We're meant to be together - Sarah Stankewitz - E-Book

We're meant to be together E-Book

Sarah Stankewitz

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Beschreibung

Summer gehört zu den vielen Menschen, die nicht an das Schicksal glauben, aber als sie ohne auf den Verkehr zu achten die Straße überquert und von einem Auto erfasst wird, meint es das Leben ausnahmsweise einmal außerordentlich gut mit ihr, denn bei dem Fahrer handelt es sich um niemand Geringeres als um den arroganten, aber zugegebenermaßen auch ziemlich charmanten Dean Ross. Und auch wenn Dean das komplette Gegenteil von ihr ist, entsteht zwischen den beiden eine Freundschaft voller Höhen und Tiefen, und umso mehr Zeit sie miteinander verbringen, desto mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Liebe und Freundschaft miteinander. Doch könntest du dich auf ihn einlassen, wenn du nicht in der Lage bist, ihm blind zu vertrauen?

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Dean

Summer

Dean

Summer

Dean

Summer

Dean

Summer

Dean

Summer

Dean

Summer

Dean

Summer

Dean

Summer

Summer

Dean

Summer

Dean

Summer

Dean

Summer

Dean

Summer

Dean

Summer

Dean

Summer

Danksagung

Prolog

Einige Menschen behaupten, dass das Leben wie in einem Film an dir vorbeizieht, wenn du stirbst. Schon seitdem ich diese Behauptung das erste Mal in meinem Leben gehört habe, frage ich mich, wie viel Wahrheit in dieser Aussage steckt. Schließlich gibt es keine Beweise dafür, dass es tatsächlich stimmt. Ich war schon immer einer der Menschen, die für alles im Leben eine Bestätigung brauchen und in diesem Moment lässt meine Bestätigung ziemlich lange auf sich warten. Die einzige Frage, die ich mir immer und immer wieder gestellt habe, war, was mit dem Menschen passiert, wenn er von dieser Erde geht. Für mich war es selbstverständlich, dass ich die Antwort auf diese Frage erst in frühstens 60 Jahren erhalten werde, wenn ich alt und grau bin und ich einfach nicht mehr die Kraft habe hier in dieser grausamen Welt zu existieren. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass ich schon mit fast 20 Jahren in einer Situation bin, in der ich die Chance habe, es am eigenen Leib zu erfahren. Mein Leben war bisher eher unspektakulär und dank meiner noch recht kurzen Lebensspanne kann es sich bei mir daher nur um einen Kurzfilm handeln. Ich warte also auf den Vorspann meines Films, doch ich warte vergeblich, denn alles, was ich spüre, ist das dumpfe Pochen in meinem Schädel. Der Rest fühlt sich an wie gelähmt, und obwohl meine Augen weit aufgerissen sind, sehe ich nichts. So fühlt es sich also an, wenn einem Schwarz vor Augen ist. Eine weitere Behauptung der Menschheit, die ich mir nie vorstellen konnte, und die jetzt mit voller Wucht auf mich einschlägt. Mit größter Anstrengung klammere ich mich an mein Bewusstsein und konzentriere mich auf das, was ich in meinem Zustand noch wahrnehmen kann, nämlich auf die hektischen Stimmen der Menschen, die sich um mich herum versammelt haben. Langsam fallen meine Lider zu, denn ich habe keine Kraft mehr, sie weiterhin offen zu halten. Im ganzen Chaos höre ich eine Stimme jedoch besonders deutlich heraus. Sie gehört einem jungen Mann und unerklärlicherweise kommt mir diese bekannt vor. Seine Stimme beruhigt mich auf so seltsame Weise, dass ich in diesem Augenblick keine Angst mehr davor habe, dass ich sterben könnte.

»Verdammt, wieso läuft sie denn einfach über die Straße?« Er klingt eindeutig verzweifelt.

Ist er der Fahrer gewesen? Ich bekomme keine Möglichkeit länger darüber nachzudenken, wem ich diese Stimme zuordnen soll, denn plötzlich spüre ich warme, große Hände auf meinem Gesicht und in dem Moment, in dem unsere Haut sich berührt, setzt mein gesamtes Denkvermögen aus. In diesem Moment vergesse ich vollkommen, wo ich bin. Und vor allem vergesse ich, wie ich in diese missliche Lage geraten konnte. Meine Gedanken rotieren so schnell in meinem Kopf hin und her, dass ich es einfach nicht schaffe, einen einzigen klaren Gedanken zu fassen, weil mein gesamter Körper auf dieses eine Gefühl fixiert ist. Noch nie zuvor habe ich eine Berührung so intensiv wahrgenommen wie diese.

WOW. Wäre ich nicht kurz davor ins Gras zu beißen, würde ich wahrscheinlich dahinschmelzen. Die Art und Weise, wie die Hände dieses Mannes meinen Kopf umfassen, fast so, als wäre ich aus Porzellan, lassen mich den Schmerz, der sich in mir ausbreitet, für eine Sekunde lang komplett vergessen. Krampfhaft versuche ich meine Augen zu öffnen, um zu erkennen, wessen Hände mir einen solchen Schauer über den Rücken jagen und als es mir nach einer gefühlten Ewigkeit endlich gelingt und ich sehe, wessen Gesicht nur Zentimeter von meinem entfernt ist, stellt sich heraus, dass ich bereits im Himmel bin. Ich muss einfach im Himmel sein.

Dean Ross, der beliebteste Typ auf der gesamten Uni, hat mich vermutlich angefahren und hält jetzt meinen Kopf in seinen Händen. Und obwohl seine Berührung jetzt Millionen kleine Blitze durch meinen Körper jagt und mein ganzer Körper unter Strom steht, würde ich am liebsten im Erdboden versinken, weil mir meine eigene Unachtsamkeit in dieser Sekunde so unendlich peinlich ist. Wieso kann ich meine Augen nicht einmal dafür benutzen, wofür Gott sie geschaffen hat? Und wieso kann ich mich nicht per Knopfdruck einfach in Luft auflösen?

Dean streichelt mit seinem Daumen über meine Schläfe und ich spüre, dass ich mein Bewusstsein nicht länger aufrechterhalten kann, egal wie stark ich mich auch dagegen wehre. Alles, was ich jetzt noch wahrnehme, ist, dass er sein Handy zückt und eine Nummer wählt. Danach wird wieder alles schwarz.

Als ich aufwache, brauche ich einige Sekunden um all diese Dinge in meinem Kopf zu sortieren und ins richtige Licht zu rücken. Es fühlt sich an, als hätte ich seit Wochen in einem tiefen, festen Winterschlaf gelegen und dann schießen die Bilder so schnell in meinen Kopf, dass ich es kaum schaffe, sie zu verarbeiten. Bilder von mir, wie ich ohne auf den Verkehr zu achten die Straße überquere. Bilder von dem Aufprall. Bilder von seinem Gesicht über meinem. Ich habe noch nie in meinem Leben einen solch realen Traum erlebt, und vor allem keinen Traum, in dem ich beinahe gestorben wäre. Jedes kleinste Detail fühlt sich so real an und mein Gehirn geht sogar so weit mit, dass ich den schrecklich pochenden Schmerz von dem Aufprall auch in wachem Zustand noch spüren kann. Das Gefühl von ihm berührt worden zu sein stellt all meine Schmerzen für einen kleinen Augenblick in den Schatten. Doch schon seitdem ich Dean das erste Mal in meinem Leben gesehen habe, wusste ich, dass ich einfach nicht in seiner Liga spiele und diese Tatsache beweist mir jetzt wieder einmal, wie schnell Träume zerplatzen können. Mein Denkprozess wird abrupt gestoppt, als ich höre, was sich nur wenige Zentimeter vor meiner Nase abspielt. »Es tut mir so leid.

Ihre Tochter kam wie aus dem Nichts über die Straße gelaufen. Ich konnte nicht mehr bremsen.« Moment mal, bin ich wieder eingeschlafen oder bilde ich mir seine Stimme nur ein? Vielleicht bin ich wirklich gestorben und hier im Himmel muss ich nur ein einziges Mal an ihn denken und schon ist er bei mir. Blödsinn! Wir sind hier nicht bei -wünsch dir was!- Ich benötige einige Sekunden, um zu begreifen, wo ich bin und um zu begreifen, dass der Schmerz in meinem Kopf keine Einbildung, sondern Realität ist.

Und plötzlich nehme ich auch die sterile Umgebung, den Geruch nach Desinfektionsmitteln und die Nadel in meinem linken Unterarm wahr. Wie konnte ich nur eine Sekunde lang ernsthaft glauben, dass ich in meinem eigenen Bett liege? Mein Kopf hat anscheinend einen üblen Schaden von sich getragen und jetzt stürzt die Wahrheit mit voller Wucht auf mich hinab. Der Unfall war real. Dean war real. Seine Berührungen waren real.

Doch ich habe keine Chance dazu, diese Tatsache zu begreifen, denn die Welt um mich herum steht nicht still – sie dreht sich weiter. Das begreife ich, als ich mich wieder voll und ganz auf meine Umgebung konzentriere.

»Verdammt, wieso passt sie nicht auf? Dieses Mädchen macht mich wahnsinnig.« Die Stimme meiner Mutter bricht und sie beginnt sich all ihren Kummer von der Seele zu weinen. Kummer, den ich ihr zugefügt habe. Ich muss meiner Mom sagen, dass es mir, abgesehen von der Tatsache, dass es sich anfühlt, als würde man meinen Kopf mit einer Kreissäge bearbeiten, gut geht. Meine Augen sind so schwer, dass ich es nicht schaffe sie zu öffnen, aber ich muss ihr wenigstens sagen, dass ich in Ordnung bin. »Mom.« Obwohl ich ihr noch so viel mehr sagen möchte finde ich in diesem Augenblick einfach keine passenden Worte mehr.

Im nächsten Moment springt jemand von der Bettkante auf und schlingt seine Arme um mich. An der Figur und an dem Parfum erkenne ich sofort, dass es sich um meine Mutter handelt. Der Geruch dieses Parfums versetzt mich schlagartig zurück in meine Kindheit, denn schon damals hat mir dieser Duft immer ein gewisses Gefühl von Sicherheit vermittelt und auch in diesem Moment fühle ich mich sicher, weil sie bei mir ist. »Gott, Summer. Bitte tu mir das nie wieder an. Ich mache mir solche Sorgen um dich Kind.« Ich spüre ihre Tränen auf meinem Gesicht, als sie das sagt und plötzlich kann auch ich sie nicht mehr länger zurückhalten, so sehr ich mich auch dagegen wehre. Als sich die erste Träne aus meinem Auge stiehlt, kann ich den Schwall an Tränen nicht länger zurückhalten und beginne zu schluchzen, auch wenn es mir hier in diesem Moment, wohl wissend, dass Dean nur einige Zentimeter neben mir sitzt, unendlich peinlich vorkommt, Schwäche zu zeigen. Der Gedanke daran, dass ich wegen meiner Unachtsamkeit beinahe gestorben wäre und meine Mutter nie wiedergesehen hätte, schlägt in mir ein wie ein Blitz in ein Haus ohne Blitzableiter. Die Blitze, die seine Berührungen in mir ausgelöst haben, waren eindeutig angenehmer.

»Mom, es geht mir gut. Mach dir bitte keine Sorgen.« Ich versuche nun einigermaßen normal zu klingen, aber man hört meiner Stimme an, wie viel Mühe ich mir geben muss, meine Tränen wieder unter Kontrolle zu bringen. Auf einmal spüre ich eine Hand, welche sich um meine schließt und seine Berührung versetzt mich sofort wieder in Trance. Ich muss meine Augen nicht öffnen, um zu wissen, wer mich berührt. Seine Hände sind so weich. Was hat dieser Kerl an sich, dass eine einzige Berührung von ihm alles wieder in Ordnung bringt? Es fühlt sich an, als könnte eine Berührung von ihm all das Elend auf dieser Welt heilen.

»Es tut mir so leid, Summer.« Dean hört sich traurig an. Moment mal. Wie kann das sein? Dean kann wirklich alle verschiedenen Eigenschaften aufweisen. Er ist charmant, sieht umwerfend aus und ist vermutlich der lässigste Typ, der auf meiner Universität herumläuft. Und um diese Tatsachen zu wissen, muss ich ihn nicht einmal kennen, denn das, was über ihn erzählt wird, reicht vollkommen aus um sich ein ausführliches Bild von ihm und seiner Lebensweise zu machen. Aber das, was ich jetzt in seiner Stimme erkennen kann, passt einfach nicht zu diesem Bild, welches ich von ihm in meinem Kopf trage und obwohl ich ihn nicht in und auswendig kennen kann, habe ich das Gefühl, dass ihn noch nie jemand so bewegt erlebt hat, wie ich in diesem Moment. Er hat immer ein Lächeln im Gesicht – sogar wenn er seine unzähligen Liebschaften in den Wind schießt und sie sich winselnd vor ihm zu Boden werfen (was übrigens sehr erbärmlich aussieht, aber Mary und mir immer wieder eine sehr spannende Show bietet).

Erneut versuche ich meine Augen zu öffnen und dieses Mal mit Erfolg. Ich schaue in die strahlenden, polarblauen Augen, von denen jedes Mädchen auf meiner Universität schwärmt, doch schon im nächsten Moment falle ich wieder zurück in die Dunkelheit. Ich kämpfe verzweifelt dagegen an, aber sie ist einfach zu stark, sie zieht mich an sich wie ein schwarzes Loch. Schon einige Sekunden später ist wieder alles in der Dunkelheit verschwunden und ich beginne von blauen Augen und weichen Händen zu träumen, weil mich dieses Gefühl nicht loslässt, dass sein Anblick und seine Berührungen alles wieder in Ordnung bringen können.

2 Wochen später

Liebes Tagebuch,

vorgestern wurde ich endlich aus dem Krankenhaus entlassen. Meine Gehirnerschütterung war zwar schlimmer als meine vorherigen, aber trotzdem ging es mir schon nach ein paar Tagen deutlich besser. Meine Prellungen sind weitestgehend abgeklungen und meiner Meinung nach hätten sie mich schon vor einer Woche entlassen können, aber sie waren sich allesamt einig, dass ich zur Beobachtung noch eine weitere Woche im Krankenhaus bleiben soll. Die Tatsache, dass ich Krankenhäuser wie die Pest hasse, hat dabei leider niemanden interessiert.

Ab heute gehe ich also wieder zu meinen Kursen. Meine Mom ist zwar der Meinung, ich sollte mich noch ausruhen, aber ein Studium macht sich eben auch nicht von allein, oder? Ich habe schon zu viele wichtige Kurse verpasst, also bleibt mir eigentlich gar keine andere Wahl.

Dean hat mich noch zwei Mal im Krankenhaus besucht und hat mir Blumen mitgebracht, ich war aber zu schüchtern, um mich mit ihm zu unterhalten. Hätte mich nicht irgendein Nerd aus dem Physikkurs ankacheln können?

In dem Moment, in dem ich meinen Stift beiseitelege und mein Tagebuch zuklappe und unter mein Kissen schmeiße, kommt Mary aus dem Bad. Mary ist meine beste Freundin und somit bin ich natürlich verdammt froh darüber, dass ich die Möglichkeit habe, mir mit ihr im Wohnheim ein Zimmer zu teilen.

»Na auch schon wach Schlafmütze?« Ihre gute Laune ist beinahe nervtötend ansteckend. »Wie du siehst. Ich bin zwar noch nicht bereit wieder in die Uni zu gehen, aber man muss eben Opfer bringen. Vor allem, wenn man zu blöd ist, um über die Straße zu gehen.« Meine Stimme trieft wahrscheinlich vor Selbstmitleid - wie armselig.

»Hallo? Du solltest nichts anderes wollen, als wieder auf dem Campus zu sein. Dean Ross hat dich umgenietet! Jetzt gehörst du immerhin zu den Mädchen, die er nicht vollkommen ignoriert.« An dem Klang ihrer Stimme kann ich erkennen, dass sie genauso wie jedes andere Mädchen in seinem Bann ist und diese Tatsache kann man ihr nicht verübeln. Mit seinem makellosem Gesicht, seinem dunklen Haar, welches ihm ein kleines Stückchen in die Stirn fällt und den Augen, die in so starkem Kontrast zu seinen Haaren stehen, ist er vermutlich der heißeste Student, den diese Welt je gesehen hat, aber niemand ist gut genug für ihn und das mussten schon sämtliche Mädchen der Uni am eigenen Leib erfahren. »Ich denke nicht, dass er noch mal mit mir reden wird. Nicht vor seinen Freunden«, sage ich zu Mary und bereue augenblicklich den enttäuschten Unterton in meiner Stimme, den sie natürlich sofort registriert. »Glaubst du wirklich? Ich meine er hat dich schließlich angefahren. Wenn er dich jetzt ignoriert, wäre er noch viel arroganter, als ich je gedacht hätte.« Ich bin mir ziemlich sicher, dass er mich jetzt wieder ignorieren wird, wie vor dem Unfall und es wäre egoistisch und naiv von mir, wenn ich wirklich glauben würde, dass dieser Unfall etwas an den Gegebenheiten geändert haben könnte. Wir sind uns schon unzählige Male in der Universität oder in der Stadt über den Weg gelaufen, aber ich habe mich jedes einzige Mal gefühlt, als würde mein Körper aus nichts als Luft bestehen, denn wenn unsere Blicke sich getroffen haben, war es, als würde er durch mich hindurchsehen, anstatt mich anzusehen. Also bin ich mir ziemlich sicher, dass er sogar meinen Namen schon wieder vergessen hat. Immerhin muss er sich genügend Namen von anderen Mädchen merken. Von Mädchen, die eindeutig interessanter sind, als ich es je sein könnte. Er hat zwar weibliche Freunde, aber die sind ganz anders als ich.

Sein Beuteschema ist klar gestrickt: Blonde Models mit Traummaßen. Zu dieser Kategorie kann ich mich mit meinen braunen Haaren und meiner Größe absolut nicht zählen, denn ich bin mit meinen knappen 1,60 m nicht viel mehr als ein laufender Meter. Und auch wenn ich weiß, dass es nie dazu kommen würde, bereiten mir Marys Worte nur noch mehr Unbehagen. Was soll ich denn sagen, wenn er mich tatsächlich anspricht? Ich habe schon im Krankenhaus kein Wort über meine Lippen bekommen, wie soll das Ganze erst enden, wenn seine ganzen Freunde nebenan stehen und mich mustern? Von Sekunde zu Sekunde bereue ich es mehr, dass ich nicht auf meine Mom gehört habe und anstatt mich hier selbst zu quälen, nicht einfach im Bett liegen geblieben bin, aber ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass ich nicht mehr viel Zeit habe, darüber nachzudenken, denn in zehn Minuten beginnt meine erste Vorlesung in Biologie, meinem Hauptfach. Schnell packe ich meine Tasche und verlasse mit Mary das Wohnheim. Zum Glück müssen wir nur zwei Minuten laufen, aber obwohl wir uns Zeit lassen können, renne ich beinahe über das Gelände – um ihm aus dem Weg zu gehen.

Dean

Ich habe gestern Abend noch einmal mit Mrs. Maddison telefoniert und sie sagte mir, dass Summer ab heute wieder in der Uni ist. Das ist meine Gelegenheit, mich noch einmal bei ihr zu entschuldigen, auch wenn sie sicherlich wieder kein Wort zu mir sagt, aber ich brauche das - mein Gewissen braucht das. Ich sitze mit Taylor, meinem Kumpel / WG-Mitbewohner auf dem Campus und warte vor dem Gebäude, in dem ihr Biologiekurs stattfinden soll. Schon einige Minuten später sehe ich sie mit einem Mädchen auf der anderen Seite, aber sie sieht nervös aus und sie rennt beinahe, als würde sie jemand verfolgen. Sofort schaue ich mich um, suche nach jemandem der ihnen nachstellt, aber ich entdecke nichts. Wovor hat sie dann solche Angst? Und plötzlich habe ich das Gefühl, sie beschützen zu müssen. »Warte mal kurz hier Tay, ich muss mit Summer reden«, sage ich, während ich meine Zigarette wegschmeiße und mich auf den Weg mache.

»Ach komm schon Dean, der sieht man den Keuschheitsgürtel bis hier an. Die passt doch gar nicht zu dir«, versucht Taylor mich davon abzuhalten, mich in diese ganze Angelegenheit hineinzusteigern, aber ich habe die Befürchtung, dass es dafür längst zu spät ist.

»Ich hab sie angefahren, ich will mich bei ihr entschuldigen und mehr nicht du Vollidiot«, sage ich wütend. Er hat recht, sie ist nicht der Typ Frau, der mich bisher angesprochen hat, aber ich habe nach dem Unfall ständig das Gefühl, verantwortlich dafür zu sein, dass es ihr gut geht. Dieses Gefühl macht mir selbst jedoch eine Höllenangst, denn in der letzten Zeit habe ich alle Gefühle immer nur oberflächlich gehalten und das soll sich auf keinen Fall ändern. Trotzdem muss ich wissen, wie es ihr geht.

Ohne Taylor einen weiteren Blick zu würdigen, gehe ich auf Summer und ihre Freundin zu. Als sie mich entdeckt, wandelt sich ihre Nervosität jedoch in pure Angst um. Hat sie etwa Angst vor mir? Wegen des Unfalls? Verdammt, ich muss rausfinden, was in ihr vorgeht. Als ich Summer und ihrer Freundin jedoch näher komme, wechselt Summer abrupt ihre Richtung und verschwindet hinter der großen Eiche, die auf dem Campus steht. Ihre Freundin sieht ihr verwundert hinterher, denn ich glaube, auch sie hat keinerlei Ahnung, was diese ganze Aktion zu bedeuten hat. Langsam komme ich mir vor als wäre ich ein Serienkiller und Summer ist mein potenzielles nächstes Opfer, welches kläglich versucht davonzukommen.

»Hey du kleiner Tollpatsch, warte mal kurz.«

Kleiner Tollpatsch? Was ist bloß los mit mir? Jetzt gebe ich ihr also sogar schon Spitznamen, super Dean! Langsam gehe ich um die große Eiche herum und entdecke Summer völlig verzweifelt auf der anderen Seite. Als sie mich entdeckt, beginnen sich ihre Wangen rot zu färben, und in diesem Moment finde ich das Verhalten eines Mädchens das erste Mal in meinem Leben unbeschreiblich süß. »Ach du hast mit mir geredet? Ähm hi. Mir geht’s gut danke. Ich muss jetzt in meinen Kurs.« Während sie das sagt, senkt sie ihren Kopf und schaut auf den Boden. Sie will schon weitergehen, aber ich möchte mehr hören als ein „Mir geht’s gut danke“.

»Können wir mal kurz reden, Summer? Immerhin hast du anscheinend noch genügend Zeit, um dich vor mir zu verstecken.« Bei dieser kleinen Andeutung fängt die leichte Röte in ihrem Gesicht Feuer und sie sieht nun aus wie eine überreife Tomate. Bei diesem Anblick kann ich mir ein Schmunzeln einfach nicht länger verkneifen. »Klar«, sagt sie sichtlich angespannt und folgt mir ein kleines Stück weg von ihrer Freundin, die nur dasteht und die Augen aufreißt, als hätte sie gerade zum ersten Mal ihre Eltern beim Sex erwischt.

»Also was gibt’s?«, fragt Summer mich so beiläufig, dass es mich beinahe kränkt.

»Ich wollte fragen, ob ich dich zum Essen einladen darf. Du weißt schon, als kleine Entschuldigung dafür, dass ich dich über den Haufen gefahren habe.« Das ist die erste Sache, die mir in den Kopf schießt und das, obwohl ich bis eben nicht einmal daran gedacht hatte. Eigentlich wollte ich mich nur noch einmal bei ihr entschuldigen, und jetzt lade ich sie stattdessen zum Essen ein? Bestimmt denkt sie jetzt ich bin vollkommen verrückt. Erst anfahren, dann anbaggern. Sie ist mit der Situation sichtlich überfordert und weiß anscheinend nicht, wie sie auf meine Frage reagieren soll, denn es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis sie mir endlich eine Antwort gibt.

»Dean, du hast dich bereits bei mir entschuldigt. Du musst nicht mit mir essen gehen«, sagt Summer bedrückt und ich habe das dringende Bedürfnis, ihr wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern, und obwohl sie mir schon etliche Male über den Weg gelaufen ist, fällt mir erst jetzt auf, wie hübsch sie eigentlich ist. »Ich möchte aber sehr gern.«

Was Blöderes hätte mir nun wirklich nicht einfallen können!

»Du hast mich bisher nie beachtet, wieso solltest du das wollen? Weil du mich angefahren hast? Nein danke. Erstens bin ich selbst schuld, wenn ich zu blöd zum Gucken bin und zweitens muss sich niemand aus Mitleid mit mir abgeben.«

Summer ist so schüchtern und zurückhaltend, weshalb diese Ansage ihrem Bild vollkommen widerspricht. Doch eigentlich habe ich keinen blassen Schimmer davon, wie dieses Mädchen wirklich tickt. Wieso benehme ich mich dann also so, als würde ich sie schon mein ganzes Leben lang kennen? Und wieder einmal schießt mir der Gedanke in den Kopf, der sich schon seit Tagen in meinem Gehirn einnistet.

Der Gedanke daran, dass ich sie besser kennenlernen muss. Nach diesem kleinen Ausrutscher ihrerseits hält sie sich eine Hand vor den Mund und will weglaufen, aber ich will nicht, dass sie geht. Ich packe sie am Arm und drehe sie zurück in meine Richtung, damit sie mich ansehen muss. »Ich bereue es auch, dass ich dich bisher nicht beachtet habe. Manchmal müssen eben Dinge passieren, um einem die Augen zu öffnen. Ich würde dich liebend gern einladen. Nicht wie du denkst, sondern freundschaftlich.« Leider sage ich diese Worte und lüge sie damit bewusst an. Freundschaftlich? Ich meine ja, sie ist anders als meine bisherigen Freundinnen, aber diese schüchterne Art macht mich gleichzeitig auch irgendwie tierisch an.

Ich will sie einfach in meiner Nähe haben und langsam habe ich das Gefühl, als wäre ich mit dem Kopf auf den Asphalt geknallt und hätte mir eine Gehirnerschütterung zugezogen, und nicht sie.

»Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Deine Freunde werden über dich herziehen, wenn sie uns zusammen sehen«, flüstert sie mir zu. »Ach das ist doch totaler Schwachsinn«, widerspreche ich ihr ebenfalls flüsternd. Sie deutet mit dem Kopf hinter mich und ich drehe mich um und sehe Taylor und Sophie, die Summer abschätzend mustern, als wäre sie eine Krankheit, mit der ich mich freiwillig anstecke. Und in diesem Moment hasse ich dieses ganze Gesocks, mit dem ich mich jeden Tag abgebe. Wie muss ich dann in Summers Augen aussehen?

»Ach lass die gucken. Sophie ist bloß eifersüchtig, wenn ich mit dir rede. Und Taylor ist eben Taylor. Ich bin mir sicher, wenn er dich kennenlernt, wirst du ihm gefallen.« Während ich diese Worte ausspreche, bete ich dafür, dass ich recht behalten soll. »Ich glaube nicht. Ich passe nicht in dein Leben, Dean. Du hast doch genügend Freunde, oder nicht? Einer mehr oder weniger macht da sicherlich auch keinen Unterschied für dich.« Jetzt flüstert Summer nicht mehr, sondern sie sagt diese Worte mit einer festen Stimme und mir wird umso mehr bewusst, dass sie vermutlich eine ganz andere Art in sich trägt, die sie einfach viel zu selten an die Oberfläche lässt. Es schmerzt, dass sie kein Interesse daran zeigt, mich an sich heranzulassen, aber zum Glück bin ich genug Schmerz gewohnt, deshalb macht mir dieser kleine Stich nichts aus. »Ich kann dich ja nicht zwingen, mit mir auszugehen. Ich hoffe nur du denkst wenigstens darüber nach. Eigentlich kann ich ganz nett sein, auch wenn du das vielleicht nicht glauben willst.«

»Ich denke darüber nach, aber versprechen kann ich dir nichts.« Sie dreht sich um und geht, mit dem Kopf gesenkt, ins Gebäude. Selbst als sie längst weg ist, sehe ich ihr immer noch hinterher und ich wäre nicht ich selbst, wenn ich mich so leicht geschlagen geben würde.

Summer

Ich bin hin und hergerissen, als ich in meinen Biologiekurs stürme. Anscheinend bin ich zu spät, denn als ich die Tür öffne und den Hörsaal betrete, drehen sich alle zu mir um und starren mich an, als hätte ich mir den Fauxpas des Jahrhunderts geleistet, während sich Dr. Peters nicht aus dem Konzept bringen lässt und mich keines Blickes würdigt. Ich hasse es, zu spät zu kommen und angesehen zu werden, wie auf dem Präsentierteller. Und genau diese Tatsache zeigt mir, dass ich niemals eine Freundin von Dean werden kann.

Seine Freundinnen und Freunde lieben es, im Mittelpunkt zu stehen - ich hingegen verkrieche mich liebend gern in mein ganz persönliches Schneckenhaus und ich glaube nicht, dass Dean daran gewohnt ist, solche langweiligen Freunde zu haben.

Als ich meinen Platz aufgesucht und meine Bücher ausgepackt habe, wandern meine Gedanken sofort zu unserem Gespräch zurück. Wieso möchte er unbedingt mit mir ausgehen? Doch die einzig plausible Antwort ist die, dass er bloß mein blödes Gesicht sehen will, wenn er mich abserviert. Wer weiß, vielleicht gibt ihm das eine Art Kick? Ich kann diesen Jungen ganz und gar nicht einschätzen, aber ein Teil in mir wünscht sich verzweifelt, dass er es ernst meint.

Während des ganzen Kurses schweifen meine Gedanken zu Dean ab und somit bekomme ich von Bio rein gar nichts mit, dabei muss ich unbedingt den Stoff der letzten beiden Wochen nachholen. Plötzlich vibriert mein Handy in meiner Hosentasche. Ich zücke es und sehe, dass ich eine SMS von Mary habe.

Mary: Heute Abend schon was vor?

Ich antworte sofort, halte mein Handy aber so unauffällig wie möglich, auch wenn es Dr. Peters vermutlich egal ist.

Ich: Ja, ich muss heute wieder eine Schicht übernehmen.

Tut mir leid, wenn du andere Pläne hattest. Mich musst du heute streichen.

Mary: Schade, aber du kommst mir nicht jeden Tag davon!

Grinsend lege ich mein Handy weg und versuche mich wieder vergeblich auf Biologie zu konzentrieren. Um 19 Uhr fängt meine Schicht im Kino an. Damals haben meine Eltern mir das Studium bezahlt, aber ich habe mich nie wirklich wohl dabei gefühlt, denn ich wollte meinen Eltern nicht auf der Tasche liegen. Anfangs hatte ich aber leider keine andere Möglichkeit. Als mein Dad aber seinen Job in der Werbeagentur verloren hat, musste ich mir eine Alternative überlegen. Meine Eltern bezahlen zwar immer noch einen Teil, aber es deckt einfach nicht alle Kosten ab, darum habe ich mich dann für verschiedene Nebenjobs beworben. Am Anfang habe ich zwei Wochen lang in einer Bar gearbeitet, aber nachdem ich das dritte Mal von fremden Kerlen an Stellen berührt worden bin, die selbst mein Exfreund selten berührt hat, wusste ich, dass ich diesen Job niemals durchziehen könnte. Danach habe ich dann den Nebenjob im Kino bekommen und dort arbeite ich jetzt schon seit drei Monaten, und was soll ich sagen, es ist nicht sonderlich spannend, aber alles ist besser als eine Bar! Ich hoffe Mary ist nicht allzu sehr enttäuscht - immerhin hatte ich in den letzten Wochen nicht sehr viel Zeit mit ihr verbracht. Natürlich sehen wir uns jeden Tag, immerhin wohnen wir ja zusammen in einem Zimmer, aber wir sind schon lange nicht mehr zusammen ausgegangen. Als ich darüber nachdenke, schweifen meine Gedanken sofort wieder zu Dean ab. Soll ich mich darauf einlassen - rein freundschaftlich? Oder soll ich mein Leben einfach so weiterleben wie bisher? Das hat bis jetzt jedenfalls ganz gut geklappt. Mein Handy vibriert ein weiteres Mal, und als ich sehe, dass die SMS von einer mir unbekannten Nummer stammt, bekomme ich ein mulmiges Gefühl. Unsicher öffne ich die SMS und mein Bauchgefühl lässt mich wie immer nicht im Stich.

Geh mit mir aus. Dean.

Woher hat er meine Nummer? Und wieso kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Aber will ich das überhaupt? Im Krankenhaus habe ich jedes Mal, wenn die Tür zu meinem Zimmer aufging, darauf gehofft, dass er es ist.

Und wenn er dann da war, dann habe ich es einfach nicht auf die Reihe bekommen, ein ganz normales Gespräch mit ihm zu führen. Ich weiß selbst nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Die halbe Uni würde sich nach solch einer Chance wahrscheinlich die Finger lecken, aber ich bin eben auch nicht wie jede andere und ich glaube nicht, dass Dean sich dessen wirklich bewusst ist. Schließlich entscheide ich mich dafür, auf diese SMS nicht zu antworten. Trotzdem würde ich zu gern wissen, wie Dean an meine Nummer gekommen ist. Nicht viele Leute haben die, denn ich habe nicht so viele Freunde. Innerlich habe ich das Gefühl, dass Mary damit etwas zu tun hat, aber ich möchte keine voreiligen Schlüsse ziehen, also schiebe ich den Gedanken in die hinterste Ecke meines Gehirns, zusammen mit Dean.

In der restlichen Woche versuche ich mich durch nichts und niemanden ablenken zu lassen. Wenn ich morgens zur Uni gehe, blende ich alles andere aus, und auch wenn ich zurück ins Wohnheim komme, konzentriere ich mich einzig und allein auf mein Studium. Ich darf meine Gedanken nicht ständig zu ihm wandern lassen – denn ich weiß, eines Tages wird es mich verrückt machen, wenn es dafür nicht schon längst zu spät ist. Heute hält ein Mädchen aus meinem Kurs, ich glaube sie heißt Lena, einen Fachvortrag über verschiedene neurologische Erkrankungen und deren Behandlung. Natürlich mache ich mir fleißig Notizen, denn ein Studium ist eben nicht mehr mit dem Abitur zu vergleichen. Wenn man nicht aufpasst und mitschreibt, hat man eben Pech. Es war eine große Umgewöhnung für mich, aber nach einigen Wochen gehört es zu deinem Alltag - man ist nun mehr auf sich allein gestellt. Ständig wird mein Blick von einem Pärchen angezogen, welches einige Reihen vor mir sitzt. Unter ihrem Tisch kann ich ihre Hände sehen, die gewiss nicht nur unschuldig die Hand des anderen halten. Umgehend werde ich rot. So etwas habe ich noch nie gemacht – jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Ob es aufregend ist? Sofort schüttle ich diese Gedanken von mir und konzentriere mich wieder voll und ganz auf Lena.

Meine Konzentration wird jedoch schon einige Sekunden später abrupt gestört, als ich sehe, dass sich links neben mir etwas bewegt. Vielleicht möchte mich der blöde Typ in der Reihe hinter mir wieder ärgern, indem er irgendwelchen Müll in meine Tasche stopft, denn das wäre gewiss nicht das erste Mal! Schützend werfe ich meine Haare zur Seite, damit sie einen Schleier bilden und ich von dem Jungen hinter mir nichts mehr mitbekomme. Ich habe keine Ahnung, wieso er das macht, oder wieso manche Leute mich einfach nicht leiden können, denn eigentlich bin ich ein sehr umgänglicher Mensch. Bewusst halte ich mich aus jedem Ärger heraus, doch manchmal habe ich das Gefühl, dass genau das der Grund ist. Einige Leute mögen mich schräg finden, weil ich so in mich gekehrt und still bin, aber mir gefällt das. Natürlich wäre ich auch gern etwas selbstbewusster und aufgeschlossener, so wie Mary. Egal was passiert, sie boxt sich immer durch und ich kenne niemanden, der je ein schlechtes Wort über sie verloren hat. Natürlich mache ich auch keinen Hehl daraus, dass ich mir nicht nur charakterlich gern eine ordentliche Portion von Mary wünsche, sondern auch optisch. Mit ihren blonden Haaren und den dazu passenden blauen Augen ist sie schon immer ein Blickfang für die Männerwelt gewesen und ich streite es nicht einmal ab, dass ich neidisch auf sie bin, auch wenn sie mir immer wieder ans Herz legt, wie viel ich aus mir machen könnte, wenn ich es einfach nur zulassen würde. Mary ist wirklich ein Mensch, der zwar nicht perfekt ist und durchaus Ecken und Kanten hat, aber trotzdem niemals auf Ablehnung stößt. Was über mich hinter meinem Rücken gesagt wird, möchte ich gar nicht wissen. Wahrscheinlich könnte man darüber ein Buch schreiben, aber ich komme immer wieder zu dem Entschluss, dass man im Leben nicht alles haben kann, darum gebe ich mich mit dem zufrieden, was ich habe. »Ignorierst du mich eigentlich bewusst, oder sind deine Haare einfach nur massiver als eine Betonwand?« Noch bevor ich realisieren kann, was sich hier gerade abspielt, hole ich instinktiv mit der Hand aus.

»Aua. Verdammt. Komm mal runter, Tollpatsch. Ich wollte nur Hallo sagen.«

Hätte sich seine Stimme nicht sowieso tiefer in mein Gedächtnis gebrannt als mein eigener Name, dann hätte ich spätestens an dem Spitznamen erkannt, um wen es sich handelt. Was zur Hölle macht Dean in meiner Vorlesung? Langsam drehe ich meinen Kopf und sehe, dass er sich schützend an die Stirn fasst. Verdammt, was soll ich sagen? »Tut mir leid«, murmle ich so leise, dass es vermutlich niemand außer mir selbst hören konnte, dabei tut es mir wirklich leid. Dean streicht mir meine Haare hinters Ohr und nimmt mir somit die Schutzmauer, welche ich gezogen hatte und auch wenn es sich jetzt vermutlich albern anhört – in diesem Moment fühle ich mich nackt. Als seine Hand meine Wange streift, bringt es mich komplett aus der Fassung und leider Gottes muss ich feststellen, dass seine Berührungen noch immer dieselben Gefühle in mir auslösen, wie an dem Tag des Unfalls. Jetzt benimm dich nicht wie ein Nerd, Summer! Rede mit ihm. Halte ein bisschen Smalltalk, so schwer kann das wohl kaum sein.

»Was machst du hier?«, frage ich ihn und traue mich endlich, ihm richtig ins Gesicht und somit in sein strahlendes Lächeln zu sehen. Wow, wird er von Tag zu Tag hübscher, oder sind das immer noch die Nachwirkungen des Schmerzmittels?

»Na ja, ich hatte eben Zeit, da dachte ich, vielleicht statte ich dir einen Besuch ab. Biologie kann ganz schön langweilig sein.« Aber wieso? Wieso zeigt er auch jetzt, drei Wochen nach dem Unfall, immer noch Interesse an mir? Irgendwas kann hier wirklich nicht stimmen, denn es fühlt sich an, als wäre ich eindeutig in einem falschen Film gelandet und auch wenn mir der Film insgeheim gefällt, möchte ich nicht die Hauptrolle darin spielen. »Eigentlich ist es recht interessant«, flüstere ich ihm zu und deute auf Lena, die mitten in ihrem Vortrag steckt.

Man sieht ihr die Nervosität wahrscheinlich bis ins All an, aber dennoch schlägt sie sich souveräner, als ich es je könnte. Doch anstatt meinem Blick zu folgen und sich auf Lena zu konzentrieren, heften sich seine Augen weiterhin an mein Gesicht.

»Ach komm schon, Summer. Ich habe dich, während du mich nicht bemerkt hast, beobachtet. Du hast vor dich hingeträumt. Scheint ja unglaublich interessant zu sein, dieses Biologiezeug.«

Er zieht mich auf und seltsamerweise stört es mich nicht. Dean gibt mir nicht das Gefühl, dass er mich aufzieht, weil er mich hasst. Es fühlt sich eher freundschaftlich an, und dennoch kann ich mir immer noch beim besten Willen nicht vorstellen, dass er wirklich mit mir befreundet sein möchte.

»Mensch, die gehen aber ganz schön ran. Jetzt glaube ich dir, dass Bio gar nicht so langweilig ist«, sagt er, während er auf das sich befummelnde Paar vor uns deutet. Verlegen schaue ich nach vorne und ignoriere die Tatsache, dass ich mir in diesem Augenblick wünsche, wir würden dasselbe tun.

Wo kommen denn jetzt bloß diese Gedanken her?

»Hey, Summer. Es muss dir nicht peinlich sein, dass du hingesehen hast. Es ist ja eigentlich gar nicht zu übersehen. Ich zähle schon die Sekunden, bis die beiden nackt auf dem Tisch da vorne liegen und dem Dozenten die Show stehlen.« Super, seine Kommentare bringen meine Gedanken auf ein ganz neues Level und langsam aber sicher werde ich rot – erneut.

»Es ist mir nicht peinlich.« Wenn Dean das glauben soll, dann müsste ich vielleicht aufhören mich wie ein Volltrottel in der 7. Klasse aufzuführen. Ich bin fast 20 Jahre alt und kein Kind mehr – manche Erwachsene tun so etwas eben. Dean schmunzelt vor sich hin und ich kann nichts anderes tun, als ebenfalls zu grinsen. »Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du nach dem Kurs in der Cafeteria mit mir zu Mittag essen möchtest. Ich hasse es, allein zu essen.« Als Dean das sagt, kommt er meinem Gesicht verboten nahe, und obwohl mein Instinkt mich am liebsten noch näher an ihn heranziehen möchte, rutsche ich ein Stück von ihm ab. »Tut mir leid, aber ich habe mich schon mit Mary zum Essen verabredet. Es wird sich sicherlich jemand finden, der mit dir essen geht. Du musst doch bloß mit dem Finger schnipsen.«

»Ich wollte aber nicht mit irgendwem zu Mittag essen, ich wollte es mit dir. Aber ich verstehe es natürlich, wenn du schon mit deiner Freundin verabredet bist. Vielleicht ein anderes Mal?« Wieso lässt dieser Junge nicht einfach locker und gesteht sich selbst ein, dass ich nicht in seine Welt passe? Ich schaffe es ja kaum, länger als 5 Sekunden in seine Augen zu sehen. »Vielleicht irgendwann. In nächster Zeit wird es jedoch nichts, ich muss mich wirklich auf mein Studium konzentrieren.« Mit diesen Worten versuche ich ihn abzuwimmeln. Doch noch im selben Moment wird mir bewusst, dass ich kläglich scheitern werde.

»Aber mit Mary gehst du doch auch zum Mittag aus?« Wie blöd kann ein Mensch eigentlich sein? Welche Ausrede kann ich ihm auftischen, ohne dass es zu abgedroschen klingt? »Mary lernt mit mir, während wir Mittag essen.« Mary hasst Biologie, und wenn ich sie auch nur einmal darum bitten würde, mit mir zu lernen, dann könnte ich mir vermutlich sofort eine neue beste Freundin suchen, aber das muss ich ihm ja nicht direkt unter die Nase binden, oder? »Das kann ich auch, Hübsche. Ich kenne mich auch etwas in diesem Gebiet aus, also wenn du magst, ich bin dabei.«

Natürlich ist es selbstverständlich, dass Dean nicht nur unfassbar gut aussieht, nein, er muss natürlich auch noch ein Experte in meinem Hauptfach sein. Aber was hatte ich auch anderes zu erwarten? Genau diese Antwort hätte ich mir eigentlich denken können, aber mein Hirn muss ja anscheinend ständig aussetzen, wenn er in meiner Nähe ist.

»Vielleicht ein anderes Mal, okay?« Und wieder einmal stoße ich ihn weg, obwohl es sicherlich aufregend wäre, mit ihm auszugehen.

»Lässt du es mich wissen, wenn du deine Meinung geändert hast?« Nein, lasse ich vermutlich nicht, weil ich es einfach nicht schaffe, mich dazu zu überwinden. »Klar«, lüge ich ihm stattdessen mitten ins Gesicht. Ich bin eine miserable Lügnerin, aber anscheinend kauft er mir diese Nummer wirklich ab. Doch tief in meinem Inneren habe ich das Gefühl, dass er genau weiß, was in mir vorgeht. Nun richte ich meinen Blick wieder nach vorn und dieses Mal folgt sein Blick meinem, doch als Dean Lena entdeckt, verändert sich der Ausdruck in seinem Gesicht. Das Schmunzeln ist verschwunden, fast so, als wäre es niemals da gewesen. »Ich muss gehen. Wir sehen uns.« Und dann ist Dean auch schon verschwunden. Vollkommen perplex schaue ich ihm nach und versuche zu verstehen, was dieser plötzliche Stimmungsumbruch zu bedeuten hat. Hatte er etwa eine Affäre mit Lena? Immerhin kommt sie seinem Beuteschema recht nahe. Vielleicht hat er sie abserviert und will ihr aus dem Weg gehen. Wird er eines Tages ebenfalls die Flucht ergreifen, wenn er mich sieht?

Eine halbe Stunde später sitze ich mit Mary in der Cafeteria und starre auf die Suppe vor mir. »Ich kapier es einfach nicht. Erst will er mit mir ausgehen, und urplötzlich stürmt er aus der Vorlesung, als hätte man ihm ans Bein gepinkelt. Ich werde nicht schlau aus ihm.« Und ja ich weiß, ich mache mir eindeutig zu viele Gedanken über dieses Thema, aber ich kann nicht aufhören damit, so viel Mühe ich mir auch gebe. »Summer, Schatz. Hör endlich auf alles tot zu analysieren. Wer weiß, vielleicht hat er einen Termin vergessen oder hatte selbst eine Vorlesung. Denk doch nicht immer gleich das Schlechteste. Ich finde es eigentlich wirklich süß von ihm.«

Was? Aus der Vorlesung zu stürmen? Anscheinend kann Mary meine Gedanken lesen, denn sie antwortet auf meine Frage, noch bevor ich sie aussprechen konnte. »Dass er in deine Vorlesung gekommen ist, meine ich, nicht dass er wie von einer Biene gestochen davon gerannt ist.« Eine Biene? So wie ich es gesehen habe, könnte es durchaus eine Killerhornisse gewesen sein.

»Vielleicht hast du recht. Trotzdem verstehe ich nicht, wieso er sich für mich interessiert. Es ist ja nicht so, als wären wir schon immer befreundet gewesen.« Diese Frage stelle ich mir schon seit Tagen und ich finde einfach keine Antwort darauf und diese Frage kann ich auch leider nicht im Internet eingeben, ohne auf Sexratgeberseiten für pubertierende Teenies zu landen. »Du bist ein echt süßes Mädchen, Summer. Vielleicht ist er gar nicht solch ein Arschloch, für das du ihn hältst.«

»Mary, er war bis vor Kurzem mit Sophie zusammen. Hast du dir Sophie jemals angesehen? Uns trennen Welten. Ich bin das komplette Gegenteil von ihr und all seinen anderen Freunden.« Diese Tatsache tut weh, aber ich muss es akzeptieren.

»Wetten, mit denen ist er nur ins Bett gestiegen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er auch nur für eines dieser Mädchen Gefühle hatte, die weiter gingen, als sein Testosteronspiegel es zulässt.«

Das ist meine bessere Hälfte wie sie leibt und lebt – sie ist einfach direkt, und tief in meinem Inneren hoffe ich, dass sie recht haben könnte.

Dean