Weil Du weißt, wie glücklich geht - Ulrike Solo - E-Book

Weil Du weißt, wie glücklich geht E-Book

Ulrike Solo

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Beschreibung

Dies ist die zweite Fortsetzung zu dem Buch "Weil Liebe keine Fehler kennt" und der direkte Nachfolger von "Weil gemeinsam leben Alle glücklich macht". Weitere sechs Jahre sind vergangen, in denen das Leben meiner Tochter und mir zeigte, dass auch zusätzliche Chromosomen und halbe Herzen erwachsen werden. Die Pubertät hat das Leben von Lea auf wundervolle und auch herausfordernde Art durcheinandergewirbelt und so Platz für die junge Frau geschaffen, zu der sie sich darin entwickeln durfte. Es gab viele Zeiten voller Lachen, Abenteuer und Spaß, aber auch unzählige Momente, in denen uns das Leben in all unseren Grundsätzen und Überzeugungen auf die Probe stellte. Auch im Sturm der Hormone durften wir erleben, dass mit mütterlicher Geduld und der tiefen Gabe das Glück zu sehen und zu begreifen, alles im Leben möglich wird, weil Menschen wie Lea wissen, wie glücklich geht.

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Autorin:

Ulrike Solo lebt im Münsterland, nahe der holländischen Grenze. Anfang 2014 gab sie ihren ursprünglichen Beruf als Arzthelferin auf, um neue Wege zu gehen. Neben ihrer Selbstständigkeit als psychologisch-systemische Lebensberaterin und Selbstfindungscoach arbeitet sie heute auch voller Freude als Schulbegleiterin an der Seite von behinderten Kindern. Im August 2014 hat sie ihr erstes Buch <<Weil Liebe keine Fehler kennt>> veröffentlicht, wodurch ihre Kreativität als Autorin geweckt wurde. In all ihren Büchern lässt sie die Menschen an ihren privaten und beruflichen Lebenserfahrungen teilhaben. Ihre größte Gabe ist es, jegliche Emotionen und ihre eigene Sicht auf die Welt auf verschiedenen wundervollen Wegen anderen Menschen nahe zu bringen, ohne sich jemals aufzudrängen. Mit der Lebensgeschichte ihrer Tochter möchte Ulrike der Gesellschaft einen Blick auf das Anders-sein ermöglichen, der keine Bewertung kennt, sondern im Herzen spüren lässt, dass alle Menschen gleichwertig und einzigartig sind.

Mehr über Ulrike Solo findest Du hier:

Webseite: www.seelenumarmungen.de

Inhalt:

Dies ist die zweite Fortsetzung zu dem Buch <<Weil Liebe keine Fehler kennt>> und der direkte Nachfolger von <<Weil gemeinsam leben ALLE glücklich macht>>. Weitere sechs Jahre sind vergangen, in denen das Leben meiner Tochter und mir zeigte, dass auch zusätzliche Chromosomen und halbe Herzen erwachsen werden. Die Pubertät hat das Leben von Lea auf wundervolle und auch herausfordernde Art durcheinandergewirbelt und so Platz für die junge Frau geschaffen, zu der sie sich darin entwickeln durfte. Es gab viele Zeiten voller Lachen, Abenteuer und Spaß, aber auch unzählige Momente, in denen uns das Leben in all unseren Grundsätzen und Überzeugungen auf die Probe stellte. Auch im Sturm der Hormone durften wir erleben, dass mit mütterlicher Geduld und der tiefen Gabe das Glück zu sehen und zu begreifen, alles im Leben möglich wird, weil Menschen wie Lea wissen, wie glücklich geht.

Es ist Advent und um mich herum glänzen zwischen der Weihnachtsdekoration in unserer Wohnung überall kleine Lichterketten. Die vielen Lichter laden dazu ein, den Rest des Jahres zu nutzen, um innerlich still zu werden, den oft zu lauten Alltag auszublenden und so den Weihnachtstagen und dem Jahreswechsel entgegen zu gehen.

Draußen beherrscht seit einigen Monaten der Corona-Virus unser aller Leben und macht dieses gesamte Jahr 2020 so anders.

Vor wenigen Wochen haben wir Deinen 18. Geburtstag gefeiert. Aufgrund von Corona war alles ganz anders, als ich mir in Gedanken immer ausgemalt hatte. Ich kann es manchmal noch immer kaum glauben, dass Du nun tatsächlich volljährig bist. Du bist so unsagbar stolz, endlich 18 Jahre alt zu sein.

Doch zu unserem Leben mit Corona und Deinem 18. Geburtstag erzähle ich Dir später mehr. Jetzt möchte ich den Moment der kleinen Lichter und der wohltuenden inneren Stille nutzen, um Dir weiter aus Deinem unserem Leben zu erzählen.

Es ist so unglaublich viel passiert in den letzten sechs Jahren, seitdem ich im März 2015 den zweiten Teil des Briefes an Dich geschrieben und als Buch veröffentlicht habe.

Ich weiß heute nicht mehr genau, wieviel Zeit wirklich verstrichen war, doch gefühlt hatte ich gerade erst das zweite gelbe Buch über Dein Leben veröffentlicht, als Du an einem Tag im März oder April 2015 von Deinem Oma-Opa-Besuch nach Hause kamst und Deine Oma mich fragte: <<Hat Lea etwas an den Nieren? Ist sie krank?>> Ich antwortete: <<Nein, an ihren Nieren und auch sonst ist alles gut. Warum fragst Du?>> Sie erwiderte schmunzelnd: <<Na dann hat sie ihre Periode.>> Diese unerwartete Antwort sorgte bei mir für große Augen und unbewusstes Luftanhalten.

Als ich nach einigen Sekunden wieder atmete und die gerade gehörte Information im Kopf etwas verarbeitet hatte, sagte ich mit verzogener Miene: <<Oh nein, ich hatte gehofft, dass wir noch etwas mehr Zeit haben, bevor das bei ihr losgeht. Bei Lea hat doch irgendwie alles später und verzögert angefangen. Da hätte die Periode ruhig noch warten können. Sie ist doch erst 12 Jahre alt.>>

Deine Oma und Dein Opa fuhren wieder nach Hause und Du standst mir gegenüber und hattest ein dickes Grinsen im Gesicht.

Ich schaute Dich an und sagte lachend: <<Mmmhh, ich habe erst vor wenigen Tagen noch davon geschrieben, wie Du wohl reagierst, wenn Du das erste Mal Deine Blutungen bekommst. Das sollte keine Einladung für Dich sein, direkt damit zu starten. Na dann üben wir zwei jetzt regelmäßig, was Du an solchen Tagen tun musst. Es ist trotzdem verrückt. Ab jetzt bist Du quasi eine Lady, hast aber noch haufenweise Milchzähne im Mund.>>

(Bis auf zwei oder drei Milchzähnen, die in den letzten Jahren ausgefallen waren, warteten wir nämlich im Jahre 2015 noch immer darauf, dass weitere Milchzähne endlich Platz machten für neue bleibende Zähne. Ein paar neue Zähne waren wegen Platzmangels bei Dir einfach in hinterer zweiter Reihe herausgewachsen und sorgten somit für ein sehr abenteuerlich aussehendes Gebiss.)

Deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, fandest Du die neuen Ereignisse einfach großartig, denn, während Deine Hände vor Begeisterung mal wieder durch die Luft flogen, meintest Du lachend: <<Ok, machen wir. Mama, Blut, da…>>

Wir zwei gingen direkt ins Badezimmer und dort zeigte ich Dir erst einmal ganz langsam, wie man eine Damenbinde in seine Unterhose klebt und erklärte Dir dabei: <<Das musst Du einfach ein paar Mal üben und dann weißt Du ganz schnell, wie das geht. Wenn Du auf die Toilette gehst, musst Du daran denken, dass Du die Binde wechselst. Ich helfe Dir dabei und in der Schule holst Du Dir auch einfach Hilfe dazu, wenn Du welche brauchst.>>

Du hattest ganz aufmerksam zugeschaut und wolltest es direkt gleich selbst ausprobieren. Jetzt half es Dir unglaublich, dass ich mit diesem Thema immer sehr offen mit Dir umgegangen war und Du mich in den letzten Jahren auch im Badezimmer immer frei beobachten konntest. Du hattest ab dem ersten Tag das Binde-Kleben drauf, wie ein Profi.

Ich erzählte Dir noch, dass Du jetzt langsam eine Frau wirst und dann eben alle paar Wochen diese Blutungen hast. Weiter erklärte ich Dir: <<Das ist nichts Schlimmes. Wenn Du dann auch Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder irgendetwas anderes hast, dann sage mir bitte Bescheid. Dann bekommst Du Medizin, damit Du dann keine Schmerzen mehr hast und es Dir gut geht.>>

Du warst noch immer begeistert von diesen Neuerungen und natürlich war das auch in den nächsten Tagen bei Dir das große Thema, von dem Du immer wieder erzählt hast.

Als Du an diesem Tag abends im Bett lagst, schmunzelte ich mal wieder über mich selbst und über all die lustigen Bilder und Gedanken in meinem Kopf, die ich mir in den letzten Jahren deswegen gemacht hatte.

Mit Dir erlebe ich doch immer wieder, auf welch einfache und klare Weise sich viele Dinge im Leben von ganz alleine regeln, wenn man innerlich loslässt oder es einfach mit Vertrauen und Ruhe passieren lässt.

Aufgrund Deines bis heute fehlenden gesunden Verständnisses für Hygiene war mir klar, dass ich Dich gemeinsam mit allen anderen Menschen um Dich herum wohl in Zukunft immer wieder daran erinnern muss, diese Einlagen regelmäßig zu wechseln.

Doch solche Hilfen und Kontrollen lassen sich ja auch auf eine geschickte Art und Weise so durchführen, dass Dir ein gewisses Gefühl der Selbstständigkeit dennoch erhalten bleibt.

In den folgenden Wochen hatten wir zwei viel Spaß daran, dass ich als Schulbegleitung in einer Grundschule oft sehr ähnliche Dinge mit den Kindern lernte, wie Du zum Teil in Deiner Schule.

Im Frühjahr 2015 durfte ich während meiner Arbeit am Vormittag innerhalb einer Projektwoche den Trommelzauber genießen und so jeden Tag unter afrikanischer Musik gedanklich nach Afrika reisen.

Jedes Kind der Schule und auch jede Lehrkraft oder zusätzliche Hilfe bekam eine Trommel, um mitspielen zu können. Unser Trommellehrer brachte uns tolle Songs und Tänze bei, zu denen wir in afrikanischer Sprache alle lauthals mitsangen und lernten, dazu die verschiedensten Rhythmen auf der Trommel zu spielen. Wenn ein Meer von Menschen gemeinsam solche Lieder singt, dazu trommelt und tanzt, dann ist das Lebensfreude und herrlich ansteckende Leichtigkeit pur.

Ich fühlte mich in diesen Tagen wie im Himmel und mir platzte vor Freude fast das Herz, wenn ich beobachten durfte, wie glücklich diese Woche besonders die Kinder machte, die im normalen Schulalltag aus unterschiedlichsten Gründen viele Hürden oder Schwierigkeiten hatten.

Mit dieser Musik und dem Trommeln konnten sie plötzlich der Welt zeigen, was abseits von jeglichen gesetzten Normen in ihnen steckte und wie leicht das Leben und das Lernen funktionieren kann, wenn sie sich frei und kreativ entwickeln und zeigen dürfen.

Natürlich hatte ich sofort dafür gesorgt, dass wir diese Musik auch zu Hause hören können, denn ich konnte es kaum erwarten, Dir die Songs vorzuspielen und zu schauen, was Du dazu sagst.

Wie erwartet fandest Du das alles absolut großartig und wolltest direkt mittrommeln und mitsingen. Da wir daheim keine Trommel zur Hand hatten, mussten halt Kisten oder Töpfe dafür herhalten.

Es dauerte nicht lange und schon konntest Du die wichtigsten Lieder lauthals mitsingen. In dieser Woche war Afrika nicht nur in der Schule, sondern quasi auch bei uns zu Hause eingezogen.

Jeder Morgen wurde mit dem Mutmach-Lied gestartet, mit dessen Hilfe es übrigens auch langjährigen Langschläfern wie uns zweien total leichtfällt, wachzuwerden und singend und tanzend in den neuen Tag zu starten.

Am letzten Tag dieser Woche fand am Nachmittag in meiner Schule das Schulfest statt, auf dem alle Eltern und anderen Interessierten dazu eingeladen wurden, mit allen Akteuren gedanklich nach Afrika zu fliegen.

Die Schüler/innen waren alle als Tiere verkleidet, trugen ihre selbstgebastelten Kostüme und sangen und tanzten für ihre Gäste, was das Zeug hält. Wir zwei saßen mitten in den Zuschauerreihen und sangen, trommelten und tanzten aus Leibeskräften mit.

Ich glaube, ich muss an dieser Stelle nicht ausführlich erwähnen, wie sehr ich es genossen habe, Deine Freude und Deinen Spaß dabei zu sehen. Als die Show vorbei war, riefst Du natürlich ganz laut: <<Nochmal, nochmal, bitte Mama, nochmal!>>

Deinen Wunsch konnte ich Dir an diesem Tag nicht erfüllen, aber wenige Tage später sprach ich mit einer Lehrerin von Dir darüber. Sie erzählte mir, dass Ihr an Deiner Schule den Trommelzauber auch mal für einen Tag erleben durftet und dass alle Kinder so begeistert davon gewesen waren, dass man das Trommeln jetzt für eine Weile in den Musikunterricht mit einbaute. Da Ihr das Mutmach-Lied nicht kanntet, besprachen wir spontan einen Besuchstermin von mir in Deiner Klasse, bei dem ich Euch den Song und das Trommeln dazu zeigen sollte.

Als ich wenige Tage später an einem Mittag nach meiner Arbeit zu Euch kam, saßen wir alle gemeinsam mit Trommeln bewaffnet auf dem Boden.

Es dauerte nicht lang und wir sangen und trommelten alle zusammen diesen tollen Song und haben dabei dieses herrliche gemeinsame Erlebnis in vollen Zügen genossen. Das sind für mich Momente für die Ewigkeit.

Die kommenden Wochen nutze ich bewusst, um mir Möglichkeiten für persönliche Lesungen aus meinen gelben Büchern zu suchen. Das ist zu den Themen Behinderung, Krankheiten und Inklusion gar nicht so einfach, weil sich nach meiner Erfahrung nicht so leicht bisher nicht betroffene Menschen finden lassen, die für all das eine echte Offenheit oder Neugier empfinden. Hinzu kommt, dass ich bei allem, was ich tue, zwar immer voll aus dem Herzen oder dem Gefühl heraus agiere, dabei aber meist den kaufmännischen Blickwinkel vergesse bzw. ich mich darin dann auch sehr unsicher und unbeholfen fühle.

Ich liebe es, andere Menschen dabei zu unterstützen, sich selbst zu erkennen und die eigenen Stärken und Schwächen als eigene wunderbare Persönlichkeit klar zu formulieren, um sich dann quasi im eigenen Licht auf der Bühne des Lebens der Welt zu zeigen.

Das ich dabei im Hintergrund bleibe, mich im passenden Moment lächelnd zurückziehe, weil sich wieder ein Mensch in seiner Einzigartigkeit erkannt und angenommen hat und mich ab dem Moment zur Bewusstwerdung nicht mehr benötigt, macht mich glücklich. Dann fühle ich, dass ich meine Aufgabe, um die es ging, erfüllt habe.

Doch um genug Interessenten für Lesungen aus meinen Büchern zu finden, war es nötig, dass ich mich zeigte, um so aus Eigeninitiative auf mich aufmerksam zu machen. Eine Herausforderung jedoch grundsätzlich zu meiden, weil es sich kompliziert anfühlt, kam für mich auch nicht in Frage.

Ich hatte das Gefühl, dass es wichtig war, in persönlichen Begegnungen fremden Menschen aus unserem Leben vorzulesen.

Eine Stimme in mir sagte, dass ich so nicht nur die Mitmenschen erreiche, die sich aufgrund eigener Lebensumstände darin wiederfinden, sondern auch jene, die bisher im Leben mit dem Thema Behinderung nicht oder fast gar nicht in Berührung gekommen waren.

Im Frühling 2015 war es dann so weit. Ich durfte das erste Mal tatsächlich im Rahmen einer Literatur-Session bei uns im Wohnort aus meinen Büchern vorlesen und du konntest mich bei diesem Erlebnis begleiten.

Der Nachmittag war eine bunte Mischung aus Autoren mit Lesungen aus ihren Werken und Musikern, die auf ihren Instrumenten etwas vorspielten. Ich war heilfroh, dass ich an diesem Tag nicht beginnen musste und wurde in meiner Aufregung doch noch zusätzlich damit überrascht, dass ich mich vor meinem Beitrag selbst dem Publikum vorstellen sollte.

Als ich an der Reihe war, hast Du unter Klatschen laut gerufen: <<Super Mama!>> Ich lachte Dich an und begann zu reden.

Ich weiß nicht mehr, was ich zu meiner Person erzählt habe, aber ich erinnere mich noch, dass ich beim Reden und Vorlesen Tränen in den Augen hatte, welche mir in diesen Minuten vor dem Mikrofon die Wangen hinunterliefen.

Als ich meinen Vortrag beendet hatte, nahm ich das erste Mal von der Bühne aus bewusst die Zuhörer wahr und sah, dass viele von ihnen ebenso wie ich emotional berührt waren.

Dich hörte ich laut und stolz rufen: <<Super Mama, hast Du toll gemacht!>>

An diesem Tag durfte ich noch einige sehr berührende Gespräche mit manchen Besuchern führen, bevor wir glücklich und stolz wieder nach Hause fuhren.

An dieser Veranstaltung hatte auch eine Besitzerin einer Buchhandlung teilgenommen, mit der ich im Anschluss weiterhin im Kontakt blieb. Ich wusste, dass sie manchmal in ihrem Geschäft Veranstaltungen abhielt, bei denen Autoren ihre Bücher innerhalb einer Lesung vorstellen konnten.

Ich hatte ihr meine gelben Bücher zur Probeansicht gegeben und war ganz gespannt auf ihre Meinung.

Sie sagte: <<Ich habe Ihre Bücher beide gelesen und die Geschichte mit Ihrer Tochter hat mich sehr berührt. Sie haben allerdings viele Rechtschreibfehler in Ihren Texten und auch die ein oder andere Satzstellung oder Formulierung müsste man in meinen Augen anders gestalten. Die Rechtschreibfehler haben wohl den Hintergrund, dass Sie als Selbstverlegerin kein Lektorat für die Korrektur im Rücken hatten und die Art der Formulierungen gehören eben zu Ihrem Erzählstil.

Wenn Sie irgendwann die Möglichkeit haben, sollten Sie bei Zeiten das ein oder andere in Ihren Büchern verbessern und diese neu auflegen. Normalerweise würde ich diese Bücher deshalb nicht zum Verkauf in meiner Buchhandlung anbieten, doch ihre Geschichte hat mich trotz allem so berührt, dass ich es doch tun werde.

Was Ihre Tochter bereits alles überstanden hat, ist unglaublich. Umso erstaunlicher ist es, mit welcher Freude sie beide durchs Leben gehen und all diese Hürden bewältigt haben.

Wenn Sie möchten, können wir gemeinsam gern nach einem passenden Termin für eine Veranstaltung in meiner Buchhandlung schauen, bei der Sie aus Ihren Büchern vorlesen können.

Ich stehe mit einer weiteren Autorin im Kontakt, welche ich ebenfalls gern in diese Veranstaltung einbinden möchte. Alles weitere können wir dann gern für eine genauere Planung nochmals besprechen.>>

Ich bedankte mich bei ihr, sichtlich gerührt von ihren Worten und war zugleich dankbar über ihre Ehrlichkeit und ihre Kritik.

Natürlich waren auch mir schon einige Fehler aufgefallen, doch wenn man einen Text gefühlte hundert Male liest, erkennt das Auge einfach das ein oder andere verkehrt geschriebene Wort nicht mehr.

Für meine Bücher ein professionelles Lektorat zu beauftragen, war mir finanziell nicht möglich. Die Bücher zu diesem Zeitpunkt nach nochmaliger eigener Korrektur neu aufzulegen, in Anbetracht dessen, was ich schon aus eigener Tasche darin investiert hatte, kam daher ebenfalls erst einmal nicht in Betracht.

Mir war klar, dass ich dies später nachholen würde, wenn ich das nötige Geld dafür übrighätte.

Dennoch ließen mir die Rechtschreibfehler im Kopf keine Ruhe. Ich überlegte: <<Warum hatte bisher keiner meiner Leser/innen oder Freunden etwas zu mir gesagt? Traute sich niemand, mich darauf anzusprechen? War es niemanden bewusst aufgefallen, weil die vielen Emotionen beim Lesen vielleicht zu sehr davon ablenkten?>>

In Gesprächen mit meinen engsten Vertrauten erfuhr ich, dass einige dachten, ich hätte das ein oder andere Wort extra falsch geschrieben, um dadurch zusätzlich zu verdeutlichen, wie sehr wir im Leben innerhalb unserer Gesellschaft oft von richtig oder falsch, normal oder unnormal gelenkt werden.

Andere wiederrum fanden genau diese kleinen Rechtschreibfehler hier und da unglaublich sympathisch in einer Welt, in der doch viel zu häufig alles perfekt sein soll.

Als ich ein paar Tage später mit Hausarbeit beschäftigt war und wieder über diese Fragen nachdachte, hatte ich plötzlich für mich allein die Antwort in meinem Kopf: <<Weil Liebe keine Fehler kennt.>>

Mit dem Staubsauger in der Hand, der noch immer vor sich hin summte, liefen mir bei diesem Geistesblitz unter herzlichem Lachen Tränen über die Wangen.

Meinen Vorsatz, die Bücher zu einem späteren Zeitpunkt korrigiert neu zu verlegen, blieb natürlich bestehen, doch ich war fasziniert davon, welche einfachen Antworten das Leben einem manchmal schickt, wenn man nicht damit rechnet.

In den kommenden Wochen durfte ich noch weitere Erfahrungen bei Lesungen machen, welche ich allesamt sehr genossen habe, da es wundervolle Möglichkeiten waren, in echten persönlichen Kontakt mit fremden Menschen zu gehen und so gemeinsam den eigenen Horizont auch zum Thema Behinderung oder Inklusion zu erweitern.

So hielt ich weiterhin meine Augen und Ohren für passende Momente und Orte offen, in und an denen ich zu diesen Themen offene Türen fand.

Die Veranstaltung in dieser Buchhandlung war übrigens ein toller Erfolg, sehr emotional und bereichernd für alle. Es flossen Tränen des Mitgefühls, aber vor allen Dingen Tränen der Liebe und der Freude.

Bei meinem Wunsch an unsere Gesellschaft, behinderte Menschen und ihre Familien zu sehen, zu hören und sie mit unseren Möglichkeiten zu unterstützen, nickten mir am Schluss alle zu.

In ihren Augen sah ich, dass sie spürten, was wir alle von diesem Teil unserer Mitmenschen lernen dürfen.

Als ich am Ende des Abends von meiner Autorenkollegin und der Inhaberin der Buchhandlung auch noch eine zusätzliche Spende für mein damaliges Spendenprojekt zu Gunsten Deiner Förderschule bekam, fuhr ich im Anschluss weinend vor Freude nach Hause.

In diesen Wochen kamst Du immer öfter mit kleinen Geschenken aus der Schule zurück. Ein älterer Mitschüler aus einer anderen Klasse war in Dich verliebt und bastelte in seiner Freizeit Herzen aus Holz für Dich, malte Bilder und schrieb Dir kleine Briefe, welche ich Dir vorlesen musste, da Du damals noch nicht lesen konntest. Es war einfach zuckersüß, was dieser Junge sich immer wieder Kreatives einfallen ließ, um Dein Herz für sich zu gewinnen.

Als ich Dich fragte, ob Du diesen Jungen auch so magst, wie er Dich, war Deine Antwort klar und deutlich: <<Nein, Mama.>>

Seine Ideen fandest Du klasse und Du hast Dich über jedes seiner Geschenke gefreut. Solch Umwerbungen sind ja auch toll und machen einem ein herrliches Gefühl im Bauch, auch ohne, dass man selbst verliebt ist.

Ich fand diese Wochen einfach niedlich, obwohl ich, wenn ich Dir die kleinen Briefe vorlas, auch irgendwie das Gefühl hatte, dass ich mich in einem Deiner Bereiche bewegte, in den ich zur Wahrung Deiner Intimität als Deine Mutter gar nicht reingehörte.

Doch in unserem Leben ist ja nun mal das ein oder andere anders, als bei einigen anderen Menschen und so war ich halt auch in solchen Momenten Deine vertraute Vorleserin.

Zusätzlich zu diesen wunderbaren Teenie-Erfahrungen durftest Du in der Schule den einen oder anderen Führerschein machen. Im Sportunterricht hast Du fleißig für Deinen Rollbrett-Führerschein trainiert, während Du im restlichen Schulalltag üben und lernen durftest, wie man eine Schere richtig und sicher für sich selbst und seine Umwelt benutzt.

Ich fand es großartig, dass Ihr Schüler/innen Euch solche kleinen Urkunden erarbeiten und verdienen konntet. So durftest Du im Sportunterricht lernen, auf welche Arten und Weisen man sich auf einem Rollbrett alles fortbewegen kann, welche Gefahren für sich selbst oder andere die Benutzung solch eines Brettes aber auch mit sich bringt, um dann verschieden Aufgaben und Übungen darauf zu erlernen.

Nach einigen Wochen des Trainings musstest Du Deinen Lehrern/innen die verschiedenen erlernten Übungen vorführen und hattest so die Möglichkeit, Punkte für Deine Urkunde zu sammeln.

An diesem Tag kamst Du am Nachmittag freudestrahlend nach Hause und hast mir sofort stolz erzählt: <<Mama, Rollbrett, Führerschein, geschafft, tschaka!>> Mit glänzenden Augen hieltest Du mir Deine Urkunde unter die Nase und auf einem weiteren Zettel konnte ich nachlesen, was Du dafür genau alles geübt und gelernt hattest.

Wenige Tage später kamst Du mir nach der Schule unter lautem Jubel mit Deinem Scherenführerschein in der Hand entgegengelaufen. Natürlich gab es zu Hause neben einer dicken freudigen Umarmung auch eine kleine Belohnung in Form von Gummibärchen dafür, denn die liebst Du total.

Kurze Zeit später standen wir quasi bereits direkt vor den Sommerferien. Dieses Schuljahr war für uns beide nur so dahingeflogen. Ich hatte mir einige Tage zuvor schon darüber Gedanken gemacht, ob Du wohl bald ein weiteres Mal Deine Klasse wechseln würdest, denn mittlerweile warst Du bereits seit drei Jahren ein Teil der Unterstufe.

Ein paar Tage später brachtest Du einen Elternbrief aus der Schule mit nach Hause, in dem ich nun schwarz auf weiß nachlesen konnte, dass Du nach den Sommerferien auf jeden Fall eine Mittelstufen-Teenie-Motte bist und Dich somit aus der Unterstufe als direkte Klassenkameradin verabschieden wirst.

Für mein Mutterherz war es ein weiterer besonderer Moment, als ich darüber nachdachte, dass Du ja somit schon sechs Schuljahre hinter Dir hattest.

Ich weiß, ich weiß, alle Eltern oder Großeltern kennen diese Sätze und Fragen, die junge Menschen oft lachen lassen, aber die einfach so wahr sind: <<Wie die Zeit vergeht. Wo sind nur all die Jahre geblieben?>>

Ich nahm mir sofort vor, nach einer neuen Schultasche für Dich Ausschau zu halten.

Deinen damaligen Tornister hattest Du damals zur Einschulung bekommen. Das war doch etwas für kleine Schulkinder und für die letzten sechs Jahre war er auch genau richtig gewesen. Doch als Mittelstufen-Teenie-Motte braucht man eine coole Schultasche oder einen hippen Rucksack, an dem jeder, aber auch jeder sofort erkennen kann, dass man ein Teenager ist.

Als ich im Internet das ein oder andere passende Modell gefunden hatte, zeigte ich Dir Fotos davon. Diese Vorauswahl musste ich treffen, da Deine neue Schultasche ja einiges an Stauraum in Peto haben müsste, damit auch genügend Platz für Frühstück, Mittagessen, Talker, Mitteilungsheft usw. vorhanden wäre.

Dadurch, dass Du aufgrund Deiner Gluten-Sensibilität bereits schon seit einem Jahr glutenfrei ernährt wurdest, nahmst Du jegliches Essen von zu Hause mit, welches ich Dir zubereitet hatte. Somit gab es täglich eine Menge nötiger Dinge, die in die Schule transportiert werden mussten.

Du hast Dich damals für einen pinken Rucksack mit silbernen Fransen entschieden und warst glücklich und stolz, dass Dein Tornister ausgedient hatte und Du ganz bald mit Rucksack in die Schule fahren konntest.

Doch bevor es soweit war, sollten erst noch die Sommerferien vergehen, zu deren Start Du direkt zu Beginn eine Woche mit der örtlichen Lebenshilfe wieder Urlaub ohne mich, aber dafür mit vielen Freunden genießen durftest.

Ich nutzte diese Tage für mich, um aufzutanken, auszuschlafen und einfach ohne Mutterverpflichtungen ausschließlich Dinge zu tun, auf die ich spontan Lust hatte und auf die ich sonst, aufgrund Deiner Bedürfnisse oder Einschränkungen, verzichtete. Auch wenn ich hier und da mit Hilfe von lieben Menschen mal ein paar Stunden Freizeit hatte, um ins Kino oder zum Shoppen zu gehen oder dergleichen, brauchte ich diese längeren Auszeiten von der Pflege über mehrere Tage sehr. Ich glaube, jeder Mensch, der daheim einen geliebten angehörigen Menschen seit vielen Jahren pflegt, wird dies nachempfinden können.

Neben all der Liebe und aufrichtiger Hingabe für die Pflege braucht es auch für alle hin und wieder ein paar Tage am Stück Zeit, in denen man nicht nach der Uhr lebt oder seine Freizeit nach dem Terminkalender gestaltet.

Für mich war es seit vielen Jahren normal, z.B. dann ins Kino zu gehen, wenn der Terminplan Deiner großen Freundin dies zu lies, erst einmal unabhängig davon, ob die Lust auf Kino dann groß genug bei mir war oder mich das Kinoprogramm überhaupt ansprach. Umso mehr genoss ich dieses Gefühl der eigenen Freiheit, während Du allein und frei Urlaub machtest, bevor wir wieder zusammen waren.

Kaum, dass Du wieder zu Hause warst und Deine Wäsche frisch gewaschen im Kleiderschrank lag, packten wir ein weiteres Mal den Koffer, um auch ein paar Tage gemeinsamen Urlaub in Bayern zu machen.

Ein total entspannter und vor allen Dingen lustiger Urlaub war das dort. Im Auto auf der langen 10-stündigen Hinfahrt haben wir schon Tränen gelacht. Wir erleben aber auch immer die witzigsten Dinge zusammen.

Wir wohnten in einer Ferienwohnung auf einem Bauernhof, dessen Besitzer ganz herzliche und sympathische Menschen waren. Wir machten einige Ausflüge zum nahegelegenen Badesee, unternahmen eine Bootstour über den berühmten Königssee einschließlich Trompetenspiel und selbst der ein oder andere Regentag war uns egal, denn es gab einfach immer genug Schokoladeneis zu futtern.

Während eines Ausfluges hatten wir wieder einmal ein Erlebnis der besonders herzlichen und bereichernden Art. Wir wollten mit einer Seilbahn einen Berg hinauffahren, um uns die Gegend von oben anzuschauen. Aufgrund einer Aktion duften an diesem Tag alle behinderten Menschen gratis mit der Seilbahn auf den Berg hinauf.

Als ich für die Hin- und Rückfahrt bezahlen wollte, sagte Erika, die Kassiererin: <<Nein, Sie brauchen nichts bezahlen. Ich lasse Sie heute als komplette Familie spontan gratis mit unserer Seilbahn fahren.>>

Ich habe vor Freude geweint und war herrlich sprachlos. <<Danke Erika, dass es so wunderbare Menschen wie Dich gibt. An diesem Tag warst Du unsere Heldin.>>

Als wir in die Seilbahn einstiegen, warst du total aufgeregt, wie Du es immer bist, wenn Du etwas Neues erlebst und noch nicht genau weißt, was passiert oder wie es sich anfühlen wird. Karussell fahren magst Du ja bis heute total, aber diese wackelnde Gondel war Dir nicht ganz geheuer.

Als wir uns in Bewegung setzten, riefst du laut und unter nervösem Lachen: <<Huch, geht los!>>

Während der Fahrt auf den Berg hast Du mehrmals gesagt: <<Schluss jetzt hier, aussteigen...>>

Mit einem beruhigenden und amüsierten Grinsen antwortete ich: <<Wir sind doch noch gar nicht angekommen. Wir hängen doch noch in der Luft. Aber wenn wir oben sind, kriegst Du ein Schokoladeneis.>>

Na das Angebot hast Du natürlich sofort angenommen und dann doch mit dem Aussteigen gewartet, bis wir wirklich oben angekommen waren.

Wir hatten echt schöne Tage in Bayern und ich habe die gemeinsame Zeit mit dir dort sehr genossen. Dennoch war ich auch in den Sommerferien des Öfteren in meinen Gedanken versunken.

Ich hatte schon seit längerem bemerkt, dass es innerhalb meiner Beziehung nicht gut lief und hatte auch in mancher Nacht in Bayern, unbemerkt von allen anderen, die ein oder andere Träne darüber vergossen.

Ich hatte mir in den letzten Monaten immer mal wieder therapeutische Hilfe geholt, da ich mich selbst in dem Thema Paarbeziehung besser verstehen wollte, um nicht frühere Fehler meinerseits aus jüngeren Jahren in dieser Beziehung zu wiederholen. Doch mein Gefühl, dass etwas innerhalb dieser Beziehung überhaupt nicht stimmte, ungesund und so ganz und gar nicht im Gleichgewicht war, blieb bestehen.

Tagsüber schob ich diese Gedanken beiseite und genoss Deine ansteckende unbändige Lebensfreude und Leichtigkeit, in der auch ich mich innerlich absolut zuhause fühle. Unsere gemeinsame Zeit wie auch meine Arbeit in der Schule oder am Nachmittag taten mir gut und ließen mich stets leicht und frei fühlen. Darin war ich verbunden mit mir selbst und dem Leben.

So war ich weiter bestrebt, den Fokus hauptsächlich auf das zu legen, was sich lebendig anfühlte und mich glücklich machte, aber auch in dem Wissen, dass das andere auch vorhanden war.

Den Rest der Sommerferien nutzen wir beide für unseren ersten gemeinsamen Besuch beim Frauenarzt. Obwohl es für Dich eigentlich noch gar keinen Grund gab, Dich dort regelmäßig untersuchen zu lassen, wollte ich Dich ab sofort bei meinen eigenen Vorsorgeuntersuchungen mit dorthin nehmen.

Ich sah dies als tolle Gelegenheit, in der Du nun über die nächsten Jahre Stück für Stück eine gynäkologische Untersuchung erleben konntest, um Dich darin sicher zu fühlen und evtl. später mal bei Notwendigkeit weniger oder gar keine Angst vor solchen Terminen haben.

Auch würden wir zwei so eine gute Grundlage dafür schaffen, dass Du Dich im Falle des Falles überhaupt von einem ärztlichen Menschen später einmal gynäkologisch untersuchen lässt, ohne, dass Du aus Angst alles abwehrst.

Nach Rücksprache mit unserer Hausärztin hatten wir auch prompt eine Gynäkologin gefunden, welche im Umgang mit Mädchen mit Behinderungen Erfahrungen hatte. So machten wir zwei uns auf, um unsere erste gemeinsame frauenärztliche Mädels-Tour zu erleben.

Bei unserem allerersten Besuch dort brauchtest Du der Ärztin nur HALLO sagen, da wir Dir keinen Schrecken einjagen wollten. Uns war es wichtig, dass wir Dich ganz behutsam über die nächsten Jahre an diese Besuche gewöhnen wollten.

Mir persönlich lag es am Herzen, dass Du mich während meiner eigenen Kontrolluntersuchungen die gesamte Zeit beobachten und sehen durftest. Ich selbst bin, im Gegensatz zu vielen anderen Frauen, bei diesen gynäkologischen Untersuchungen total entspannt, während ich aber beim Zahnarzt fast panisch und unter Angstschweiß auf dem Untersuchungsstuhl liege.

Da Du in Deinem Leben sehr viel durch reine Beobachtung lernst und verinnerlichst, hoffte ich, dass Dir meine entspannte Haltung in Zukunft dabei hilft, dies alles ebenfalls angstfrei zu empfinden.

Du warst an diesem Tag so zur Mitarbeit motiviert, dass wir Dich amüsiert davon abhalten mussten, Dich selbst auch auf die Untersuchungsliege zu legen.

Das wäre definitiv zu früh gewesen und hätte ggf. doch spätere Ängste erzeugen können. Dafür hast Du dann quasi darauf bestanden, dass die Ärztin Dir, so wie bei mir zuvor, die Brust abtastet.

Voller Stolz hast Du uns im Anschluss angestrahlt, Deinen Daumen nach oben gestreckt und lachend gesagt: <<Super gemacht Lea, yeah!>>.

Die Gynäkologin erklärte mir, dass es sein kann, dass Du nun so gut wie ausgewachsen bist, da Du ja bereits Deine Periode hattest. Laut Statistik wachsen Mädchen ab diesem Zeitpunkt wohl nicht mehr all zu viel.

Du hattest gerade mal die 1,22m erreicht, bei einer Schuhgröße von 28. Ich hoffte einfach, dass Dein Körper doch noch für sich entscheiden würde, etwas größer zu werden, damit es Du es in der Zukunft als erwachsene Frau etwas leichter hättest, passende und schöne Kleidung zu finden.

Durch die Erklärungen der Ärztin verstand ich nun noch besser, warum Deine Gerinnungswerte im Blut oft verrücktspielten. Du musstest damals noch täglich starke Gerinnungshemmer einnehmen, welche ich Dir tagesaktuell passend zu Deinen Blutgerinnungswerten verabreichte.

Doch seitdem Du Deine Periode bekommen hattest, musste ich öfter als früher Dein Blut mittels Fingerpieks und Messgerät kontrollieren, um Dich vernünftig medikamentös versorgen zu können.

Deine Gerinnungswerte reagierten sehr sensibel auf Deinen periodenbedingten sich ständig verändernden Hormonhaushalt im Blut, als auch auf den dadurch resultierenden Blutverlust.

Wie in den Jahren zuvor brachten unter anderem auch plötzliche Wetterumschwünge oder akute Infekte diese Schwankungen mit sich. Daher war ich eh daran gewöhnt, diese Blutwerte bei Dir immer gut im Auge zu behalten und so hatten wir diesbezüglich auch keine echten nennenswerten Probleme.

Als die Sommerferien zu Ende waren, begann für Dich eine aufregende Zeit in Deiner neuen Klasse in der Mittelstufe. Wenige Tage nach Schulstart brachtest Du Deinen aktuellen Stundenplan mit nach Hause, der sich, wie in früheren Jahren auch schon, immer nach Deinen aktuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten richtete.

Ich war schon total gespannt darauf, worin in diesem Jahr Dein Lern-Schwerpunkt liegen sollte. Erholungspausen zwischen den einzelnen Unterrichtsstunden waren im Gegensatz zu früher etwas verkürzt worden.

Damit kamst Du von Anfang an super zurecht, denn Du hattest Deine Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit in den letzten Jahren toll gesteigert und warst weiterhin absolut motiviert, Dein Wissen und Können zu erweitern.

Natürlich gab es für Dich innerhalb der Schulwoche weiterhin genug Zeit für Deiner Lieblingsfächer Musik und Sport.

Du hattest auch unglaublich viel Spaß daran, dass Du nun wieder mit einer Schülerin zusammen in einer Klasse warst, mit der Du damals auch nach der Einschulung die Vorstufe durchlebt hattest.

Auch Deine neuen Lehrer/innen gaben mir nach wenigen Tagen die freudige Rückmeldung, dass Du Dich in kürzester Zeit bereits so gut in die Klasse integriert hattest, dass man meinen konnte, Du wärst schon zuvor ein Teil der Mittelstufe gewesen.

Das freute mich natürlich immens, da Dir Dein Klassenwechsel von der Vorstufe in die Unterstufe vor einigen Jahren doch sehr schwergefallen war. Auch daran konnten wir nun alle erkennen, dass Du eben mittlerweile ein Teenager und somit gereift warst.

Dieser Klassenwechsel verhalf Dir zu einem tollen eigenständigen Antrieb in vielen Dingen. So kamst Du immer öfter nach der Schule nach Hause und hast mir voller Stolz Deine Tageserzählungen auf Deinem Talker vorgespielt, welche Du zuvor in der Schule allein aufgenommen hattest.

Immer öfter ließ ich Dich auch am Morgen beim Frühstück allein vom Vortag auf Deinem Talker erzählen. Früher brauchtest Du bei diesen Dingen noch viel Hilfe und Anleitung. Doch jetzt ging es ganz eigenständig.

In Deiner neuen Klasse waren viele Kinder, die so wie Du, einen Talker zur Sprachunterstützung benutzen. Jetzt konntet Ihr tolle kleine Lerngruppen bilden, so voneinander und miteinander lernen, sodass jeder seinen eigenen Sprachschatz erweitern konnte.

An manchen Tagen kamst Du besonders fröhlich und begeistert aus der Schule und zwar immer dann, wenn Ihr in der Schule wieder Mädelskram gemacht hattet.

In manchen Unterrichtsstunden wurden Jungen und Mädchen innerhalb Eurer Klasse getrennt. Da Du in der Mittelstufe auch einen Lehrer hattest, machten die Jungs eben mit ihm Jungenskram und ihr Mädchen mit Eurer Lehrerin Mädelskram.

In dieser Zeit habt Ihr Mädels Euch verkleidet, lustige Fotoshootings im Anschluss gemacht, Euch die Fingernägel lackiert oder anderweitig geschminkt. Es war einfach herrlich, Deine Freude daran mitzuerleben, denn manchmal brachtest Du das ein oder andere Foto von Dir aus diesen Unterrichtsstunden mit nach Hause, während Du beim Erzählen vor Begeisterung und Freude fast das Atmen vergaßt.

Hin und wieder hattest Du Tage, an denen Dich irgendwie alles nervte und alles irgendwie komisch war. Tja, wir Mädels kennen das seit Ewigkeiten und wissen, dass diese kleinen Hormone in uns manchmal sehr lustige Ideen haben, uns aber auch hin und wieder extrem nerven. Aber auch das gehört zum weiblichen Teenagersein dazu.

Ehe wir uns versahen, standen auch schon die Herbstferien und somit Dein 13.Geburtstag vor der Tür. Da Du ja, wie erwartet, einen riesigen Spaß am Trommeln hattest und die Musik vom Trommelzauber noch immer bei uns daheim fast in Dauerschleife lief, hatte ich Dir natürlich zu Deinem 13. Geburtstag eine eigene kleine afrikanische Djembe-Trommel besorgt.