Wege zur Welt - Axel Voss - E-Book

Wege zur Welt E-Book

Axel Voss

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ausgehend von der Frage, welche Möglichkeiten der Weltwahrnehmung wir überhaupt haben, untersucht Axel Voss die Bedeutung der kulturellen Bildung. Dabei geht der Weg über die Verflechtung von Kunst, Emotion, Bildung und Erkenntnis zu einem Weltzugang, der unserer Zivilisation verlorengegangen scheint und die Welt so aus dem Gleichgewicht brachte: dem Mythos.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 93

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Einleitung

Begriffe begreifen

Über die Epistemologie

Wahrnehmung und Erkenntnis

Über den Konstruktivismus

Emotion und Kognition – die Konstruktion der Wirklichkeit

Metafaktische Didaktik als transformatives Lernen

Kompetenzen in Arnolds „Kaiserslauterer Ansatz“

Über die kulturelle Bildung

Zentrale Aspekte zum Bildungsbegriff „Kultur“

Konstruktivistische Ermöglichungsdidaktik

Kunst, Emotion, Bildung und Erkenntnis

Semiotische Perspektive – Phänomenologie der Emotionsmuster

Psychologische Perspektive – Kreativität und Selbstbildung

Metaphysische Perspektive – selbstreflexive und spirituelle Kompetenzen

Kulturbildende Perspektive – „Das bist Du!“ – Systemische Identitäten

Ausblick

Literatur

Einleitung

Jede Erkenntnis beginnt mit den Sinnen.

Leonardo da Vinci

VOM „ZURECHTFÜHLEN“ UNSERER WELT

Welche Wege zur Welt sind uns naturgemäß gegeben? Was machen all diese Eindrücke und Empfindungen mit uns, die wir durch unsere Sinne wahrnehmen? Wie selektieren und filtern wir das für uns Notwendige, Nützliche und Angenehme aus?

Wir gleichen stets neue Informationen mit unseren Erinnerungen ab, beurteilen, teilen ein und suchen unsere Spiegelungen in unserer Umwelt. All das geschieht blitzschnell und ohne Pause, jede Sekunde unseres Lebens.

Ich möchte diesem Wunder auf den Grund gehen und die Konstruktion unserer Wirklichkeit in Verbindung bringen mit der philosophischen Frage nach den Möglichkeiten unserer Erkenntnis (Epistemologie), dem Zugang zur Kunst und der Möglichkeit der intrinsisch motivierten „Selbstbildung“ des Lernenden als Transformationsprozess durch Aneignung kultureller Kompetenzen, denn jede Bildung stellt sich stets auch als eine Selbstgestaltung dar.1

Ausgehend von epistemologischen Fragen nach einer objektiven Wahrheit oder danach, ob individuelle Weltbilder lediglich emotionale Konstruktionen sind, möchte ich die Funktionsmechanismen der eigenen Innerlichkeit hinterfragen: Wenn der Mensch seine Welt zunächst „zurechtfühlt“, wie er sie kennt und auszuhalten vermag, welche Bedeutung und Auswirkung hat dann z.B. der Zugang zur Kunst auf einen Erwachsenen, der sich als Individuum schon ausgeprägt zu haben scheint?

Entscheidend an der „Arbeit an sich selbst“ scheint mir das Emotionslernen sowie die Einbeziehung einer sensitiven Welterkenntnis z.B. durch die Künste.

Begriffe begreifen

Alles, was wir hören ist eine Meinung, keine Tatsache.

Alles, was wir sehen ist eine Perspektive, nicht die Wahrheit.

Marc Aurel

Zunächst möchte ich so abstrakte Begriffe wie „Epistemologie“ oder „Konstruktivismus“ näher erläutern, um sie greifbarer zu machen.

Unter Bezugnahme auf Begriffspaare wie „Emotion und Kognition“ oder „Wahrnehmung und Erkenntnis“ wird dann besonders interessant, wie sich epistemologische Perspektiven auf das transformierende Emotionslernen übertragen lassen und inwieweit der Emotionale Konstruktivismus als Erkenntnistheorie bezeichnet werden kann.

ÜBER DIE EPISTEMOLOGIE

oder: warum aus Staunen Neugier wird

Die Epistemologie (griech., epistéme „Erkenntnis, Wissen“ und logos, „Lehre“) oder auch Erkenntnistheorie ist eine der zentralen Disziplinen der Philosophie. Sie befasst sich mit der Kantischen Grundfrage: „Was kann ich wissen?“ und weiter noch: „Was ist Wissen überhaupt?“, „Wie kommt es zustande?“, „Was sind Quellen, Umfang und Grenzen des menschlichen Wissens?“2

Dieses sind Fragen, die sich nicht allein empirisch bzw. durch wissenschaftliches Experiment behandeln lassen, sondern zunächst in der philosophischen Theorie. Geht es bei der Suche nach Antworten in Bezug auf Sinneswahrnehmungen oder Erkenntniszugängen eher um mathematisch belegbare Logik, so versucht die Metaphysik den Unterschied zwischen dem, was ist und dem, was erkannt werden kann, zu ergründen (Idealismus-Realismus).3

Zwei grundlegende Zugangsformen zur Erlangung von Wissen bzw. Erkenntnis werden unterschieden:

der Rationalismus, der die Position vertritt, dass man Wissen durch logisches Denken und Vernunft erlangt, und

der Empirismus, der die Position vertritt, dass man Wissen durch sensorische Erfahrung erlangt.4

Platon (427-347 v. Chr.) setzt besonders in seinem Dialog Politeia typisch erkenntnistheoretische Fragen in Bezug zur Ethik und der Natur der Wirklichkeit. Bei ihm ist das Wissen „wahre, gerechtfertigte Meinung“5 und er unterscheidet verschiedene Stufen der Gewissheit von der bloßen Annahme bis hin zur festen Überzeugung.

Für antike Skeptiker ist es zweifelhaft, ob wir überhaupt gerechtfertigte Überzeugungen oder sicheres Wissen haben können, und sie zogen daraus über eine theoretische Position hinaus Konsequenzen für ihre Lebensführung.6

Der Rationalist René Descartes (1596-1650) gilt als Begründer der modernen Epistemologie, da er das Bewusstsein ins Zentrum seiner Fragestellungen setzt. Descartes untersucht in seinen Meditationen methodisch, welche Arten von Zweifeln an welcher Art von Wissen grundsätzlich bestehen können und kommt so zu seinem berühmten ersten Grundsatz: Cogito ergo sum.7 (lat., „Ich denke, also bin ich.“), dem nicht weiter kritisierbaren Fundament seiner Überlegungen, denn ich kann an allem zweifeln, außer daran, dass ich zweifle (cartesianischer Skeptizismus).

Zusammen mit Gottfried Leibniz geht Descartes davon aus, dass der Mensch auch ohne Empirie Zugang zu Wahrheiten a priori (lat., „von vornherein“) habe, während die Empiristen wie z.B. David Hume oder John Locke diese Sichtweise ablehnen.8 Eine Lehre der angeborenen Ideen basiert auf der Annahme, dass der Mensch fähig ist, aus sich heraus bestimmte Erkenntnisse ohne Erfahrung zu erlangen. Nach derzeitigem Forschungsstand sind wir – formuliert in Lockes bekannter Metapher 9 – bei der Geburt kein unbeschriebenes Blatt, betrachtet man dazu Carl Gustav Jungs Archetypen, Noam Chomskys Cartesianische Linguistik, den genetischen Code oder die jüngsten Ergebnisse der Epigenetik.10

Immanuel Kant (1724-1804) versucht mit seiner Philosophie eine Synthese der unterschiedlichen Lager zu formen und differenziert die Anschauungen der Empirie durch Sinneseindrücke (Wahrnehmung und Erfahrung) und reine Formen der Anschauung, die a priori vor jeder Erfahrung gegeben sind, wie Raum und Zeit. Diese haften nicht dem Ding an sich (dem unabhängig von einem Betrachter Existenten) an, sondern dem Gemüt. Um die Welt zu fassen, benötigen wir Begriffe – oder, um es mit Kant zu sagen: „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“11

Die Erkenntnistheorie als deutscher Begriff ist relativ jung und kann auf die 1830er Jahre als neues Teilgebiet der Philosophie datiert werden.12 Als Reaktion auf philosophische Spekulationen unter dem Einfluss von u.a. Hegel und Schelling fordern die sog. Neukantianer eine Rückbesinnung auf Kants Kritik der reinen Vernunft samt den dort definierten Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit und der Einschränkung der Naturwissenschaften auf den Bereich möglicher Erfahrung. Obwohl die Philosophen dieser Zeit oft gleichzeitig auch Naturwissenschaftler ist, spalten sich beide Bereiche immer weiter auf und entfremden sich einander.13

Bald darauf separiert Wilhelm Dilthey (1833-1911) die Natur- und die Geisteswissenschaften und entwickelt die Hermeneutik bedeutend weiter. Doch erkennt man letztendlich, dass nur das Zusammenspiel philosophischer Spekulation und wissenschaftlicher Schlüsse im kantischen Geist zur optimalen „Untersuchung der Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis“14 führt – der Erkenntnistheorie.

Sie entwickelt und unterscheidet sich gegenüber der Ontologie (griech., on „seiend“), einem Teilbereich der Metaphysik, der sich mit dem Sein und dem Seienden beschäftigt. In seiner Heidegger-Biografie definiert Oliver Jahraus:

Die große Neuerung in der Erkenntnistheorie besteht darin, dass nunmehr nicht nach dem Sein, sondern nach der Erkennbarkeit – oder Kantianisch gesprochen: nach den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis – gefragt wird. Diese Veränderung, in der sich nicht nur zwei unterschiedliche philosophische Disziplinen, sondern zwei unterschiedliche philosophische Weltanschauungen gegenüberstehen, ist so fundamental, dass man von zwei Paradigmen sprechen könnte, nämlich vom ontologischen Paradigma des Seins und vom erkenntnistheoretischen Paradigma des Subjekts bzw. des Bewusstseins.15

Die Ontologie fragt also nach dem Sein, nach dem, was ist, wogegen die Epistemologie nach dessen Erkennen fragt, d.h., es geht hier nicht um das Wesen der Dinge, sondern um Prozess und Entstehung ihrer Erkenntnis. Somit stehen beide Lehren in einer Subjekt-Objekt-Beziehung.

Der Ontologe Martin Heidegger verdreht die kartesische Erkenntnis ins Gegenteil: „Ich bin, also denke ich“ und unterscheidet zwischen dem Sein (das, was meine Sinne ohne Deutung aufnehmen) gegenüber dem Seienden (was ich durch Erfahrung erkenne und in Frage gestellt werden kann).16

Es ist Arthur Schopenhauer (1788-1860), der die Welt als Wille und Vorstellung definiert. Der Irrationalist löst die traditionelle Ontologie durch die Erkenntnislehre ab, woran sich bei ihm die Metaphysik (Entwicklung einer Theorie des Weltganzen) anschließt. Das Erscheinende – ähnlich Kants Ding an sich – wird in einer induktiven Metaphysik aus einer Art universellen, treibenden Kraft generiert: dem Willen. Die Erscheinung demgegenüber ist die Vorstellung, die das Individuum sich davon macht. Diese ist subjektiv und individuell, denn Schopenhauer betont sie explizit als „meine Vorstellung“ in seiner idealistischen Grundansicht.17

Der Logiker Ludwig Wittgenstein (1889-1951) argumentiert in seiner Spätphilosophie, dass „Wissen“ ein konturloser Alltagsbegriff sei und demnach nicht in eine allgemeine Definition gefasst werden könne. In seinem Tractatus werden die Aussagen über die Tatsachen der Welt durch Sprache gemacht, die jedoch Grenzen aufzeigt.18 Dem logischen Empirismus bzw. Positivismus Wittgensteins und der Wiener Schule stellt sich u.a. Karl Poppers Kritischer Rationalismus entgegen. So stehen sich in der epistemologischen Erklärung der Welt die Denkmodelle der traditionellen Metaphysik, des Materialismus (alles Seiende ist materiell und somit nachweisbar) und des nachfolgend für diese Arbeit näher vorgestellten Konstruktivismus gegenüber.

Der Diskurs ist nicht abgeschlossen und wurde jüngst mit dem Neuen Realismus19 des Philosophen Markus Gabriel in einen neuen, vielleicht positionsverbindenden, Kontext gebracht.20

„ES GIBT HIERNACH DREI ARTEN ODER MODI

DES FÜRWAHRHALTENS:

MEINEN, GLAUBEN UND WISSEN.“

Immanuel Kant

WAHRNEHMUNG UND ERKENNTNIS

Wie nimmt der Mensch die Welt wahr und erkennt diese? Der Prozess der Perzeption (Wahrnehmung) geschieht durch sensorische äußere oder innere Reiz-Information (Extero- und Interozeption) und deren bewusste oder unbewusste Verarbeitung. Diese sog. Perzepte werden mit schon gewonnenen Erfahrungen und Vorstellungen – Schemata und Konstrukten – abgeglichen, aufgenommen, verarbeitet und gespeichert (Kognition), wobei deren Inhalte gelegentlich gezielt, z.B. durch Aufmerksamkeitsbzw. Wahrnehmungssteuerung, modifiziert werden können. Steht die Information mit erlernten Erfahrungen im Widerspruch, wird durch Vergleich die wahrscheinlichste Auslegung präferiert (Transaktionalismus). Dabei stehen die Objekte stets im Kontext mit ihrem Umfeld. 21

Aus diesen Wahrnehmungen kann der Mensch Erkenntnisse gewinnen. Der Begriff der Erkenntnis ist jedoch doppelsinnig – er bezeichnet den Prozess und das Resultat gleichermaßen. Im ersten Sinn ist Erkenntnis eine Voraussetzung von Wissen, definiert also den Wissenserwerb.22 Darüber hinaus sind Forschungsergebnisse und persönliche Einsichten zu differenzieren.

Betrachten wir im nächsten Kapitel eine spezielle Form der Erkenntnistheorie, die mit all ihren diversen Ansätzen dem Realismus gegenübersteht und die Sicht auf Wahrnehmung und Erkenntnis der Welt fundamental veränderte.23

ÜBER DEN KONSTRUKTIVISMUS

oder: warum die Wirklichkeit eine Illusion ist

Unter dem Begriff Konstruktivismus versteht man die Sichtweise, dass dem Menschen der unmittelbare Zugang zur Wirklichkeit abgesprochen wird, da das Gehirn diese nur mittelbar über die Sinnesorgane wahrnimmt.24 Die Grundannahme sagt aus, dass es weder Tatsachen noch Fakten gibt, sondern alle Sach- und Gegenstandsbereiche auf Diskurs und Konstruktion beruhen. Als geschlossenes System agiert das Individuum autopoietisch (selbstorganisiert) und kann, um eine Veränderung im System auszulösen, pertubiert (lat., perturbare „durcheinander wirbeln”) werden.

Rolf Arnold versucht den Terminus wie folgt zu fassen:

Es gibt nicht den Konstruktivismus. Der Begriff „Konstruktivismus“ steht vielmehr für zahlreiche Theorien und Konzepte aus unterschiedlichen Kontexten, denen allen die Vorstellung gemeinsam ist, dass der Mensch keinen unmittelbaren erkenntnismäßigen Zugang zur Wirklichkeit hat, sondern lediglich das zu erkennen – auf sich „wirken“ zu lassen – vermag, was er mit seinen Sinnen realisieren und mit seinen kognitiven und emotionalen Ressourcen verarbeiten kann.25

Der Mensch erkennt also nur im Rahmen seiner Konstruktion der Wirklichkeit (z.B. in Platons Höhlengleichnis)26 und erschafft diese aus sich selbst. Eine subjektive Realität wird anhand von Sinneseindrücken und Erfahrungen erzeugt, nicht durch Reaktion auf Reize einer objektiven Welt. Wissen kann also nicht übertragen werden, sondern konstruiert sich in jedem Menschen neu.

Entscheidend ist dabei nicht die Objektivität von Erkenntnis und Handlung, sondern die Viabilität