braucht Zeit und muss beaufsichtigt werden. Die Wissenschaftler hatten die Studie mit Studenten begonnen, aber abgebrochen, da die Studenten zwischen ihren Studien nicht genug Zeit hatten, um sich unter Aufsicht zu überessen. Häftlinge waren für die Studie viel besser geeignet. Sie hatten nichts Anderes zu tun und ihre Aktivität konnte überwacht werden (sie durften sich nicht körperlich betätigen). Die Forscher handelten das Versprechen aus, dass die Häftlinge, die genug Gewicht zulegen konnten, um ihr Ziel zu erreichen, vorzeitig entlassen wurden.

Die Wissenschaftler stellten einen eigenen Koch für die Gefangenen ein und es gab Porzellan- statt Blechteller. Das Frühstück war „voll-amerikanisch": Eier, Rösti, Speck und Toast. Zum Mittagessen gab es unbegrenzt Sandwiches. Zum Abendessen gab es Steak oder Hühnchen mit Kartoffeln und Gemüse. Vor dem Schlafengehen gab es noch einmal ein komplett – amerikanisches Frühstück. Die Männer steigerten ihren Kalorienkonsum von 2.200 kcal auf 4.000 kcal pro Tag. Die Forscher beobachteten eine stetige Gewichtszunahme bei den Gefangenen, doch dann geschah etwas Unerwartetes. Obwohl sie 4.000 kcal pro Tag konsumierten, hörten die Gefangenen auf zuzunehmen. Sie konnten nicht mehr Gewicht zulegen und waren noch weit von ihrem Ziel einer 25-prozentigen Gewichtszunahme entfernt.

2.200 bis 4.000 ... bis 10.000 kcal

Also wurde die Kalorienmenge erhöht. Die meisten Männer mussten 8.000-10.000 Kalorien pro Tag zu sich nehmen, um weiter zuzunehmen – das Vierfache dessen, was man berechnet hatte. Erstaunlicherweise schienen einige der Gefangenen selbst bei 10.000 kcal nicht weiter zuzunehmen. Warum konnten sie nicht mehr Gewicht zulegen? Die Antwort auf diese Frage ergab sich, als die Wissenschaftler die Stoffwechselraten der überfütterten und nun übergewichtigen Gefangenen untersuchten. In allen Fällen hatte sich ihr Grundumsatz deutlich erhöht. Die Männer schienen sich an die übermäßige Nahrungsaufnahme anzupassen, indem sie mehr Energie verbrannten, um sich vor einer unkontrollierten Gewichtszunahme zu schützen. Kommt uns das bekannt vor? Es könnte erklären, warum der durchschnittliche amerikanische Mann 6 kg zugenommen hat und nicht die 200 kg und mehr, die wir aufgrund des erhöhten Konsums von verarbeiteten hochkalorischen Lebensmitteln in den 1980er und 1990er Jahren errechnet hatten.

1995 untersuchte eine Forschergruppe des Rockefeller University Hospital in New York die Auswirkungen einer 10-prozentigen Gewichtszunahme auf zwei Gruppen von Patienten.7 Eine Gruppe begann mit einem normalen Gewicht, die andere Gruppe war fettleibig. Interessanterweise hatte die adipöse Gruppe zu Beginn der Studie, also vor der Gewichtszunahme, einen höheren Ruheumsatz als die normalgewichtige Gruppe. Um das Gewicht in die Höhe zu treiben, wurde ein hochkalorisches Getränk aus Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten verwendet. So konnte man genauer berechnen, wie viel Energie aufgenommen wurde. Was geschah mit dem Energieverbrauch, als die beiden Gruppen das Ziel einer 10-prozentigen Gewichtszunahme erreichten? Wie bei der Vermont Prison-Study stieg der Grundumsatz aller Probanden in der Rockefeller-Studie an – in der nicht fettleibigen Gruppe um mehr als 600 kcal/ Tag und in der fettleibigen Gruppe sogar um mehr als 800 kcal/Tag.

In einer Analyse aus dem Jahr 2006 untersuchten Forscher der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, einundzwanzig frühere Überfütterungsexperimente, darunter auch ihre eigenen.8 Sie bestätigten, dass der Grundumsatz als Reaktion auf die Überfütterung im Durchschnitt tatsächlich um 10 % anstieg. Je mehr Energie durch die „Mast" aufgenommen wurde, desto mehr versuchte der Körper, diese zusätzlichen Kalorien zu verbrennen, um eine Gewichtszunahme zu verhindern.

Mehr Brennholz – mehr Feuer

Diese Studien zum Thema Überernährung deuten darauf hin, dass es in der Tat einen negativen Rückkopplungsmechanismus gibt, der unser Gewicht kontrolliert und uns daran hindert, zu schnell zu viel Gewicht zuzulegen. Stellen Sie sich vor, Sie heizen zu Hause mit Holz. Jeden Wintertag bekommen Sie ein Stück Holz geliefert und jeden Abend entspannen Sie sich am Feuer und verbrennen dieses Stück Holz. Wenn Sie nun jeden Tag drei Holzscheite geliefert bekämen – was würden Sie vermutlich tun? Vielleicht haben Sie nicht viel Platz, um das Holz zu lagern, also würden Sie wahrscheinlich den Überschuss verbrennen, sich damit warmhalten und der Kälte entgehen.

Die wissenschaftlichen Beweise dafür, dass wir nach übermäßigem Essen einen Ausgleich schaffen, indem wir mehr Kalorien verbrennen, sind überzeugend – und sie stimmen mit unseren epidemiologischen Erkenntnissen überein: Wir nehmen nicht 26 kg pro Jahr zu, sondern nur 0,5 kg. Fragt man jedoch die meisten Diätassistenten oder Ärzte, ob ihnen dieser Mechanismus – der metabolischen Anpassung an übermäßiges Essen – bekannt ist, werden sie dies verneinen. Das wird in ihrer Ausbildung nicht behandelt. Warum nicht? Man würde erwarten, dass etwas so grundlegend Wichtiges von der Ärzteschaft verstanden wird und allgemein bekannt sein sollte.

Einige Wissenschaftler vertreten nach wie vor die Auffassung, dass der erhöhte Energieverbrauch, den wir bei einer Gewichtszunahme feststellen, darauf zurückzuführen ist, dass der Körper physisch größer geworden ist. Ein größerer Körper verbrennt mehr Energie. Wenn wir jedoch die Zahlen analysieren, ergibt diese Theorie keinen Sinn. Die meisten Menschen, die zunehmen, vor allem bei Experimenten mit übermäßiger Ernährung, aber auch im Alltag, bauen das überschüssige Gewicht als Fett und nicht als Muskeln auf. Fett verbraucht nur wenig Energie; im Vergleich zu Muskeln ist es ein sehr effizientes Organ. In der Vermont-Studie mussten die Gefangenen 50 % mehr Kalorien zu sich nehmen als erwartet, nur um ihr erhöhtes Körpergewicht zu halten. Da ihr Grundumsatz so stark angestiegen war, verloren alle ihr zusätzliches Gewicht bereits zwölf Wochen nach Ende des Experiments unter ihrer normalen Ernährung. Keiner von ihnen benötigte irgendeine Art von Diät, um wieder auf sein normales Gewicht vor der Studie zu kommen.

Eine Studie aus Arizona, in der vierzehn Männer untersucht wurden, die 100% mehr Kalorien als normal zu sich nahmen, ergab, dass ihr Grundumsatz innerhalb der ersten 48 Stunden nach Beginn des übermäßigen Essens (d.h. bevor eine signifikante Gewichtszunahme stattgefunden hatte) um durchschnittlich 350 kcal pro Tag gestiegen war.9 Die Schlussfolgerung? Übermäßiges Essen führt zur Verbrennung von Energie durch eine Steigerung des Grundumsatzes. Wenn wir vergleichen, wie die meisten unserer Organsysteme durch eine negative Rückkopplung reguliert werden, sollte es nicht überraschen, dass es eine Art negativer Rückkopplung gibt, die uns davor schützt, zu viele Kalorien zu speichern.

Versucht unser Körper, uns vor uns selbst zu schützen, indem er mehr Energie verbrennt, wenn wir zu viel Nahrung zu uns nehmen – ähnlich wie unsere Nieren uns von überschüssiger Flüssigkeit befreien, wenn wir zu viel trinken? Dies würde erklären, warum manche Menschen anscheinend nicht übermäßig zunehmen, obwohl sie viel zu viele Kalorien konsumieren.

Dies ist ein wichtiger Aspekt unter Berücksichtigung der Metabologie-Regel 2: Wenn der negative Rückkopplungsmechanismus dafür sorgt, dass manche Menschen nicht so viel zunehmen wie vorhergesagt, dann sollte er auch dafür sorgen, dass Menschen nicht abnehmen, wenn sie eine Diät machen. Könnte dies erklären, warum Diäten oft scheitern?

Ich kann abnehmen, aber ich kann es nicht halten!

Diese Aussage höre ich in jeder Klinik, in der ich arbeite. In den fünfzehn Jahren, in denen ich Patienten betreue, die mit ihrer Gewichtskontrolle zu kämpfen haben, hat mindestens ein Patient in jeder Klinik, jede Woche, jeden Monat diesen Satz gesagt. Manchmal prophezeie ich den Medizinstudenten, dass mein nächster Patient uns genau das sagen wird, und fast alle Patienten bestätigen mich. Hier ist ein typisches Beispiel:

Ich mache seit meinen Teenagerjahren Diäten. Ich habe alle Diäten ausprobiert, die es gibt. Weight Watchers, Slimming World, LighterLife, die Rot-Grün Diät, die Kohisuppendiät. Ich habe sie alle ausprobiert4 .Ich kann abnehmen, aber ich kann es nicht halten. Ich kann mit einer Diät 5 oder 10 kg abnehmen, aber nach zwei, drei oder vier Wochen hört der Gewichtsverlust auf. Ich bin immer noch auf Diät, ich zähle immer noch meine Kalorien, bin hungrig, müde und reizbar, aber nach einer Weile scheint die Diät nicht mehr zu funktionieren. Gehe ich zu meinem Arzt und sage ihm, dass die Diät nicht mehr funktioniert, antwortet er mir, dass das unmöglich ist und dass ich wohl heimlich esse. Im Grunde genommen weiß er gar nichts- und er glaubt mir nicht. Also höre ich mit der Diät auf, und das Gewicht steigt schnell wieder an. Normalerweise nehme ich alles wieder zu, was ich abgenommen habe, und dann sogar noch mehr!

Das ist die klassische Geschichte, die ich in meiner Klinik schon sehr oft gehört habe. Aber sie passt nicht zu der einfachen Regel „Kalorien rein und Kalorien raus" Es ist schwer zu verstehen, warum jemand seine Kalorienzufuhr einschränken kann, manchmal auf 1.200 Kalorien pre Tag, und nach einer Weile nicht mehr abnimmt.

Stellen wir uns vor, dass das Prinzip des negativen Rückkopplungssystems, das wir bei der Regulation des Wasserhaushaltes unseres Körpers kennen gelernt haben, auch auf die Gewichtskontrolle und unsere Energiespeicherung, d. h. unser Fettdepot, zutrifft. Wenden wir die Metabologie-Regel 2 an: Wir wissen, dass alle biologischen Systeme auf ähnliche Weise funktionieren und so ist es wahrscheinlich, dass – wenn Gewichtsregulierung und Wasserhaushalt nach demselben Prinzip arbeiten – es einen Sensor und zwei Schalter gibt.

Der Sensor registriert die Menge der im Körper als Fett gespeicherten Energie. Sobald er eine Veränderung der gespeicherten Fettmenge feststellt, ob sie nun ansteigt oder sinkt, schüttet er ein Hormon aus, das eine Nachricht an die beiden Schalter sendet. Die beiden Schalter steuern:

1. Die Energiemenge, die wir zu uns nehmen – indem wir unseren Appetit kontrollieren.

2. Die Energiemenge, die wir verbrauchen – indem wir unseren Grundumsatz steuern.

Wenn das Energiespeichersystem in unserem Körper wirklich wie unser Hydratationssystem funktioniert, dann wird es uns mehr Energie zuführen, als wir wirklich brauchen. Denken Sie daran, dass wir mit 700 ml Wasser bzw. Flüssigkeit pro Tag gerade so überleben können, aber unser Hydratationssystem will, dass wir 1.500 ml trinken.

Der in unserem Körper integrierte Absicherungsmechanismus sagt uns, dass wir die doppelte Menge Wasser als das zum Überleben erforderliche Minimum trinken sollen. Biologische Systeme gehen auf Nummer sicher und bringen uns dazu, viel mehr Wasser zu trinken als nötig. Genauso könnte unser Energieregulierungssystem uns anweisen, mehr Kalorien aufzunehmen, als wir brauchen, und den Überschuss dann verbrennen. Das würde auch bedeuten, dass der Körper bei einer Kalorienrestriktion sehr leicht damit zurechtkommt. In Bezug auf die Flüssigkeitszufuhr wäre es so, als würde man 1 Liter Flüssigkeit pro Tag zu sich nehmen und nicht die empfohlenen 1,5 oder 2 Liter. Sie könnten mit 1 Liter Wasser pro Tag unbegrenzt überleben, aber Ihr biologisches Rückkopplungssystem würde nach mehr Flüssigkeit schreien, indem es Sie in einen heftigen Durst versetzt und die ausgeschiedene Urinmenge auf ein Minimum reduziert. Sie würden überleben, sich aber ziemlich unwohl fühlen.

Passiert etwas Ähnliches mit unserem Energiehaushalt, wenn wir eine Diät machen? Es gibt Beweise dafür, dass sich unser Körper an kalorienreduzierte Diäten auf ähnliche Weise anpasst wie an eine Flüssigkeitsrestriktion.

4 In Kapitel 12 dieses Buches werden wir uns die gängigsten Diäten ansehen, wie sie funktionieren, und warum sie scheitern.

Das Minnesota-Hunger-Experiment

1944 führten Forscher an der Universität von Minnesota unter der Leitung von Ancel Keys, einem aufstrebenden jungen Ernährungswissenschaftler, eine Studie durch, um herauszufinden, was mit dem Stoffwechsel von Menschen während einer Hungersnot geschieht.10

Der Zweite Weltkrieg neigte sich dem Ende zu, und die USA erkannten, dass Millionen von Europäern eine Hungersnot drohen könnte. Sie wollten wissen, wie man sie am besten ernähren sollte, um sie am Leben zu halten. Das Minnesota Starvation Experiment, wie die Studie genannt wurde, rekrutierte sechsunddreißig männliche Freiwillige, die aus Gewissensgründen verweigert hatten, aberden Krieg und die nachfolgenden Friedensbemühungen unterstützen wollten. Sie meldeten sich, um in einem zugewiesenen Wohnbereich innerhalb des Footballstadions der Universität zu leben, wo sie ein Jahr lang beobachtet wurden.

Die Wissenschaftler beobachteten sie zunächst über zwölf Wochen, während der sie sich normal ernährten (die in der Studie angegebenen 3.200 kcal/Tag erscheinen übertrieben, aber die Probanden verrichteten körperliche Arbeit). Dann wurden sie vierundzwanzig Wochen lang auf eine kalorienreduzierte Diät mit etwa 1.500 kcal pro Tag gesetzt, während sie weiterhin körperlich arbeiteten, und ihr Gewicht, ihre Stimmung und ihre Stoffwechselraten wurden gemessen. Nach der Diätphase wurden sie weitere vierundzwanzig Wochen lang bei uneingeschränkter Kost beobachtet.

Während der vierundzwanzigwöchigen Diät verloren die Probanden wie vermutet etwa 25% ihres Gewichts. Die Wissenschaftler stellten jedoch fest, dass sich der Stoffwechsel stärker verringert hatte, als dies durch die Verringerung der Körpermasse zu erklären wäre. Ihr Grundumsatz sank im Durchschnitt um gewaltige 50 % des Ausgangswerts. Die Hälfte dieses Wertes, nämlich 25 %, konnte nicht durch die Abnahme der Körperfülle der Probanden erklärt werden (kleinere Menschen haben einen niedrigeren Grundumsatz als größere Menschen). Es schien, als ob ihre Körper versuchten, sich an die Hungersituation anzupassen indem sie den Energieverbrauch auf das absolute Minimum reduzierten. Ihr Herzschlag und ihre Atmung waren langsam, und ihre Körpertemperatur war niedrig.

Als die Gruppe wieder normal aß, nahm ihr Gewicht viel schneller zu, als es zu erwarten gewesen wäre. Die Wissenschaftler führten die schnelle Gewichtszunahme auf den trägen Stoffwechsel zurück, der durch die erzwungene Diät entstanden war. Bei allen Probanden überstieg die Gewichtszunahme ihr Ausgangsgewicht zu Beginn der Studie. Auch die Verteilung ihres Gewichts hatte sich verändert: Sie hatten etwas Muskelmasse verloren und diese nicht wiedergewonnen. Die Gewichtszunahme erfolgte ausschließlich in Form von Fettablagerungen (diese Ergebnisse kommen den Lesern, die extreme Diäten ausprobiert haben, vielleicht bekannt vor).

Interessant für jeden, der schon einmal eine Diät gemacht hat, ist der Bericht über die psychologischen Veränderungen, die die erzwungene Diät bei den Probanden hervorrief. Sie litten unter Depressionen und Angstzuständen und hatten Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Sie wurden zu Hypochondern und machten sich Sorgen um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden. Sie fantasierten Tag und Nacht über hochkalorische Lebensmittel. Sie verloren ihre Libido. Einer der Probanden wurde so depressiv, dass er sich mit einer Axt drei Finger abgehackt haben soll. Viele, die immer wieder eine Diät machen, können den psychischen Wahnsinn, den eine Diät mit sich bringt, nachempfinden. Das Minnesota Starvation Experiment war die erste Studie, die bewies, dass eine Person, die ihre Kalorienzufuhr einschränkt, darauf mit einer Verringerung ihres Grundumsatzes reagiert. Weniger Energiezufuhr führt zu weniger Energieabgabe.

Neuere Studien haben diese Phänomene bestätigt.11