Wer zweimal stirbt, ist länger tot - Mary Janice Davidson - E-Book

Wer zweimal stirbt, ist länger tot E-Book

Mary Janice Davidson

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Beschreibung

Betsy Taylor trauert um ihren verstorbenen Freund Marc. Zugleich kämpft sie jedoch auch mit Familienproblemen der besonderen Art. Ihre Halbschwester Laura will Satans Gehilfin werden. Und dazu muss sie Betsy töten ...

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MARYJANICEDAVIDSON

WER ZWEIMAL STIRBT,

IST LÄNGER TOT

Roman

Ins Deutsche übertragen

von Barbara Först

Zu diesem Buch

Betsy Taylor hat es endgültig satt! Eigentlich sollte man meinen, dass so ein Leben als Vampirkönigin ganz angenehm ist – wozu hat man schließlich Untertanen (und einen Ehemann)?! Doch in letzter Zeit läuft wirklich nichts, wie es soll: Betsys bester Freund Marc hat sich das Leben genommen, in der Hoffnung, die Zukunft, in der aus Betsy eine teuflische Tyrannin wird, zu verhindern. Und obgleich Betsy dieses Opfer zu schätzen weiß: Er hätte es nicht unbedingt in ihrem Haus tun müssen! Dann ist da noch die Tatsache, dass ihre Halbschwester Laura der Antichrist und Lauras Mutter Satan ist … Wahrlich keine guten Voraussetzungen für künftige Familientreffen. Zumal sich Laura, seit sie und Betsy von ihrem Kurztrip in die Hölle zurückgekehrt sind, ausgesprochen seltsam verhält … das heißt, noch seltsamer als gewöhnlich. Betsy ahnt, dass das mit dem Jobangebot zusammenhängt, das Laura unterbreitet wurde: Sie soll Satans Gehilfin werden, und dafür muss sie Betsy – ihr eigen Fleisch und Blut! – töten. Nur über Betsys Leiche! Und, so wie es aussieht, auch über Marcs, denn gerade als Betsy den Plan fasst, ihren Freund von den Toten zurückzuholen, taucht dieser plötzlich von selbst wieder auf …

Allen Frauen, die im neunten Monat schwanger sind,

gilt mein tiefstes Mitgefühl.

Nichts gegen das Wunder des Lebens.

Aber der Eigentümer eines abbruchreifen Hauses zu sein,

ist kein Job für zaghafte Gemüter.

Eine Bemerkung vorab

Ich bin ein Hundemensch. Das meine ich ganz ehrlich – obwohl Sie, nachdem Sie diesen Roman gelesen haben, möglicherweise Zweifel daran hegen. Betsy und ich haben so einiges gemeinsam: unsere Eitelkeit, die Unfähigkeit, aus unseren Fehlern zu lernen, Stutenbissigkeit, die Neigung, in markerschütterndes Geschrei auszubrechen, wenn wir es mit der Angst zu tun bekommen, sowie … Ach, wissen Sie was? Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit, Leute. Was ich damit sagen wollte: Zu unseren vielen Gemeinsamkeiten gehört nicht Betsys Abscheu vor Hunden. Hunde sind toll! Wie jeder weiß.

Was bisher geschah

Vor drei Jahren wurde Betsy (»Bitte nennen Sie mich nicht Elizabeth«) Taylor von einem Pontiac Aztek überfahren. Weil sie einige Tage zuvor von verwilderten Vampiren angegriffen worden war, starb sie nicht daran, sondern durch die Schuld der Firma Pontiac. So etwas hatte es in der Geschichte der Vampire noch nie gegeben. Betsy erwachte als die prophezeite Königin der Vampire, biss ihren Freund Detective Nick Berry, zog aus der Vorstadt in eine Villa in St. Paul, löste mehrere Mordfälle, verlor einige Angehörige (ihren Vater, ihre Stiefmutter), wurde die Pflegemutter ihres Halbbruders, mied konsequent das Zimmer, in dem das Buch der Toten aufbewahrt wurde (Buch der Toten, das: die Bibel der Vampire, verfasst von einem geisteskranken Vampir und geschrieben auf Menschenhaut; ein Buch, das bei zu langem Lesen Irrsinn auslöst), heilte ihre krebskranke beste Freundin, besuchte ihren alkoholabhängigen Großvater (zweimal), löste ein paar Entführungsfälle, erfuhr, dass ihr Gemahl Eric Sinclair, der König der Vampire, ihre Gedanken lesen konnte (sie konnte von Anfang an die seinen lesen), und lernte, dass die Biester nichts Gutes im Schilde führten (Biest, das: Vampir, dem man nur Blut von – toten – Tieren gibt; Vampir, der schnell verwildert).

Ferner warf sich Betsys Mitbewohnerin Antonia, eine Werwölfin aus Cape Cod, in die Schusslinie, als auf Betsy geschossen wurde, bekam die Kugel in den Kopf und rettete der Vampirkönigin das Leben. Die Geschichte, dass Kugeln Vampiren nichts anhaben können, stimmt nicht. Schießen Sie nur genug Blei in das Gehirn eines Blutsaugers, dann werden Sie schon erleben, dass er nicht mehr aufsteht. Zu guter Letzt beging Garrett, Antonias Liebhaber, Selbstmord, nachdem er vom Tod seiner Liebsten erfahren hatte.

Und als hätte das noch nicht gereicht, wurde Betsy nach Cape Cod, Massachusetts, beordert, wo Antonias Rudel lebte. Als die äußerst scharfzüngige Antonia noch Mitglied des Rudels war, hatte sich niemand sonderlich um sie geschert. Nun aber, nachdem sie ihr Leben für eine Vampirin geopfert hatte, hatten ein paar Tausend wutentbrannte Werwölfe peinliche Fragen an die Königin.

Während Betsy, Sinclair, Baby Jon und Jessica auf Cape Cod weilten und ihr Bestes taten, um diese Fragen zu beantworten, waren Marc, Laura und Tina in Minnesota geblieben. (Tina musste stellvertretend Betsys Regierungsgeschäfte übernehmen, Marc hatte keinen Urlaub bekommen, und Laura drehte heimlich, still und leise durch.)

Betsy war noch nicht lange fort, als Tina verschwand. Und Marc fiel auf, dass in der Villa immer mehr Teufelsanbeter auftauchten, die sich Laura, dem Antichristen, zu Füßen warfen.

In einem konfusen Versuch zu helfen (möglicherweise durch den Stress seines erbärmlichen Liebeslebens bedingt – als Notarzt arbeitete Marc so viel, dass es selbst den miesesten kapitalistischen Ausbeuter grausen würde) schlug Marc Laura vor, sie solle ihre »Anhänger« doch zu wohltätiger Arbeit in Suppenküchen und ähnlich karitativen Einrichtungen überreden.

Ein Vorschlag, den Laura mit Feuereifer aufgriff. Doch dann verfiel sie auf die glorreiche Idee, ihre verblendeten Anbeter könnten doch gleichzeitig den Abschaum der Gesellschaft eliminieren, zum Beispiel Kreditberater, Gesetzesflüchtige, betrügerische Bauunternehmer und nicht zuletzt … Vampire.

Währenddessen diskutierte Betsy am Cape mit Michael Wyndham, dem Alphawolf der weltweit dreihunderttausend Werwölfe, und spielte Babysitterin für Lara Wyndham, die künftige Leitwölfin und derzeitige Erstklässlerin.

Mit Sinclairs Hilfe (und Jessicas Unterstützung, die halb freudig, halb widerwillig Baby Jon sittete) konnte Betsy schließlich die Werwölfe überzeugen, dass sie Antonia nicht mit Absicht geschadet hatte. Vielmehr hatte sie die Werwölfin geachtet und geliebt. Sie bedauerte Antonias Tod und wollte in Zukunft versuchen, Michael zu unterstützen … nicht als Begleichung einer Schuld, sondern um sich erkenntlich zu zeigen. Sie würde Antonias Rudel zur Seite stehen, wann immer ihre Hilfe gebraucht würde.

Außerdem fiel Betsy auf, dass ihr Halbbruder und Pflegesohn Baby Jon unempfindlich für paranormale und magische Beeinflussung war. Dies wurde offenbar, als ein jugendlicher Werwolf seine erste Verwandlung durchmachte und das Baby angriff. Baby Jon fand das sehr lustig, stieß ein wenig auf und schlief ein.

Obwohl Baby Jon durchaus nicht unverwundbar war, konnten ihm weder der Biss eines Werwolfs noch der Sarkasmus eines Vampirs, der Fluch einer Hexe oder die Schuppen eines Kobolds etwas anhaben. Betsy war sehr erstaunt. Sie hatte immer schon vermutet, dass Baby Jon anders war, jedoch nicht, in welcher Weise.

Sinclair, der den Kleinen bis zu diesem Zeitpunkt einigermaßen toleriert hatte, verwandelte sich augenblicklich in einen stolzen Vater (»Das ist ganz mein Sohn«) und begann, Ränke zu schmieden … äh, über die Erziehung und Ausbildung des Kleinen nachzudenken.

Daheim auf der Ranch (eigentlich eine Villa auf der Summit Avenue in St. Paul) war Laura mehr oder weniger dem Wahnsinn verfallen. Sie hatte dafür gesorgt, dass Marc keine Hilfe holen konnte (nachdem er gemerkt hatte, dass kein Handy mehr funktionierte, schlich er sich auf der Suche nach einem Telefon aus dem Haus, doch die Teufelsanbeter hefteten sich an seine Fersen und hinderten ihn höflich, aber bestimmt daran, Hilfe zu holen). Währenddessen machten Laura und ihre Anhänger weiter fleißig Jagd auf Vampire.

Schließlich wurde Betsy klar, dass zu Hause einiges im Argen liegen musste. (Marc hatte ihr eine Menge SMS voller unverständlicher Akronyme geschickt. Erst Derik, der Werwolf, konnte ihr übersetzen, was damit gemeint war.) Betsy kehrte gerade zur rechten Zeit zurück, um in einen Schlagabtausch zwischen Vampiren und Satansjüngern zu geraten.

Betsy gewann diesen Kampf, aber nur deshalb, weil sie Laura im letzten Moment den K.o.-Schlag verpasste.

Für eine Weile gingen alle getrennte Wege. Niemand wollte über das Vergangene reden.

Drei Monate später beschloss Betsy, den Antichristen bei den – sprichwörtlichen – Hörnern zu packen, und lud ihre Stiefschwester zu einer Shopping-Tour in die Mall of America ein. Bei der Gelegenheit erfuhr sie, dass der Antichrist jede Sprache der Welt fließend beherrschte, jedoch keine Ahnung von Leinwand-Teufeln hatte. Also entführte Betsy ihr Schwesterlein zu einem Teufelsfilm-Marathon in der Villa (Al Pacino als Satan, Elizabeth Hurley als sexy Satan und das Baby aus Rosemaries Baby). Laura gestand, dass sie Schuldgefühle hegte, wann immer sie versuchte, etwas über sich selbst oder über Satan, ihre Mutter, herauszufinden. (»Es ist, als würde ich meinen Adoptiveltern ins Gesicht schlagen, wenn ich an Satan denke.«) Ungefähr zur gleichen Zeit merkte Betsy, wie sehr es sie nervte, diesen ewig gültigen Vampirratgeber, das Buch der Toten, im Haus zu haben, wenn sie aus Angst, dem Wahnsinn zu verfallen, noch nicht einmal wagte, darin zu lesen.

Also schlossen sie und Satan einen Handel ab, der zum damaligen Zeitpunkt durchaus sinnvoll erschien: Betsy sollte Laura helfen, ihre Kräfte besser kennen- und nutzen zu lernen, und im Gegenzug würde der Teufel dafür sorgen, dass Betsy das Buch ohne irrsinnige Nebenwirkungen lesen konnte.

Laura erhielt nicht nur Waffen (Stichwaffen und eine Armbrust, die normalerweise in der Hölle lagerten, bis sie sie heraufbeschwor), sondern erfuhr auch, dass sie die Fähigkeit der Teleportation besaß. Cool, was? Nun ja, vielleicht auch nicht. Tatsächlich erwies sich besagte Fähigkeit als problematisch, da Laura nicht nur im Raum teleportieren konnte, sondern auch in der Zeit. So reisten Betsy und Laura in rascher Folge nach Massachusetts, zu den Hexenprozessen im Salem des ausgehenden 17. Jahrhunderts, nach Hastings, Minnesota, bevor die Spiral Bridge abgerissen wurde (also irgendwann zwischen 1895 und 1951), und zu guter Letzt in die Zukunft.

Tausend Jahre in die Zukunft. Und – die Zukunft? Das pure Grauen. Eine Art Umweltkatastrophe hat sich ereignet, und das Minnesota der Zukunft erlebt härtere Winter als je zuvor. Natürlich möchte niemand am vierten Juli einen Hitzschlag erleiden, aber Frostbeulen und Tod durch Erfrieren sind allemal schlimmer. Und da die Durchschnittstemperatur im Juli 3010 dreißig Grad unter null beträgt, dürfte der Markt für Sonnenschutzmittel drastisch eingebrochen sein.

Tatsächlich ist in der Zukunft auch niemand reich, ausgenommen die Betsy der Zukunft. (Wer hätte das gedacht?) Alle anderen hängen in Untergrund-Enklaven herum und versuchen, nicht zu erfrieren.

Und was das Widerlichste ist: Der Marc der Zukunft ist ein Vampir. Und nicht bloß irgendein Vampir … nachdem er jahrhundertelang Betsys persönlicher Prügelvampir war, ist er gefährlich und wahnsinnig geworden. Laura und Betsy müssen nur einen Blick auf ihn werfen, um zu wissen, wie schlimm es um ihn steht. Sie können es nicht ertragen, in seiner Nähe zu sein.

Auch Baby Jon weilt in der Zukunft noch unter den Lebenden und ist so strahlend und liebenswürdig, wie Marc unheimlich und wahnsinnig. Baby Jon will Betsy partout nicht verraten, wie es möglich ist, dass er tausend Jahre in der Zukunft munter umherspaziert, ohne ein Vampir zu sein, obwohl sie ihn anfleht, es ihr zu sagen.

In der knappen Dreiviertelstunde, die Laura und Betsy in der Zukunft verbringen, stellen sie fest, dass die Betsy der Zukunft das Land (zum größten Teil) unter ihre Herrschaft gebracht hat, dass sie Zombies züchten und beherrschen kann und dass sie keinerlei Mitleid mehr empfindet, für niemanden. Doch schlimmer noch: Sinclair und Tina sind nirgends zu finden. Und niemand will darüber sprechen … außer dem untoten Marc, doch die ältere Betsy will das nicht erlauben und schickt ihn fort. Und Baby Jon macht ebenfalls einen furchtbar unbehaglichen Eindruck …

Betsy und Laura kehren in die Gegenwart zurück und schwören einander, dass sie eine Möglichkeit finden wollen, die Zukunft zu retten. Oder gar nicht erst geschehen zu lassen. Laura teleportiert Betsy in die Villa und geht ihrer eigenen Höllenwege.

Nach ihrer Rückkehr stellt Betsy fest, dass Tina und Sinclair sich erinnern, sie in der Vergangenheit getroffen zu haben. Sie haben immer schon gewusst, dass Betsy eines Tages auf Zeitreise gehen würde, konnten ihr jedoch nur dadurch helfen, indem sie ihr nicht im Wege standen.

Zu Betsys Erstaunen ist Jessica hochschwanger, und zwar von Nick Berry. Und Nick freut sich sogar, Betsy zu sehen. Da sie ihr jüngeres Ich daran gehindert hat, sich von ihm zu nähren, hat er nun kein Vampir-Trauma mehr. Außerdem besteht er in diesem Zeitstrom darauf, mit »Dick« angeredet zu werden – eine Änderung, mit der Betsy enorme Probleme hat.

Nun muss Betsy ihren Lieben alles über die Zukunft gestehen und dass sie jetzt in einem Zeitstrom leben, an dem herumgepfuscht wurde. Sie müssen sich überlegen, wie sie – um es mit Betsy zu sagen – »am besten aus der Scheiße rauskommen«.

Unglücklicherweise beinhaltet Betsys Plan, aus der Scheiße rauszukommen, einen Kampf mit dem Antichristen, das Erwachen in einem Chicagoer Leichenschauhaus und die Erkenntnis, dass die Marc-Kreatur ihr aus der Zukunft gefolgt ist und dem menschlichen Marc genug über seine unselige Zukunft erzählt hat, dass dieser sich das Leben nimmt. Danach tötet Betsy die Marc-Kreatur. Doch zuvor ist sie (wieder einmal) in die Hölle gereist und hat den Teufel überredet, Antonia wieder zum Leben zu erwecken und in der Villa wohnen zu lassen. Satan versucht, Betsy zu erklären, dass das Buch der Toten aus Sinclair besteht, aber Betsy lehnt es schlichtweg ab, der Lady der Lügen zu glauben, was den Teufel wiederum sehr freut. Flugs mopst Laura das Buch der Toten, damit Betsy es nicht lesen und somit auch nicht herausfinden kann, was Sinclair wirklich widerfahren ist.

Zweimal Hölle und zurück endet mit Betsys Erkenntnis, dass es viel Wunderbares, dafür aber auch viel Schreckliches in ihrem Leben gibt, das sich die Waage hält. Sie ist jedoch fest entschlossen, dass dies nicht sein darf, und schwört sich, eine Möglichkeit zu finden, um Marc wieder zum Leben zu erwecken, und alles zu tun, damit sie nicht dieses eisige Ungeheuer der Zukunft wird, die ältere Betsy.

Wer zweimal stirbt, ist länger tot beginnt nicht einmal eine Woche nach diesem Entschluss …

Betet … dass ihr uns niemals rufen müsst.

The Frog Brothers, The Lost Boys

Seht, ich enthülle euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, aber wir werden alle verwandelt werden.

1. Korintherbrief 15,51

Wissen Sie, welche Verbrechen die Bibel außerdem mit dem Tod bestrafen will? Den Ehebruch, die Prostitution, die Homosexualität, das unerlaubte Betreten heiliger Orte, Gotteslästerung am Sabbat und Ungehorsam gegenüber den Eltern.

Schwester Helen Prejean, Dead Man Walking

Ich werde sie töten. Jeden, der in irgendeiner Weise davon profitiert hat. Jeden, der mir in die Augen sieht.

John Creasy, Mann unter Feuer

Die Welt, sofern sie sich in meiner Reichweite befindet, wird nicht mehr dieselbe sein.

Thomas Harris, Hannibal

[Christian] Louboutin trug maßgeblich zur Renaissance der Stilettos in den 1990er und 2000er Jahren bei, indem er Dutzende von Modellen entwarf … Das erklärte Ziel des Designers ist es, eine »Frau sexy und schön« und ihre »Beine so lang wie möglich zu machen« … Louboutins Markenzeichen sind seine eleganten Abendschuhe, für die er edelsteinbesetzte Riemen, Schleifen, Federn, Lackleder und ähnliche dekorative Elemente verwendet.

Wikipedia (engl.)

Ein reines und unschuldiges Gewissen fürchtet nichts.

Elizabeth Tudor, Königin

Beides hab ich nicht.

Elizabeth Taylor, Vampirkönigin

Prolog

Liebe Betsy,

ich bin jetzt fort, doch nicht für immer. Konnte dich doch nicht verlassen, ohne dir den Exklusivbericht zu geben, also spitz die Lauscher!

Eins vorweg: Mach dir keine Vorwürfe – obwohl du es natürlich doch tun wirst. Schon jetzt, da ich diesen Brief schreibe, halte ich es für arge Zeitverschwendung, aber ich springe ins kalte Wasser und versuche es trotzdem. Also: Mach dir keine Vorwürfe, dumme Nuss!

Ich wollte es. Ehrlich gesagt hatte ich immer schon eine Neigung zum Freitod. Das liegt sogar in meiner Familie (wie auch der Hang zum Alkoholismus und die Fähigkeit, ein Bett ordentlich zu beziehen). Scheiße, erinnerst du dich noch an den Abend, an dem wir uns kennenlernten? Ich wollte einen Schwalbensprung vom Dach des Krankenhauses machen, und du hast es nicht zugelassen. Du hast mich gerettet … für eine Weile.

Jetzt rette ich dich.

Das erscheint mir nur fair.

Es ist auch nur fair, dass du den anderen keine Vorwürfe machst. Im Nachhinein erscheint es leichtfertig und riskant, mich so lange mit dem Vampir reden zu lassen, nicht wahr? Klar, hinterher ist man immer schlauer.

Aber es ist nicht ihre Schuld. Ich habe ihnen nur das Notwendigste erzählt. Damit sie sich keine Sorgen machten, weil ich immer wieder zu der Kreatur im Kellerverlies zurückkehrte. Sie wollten mich ebenso retten wie du. Und sie wissen nicht einmal ein Fünftel dessen, was ich weiß.

Sich selbst bei der Schilderung der furchtbaren Verbrechen zuzuhören, die man eines Tages verüben wird, ist ein besonderes Erlebnis, das will ich gar nicht leugnen. Aber bevor du dir ein Stuhlbein oder Ähnliches schnappst und in den Keller marschierst, um mein anderes Ich wie ein John Wayne mit Fangzähnen zu töten, musst du mir bitte glauben, dass der andere Marc mich nicht verflucht hat, mir dies anzutun!

Er hat mir nur prophezeit, was geschehen wird, wenn ich es nicht tue. Glaube mir, danach ist mir die Entscheidung überhaupt nicht schwergefallen.

Also habe ich mich selbst gerettet. Und ich habe dich gerettet. Und war froh darüber. Weißt du, warum?

Weil ich dich liebe, dumme Nuss. Ich liebe dich seit unserer ersten Begegnung. Du bist wie die kleine Schwester, die ich nie haben wollte. (Scherz. Kein sehr guter, das geb ich zu.) Und genau in diesem Augenblick hegst du bestimmt düstere Gedanken, dass du deine Freunde nicht beschützen kannst, dass das Dasein als Vampirkönigin dein Leben ruiniert hat, dass kein Job auf der Welt diesen Aufwand wert ist und warum du bloß nicht vorhersehen konntest, dass ich mich umbringen würde, bla, bla, bla.

Doch lass mich dir eine ewig gültige Wahrheit verraten: Dich zu kennen hat in mir immer nur ein Gefühl hervorgerufen. Nicht Angst, nicht Gier, nicht Wahnsinn, Wut oder Verzweiflung. Sondern schlicht und einfach: Glück.

Dich zu kennen hat mich glücklich gemacht. Selbst jetzt, da ich meinen kleinen Opiate-Cocktail braue, bin ich glücklich. Ich bestimme selbst, auf welche Weise ich diese Welt verlasse, und habe insofern mehr Glück, als der arme Bastard im Keller jemals haben wird. Sieh nur, welchen Preis er am Ende bezahlt hat!

Indem ich mir dies antue, mache ich eine Riesensauerei rückgängig.

Aber nimm mich nicht beim Wort.

Geh in den Keller und frag mich. Frag mich nach dir. Was ich dir erzähle, wird dir nicht gefallen, doch du wirst hinter meinem grausigen Lächeln die Wahrheit erkennen.

Ich liebe dich.

Ich sehe dich wieder. Glaub es ruhig.

Dein Freund

Marc

1

Ich gehörte früher mal zu diesen Spinnern, die auf Beerdigungen abfahren – unglaublich, was? Die Leute pflegen zu Beerdigungen ihre besten Schuhe anzuziehen. Wohlgemerkt: Zu Hochzeiten tun sie dies nicht. Sie durchwühlen ihren Schrank, denken an Braut und Bräutigam und sinnieren: »Ja, diese Schuhe sind noch okay, ich muss nicht extra shoppen gehen«, und ziehen ohne Bedenken die Pumps der letzten Saison an.

Bei einer Beerdigung hingegen denken sie: »Ach Gott, als ich Tante Ginny das letzte Mal gesehen hab, war ich so hässlich zu ihr, und jetzt ist sie tot.« Und flugs werden die neuen Guccis hervorgekramt.

Ich selbst habe ja in dieser Hinsicht großes Glück gehabt. Ein Wahnsinnsglück. Und es war mir nicht einmal bewusst. Wenn ich an Beerdigungen dachte, dann immer so oder so ähnlich: »Mensch, Tante Ginny hat Cousin Brian ständig runtergemacht, jetzt frag ich mich, was er wohl zu ihrer Beerdigung tragen wird?« Ich musste nie erleben, dass ein Mensch begraben wurde, den ich wirklich liebte. Na ja, abgesehen von Dad. Doch auf seiner Beerdigung war ich schwer angefressen und deshalb nicht ganz bei der Sache. (Wie sich später herausstellte, war eine böse Bibliothekarin hinter mir her, und zwar nicht wegen gesalzener Überziehungsgebühren. Außerdem spielte in dieser Geschichte ein Verlobungsring eine Rolle, der mit einem Fluch belegt war. Ein Albtraum, das alles. Einfach schrecklich.)

Ich bin oft nicht bei der Sache, und wenn ich es zufällig doch einmal bin, richte ich meine Aufmerksamkeit auf die falschen Dinge. Typisches Beispiel: mein toter Freund Marc. (Und die Zukunft, aber darüber kann ich im Moment wirklich nicht nachdenken. Bitte nicht mehr als eine Seelenkrise auf einmal!)

Einst, vor langer, langer Zeit – in meinem Kopf ist es eine lange Zeit, im wirklichen Leben jedoch keine fünf Jahre her – habe ich einem Mann den Selbstmord ausgeredet. Und vor nicht einmal einer Woche hat er sich umgebracht. Ich schäme mich, weil ich es nicht vorausgesehen habe. Wenn man weiß, dass jemand Tendenzen zum Freitod hat, könnte man doch Anzeichen bemerken? Er hatte es sich ja praktisch mit rotem Edding auf die Stirn geschrieben!

Ich war übrigens nicht auf Marcs Beerdigung. Keiner von uns war da. In den Briefen, die er mir hinterließ, hat er es strikt verboten. Auch sein Tagebuch hat er mir hinterlassen. Worte, Worte, überall stieß ich auf seine Worte. Im Tod hat er mich mehr genervt als zu Lebzeiten … ganz schön listig, wenn man bedenkt, dass er auf der Nerv-Skala gleich hinter meiner Freundin Jessica kam. Okay, und vielleicht noch hinter Mom.

Ich konnte es nicht ertragen, zu viel von ihm zu lesen. Ich brach in Tränen aus und sah furchtbar aus, und dann heulte ich noch mehr und brachte meinen Ehemann dazu, Mitleid mit mir zu haben, sodass wir es schließlich aus Mitleid machten. Es war toll, aber auch traurig.

Und dennoch …

Marcs Abschiedsworte klangen irgendwie so, als hätte er immer gewusst, dass er ein paar Jahre nach unserer ersten Begegnung sterben würde. Aber er schreibt nicht, warum er das wusste. Verbreitet sich nur in seinem Tagebuch und seinen Abschiedsbriefen darüber. Wer schreibt schon Abschiedsbriefe? Er hat mir sogar ein Abschieds-Drehbuch verfasst, der herzlose Mistkerl … denn er wusste ganz genau, dass ich nichts lese außer Vom Winde verweht und Pat Conroy. Er wusste, dass er vom Schicksal verdammt war, er hatte einen Plan, aber warum er es tat, hat er mir nie gesagt.

Das fand ich doch ziemlich merkwürdig.

Ich finde nie etwas merkwürdig. Es muss also an den Zeitreisen oder sogar an mir liegen. Ich will mich hier nicht selbst beweihräuchern, aber schließlich bin ich die Königin der Vampire. Einer meiner besten Freunde hat sich umgebracht, damit mein böses Ich aus der Zukunft ihn nicht in die furchtbare Marc-Kreatur verwandeln kann.

Nun denn. Ich bin ziemlich sicher, dass es hier nicht nur um mich geht, doch ich spiele auf jeden Fall eine tragende Rolle.

Also, Zeit, an die Arbeit zu gehen.

Mach’s dir im Tod nicht zu gemütlich, Marc!

Denn ich komme bald.

2

»Was meinst du damit – sie ist tot?«

»Betsy, ich hab fürchterlich viel um die Ohren, zum Beispiel, weil ich gerade ein neues Leben erschaffe. Könntest du also zur Abwechslung mal zuhören? Hast du nicht gesehen, wie sich meine Lippen bewegen?«

Die bewegen sich doch andauernd, dachte ich, sagte es aber nicht laut. Jessica war es jetzt immer entweder zu kalt oder zu warm, sie war am Verhungern, abgesehen von den Zeiten, wo sie kotzte, oder schlimmer noch: Sie verhungerte, während sie kotzte (ich wollte lieber gar nicht darüber nachdenken, wie das nun gehen sollte). Sie war wütend, und sie war überschwänglich. Sie schwamm in Tränen oder in Zorn. Sie war genervt, und sie war giftig. Sie war meistens wütend, es sei denn, sie weinte, und am schlimmsten war es, wenn sie vor Wut weinte. Das war das Allerschlimmste. Selbst meine Vampir-Superkräfte kommen mit einem Weinkrampf nicht klar.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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