Wie aus dem Ei gepellt - Martina Meier - E-Book

Wie aus dem Ei gepellt E-Book

Martina Meier

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Beschreibung

Es war einmal ein alter Wald, der die Zeit überdauert hatte. Er wirkte verwunschen, wenn die weißen Nebelschwaden sich durch das satte Grün der moosbewachsenen, knorrigen Bäume schlängelten. Schickte die Sonne ihre hellen Strahlen zur Erde, dann entfaltete sich die Magie des Waldes, indem das Licht, das durch die alten Baumkronen fiel, am laubbedeckten Boden malerisch tanzte, als wäre es ein musikalisch komponiertes Lichterspiel. Die wunderbare Farbenpracht der Sonne und der Blüten und Blätter verzauberten jeden, der seine Füße auf die moosige, feuchte Erde setzte. Der Duft der Gräser, der Blumen und der harzigen Rinden vollendete das wohltuende Erlebnis in diesem malerischen Fleckchen der Welt zu wandeln.Das war das Zuhause von Mateo. Er war klein, flauschig und hatte lange Schlappohren, die immer wieder im Weg waren, wenn er versuchte, vergnügt am Waldboden zu hoppeln. Seine Ungeschicktheit machte ihm manchmal zu schaffen, aber er hatte andere Qualitäten. Sein feines, zartes Näschen ließen ihn die besten Leckerbissen erschnüffeln, die zwischen den großen Bäumen wuchsen. Mateo war im Großen und Ganzen ein glücklicher Hase. Er liebte es, die Zeit mit seinen beiden besten Freunden zu verbringen ...Mit unseren Märchen, Gedichten und Erzählungen Wie aus dem Ei gepellt ... starten wir auch in diesem Jahr wieder in ein schönes Frühjahr und wünschen allen kleinen und großen Leserinnen und Lesern: Frohe Ostern! Als Bonus gibt es in diesem Buch die Texte aus dem gleichnamigen Schreibwettbewerb für Kinder und Jugendliche Wie aus dem Ei gepellt ...

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Wie aus dem Ei gepellt

Erzählungen, Märchen und Gedichte zur Osterzeit

Band 6

Martina Meier (Hrsg.)

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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.papierfresserchen.de

[email protected]

© 2020 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstraße 10, 88085 Langenargen

Telefon: 08382/9090344

Alle Rechte vorbehalten.

Erstauflage 2020

Coverillustration mit einem Bild von © sidliks - Adobe Stock lizenziert

ISBN: 978-3-86196-924-2 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-86196-951-8 - E-Book

Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM

www.literaturredaktion.de

[email protected]

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Inhalt

Vom fleißigen Osterhasen

Ostereier für die Waldfee

Aufregung im Osterwald

Der Osterhase Benny und wir

Hilfe aus der Oster-Galaxie

Rosarot

Das Märchen vom Kelterjockel

Das Dankeschön-Geschenk

Häsische Eiersuche

Wo sind die Geschenke?

Grüße vom Hasi

Silberpapier

Osterzauber

Osterfreude

Einzigartig erfreuliche Eier

Anthony Brush vulgo Anton Pinsel

Vom gelangweilten Osterhasen

Den Osterhasen gibt’s doch gar nicht

Ostern ist nicht Weihnachten

Frostige Ostern

Das Osterproblem

Rot, blau, grün zu Ostern

Dreierlei Osterei

Ostertrubel

Osterhasenprüfung

Marie

Osterüberraschung

Lilly

Wo der Hase grüßt

Das hässliche Küken

Toni entdeckt ein Geheimnis

Der Osterhase

Palmsonntag im Leben eines Kletterers

Amando

Der Feuerfalter

Die Freude in uns

Aus meinem Tagebuch

Das Osterland der Hasen

Die Eierkrise

Osterhase abzugeben

Lieber Osterhase

Karins neue Freundin

Der Hase faul im Grase lag

Künstlerküken

Betzi, der Hase mit den überlangen Ohren

Meister Lampe

Osterflohmarkt

Wer kennt ihn?

Der Osterlaus

Die Schönheit des Frühlings

Kirschblütensia und Kirschblütinchen

Grün

Beiträge aus dem Schreibwettbewerbfür Kinder und Jugendliche

Wie aus dem Ei gepellt

Die Rettung von Ostern

Was bin ich?

Eine Osterhasengeschichte

Der Tag, an dem ich Lemony traf

Zwei Hennen auf Weltreise

Mission Osterhase

Hase Hängeohr

Osterhase Hoogma

Eine flauschige Kugel

Der Osterhase

Auch kleine Hasen können Großes bewirken

Das neugierige Schneeglöckchen

Das gerettete Osterfest

Osterhasen gibt es nicht

Meine Insel ist meine Familie

Der kleine Fritz wollte Osterhase werden

Die Fee und die freche Chejnar

Endlich Freunde

Der Osterdieb

Freunde helfen immer

Aufregung in der Osterwerkstatt

Nur ein Traum?

Wie aus dem Ei gepellt

Die Osterzwerge

Gump sucht die Ostereier

Kleine Hasen ganz groß

Luca, der Osterhase, und die verlorenen Ostereier

Osterhase, Mümmelnase

Ostern mal anders

Ameise, Maus und Ostern

Es gibt keinen Osterhasen

Der Osterdieb

Wo sind denn die Eier hin?

Die gestohlenen Ostereier

Es gibt ihn doch, den Osterhasen!

Das schönste Osterfest

Osterhasen Incorporated

Ostereidüpfen

Die Rettung des Osterhasen

Der geplatzte Traum

Der Osterhase und das Küken

Abenteuer in vier Dimensionen

Verrückte Ostern

Das verlorene goldene Ei

Eine besondere Überraschung

Ein fauler Streich

Der Osterhasentausch

Ostern mal anders

Mission: Ostern retten

Das Küken im Ei

Das große Osterabenteuer

Wie der Osterhase zu uns kam

Fällt Ostern etwa aus?

Der Frühling

Das Ostervideospiel

Futterneid geht selten gut

Der geklaute Osterhase

*

Vom fleißigen Osterhasen

„Kommt der Osterhase auch ganz bestimmt nach Portugal?“

„Wie oft hast du uns diese Frage schon gestellt?“

Max legte die Stirn in Falten. Er überlegte lange und ernsthaft, zählte an seinen kurzen Fingern der einen Hand, nahm die zweite hinzu, zählte weiter, gebrauchte wieder die erste Hand und wieder die zweite. Ein mühseliges Unterfangen, bei dessen Betrachtung seine Mutter unwillkürlich lächeln musste. Nach einer kleinen Ewigkeit murmelte er: „Ungefähr dreiundzwanzig Mal?“ Erwartungsvoll schaute er seinen Vater an.

Dieser zuckte mit den Achseln. „Mindestens! Mindestens dreiundzwanzig Mal hast du uns diese Frage gestellt!“ Damit wandte er sich wieder seinem Omelette mit Schinken und Pilzen zu.

Max betrachtete seinen Vater, der jeden Bissen verschlang, als hätte er seit Tagen gehungert, das Omelette, das beständig die Form veränderte, während sein Vater aß. Max verzog den Mund, weil er keine Champignons mochte, und sah seine Mutter an.

„Meinst du, dass der Osterhase auch ganz bestimmt heute nach Portugal kommt?“

„Nicht schon wieder!“, brummte sein Vater zwischen zwei Bissen.

„Es ist eine andere Frage“, antwortete Max mit einem triumphierenden Blick, „dieses Mal habe ich die Fragestellung variiert!“

Sein Vater griff nach der Tasse mit Kaffee und trank einen großen langen Schluck, als wäre er plötzlich nicht nur sehr hungrig, sondern auch sehr durstig.

„Also, Mama!“

„Aber natürlich!“

„Das sagst du immer!“

„Ich sage es immer, weil es stimmt und er natürlich auch heute nach Portugal kommt.“

„Aber wann?“

„Im Laufe des Vormittages!“

„Ich kann es kaum erwarten!“

Die Mutter lehnte sich zurück, betrachtete ihren sechsjährigen Sohn. Auf der einen Seite wirkte er schon unglaublich groß, stellte erwachsene Fragen, die einer gewissen Logik nicht entbehrten. Auf der anderen Seite glaubte er noch an den Osterhasen. Zuletzt hatte sie es gehört, als er seinem Spielkameraden Leon davon erzählt und Stein und Bein geschworen hatte, es gäbe den Hasen, der Eier, Süßigkeiten und mit etwas Glück sogar kleine Geschenke brachte.

„Du musst nur fest daran glauben!“, hatte Max gesagt. „Dann kommt er auch und bringt dir etwas. Vielleicht sogar ziemlich viel!“ Max hatte sich auf die Zehenspitzen gestellt, um Leon mit den Armen einen Berg anzudeuten, den er kaum umfassen konnte. Danach war eine Lobeshymne auf das Tier mit den langen Ohren gefolgt – Vorzüge, Gewohnheiten, als wäre Max Experte auf dem Gebiet. Nach wenigen Minuten hatte Leon Max einen Vogel gezeigt und war nach Hause gegangen.

Wenn es ihrem Sohn so ernst war, hatte sie danach beschlossen, ihn in dem Glauben zu lassen. Sollte er sich doch weiterhin ein bisschen seine Osterhasen-Romantik bewahren. Kinder wurden schließlich schnell genug groß.

Ihr Mann sah es nicht anders, auch wenn er in den letzten Tagen auf der Reise angesichts der ununterbrochenen Fragerei seines Sohnes – Ostern in Portugal war etwas Neues und anderes – geneigt war, den Zauber zu brechen und ihm zu erläutern, was es mit dem Osterhasen auf sich hatte und man folglich warten müsse, bis die Eltern die Süßigkeiten im Hotelzimmer versteckt hatten. Wenigstens sein Frühstück wollte er in Ruhe genießen können, nachdem Max sie in aller Herrgottsfrühe geweckt und die Frage der Fragen gestellt hatte. Trotzdem waren sie später als sonst mit dem Frühstück dran, da sie Max unter einem fadenscheinigen Vorwand aus dem Hotelzimmer hatten locken müssen – der Vater wollte ihm einen Esel auf der Weide zeigen. In den Minuten, in denen ihre beiden Männer unterwegs gewesen waren, hatte die Mutter einen Osterstrauß mit ein paar Mitbringseln dekoriert und die Ostereier für Max im Hotelzimmer versteckt.

Während sie Max ermunterte, sich einen weiteren Pfannkuchen, ja, auch mit der sonst unerwünschten Nusscreme, an der Theke zu holen, damit sie einen Moment Ruhe hatten, nahm sie zu ihrem Entsetzen die Vorbereitungen des Hotels für die Ostereiersuche der Kinder wahr. Es war in einem Faltblatt angekündigt worden. Glücklicherweise konnte Max noch nicht lesen …

Sie sah mehrere Angestellte mit Wäschekörben, in denen straußeneigroße, in glitzernde, grellbunte Zellophanfolie gehüllte Schoko-Eier lagen, die nun im Hotelgarten versteckt wurden. Zum Glück bemerkte Max es nicht. Ihr Sohn wartete geduldig in der Mitte der Schlange vor der Theke, den Blick fest nach vorn auf die entstehenden Pfannkuchen gerichtet.

Unterdessen huschten Menschen wie fleißige Wichtel draußen durch den Garten, verbargen die Eier zwischen den Geranien, die hier schon blühten, oder sogar in der bizarren Blüte einer Strelitzie, hinter Büschen, inmitten von Palmwedeln oder — der beste Platz zum Verstecken aus ihrer Sicht — die Gräser, die sich wie dicke Kissen inmitten der Beete ausbreiteten. Auch heute schien die Sonne und ließ den Garten vor den bodentiefen Fensterscheiben in vielen Farben leuchten, sodass die bunten Eier nicht auf den allerersten Blick auffielen. In Deutschland wären sie bei dem grauen Einerlei, was dort momentan herrschte, dem Suchenden sofort ins Auge gesprungen. Hoffentlich bekam Max nicht mit, wie die Angestellten im Freien den Osterhasen spielten. Es hätte seiner Weltanschauung einen gewaltigen Riss versetzt. Aber nein, er stand in der Schlange, wartete, bis er an der Reihe war, sprach mit dem Mann vor ihm und war sichtlich in eine angeregte Unterhaltung vertieft. Vielleicht erklärte er dem Mann gerade seine Theorie vom Osterhasen.

Punkt elf Uhr war Start. Max war aufgeregt, als er hörte, es gäbe zuerst eine gemeinsame Eiersuche draußen und dann eine weitere Suche im Hotelzimmer. Zweimal! Seine Augen blitzten wie das Meer in der Sonne. Zweimal durfte er suchen. Das war viel besser als zu Hause. Zumal er die Verstecke im heimatlichen Garten oder Wohnzimmer bestens kannte. Besonders kreativ war der Osterhase zu Hause nicht.

Jetzt lief Max zusammen mit den anderen Kindern flink wie ein Wiesel über den Rasen, der hier zu einer dichten grünen Matte wuchs, schaute unter Bänken, hinter Büschen. Schnell hatte er das erste Ei gefunden. Weiter ging es. Es wurde schwieriger, da viele Kinder mittlerweile ein buntes Osterei in den Händen hielten. Trotzdem — Max’ Jagdeifer war ungebrochen. Er zog sich die Jacke aus, denn in der Sonne war es warm. Fieberhaft grasten seine Augen die Umgebung ab. Bestimmt versteckte sich noch irgendwo eine Überraschung.

Max fand es, das letzte Ei, das abseits der Wege, nahe dem Swimmingpool lag. Das hatten die anderen Kinder übersehen. So hatte er das große Glück, sogar zwei Eier ergattert zu haben.

„Bist du müde?“, fragte seine Mutter, als er zu ihr geschlendert kam.

„Natürlich nicht, gleich geht es weiter!“ Voller Unternehmungslust blickte er sich um. „Kann ich jetzt auf dem Zimmer suchen?“

Die Mutter lächelte, der Vater seufzte, als er sich aus dem bequemen Sonnensessel im Garten erhob.

Munter sprang Max voraus. Er drehte sich zu seinen Eltern um. „Danke!“, rief er freudig.

„Wofür?“

„Dafür, dass ihr dem Osterhasen gesagt habt, wo ich in den Ferien bin. Ich habe das sichere Gefühl, dass er in diesem Jahr besonders fleißig ist. Liegt bestimmt daran, dass ich so fest an ihn glaube“, setzte er wenig später hinzu.

Bettina Schneider: 1968 in Berlin geboren, verheiratet, zwei Kinder und ein Hund, Studium der Betriebswirtschaftslehre, im Anschluss zehn abwechslungsreiche Jahre im Rechnungswesen in der Privatwirtschaft, heute Freiraum für kreative Tätigkeit. Sie schreibt mit Begeisterung Kurzgeschichten und Erzählungen, einige davon sind veröffentlicht. Hobbys: Lesen, Schreiben, Tagebuch schreiben, Spaziergänge mit dem Hund und Joggen.

*

Ostereier für die Waldfee

Merle hebt die unteren Zweige des Busches an. Wieder nichts. Das kann doch nicht sein! Sie richtet sich auf und wischt sich die Hände an der Hose ab. Ihr Blick fällt auf das kleine Körbchen, das neben ihr im Gras liegt. Ein einziges buntes Ei liegt einsam darin.

„Mama?“, ruft Merle. Ihre Mutter sucht gemeinsam mit Merles kleinem Bruder Jonas ein paar Meter weiter nach Ostereiern.

„Was ist denn, Schatz?“

„Ich finde keine Ostereier. Die muss schon jemand anders genommen haben.“ Empört verschränkt Merle die Arme.

Das Lachen von Merles Mama schallt durch den Garten. „Wer soll sie denn genommen haben? Du musst einfach genauer hinsehen. Jonas hat schon vier Stück gefunden.“

„Der muss auch nicht alleine suchen!“ Mit diesen Worten dreht Merle sich um, hebt ihr Körbchen auf und entfernt sich von ihrer Familie.

Sie ist empört, dass ihre Mutter ihr nicht glaubt. Keiner ist so gut bei der Ostereiersuche wie Merle! Es muss also vor ihr jemand die Eier gefunden haben. Aber wer? Ob ihr Vater vor der Arbeit schon draußen war? Nein, ihr Papa hat noch nie Ostereier gesucht. Die Nachbarskinder vielleicht? Merle stellt sich auf Zehenspitzen, um über den Holzzaun zu gucken. Nein, Mia und Lotta suchen in ihrem eigenen Garten.

Plötzlich hört Merle ein Knacken und ein lautes Fluchen. Vorsichtig nähert sie sich den großen Bäumen, die weiter hinten im Garten stehen. Dort auf dem Boden, zwischen Tannenzapfen und Schneeglöckchen, rollt ein Osterei! Doch es ist nicht allein. Ein kleiner Zwerg, der kaum größer als das Ei ist, schiebt das Ei an und ist am Lachen. Ein zweiter Zwerg liegt auf dem Boden und ist offenbar über einen Tannenzapfen gestolpert. Sein Sturz hat die Geräusche verursacht.

Schnell versteckt Merle sich hinter einem Baumstamm, damit die kleinen Gestalten sie nicht sehen. Sie glaubt nicht, dass sie gefährlich sind, aber sie klauen ihre Ostereier! Merle beobachtet, wie der zweite Zwerg aufsteht und sich seine rote Zipfelmütze aufsetzt. Dann folgt er dem anderen Zwerg und dem Ei. Gemeinsam gehen sie durch ein großes Loch im Zaun.

Ob Merle ihrer Mutter Bescheid sagen soll? Nein, sie glaubt ihr sowieso nicht. Merle atmet tief ein und nimmt all ihren Mut zusammen. Dann geht sie zum Zaun und krabbelt auf den Knien durch das Loch hindurch, was mit dem Korb in der Hand gar nicht so einfach ist. Ihre Hose wird ganz dreckig, aber irgendwer muss die Eierdiebe schließlich verfolgen. Gerade noch sieht Merle, wie sich die zwei Zipfelmützen und das Ei in den angrenzenden Wald begeben. Mit schnellen Schritten folgt sie ihnen.

Nach einem kurzen Fußmarsch steuern die Zwerge samt Ei auf einen moosbewachsenen Hügel zu und verschwinden in ihm. Unschlüssig bleibt Merle vor dem Hügel stehen. So weit von zu Hause war sie noch nie weg. Doch jetzt möchte Merle nicht aufgeben und sobald sie ihre Ostereier hat, geht sie sofort wieder heim.

Sie kniet sich hin und kriecht durch den dunklen Tunnel, der unendlich scheint. Endlich wird es heller und Merle erreicht das Ende. Sie richtet sich auf und kann nicht glauben, was sie sieht. Sie kneift die Augen zusammen und zählt bis fünf, ehe sie ihre Augen wieder aufmacht. Aber vor ihr erstreckt sich immer noch das kleine Tal, in dem das Gras grüner und der Himmel blauer ist. Überall wuseln Zwerge herum und rollen bunte Eier umher. Es sind so viele Eier, dass bestimmt noch andere Kinder keine Ostereier gefunden haben. Inmitten der Zwerge steht ein Geschöpf, das etwas größer ist als die anderen. Es jauchzt verzückt auf und dreht sich im Kreis. Es hat lange, goldene Haare und goldene Flügel.

„Eine Waldfee!“, sagt Merle und geht langsam auf die Fee zu. Sie achtet darauf, dass sie keine Eier zertritt. Einige Zwerge entdecken Merle und weichen erschrocken vor ihr zurück.

Die Waldfee hingegen fliegt mutig auf Merle zu und schwebt vor ihrem Gesicht. „Wie bist du hierhergekommen?“, fragt die Fee und zeigt entrüstet auf Merle.

„Ich bin den Zwergen gefolgt, die meine Ostereier geklaut haben. Wieso macht ihr so etwas? Die gehören uns Kindern“, antwortet Merle und beobachtet das Geschöpf vor sich.

Die Waldfee guckt traurig auf den Boden, wo die ganzen bunten Eier im saftigen Gras liegen. „Ich finde die Ostereier so schön! Ihr bekommt immer so viele. Dieses Jahr wollte ich auch mal welche haben und habe die Zwerge losgeschickt, um welche zu holen.“

Merle ist nicht mehr sauer auf die Waldfee. Sie kann sich Ostern ohne schöne Ostereier auch nicht vorstellen. Aber Klauen ist trotzdem nicht richtig. „Du kannst sie aber nicht wegnehmen. Das ist gemein“, sagt Merle und versucht, nicht zu böse zu klingen.

Die Waldfee lässt den Kopf hängen und schnieft laut. Eine dicke Träne rollt ihr über die Wange und sie sagt: „Es tut mir leid! Aber was hätte ich denn machen sollen?“

Merle legt einen Finger ans Kinn und überlegt einen Moment. „Ich habe es!“, ruft Merle begeistert. „Du kannst die Kinder doch fragen, ob sie dir Eier schenken.“

Unsicher wischt sich die Waldfee über ihre nassen Wangen. „Und du meinst, dass sie mir welche geben würden?“

„Bestimmt. Also ich würde dir welche abgeben“, sagt Merle und greift nach ihrem Osterei, das noch immer in ihrem Körbchen liegt. „Hier. Das ist für dich.“

Die Waldfee nimmt das Ei und fliegt glücklich auf und ab. „Vielen Dank! Das ist so lieb von dir. Das Osterei bekommt einen Ehrenplatz.“ Schnell fliegt sie zu einem Nest aus Moos und legt das Ei dort vorsichtig ab. Dann steckt die Waldfee zwei Finger in den Mund und pfeift laut. „Los, Zwerge. Lasst uns den Kindern die Ostereier zurückbringen. Und dann fragt ihr lieb, ob sie euch eins schenken.“

Die Zwerge klatschen begeistert und laufen emsig zu den Ostereiern. Die Waldfee fliegt vorne weg und die Zwerge rollen in zwei langen Schlangen die Eier Richtung Tunnel. Merle folgt ihnen und diesmal ist der Tunnel gar nicht mehr so unheimlich. Die Waldfee leuchtet im Dunkeln und die Zwerge singen lustige Lieder.

Gemeinsam gehen sie bis zum Waldrand, wo sich die Zwerge aufteilen und die Ostereier in die vielen Gärten zurückbringen. Merle steht unschlüssig vor dem Loch im Zaun. „Kommst du noch mit?“, fragt Merle die Waldfee, die neben ihr in der Luft schwebt.

„Nein“, antwortet die Waldfee und schüttelt den Kopf. „Du hast uns doch schon ein Osterei geschenkt. Aber komm uns gerne mal besuchen. Nun geh, sonst macht sich deine Mama noch Sorgen.“ Die Waldfee winkt Merle zum Abschied, ehe sie zwischen den Bäumen davonfliegt. Merle schaut ihr noch einen Moment hinterher. Dann krabbelt sie wieder durch das Loch und hört schon, wie ihre Mutter ihren Namen ruft.

„Merle! Wo warst du? Und warum ist deine Hose so schmutzig?“, fragt Merles Mutter aufgebracht.

„Ach, Mama, ich habe nur genauer nach den Ostereiern gesucht. So wie du es gesagt hast“, antwortet Merle grinsend. Merle dreht sich zum Zaun um und sieht gerade noch, wie eine rote Zipfelmütze durch das Loch verschwindet.

Lillemor Full, Jahrgang 1989, verdankt den außergewöhnlichen Vornamen ihrer norwegischen Großmutter. Sie lebt und arbeitet in der schönen Rattenfängerstadt Hameln. Sobald sie wusste, wie sie die Buchstaben anordnen muss, fing sie mit dem Schreiben an und hörte nie wieder damit auf. Wenn sie gerade mal nicht schreibt oder liest, ist sie bei allerlei sportlichen Aktivitäten anzutreffen.

*

Aufregung im Osterwald

Hase Hannes freut sich sehr

dauert’s doch nun lang nicht mehr,

bis zur schönen Osterzeit

ist’s jetzt gar nicht mehr so weit.

Alle sind schon aufgeregt

und die Henne Herta legt

viele Eier in das Stroh,

werden bunt darauf im Nu.

Denn des Hannes’ Helferlein

verzieren sie sogleich ganz fein,

Streifen, Punkte, tausend Farben

lassen sie darauf erstrahlen.

Malen alle Eier an,

dass darauf sodann

jedes Kind im Osternest

eines hat zum schönen Fest.

Doch was hat sich da versteckt

ziemlich klein und ganz gescheckt?

Merkwürdig ist’s anzuseh’n.

Muss da jemand was gesteh’n?

S’ scheint, ein fremdes Ei liegt dort

nicht an seinem richt’gen Ort.

Ist es frech hereingemogelt?

Etwa von ’nem andren Vogel?

Wer macht denn nur so etwas?

Ah, ich ahne da etwas ...

Vielleicht hat heimlich ja ruckzuck

es herbeigeschmuggelt Frau Kuckuck.

Denn eine ihrer ganz besonderen Vorlieben

ist das Eier-Unterschieben

anderen Vögeln zum Ausbrüten

und danach die Brut behüten

Doch den Hannes das nicht stört,

dass es hier nicht hingehört.

Dieses kleine Kuckucksei

ist zu Ostern mit dabei!

Er packt’s in seinen Korb hinein

zu den andern Eierlein

und bringt sie zu euch lieben Kindern.

Also sucht eifrig und findet!

Und wundert euch dann nicht,

wenn eins nicht dem entspricht,

wie ihr es habt bisher gekannt

und sich’s sonst im Körbchen fand

Klein, gefleckt und sonderbar

ist solch Ei in diesem Jahr

auch trotz aller Mogelei

ein feines kleines Osterei!

Dörte Schmidtist Kulturwissenschaftlerin. Derzeit lebt sie mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Winterthur (Schweiz). Sie hat bereits mehrere Kurzgeschichten und Märchen in Anthologien veröffentlicht.

*

Der Osterhase Benny und wir

Der Osterhase bereitete mir selten Sorgen. Er saß oft neben mir, wenn er gut gestimmt war. Er hatte eine offene, angenehme Art. Ich fand ihn einfach nur nett.

„Das brauche ich öfter, … nicht nur einmal im Jahr!“, sagte ich zu meiner Freundin Vanessa, die gluckste. Sie hielt auch viel von dem Osterhasen.

„Ich kann ihn sehr gut leiden, Tom!“, teilte sie mir an diesem Kaffeetrink-Sonntag mit. Wir verbrachten ein paar Stunden miteinander. Die Osterfeiertage waren leider vorüber.

Auch sie hätte ihn, wie sie mir mitteilte, am liebsten täglich um sich. Natürlich war das ganz unrealistisch, um nicht zu sagen weltfremd. Denn die Osterhasen gab es nur zu Ostern.

Die Osterfeiertage waren eine kurze Phase des Jahres, in der man ihr Auftreten erwarten durfte. Unser Osterhase Benny – er hatte schon einige Male durch die Beherrschung der deutschen Sprache geglänzt – schien wirklich sehr kommunikativ zu sein, kam stets am Ostersonntag, der von allen schon sehnsüchtig erwartet wurde, pünktlich gegen 11 Uhr morgens in den heimischen Garten, zeigte sich in seiner menschlich-tierischen Pracht, die mir immer sehr originell vorkam. Ich bewunderte ihn in dieser Situation, war er doch die Figur des Unerklärlichen. Interessanter als er hätte niemand sein können.

Wir verbrachten den Sonntag und Montag gemeinsam. Auch Vanessa war dann meistens dabei. Die Osterspiele, wie wir unsere Unternehmungen nannten, gefielen uns ausnehmend. Es war eine Mischung aus sportlichen Aktivitäten und Gesellschaftsspielen. Leider konnten wir nicht noch Verwandte, Freunde und Bekannte zu ihnen einladen. Sie wären vermutlich vor Benny geflüchtet, obzwar er ja ein schönes, menschenähnliches Äußeres aufwies. Aber das hätte ihnen Angst bereitet, keine Frage!

An jedem Ostermontag, abends gegen 20 Uhr, verschwand Benny regelmäßig wieder. Und das war, obwohl wir ihn sehr mochten, im Grunde richtig. Er hatte seinen Auftritt gehabt.

Der Kaffeetisch war an diesem Sonntag reich gedeckt. Wir saßen zusammen, plauderten angeregt. Die Sonne blinzelte uns durch das große Wohnzimmerfenster zu. Draußen spielten Kinder – es war ein seltenes Schauspiel in diesen Jahren.

Nach unserem Gespräch über Benny, unseren Osterhasen, fanden wir schnell zu anderen amüsanten Themen. Vanessa wusste wieder viel von ihrer Arbeit zu berichten, die sie toll fand. Ich hingegen stresste schon wieder mit Themen wie zum Beispiel: Wie schnell ich von A nach B komme, um nicht zu viel Zeit zu verlieren. Mir ging meine eigene Fixierung auf die Zeit, die einzusparen ist, auf die Nerven.

Vanessa brachte dann wieder Benny ins Spiel. „Benny ist ein Gesellschafter, es ist kaum zu glauben!“, meinte sie freudig, schaute dann aber auch schon auf die Armbanduhr. „Er begegnete mir heute Morgen in meinem Vorgarten. Das konnte ich gar nicht fassen!“

Ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Wie das, der kommt doch nur zu Ostern?!“

„Ich weiß auch nicht, er ist ein umtriebiges Wesen, das im Grunde unerklärlich ist. Diese Unerklärlichkeit zeichnet es aus, macht es ungemein interessant! Ich hätte ihm gern viele Fragen gestellt. Aber dann stand er in Nachbars Garten und zog Grimassen. Seltsam!“

Ich meinte dann nur noch: „Benny ist vielleicht altersschwach geworden, sein Geist verwirrt. Zumindest wäre es möglich. Er sollte zu einem Nervenarzt gehen. Da muss ich wohl Hilfestellung zu geben. Wir sollten gleich zu dir fahren, um in Nachbars Garten nachzuschauen. Möglicherweise ist er noch dort, wer weiß warum. Aber es könnte wirklich sein, dass es um ihn psychisch schlecht bestellt ist. In diesem Fall hielte ich es für besser, einzugreifen.“

Dann rüstete ich mich für die Fahrt zu Vanessas Haus, welches im Grünen lag. Die Nachbarn würden uns sicher in ihren Garten lassen. Vanessa folgte mir auch schon …

Benny hatte sein Fell über die Ohren gezogen. Ich hatte den Vorgang genau verfolgen können. Er sprach dabei kein Wort. Die Nachbarn beobachteten ihn die ganze Zeit über. Vanessa und ich standen am Zaun und versuchten ihn von diesem Tun mit Rufen abzuhalten, doch umsonst.

Der Polizeibeamte Recker, den wir bloß vom Sehen her kannten, aber der ja als hilfsbereiter Beamter im Viertel durchaus beliebt war, tauchte plötzlich hinter Benny auf, als das Fell im Gras lag. Er zielte mit seiner Pistole auf den Osterhasen, der natürlich bass erschrak. Seine Zähne fielen aus dem Mund heraus. Die Augen quollen über.

„Ich will nicht sterben!“, rief er.

„Du wirst aber …!“, stieß der Beamte aus und drückte ab.

Das war die Geschichte des Osterhasen Benny, den wir sehr schätzten.

Kay Ganahl, Jahrgang 1963 mit dem Lebensmittelpunkt Solingen/NRW, von Beruf Diplom-Sozialwissenschaftler und Schriftsteller, begann in jungen Jahren, sich mit Literatur, Politik und Philosophie auseinanderzusetzen, sodass es selbstverständlich war, diese Interessen mit dem Studium der Sozialwissenschaften an den Universitäten-Gesamthochschulen Wuppertal und Duisburg weiter zu verfolgen. Dort studierte er in der Studienrichtung Politische Wissenschaft schwerpunktmäßig politische Theorie und Philosophie, Ideengeschichte sowie Sozialphilosophie (Nebenfächer Soziale Arbeit/Erziehung und Psychologie).

*

Hilfe aus der Oster-Galaxie

Das Ei landete mitten in der Nacht in Arthurs Garten. Es krachte, quietschte und schepperte, als es auf der Wiese aufschlug. Arthur schreckte aus dem Schlaf auf. Verwundert rieb er sich die Augen. „Hast du das auch gehört?“, flüsterte er Lino ins Ohr. Lino war sein Stofflöwe, der nachts immer neben ihm auf dem Kissen schlief.

Der Löwe zeigte mit seiner Tatze zum Fenster hin. Arthur schluckte.

„Du meinst, ich soll mal gucken gehen?“

Lino brummte.

Arthur sah ihn zweifelnd an und seufzte. „Aber du kommst mit!“ Dann griff er nach seinem Stofflöwen, klemmte ihn unter den Arm und tapste zum Fenster. Durch die Gardine spähte Arthur hinaus. „Das gibt es doch nicht!“, murmelte er. Dabei drückte er den Löwen ganz fest an sich. „Lino! Im Garten steht ein Osterei, so groß wie ein Kleiderschrank.“ Ungläubig schüttelte Arthur den Kopf. „Oh nein, sieh nur!“ Er setzte den Löwen auf das Fensterbrett, damit dieser besser sehen konnte. „Das Ei steht mitten in Omas Tulpen und Osterglocken.“

Der Stofflöwe rollte mit den Augen. Arthur biss sich auf die Unterlippe. Das tat er immer, wenn er aufgeregt war und nicht wusste, was er tun sollte. Ratlos sah er Lino an. „Was meinst du? Ist es zu gefährlich, in den Garten zu gehen und mal zu schauen, was das für ein Ei ist?“

Der Löwe antwortete mutig: „Roaar!“

Arthur nickte. „Danke, dass du mitkommst. Ich hole schnell mein Holzschwert. Vielleicht brauchen wir das.“

Beide schlichen hinaus in den Garten. Das Gras fühlte sich kühl und nass unter den nackten Füßen an. Wind wehte Arthur ins Gesicht. „Mist! Ich hätte Schuhe und Bademantel anziehen sollen.“ Er drückte den Stofflöwen ganz fest an sich, als könne dieser ihn so ein bisschen wärmen. Auf Zehenspitzen ging er auf das Osterei zu. Silbern schimmerte es im Mondlicht. Arthur lauschte. Er legte sein Ohr an die glänzende Eierschale. Leises Klappern und Klirren hörte er im Inneren. Seltsam! Vorsichtig strich er über die Oberfläche. Beulen, Dellen und Kratzer hatte sie.

In diesem Augenblick öffnete sich an der Seite des Eis eine Luke. Grelles Licht strahlte heraus. Blitzschnell sprang Arthur zurück und hielt sein Holzschwert in die Höhe. Eine Gestalt, groß wie ein Pinguin, rollte aus dem Licht heraus. Abrupt blieb sie stehen und starrte Arthur und Lino durch die Scheibe eines Astronautenhelms an.

Der Stofflöwe brüllte: „Roaar!“

Die langen Ohren, die aus dem Helm herausragten, bebten und die Gestalt rollte etwas zurück.

Arthur hob sein Schwert noch höher. „Wer … wer bist du?“, stotterte er.

„Krrch … krrch … krrch …“, machte das seltsame Wesen. Dann begann es, abgehackt zu sprechen. „Ich bin Kapitän Hoppel S.A.M.2 vom Planeten Langohr, krrch.“

Arthur rang nach Luft – seine Stimme zitterte. „Bist … bist du ein Außerirdischer oder so was?“

Das Wesen schnarrte: „Ich bin ein Roboterhase Typ S.A.M.2 vom Planeten Langohr aus der Oster-Galaxie, krrch.“

Arthur betrachtete den kleinen Roboter. An seinem metallischen Körper blinkten winzige Lämpchen. Unter den Hinterläufen waren Raupenketten und über dem Kopf war ein Astronautenhelm gestülpt, aus dem lange Hasenohren herausschauten, die immer noch zitterten.

„Ich glaube, er ist nicht gefährlich“, flüsterte Arthur dem Löwen ins Ohr. Dieser brummte nur ganz leise. Arthur senkte sein Holzschwert und machte einen Schritt auf das Osterei-Raumschiff zu. „Und was willst du unserem Garten? Bist du etwa abgestürzt?“

Der Roboterhase rollte die Rampe des Raumschiffs hinunter. „Nein! Diese Adresse wurde als Landeplatz angegeben. Landen Sie auf dem gelb-roten Feld im Narzissenweg, hieß es in der Bestellung, krrch.“

Arthur betrachtete die abgeknickten roten Tulpen und die gelben Osterglocken seiner Oma. Er wunderte sich. Dann strahlte aus dem Roboterhasen ein Lichtschein, wie aus einer Taschenlampe.

„Hier meine Bestellung, krrch!“, schnarrte der Kapitän.

Arthur staunte. So etwas kannte er bisher nur aus Filmen. In dem Lichtschein erschien eine ältere Dame, die vor einem Computer saß und auf der Tastatur herumtippte. Arthur schüttelte den Kopf. „Das kann nicht wahr sein! Sieh mal Lino, wer das ist!“, rief er.

Die ältere Dame blickte auf den Bildschirm eines Computers und redete mit jemanden. „Wir stecken in großen Schwierigkeiten! Unser Hase Herr Mümmelmann ist leider krank und kann sich nicht um die Ostervorbereitungen kümmern. Wer soll denn nun die vielen Ostereier bemalen und verstecken?“ Die Dame seufzte. Sie sah hilflos auf den Computerbildschirm. „Bitte helfen Sie uns, damit Ostern im Narzissenweg nicht ausfallen muss!“

Es surrte und piepste bis eine fremde Stimme aus dem Computer sprach: „Geben … Sie … Ihre … Adresse … und … das … gewünschte … Datum … ein! … Wir … senden … Ihnen … umgehend … einen … Weltraumhasen … aus … der… Oster-Galaxie …“

Die alte Dame rückte ihre Brille zurecht, beugte sich über die Tastatur und tippte darauf hektisch herum.

Wieder war die Stimme aus dem Computer zu hören: „Danke … für … Ihren … Auftrag.“

Die Dame strahlte. Erleichtert umarmte sie den Bildschirm. „Danke!“, hauchte sie. „Nun muss Ostern bei uns nicht ausfallen!“

Der Lichtschein des Roboterhasen erlosch. Arthur sah Kapitän Hoppel S.A.M.2 an. „Das war meine Oma! Die hat Sie bestellt!“

In diesem Augenblick knarrte hinter ihm die Terrassentür. Oma Lisbeth trat hinaus in den Garten. „Was ist denn hier mitten in der Nacht los?“, schallte ihre Stimme. Dabei strich sie mit beiden Händen durch ihre grauen, zerzausten Haare. „Arthur!“, rief sie überrascht. Was …“ Da erblickte sie das Osterei-Raumschiff. „Es hat also tatsächlich geklappt“, flüsterte sie.

Der Weltraumhase rollte auf sie zu. „Meine Mission lautet: Ostern im Narzissenweg retten, krrch.“

Oma lachte und umarmte den Roboter.

Dieser blickte verdutzt. „Mein Programm zeigt umarmen an. Gehört das auf der Erde zu Ostern, krrch?“

Arthur lachte. „Wenn ich das in der Schule erzähle, glaubt mir das kein Mensch.“

Wenig später saßen alle in Omas Küche. Die ersten Sonnenstrahlen schienen durch das Fenster. Kapitän Hoppel S.A.M.2 rührte nach Omas Rezepten den Teig für das Oster- und Stockbrot an. Arthur und Lino bemalten die vielen Ostereier. Es waren 103 Eier. Arthur hatte genau mitgezählt. Oma ging immer wieder in die winzige Kammer, die nur durch eine schmale Tür von der Küche aus begehbar war. Arthur lauschte. Es raschelte und knisterte geheimnisvoll dahinter, wenn Oma in der Kammer verschwand und die Tür schloss. Herr Mümmelmann lag in einem kleinen Wäschekorb, der mitten in der Küche stand und beobachtete alles ganz genau.

Am Abend saßen alle Nachbarn aus dem Narzissenweg mit Oma Lisbeth, Arthur, Lino, Herr Mümmelmann und Kapitän Hoppel S.A.M.2 gemeinsam am Osterfeuer und backten ihr Stockbrot im Feuer. Kapitän Hoppel S.A.M.2 und Herr Mümmelmann hockten nebeneinander und unterhielten sich angeregt über die Osterfeste auf verschiedenen Planeten. Die Kinder spielten und die Erwachsenen sangen, tranken und tanzten fröhlich um das Feuer herum.

Tief in der Nacht war es im Narzissenweg mucksmäuschenstill. Arthur und der Roboterhase schlichen mit einem Fernrohr, einer dicken Wolldecke, heißem Kakao und einem Kännchen Öl hinaus in den Garten. Kapitän Hoppel S.A.M.2 zeigte Arthur durch das Fernrohr seinen Planeten Langohr in der Oster-Galaxie und die Sternenbilder Großer Hase und Kleiner Hase. Arthur hatte noch nie zuvor so etwas Schönes am Himmel gesehen. Glücklich und erschöpft schlief er neben dem Weltraumhasen unter der Wolldecke ein.

In dieser Nacht liefen Oma Lisbeth und Kapitän Hoppel S.A.M.2 gemeinsam durch den Narzissenweg und versteckten für alle die Osternester, die mit bunten Ostereiern und leckeren Süßigkeiten gefüllt waren.

Die Mission Ostern retten im Narzissenweg war erfüllt und der Weltraumhase flog zurück in seine Galaxie. Oma Lisbeth schenkte dem Hasen Blumenzwiebel. Auch ein kleines bisschen Erde zum Anpflanzen auf dem fremden Planeten Langohr gab sie ihm mit.

Am Morgen lagen neben Arthur das Fernrohr des Weltraumhasen und ein Brief.

Von nun an blickte Arthur jede Nacht durch das Fernrohr in den Himmel und sah Kapitän Hoppel S.A.M.2 dabei zu, wie er die Blumenzwiebel auf seinem Planeten Langohr pflegte. Es dauerte gar nicht lange, bis er rote Tulpen und gelbe Osterglocken durch sein Fernrohr sehen konnte. Manchmal stand der Weltraumhase inmitten der Blumen und winkte ihm sogar zu. Arthur war sich sicher – eines Tages würden sie sich wieder treffen. Vielleicht würde er sogar zum Planeten Langohr fliegen. Die Wegbeschreibung hatte er ja nun. Lächelnd drückte er den Brief fest an sich.

Heike Schulze: geboren 1967 in Berlin, ledig, zwei Söhne, Lehrerin in einer Berliner Grundschule.

*

Rosarot

Hetty Huhn wandte sich ab. Nein, sie hatte keinen Appetit. Dabei war der Wurm, den Gustav Gockel extra für sie aus dem Boden gescharrt hatte, ein wirklich köstlicher Happen.

„Nein“, sagte Hetty und schüttelte den Kopf. „Ich will keinen Wurm, ich will ein rosarotes Ei!“

„Blödsinn“, krakeelte der Gockel und schlug mit den Flügeln. „All meine Hühner legen weiße oder braune Eier. Das ist richtig und gut so.“ Aufgebracht stolzierte er davon und ließ Hetty bei den anderen Hennen zurück.

„Aber es gibt doch mehr Farben! Das habt ihr selbst gesagt!“ Hetty schaute die Hühner vorwurfsvoll an, die daraufhin wild durcheinander kakelten.

„Ja, grüne Eierchen gibt es. Hab’s selbst gesehen.“

„Das ist Schicksal. Niemand kann sich die Farbe seiner Eier aussuchen.“

„Rosa ist doch Unfug. Niemand mag rosa Eier, nicht einmal der Fuchs.“

„Bleib bescheiden, junges Huhn. Gerade mal die ersten Eier gelegt und schon Sonderwünsche haben, das haben wir gerne!“

Aber Hetty hörte gar nicht mehr zu. Der Fuchs? Sagten nicht alle, dass der Fuchs das schlaueste Tier weit und breit sei? Vielleicht kannte er ja Hühner, die farbige Eier legen konnten? Oder er wusste, wie man als Huhn rosarote Eier bekam?

Sie ließ die aufgebrachten Hennen gackern und spazierte davon. Hetty pickte mal hier und mal dort ins grüne Gras, als wäre sie nun doch brav auf Futtersuche. Als niemand mehr auf sie achtete, huschte sie um die Ecke des Stalls, um sich auf die Suche nach dem schlauen Fuchs zu machen.

Auf der Obstwiese war er nicht, auch nicht auf dem Kartoffelfeld. Sie suchte zwischen den Sonnenblumen und hinter der Rosenhecke, aber auch dort war er nicht zu finden. Am Waldrand zauderte sie kurz, denn dass es dort drinnen gefährlich war, das wusste wirklich jedes Huhn. Aber wenn jemand einen großen Herzenswunsch hat, dann muss er auch mal ein Risiko in Kauf nehmen, fand Hetty und tauchte durch das Brombeergestrüpp in die tiefen Schatten der Bäume. Es war unheimlich, aber sie musste gar nicht weit trippeln, bis ihr der Gesuchte über den Weg lief.

„Na so was“, rief Franco Fuchs. „Was macht denn ein hübsches Huhn wie du so ganz allein im dunklen Wald?“

„Ich habe dich gesucht!“ In ihrer Begeisterung übersah Hetty das breite Grinsen des Fuchses, das viel zu viele scharfe Zähne zeigte. „Du weißt doch alles, sagen die Tiere. Kannst du mir bitte helfen, damit ich rosarote Eier legen kann?“

„Wie? Was?“ Franco legte verdutzt die Ohren an. „Warum denn das?“

„Weil rosarot die allerschönste Farbe ist. Und weil ich es will!“

„Gut, gut“, lenkte der gewitzte Fuchs ein. „Ich glaube, ich habe da schon eine Idee.“ Er zwinkerte Hetty zu. „Denn Rosa ist ja so etwas wie ein ganz helles Rot, nicht wahr?“ Als Hetty eifrig nickte, fuhr er fort: „Nun, wenn man das Weiß der Eierschale mit einem kräftigen Rot vermischt, dann sollte ein wunderschönes Rosa dabei herauskommen, denke ich.“

„Aber wie soll ich das machen? Woher bekomme ich dieses Rot?“

Der Fuchs tat, als müsste er angestrengt nachdenken, bevor er das Zauberwort sagte. „Brombeeren!“

Hetty schüttelte den Kopf. „Aber nein, die sind schwarz, und ich will keine schwarzen Eier.“ Mit gesträubtem Federkleid sah sie zu, wie der kluge Fuchs eine Blume mit weißen Blütenblättern pflückte. Dann zupfte er mit den Zähnen vorsichtig eine Brombeere aus dem stacheligen Gestrüpp und legte diese auf der Blume ab. „Schau hin“, sagte er und presste seine Pfote auf die reife Beere.

Als er sie anhob, brach Hetty in aufgeregtes Gackern aus. „Rosa! Die Blüte ist jetzt rosa, wie wunderschön sie aussieht.“ Sie tanzte um die gefärbte Blume herum, ohne zu bemerken, wie sich der Fuchs duckte und zum Sprung auf sein unvorsichtiges Opfer bereit machte.

„Hey, wau! Was ist denn hier los, wau? Was hat ein Huhn im Wald verloren? Hey, und was, wau, was macht der Fuchs da?“

Es gab ein wildes Hin und Her, als der Hofhund Hektor auf den Fuchs zusprang, der um die Büsche und Bäume sauste, bis Hund und Huhn ihn aus den Augen verloren hatten. Hechelnd und mit heraushängender Zunge kam Hektor zu Hetty zurückgelaufen. „Hey, wau, bist du verrückt? Weißt du denn nicht, dass Füchse Hühner fressen? Wau, wau!“

Daran hatte Hetty gar nicht mehr gedacht, weil sie doch so gerne ein rosarotes Ei ... „Rosa!“, rief sie begeistert. „Ich muss Brombeeren essen, weißt du! Gleich da vorne wachsen welche.“

Verwirrt setzte sich Hektor neben sie und sah zu, wie eine schwarze Beere nach der anderen in Hettys Schnabel verschwand.

Am nächsten Morgen saß Hetty geduldig im Hühnerstall auf ihrem gemütlichen Nest. Als es endlich so weit war und ein Ei in das Stroh purzelte, konnte sie gar nicht erwarten, es sich anzuschauen. Doch zu ihrer Enttäuschung leuchtete das Ei ebenso weiß wie all ihre Eier zuvor. Nach langem Nachdenken sagte sie sich, dass der Fuchs doch nicht so klug war, wie alle dachten. „Es muss bestimmt etwas wirklich Rotes sein, das ich essen muss“, beschloss sie und machte sich sogleich auf die Suche danach.

Der Apfel schmeckte vorzüglich, war aber leider nur von außen rot und die Eier blieben weiß. Die Himbeeren hingegen leuchteten herrlich rot, doch auch ihr Verzehr zeigte keine Wirkung. Ebenso war es bei den Kirschen und den Johannisbeeren und selbst die dunkelroten Pflaumen änderten nichts an dem reinen Weiß der Eierschalen. Manchmal probierte Hetty auch Pflanzen, aber als sie von den rosa Pfingstrosen naschte, wurde ihr richtig übel und sie begnügte sich lieber mit Obst und Gemüse.

Als sie die Hoffnung schon beinahe aufgegeben hatte, hörte sie, wie die alte Bäuerin mit ihrer Tochter schimpfte.

„Du kannst doch nicht die gekochten Rote Beete auf dem Tisch stehen lassen. Schau dir an, was der Bengel gemacht hat. Jetzt sind alle Handtücher verfärbt.“ Mit einem Knall sprang die Hintertür auf und die Bäuerin kam immer noch schimpfend heraus. Sie stellte einen großen Kochtopf auf die Sitzbank und verschwand wieder im Haus.

Neugierig schlich Hetty näher und spähte hinein. Darin lagen dunkelrote Knollen und ein Handtuch mit wunderschönen, rosaroten Flecken. Ohne lange zu überlegen, pickte Hetty eine der Knollen an und sie schmeckte gar nicht mal so schlecht.

Am nächsten Morgen kamen alle Hühner erschreckt zusammengelaufen, als sie ein lautes Geschrei aus dem Stall hörten. Da stand Hetty neben ihrem Nest und rief immer wieder: „Es ist rosa! Schaut doch nur, es ist wirklich und tatsächlich rosa.“ Sie nahm ihr Ei und lief über den Hof, um es allen zu zeigen. „Guck mal, Hektor, ein rosa Ei. He, Gustav, ich habe ein rosa Ei gelegt.“ Es machte ihr überhaupt nichts aus, dass es anfing zu tröpfeln, sie sauste auch im Regen hin und her, um allen das Wunder zu zeigen.

„Ha“, rief da der Gockel auf einmal. „Es wird wieder weiß! Siehst du das, kleine Hetty? Die Farbe hält gar nicht, der Regen wäscht sie ab.“

Das Ei sah recht komisch aus, als es nach und nach die rosa Farbe verlor und ebenso weiß wurde wie alle Eier, die Hetty bisher gelegt hatte. Aber niemand lachte, denn alle konnten sehen, wie traurig Hetty darüber war. Langsam ging sie mit ihrem Ei zurück in das Nest, wo sie die nächsten Tage sitzen blieb.

„Vielleicht haben die anderen ja recht“, überlegte sie. „Vielleicht muss man einfach damit zufrieden sein, dass man überhaupt ein Ei legen kann?“ Zum ersten Mal blieb sie auf ihrem Ei sitzen, um es wirklich auszubrüten – und ihr Traum von einem rosaroten Ei verblasste mehr und mehr.

„Es ist rosa! Schaut doch nur, es ist wirklich und tatsächlich rosa.“ Alle Hoftiere kamen herbeigelaufen, als nach zwanzig Tagen erneut wilde Rufe aus dem Hühnerstall drangen. Dort stand Hetty neben ihrem Nest und zeigte aufgeregt auf das kleine Küken, das sich aus dem Ei gepellt hatte. Allerdings war es überhaupt nicht dottergelb wie alle anderen Küken, die die Tiere kannten. „Das“, verkündete die stolze Hühnermama, „das ist meine Tochter Rosarot.“

Anathea Westen (Pseudonym), geboren 1965, lebt mit ihren Hunden im idyllischen Kreis Lippe, im Nordosten von Nordrhein-Westfalen. Hauptberuflich arbeitet sie im Export und liebt den Austausch mit den internationalen Kontakten. Geschichten von ihr wurden bereits in mehreren Anthologien veröffentlicht.

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Das Märchen vom Kelterjockel

Es war einmal ein König, dem man stets nachsagte, er sei der reichste und mächtigste von allen gewesen. In seinem Schloss gab er prunkvolle Feste, reiste in einer goldenen Kutsche umher und trug auf seinem Haupt eine Krone, die mit zahllosen Edelsteinen besetzt war. Seine größten Reichtümer jedoch waren drei sehr kostbare Siegelringe, die er stets an seinen Fingern trug, sogar während er schlief.

Eines Frühjahrs machte der König eine Überlandfahrt in seiner Kutsche, um sich dem gemeinen Volk zu präsentieren. Am Wegesrand hatten sich Hirten und Bauern, Jäger und Fischer, Frauen und Kinder aufgereiht, um ihm zuzuwinken, und er winkte jedem Einzelnen zurück, sodass die Ringe an des Königs Hand in der Sonne nur so funkelten. Von all dem Winken war der König jedoch bald erschöpft und wünschte, auf einem nahe gelegenen Weingut einzukehren, um wieder zu Kräften zu kommen. Beim Kellermeister bestellte er den edelsten und besten Wein des Hauses, doch weil gerade in diesen Tagen ein fürchterlicher Schnupfen umging, wagte der kränkelnde Kellermeister nicht, dem König persönlich aufzuwarten. So schickte er mit einem Tritt den armen Kelterjockel, um den hohen Gast zu bedienen, und der König genoss den Wein in vollen Zügen. Als ihm jedoch nach einem Becher zu viel der Kopf schwer wurde, zog er sich zurück, schlief noch auf dem Heimweg ein und erwachte am nächsten Morgen mit ringlosen Fingern.

Verzweifelt ließ der König das Schloss, die Kutsche und das gesamte Hinterland mit all seinen Wegen durchsuchen, doch sein wertvollster Schatz blieb verschwunden. Daher sprach er eine Belohnung aus und jeder, der seine Siegelringe fände und zurückbrächte, möge fortan ein reiches und erfülltes Leben am Hofe führen. Viele tapfere Helden und einfache Bürger lockte dieses Versprechen, doch sie alle sollten scheitern.

Eines Tages machte sich auch der arme Kelterjockel auf den Weg, nachdem der Kellermeister wieder einmal grob zu ihm gewesen war. Er wollte auf der Suche sein Glück machen und zog durch Wiesen und Wälder davon.