Weil du ein Vampir bist, sagt Mama - Hans-Josef Fritschi - E-Book

Weil du ein Vampir bist, sagt Mama E-Book

Hans-Josef Fritschi

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Beschreibung

Spagyrik in neuem Licht: erhellend, berührend, poetisch. Die siebenjährige Sophie lebt nach der Scheidung der Eltern bei ihrer Mutter. Beide leiden unter der Trennung sehr. Schon kurz nach der Einschulung zeigen sich bei Sophie Verhaltensauffälligkeiten und Lernprobleme. Jedes zweite Wochenende verbringt das Mädchen bei seinem Vater. Bald fällt der Mutter auf, dass Sophie nach diesen Besuchen besonders traurig ist, sich zurückzieht und abweisend reagiert. Sie bespricht die Situation mit ihrer Heilpraktikerin und bekommt von dieser eine Flasche mit einem spagyrischen Spray zum Schutz von Sophies Aura. Vermutlich sei der Vater ein Energievampir, der dem Kind Kraft abziehe. Sophie wehrt sich vehement gegen das Besprühen, was nur noch mehr Konflikte mit der Mutter provoziert - bis eines Abends eine spagyrische Essenz in Gestalt einer Fee an ihrem Bett erscheint ...

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Seitenzahl: 84

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Inhalt

Sophies Welt zerbricht

Rosa damascena – Die erste Nacht

Tilia – Die zweite Nacht

Magnesium chloratum – Die dritte Nacht

Vanilla – Die vierte Nacht

Cinnamomum zeylanicum – Die fünfte Nacht

Calcium carbonicum naturale – Die sechste Nacht

Passiflora incarnata – Die siebte Nacht

Papa, ich hab dich lieb! – Ein neuer Morgen

Die Hintergründe

Spagyrik für Sophies Seele

Persönliches

Viel zu oft erstickt die Vernunft die Phantasie …

denn ohne Phantasie kann nichts wirklich

Neues entstehen.

Jostein Gaardner: Sofies Welt

Sophies Seele

Sophies Welt zerbricht

Als Mama aus dem Zimmer gegangen war, dachte Sophie daran, zu Harry Potter zu beten. Er möge ihr doch mit seinem Zauberstab zur Hilfe kommen, bat sie verzweifelt. Ihre Freundin Lea betet jeden Abend zum lieben Gott, vielleicht klappt das ja auch bei Harry Potter. Aber wie geht das: beten? Sophie hätte es gerne gewusst. So blieb ihr nur, Fuzzy, den Plüschhasen noch fester an die Brust zu pressen, in der sie es ängstlich pochen spürte.

Auf Stirn und Wangen prickelten die winzigen Tröpfchen aus dem Spray, das Mama gerade über sie versprüht hatte. Früher spürte sie beim Schlafengehen die Feuchte von Mamas Gutenachtkuss auf der Backe. Doch seit einiger Zeit gab es einen solchen nicht mehr. Vielleicht ist das Spray ja besser als ein Kuss, dachte sich Sophie, als ihre Mutter mit dem Sprühen anfing. Das war im Frühling nach einem Besuch bei Frau Mayer in der Stadt. Da brachte sie einige Fläschchen mit Tropfen mit und dieses Spray. Die Sachen seien gut, damit es ihr und Mama wieder besser ginge.

Mutter und Tochter durchlebten eine schwere Zeit. Der Ehemann und Vater war schon vor zwei Jahren ausgezogen. Seit einem halben Jahr ist die Ehe geschieden. Das Sorgerecht für Sophie wurde der Mutter zugesprochen. Jedes zweite Wochenende verbringt Sophie seither bei ihrem Papa in der Stadt, wo er nun mit seiner neuen Freundin lebt. Die Eltern begannen sich auseinanderzuleben, als Sophie noch ein Kleinkind war. Der Vater reiste häufig in der Welt herum, weil es sein Job bei einem großen Autokonzern so verlangte. Zu Hause war er immer weniger. Wenn er einmal längere Zeit da war, dann kam es oft zum Streit. Irgendwann lernte er Tina kennen und alles nahm seinen Lauf.

Sophies Mutter leidet seit der Trennung unter Depressionen, befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung und nimmt Tabletten. Probleme mit der Zahlung des Unterhalts gibt es nicht, dennoch muss sie wieder in ihrem erlernten Beruf als Zahnarzthelferin arbeiten, um finanziell über die Runden zu kommen. Allerdings ist sie öfter krankgeschrieben, manchmal auch mehrere Wochen am Stück. Das Zusammenleben von Mutter und Tochter ist nicht einfach. Auch Sophie hat sich seit der Trennung von ihrem Vater verändert. Sie ist verschlossener geworden. Es sieht so aus, als leide sie still mit ihrer Mutter mit.

Sophie ist sieben Jahre alt und geht in die erste Klasse der Grundschule. Das zurückhaltende und stille Kind fiel schon in den ersten Wochen nach der Einschulung auf. Ein Gespräch zwischen Klassenlehrerin und Mutter klärte über die familiäre Situation auf, doch blieb Sophie in sich gekehrt und entwickelte kaum Interesse am Lernen, auch wenn die Vermittlung noch so spielerisch geschah. Vor kurzem stand die Frage im Raum, ob Sophie nicht auch Hilfe benötige und zum Kinderpsychologen solle. Doch das blockte das Kind vehement ab – und zog sich noch mehr in seine eigene Welt zurück. Kurz darauf brachte die Mutter die Tropfen und das Spray von Frau Mayer mit.

An jenem Nachmittag war alles etwas anders als sonst. Auf Mamas Gesicht lag ein entspanntes Lächeln, als sie aus der Stadt zurückkam. Sie ging gleich in Sophies Zimmer und setzte sich auf das Bett, wo sich ihre Tochter mit einem überdimensionalen Kopfhörer auf den Ohren in die Kissen vergraben hatte. Sie packte die Fläschchen aus und zeigte sie ihrem Kind. Sophie spürte sogleich, dass etwas Besonderes geschehen sein musste. Sie schob den Kopfhörer ins Genick, robbte aus dem Bettzeug und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Mit überraschtem, aber skeptischem Blick wartete sie auf das, was Mama ihr zu sagen hatte. Sie wisse nun, weshalb es ihnen beiden in letzter Zeit so schlecht gehe, fing die Mutter an und drückte dabei ihre Hand sanft auf Sophies Oberschenkel. Frau Mayer habe es ihr in einem langen Gespräch erklärt und nun sei es ihr wie Schuppen von den Augen gefallen. Frau Mayer ist Heilpraktikerin. Zu ihr ging Mama hin und wieder, wenn sie besonders schlechte Tage hatte. Sie wollte, dass Sophie auch einmal mitgehe, doch auch diesen Versuch, Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen, wehrte sie ab. Nun habe Frau Mayer ihr etwas verschrieben, was ihnen beiden endlich helfen würde. Sie hätte die Tropfen gleich in der Apotheke gemischt bekommen und nun mitgebracht.

Die Fläschchen lagen vor Sophie auf der Bettdecke. Sie hatten ein Etikett, auf dem „Spagyrische Mischung“ stand. Auf allen aber war in dicken Großbuchstaben eine besondere Folge von Buchstaben und Zahlen aufgedruckt, ähnlich einem Geheimcode. Ein Fläschchen war größer als die anderen und hatte oben einen Aufsatz zum Sprühen. Auf diesem stand ein Wort, das Sophie lesen aber nicht versehen konnte: ENERGIEVAMPIRE stand auf dem Etikett. Mama sah, dass Sophie mit rätselndem Blick auf die Fläschchen vor ihr blickte. Da legte sie ihren Arm um das Kind und klärte es auf.

Frau Mayer habe herausgefunden, weshalb sie und Sophie solche Probleme hätten und sie immer traurig und müde seien. Das läge daran, so Mama, dass sie beide andauernd Energie verlören. Grund dafür seien Menschen in ihrer Umgebung, die ihnen Kraft rauben würden. Frau Mayer habe die Mama gefragt, ob sie häufig mit Menschen zusammen sei, nach deren Begegnung sie sich immer wie ausgelaugt und ermattet fühle. Das seien in der Regel Energievampire, die anderen ihre Lebenskraft raubten. Solche Menschen seien wie Parasiten oder Zecken, die auf der Suche nach einem Opfer in der Gegend herumstehen und darauf warteten, energetisch andocken zu können. Sie habe da gleich an ihre Kollegin Sabine gedacht, mit der sie überhaupt nicht klar komme und mit der sie tagtäglich Stress habe. Und es sei ihr schon lange aufgefallen, so Mama, dass Sophie am Sonntagabend immer so traurig und erschöpft nach Hause komme, wenn sie das Wochenende bei ihrem Vater verbracht habe. So, wie Sabine ihr, würde Papa Sophie Energie rauben. Nun aber habe sie ein Mittel, das vor Energievampirismus schütze, sagte sie und drückte Sophie die Sprayflasche in die Hand. Damit könne Papa ihr keine Energie mehr abzapfen.

Spagyrik sei eine wunderbare Pflanzenmedizin, mit der man die wahren Ursachen von Schwierigkeiten von Grund auf und für immer beheben könne, fuhr Mama fort. Frau Mayer schwöre auf die Tropfen und habe schon ganz außergewöhnliche Dinge damit erlebt. Die Essenzen in den Fläschchen würden sie und Sophie nun vor allen bösen Dingen und Menschen schützen – auch vor Energievampiren, wenn man das Spray über den Körper versprühe. Dann baue dies eine unsichtbare Wand auf, von der jeder Angriff von außen abgewehrt werde. In dem Moment als die Mutter dies sagte, griff sie nach dem Spray, zog die Kappe ab und besprühte sich und das Kind. Sophie aber schrie laut auf, warf sich mit einem Ruck die Decke über den Kopf und begann zu weinen. Mama war überrascht und im ersten Moment von der Reaktion ihrer Tochter irritiert. Doch dann fuhr sie Sophie mit der Hand über den Kopf, stand auf und sagte im Hinausgehen, dass das nur der erste Moment sei und sie sich bald daran gewöhnen würde – und es ihr dann wirklich gut gehe.

An diesem Tag in den Osterferien hatte die Sache mit dem Sprühen angefangen. Aber Sophie ging es damit nicht besser, im Gegenteil. Sie wurde zunehmend aggressiv und wehrte sich gegen das Besprühen vor dem Einschlafen – manchmal mit Erfolg, meist aber ließ sie es geschehen, da Mama hartnäckig mit der Sprayflasche in der Hand auf der Bettkante saß und nicht eher ging, bis das Ritual vollzogen war. So war es auch an diesem Abend. Die Mutter hatte die im Bett liegende Sophie von Kopf bis Fuß besprüht, löschte das Licht und war gegangen. Diesmal aber vergaß sie, die Flasche mitzunehmen. Sie stand auf dem Nachttisch neben Sophies Bett. Im fahlen Licht der Straßenlaterne, das durch den Vorhangschlitz fiel, konnte Sophie die Umrisse des Sprays dicht neben ihrem Kopf genau erkennen. Obwohl sie eine instinktive Abwehr gegen dieses Mittel verspürte, griff sie danach und zog es zu sich ins Bett. Nachdem sie die Nachttischlampe angemacht hatte, richtete sich Sophie leicht auf und schaute auf das Etikett. In großen Lettern stach ihr das Wort ENERGIEVAMPIRE ins Auge. Lange starrte sie auf die dicken, schwarzen Buchstaben. Klein darunter konnte Sophie lesen: „Enthält die spagyrischen Essenzen Viscum album, Allium sativum, Mandragora officinalis, Pilocarpus, Iris, Ruta graveolens, Eleutherococcus senticosus. Homöopathisches Arzneimittel, daher ohne Angabe einer therapeutischen Indikation.“ Noch eine ganze Weile blickte Sophie auf die ihr unverständlichen Worte, dann traten ihr Tränen in die Augen und sie legte das Fläschchen beiseite.