Wie der Staub der Sterne - Thomas Märtens - E-Book

Wie der Staub der Sterne E-Book

Thomas Märtens

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Beschreibung

Das Buch ist gefüllt mit wunderschönen Geschichten rund um die Weihnachtszeit, die den Leser und die Leserinnen zum Schmunzeln, hoffentlich zum Lachen und auch immer wieder zum Nachdenken bringen werden. Von daher sind die Erzählungen genauso unterhaltend, farbenfroh und emotional wie die Weihnachtszeit selbst. Betreten Sie den bunten Kosmos kurioser Ereignisse, in dem unter anderem von drei lustigen Trollen in den Wäldern Norwegens und dem Weihnachtsmann, der sich mit seinen Engeln beim Ausliefern der Geschenke in die Hölle verirrt, die Rede ist. Erfahren Sie, was Ihnen in der Titelgeschichte ein Schneemann über den Staub der Sterne zu erzählen hat.

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Die Handlungsorte in den Weihnachtsgeschichten dieses Buches sind zum großen Teil reine Fiktion. Auch die Personen wurden frei erfunden. Ähnlichkeiten oder tatsächliche Übereinstimmungen mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen wären rein zufällig und waren zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt. Die Handlungsstränge sind erfunden.

Inhaltsverzeichnis:

Vorwort

Die geheimnisvolle Tür

Wie der Staub er Sterne

Ein Mensch unter Menschen

Höllische Weihnacht

Zeit des Friedens

Ein Freund für‘s Leben

Bea Linde – Auf gute alte Zeiten

Bridges to Wallhalla

Der Engel im Kirschbaum

Der hellste Stern am Himmel

Wo ich nie war

Es ist was es ist

Freiheit ist das, was Du fühlst

Danksagung

Vita des Autors Thomas Martens

Vita Mirjam Jasmin Strube

Vita Charlene Strube

Vorwort

Der Weihnachtsmann fährt mit seinen vier durchaus fragwürdigen Engeln auf dem völlig überladenen Schlitten vom Himmel kommend durch den großen Tunnel, der die Reisenden zu den Menschen bringen soll. Unglücklicherweise schiebt die mächtige Ladung das Gefährt so stark an, dass Santa Claus die richtige Ausfahrt verpasst, in der Folge immer weiter abwärts rodelt und sein Team schon bald vor den Pforten der Hölle steht. Dort müssen sie nun übernachten und man könnte meinen, dass das vom Teufel gewährte politische Asyl für die Weihnachtscrew sehr unangenehm ausgehen könnte. Doch nichts da. Die Engel haben sämtlich eine ganz eigene irdische Vergangenheit und entfesseln zum Leidwesen des Gehörnten ein Fegefeuer der ganz anderen Art. Dem Wahnsinn verdächtig nahe, lässt sich El Diabolo zu einer Handlungsweise hinreißen, die vor allem er selbst sich niemals hätte träumen lassen.

In dem kleinen Städtchen Tannenwald bereiten sich die Menschen auf das nahende Weihnachtsfest vor, als einem nicht ganz gewöhnlichen Teddybären namens Flynn das Schluchzen der kleinen Emma in den Ohren klingt. Der kleine Kerl weckt das Mädchen mit sanften Pfoten auf und bringt es zum Staunen, als sie einen rein äußerlich ganz normalen Teddybären mit flauschigem Fell und glänzenden Knopfaugen lebendig vor sich sieht. Von diesem ersten Augenblick an sind die zwei Freunde fürs Leben. Flynn erkennt den Grund für des Mädchens Traurigkeit und setzt alle Hebel in Bewegung, um das Weihnachtsfest, das an den finanziellen Verhältnissen ihrer Eltern zu scheitern droht, für die Familie zu retten.

Drei Trollinge, eine dem Menschen zugeneigte Unterart der sonst nicht ganz so freundlichen Trolle, wandern durch den norwegischen Winterwald. Sie sind auf dem weiten Fußweg zu ihrem weihnachtlichen Familientreffen im Norden des Landes und sich mal wieder völlig uneinig, welches nun der richtige Pfad durch das Unterholz ist. Insbesondere die beiden jüngeren Brüder der chaotischen Drillinge liegen sich permanent in den Haaren und streiten über die geringsten Anlässe. Endlich einmal einer Meinung sind sie jedoch, als sie in einer Siedlung im Schlafzimmer eines Jungen namens Jal landen. Versessen auf Schokolade plündert das Team Chaos den Schokovorrat des Schülers und führt mit ihm ein aufschlussreiches Gespräch. Die Geschichte Bridges to Walhalla nimmt zuletzt eine nachdenklich machende Wendung und offenbart deutlich mehr als nur das, was es mit dem seltsamen Titel auf sich hat.

Bea Linde lebt in fortgeschrittenem Alter allein und zurückgezogen in einer Wohnung eines Backsteinhauses und hängt besonders zur Weihnachtszeit dem Verlust ihres verstorbenen Mannes und den gemeinsamen Erinnerungen nach. Ihr eintöniges und unspektakuläres Leben wird allerdings durch ein hölzernes Räuchermännchen und das zunächst unschöne Zusammentreffen mit einem Jungen entscheidend beeinflusst.

Die sehr berührende Geschichte Bea Linde – Auf gute alte Zeiten erzählt von den Dingen, die man nur mit dem Herzen sehen kann.

Das Buch ist gefüllt mit wunderschönen, frei erfundenen Geschichten, die den Leser und die Leserinnen zum Schmunzeln, hoffentlich zum Lachen und auch immer wieder zum Nachdenken bringen werden. Von daher ist es genauso unterhaltend und emotional wie die Weihnachtszeit selbst. Folgen Sie den Autoren in ihren bunten Kosmos kurioser Ereignisse und erfahren Sie, was Ihnen in der Titelgeschichte ein Schneemann über den Staub der Sterne zu erzählen hat.

Die geheimnisvolle Tür

Draußen war es seit einigen Tagen bitterkalt geworden und die Schneemengen fielen vom winterlich grauen Himmel. Die Natur war unter einer dicken weißen Hülle begraben, hatte sich schlafen gelegt und sammelte Kraft für einen neuen Frühling. Allerdings war der in diesen Wochen recht weit entfernt, denn der Kalender zeigte gerade Dezember und bis zum Weihnachtsfest dauerte es noch eine endlos lange Woche.

Der achtjährige Max war ein recht schlauer kleiner Bursche. Er saß in einem Sessel am Fenster im wohlig warmen Wohnzimmer seiner Großeltern, schaute hinaus, beobachtete bereits seit einigen Minuten ein paar Amseln, die unter einem großen Busch im viel zu tiefen Schnee buddelten und eifrig nach Essbarem suchten. Er überlegte angestrengt und haderte wie so häufig mit seiner kindlichen Ungeduld.

Warum vergeht die Zeit vor Weihnachten eigentlich immer so langsam, fragte er stumm in sich hinein. Es ist doch ziemlich gemein, dass der liebe Gott oder wer immer auch die Zeit gemacht hat, in diesen Wochen den Fuß auf die Bremse drückt und die Tage unerträglich lang werden lässt.

Großvater hatte ihm vor einiger Zeit ausführlich erklärt, dass wir die unerhörte plötzliche Trägheit der Uhren zeitweilig nur so empfinden, denn wenn überhaupt etwas in unserem Leben unaufhaltsam und exakt gleich vergeht, dann ist es die Zeit.

Opa weiß sehr viel und hat fast immer recht, aber in diesem Punkt irrt er sich gewaltig, dachte der kleine Mann, denn er spürte und sah es doch ganz deutlich, wie schleppend sich die Zeiger der Uhr bewegten.

Das hatte er seinem Großpapa auch so gesagt, der ihm zur Antwort gab, dass wir alle diesen Eindruck immer dann haben, wenn wir uns auf etwas freuen, es mit Macht herbeisehnen, nicht erwarten können oder wünschen, dass es vorbei ist. Wie zum Beispiel der Unterricht in der Schule.

Lediglich dem letzten Teil stimmte Max durch intensives Nicken uneingeschränkt zu.

»Und was kann ich dagegen tun?«, wollte er daraufhin wissen.

»Du musst Dich einfach ablenken. Spiel etwas, bastele, male. Was immer Dir in den Sinn kommt. Du wirst sehen, das hilft!«

»Aber ich kann doch nicht bis zum Weihnachtsfest spielen oder malen. Das schafft niemand!«, war des Enkels Antwort.

Das alles ist ganz schön verzwickt. Wenn selbst Opa keinen einleuchtenden Rat wusste, war das Problem auch nicht so leicht zu lösen, ging es dem Jungen durch den Kopf.

Er war gerade vom Mittagstisch aufgestanden und wollte noch einmal mit seinem Großvater über dieses schwierige Problem reden. Also zog er sich warm an, sagte seiner Mutter, dass er unbedingt in die Werkstatt gehen müsse und stapfte sogleich durch den Garten. Mama und Oma, die zusammen noch immer am Tisch saßen, nickten zustimmend, denn sie wussten, dass die beiden Männer an solchen Nachmittagen immer zusammen in der großen Laube hockten, um wichtige Gespräche zu führen, wie der kleine Kerl im Weggehen nachhaltig betonte.

Als Max die Werkstatttür öffnete, erwartete ihn wie immer ein wunderbarer Kosmos. Der alte Kamin knisterte, verteilte seine angenehme Wärme, es duftete nach Holz, Leim und Pfeifentabak, den sein Großpapa rauchte und in herrlichen Ringen entspannt durch den Raum blies.

»Dass Du mir das mit dem Rauchen aber niemals und unter keinen Umständen der Oma erzählst, hörst Du! Wenn sie das mitbekommt, zieht sie mir die Ohren lang!«

»Ich sage nichts. Ehrenwort!«

Der alte Mann lackierte gerade eine wunderschöne Nähkiste, die er für seine Frau gebastelt hatte und die er ihr zum Weihnachtsfest schenken würde. Der Junge setzte sich, schaute ihm eine kleine Weile schweigend zu und staunte, wie geschickt sein Opa war. Max überlegte, wie er das Gespräch am besten und erneut auf sein Problem lenken konnte. Einen Moment später fragte er:

»Was ist eigentlich die Zeit?«

Der Großvater sagte zunächst nichts, ließ schweigend den Pinsel über das glänzende Holz gleiten und schenkte seinem Enkel lediglich einen kurzen und wie immer freundlichen Blick.

Mal sehen, was als Nächstes kommt, dachte er und musste auch gar nicht lange warten.

»Ich meine, sie ist ja nichts zum Anfassen oder was ich sehen kann und doch ist sie da, um mir große Probleme zu machen. Das verstehe ich nicht!«

»Nun hör mir mal zu«, sagte der Großvater, legte sein Werkzeug aus der Hand, sah seinem Enkel in die Augen und antwortete:

»Sieh uns beide doch einmal an. Du bist noch ein kleiner Junge und ich auf meiner Reise schon weit vorangekommen. Dein Leben beginnt gerade und bei mir geht es bereits bergab. So ist es in dieser Welt eingerichtet und wir müssen uns damit abfinden. Ob wir es wollen oder nicht. Unsere Aufgabe sollte es daher sein, uns nicht so viel mit Problemen zu beschäftigen und darüber nachzudenken, was gestern war oder morgen vielleicht kommen könnte, sondern die Spanne unseres Lebens möglichst sinnvoll und intensiv zu nutzen.«

Max überlegte, verstand jedoch nicht genau, was damit gemeint war und der alte Mann nahm einen neuen Anlauf.

»Die Zeit ist das, was gerade geschieht. Sie verbindet, was früher einmal war und das, was einmal sein wird. Es hat zwar den Anschein, als liefe sie ständig vor sich selbst davon, doch welche innere Kraft sie tatsächlich antreibt, weiß niemand. Kein Mensch wird Dir das jemals erklären können. Sie existierte schon immer und wird es bis in alle Ewigkeit. Die Zeit ist alles Leben. Sie regelt es, lässt es entstehen und zu Ende gehen. Und nun noch einmal zu Deinem Problem. Sie vergeht immer und unaufhörlich im gleichen Tempo, weil sie gar nicht anders kann. Wir sollten nicht zu viel darüber nachdenken, sondern dieses wunderbare Geschenk unseres Seins dankend annehmen und einfach nur leben!«

»Und was heißt das nun für mich?«, wollte der Junge mit fragendem Blick wissen.

»Stell Dir vor, heute wäre Weihnachten. Dann würdest Du nachher Geschenke bekommen und das Fest wäre schon Übermorgen vorbei. Die Zeit aber gibt Dir die Möglichkeit, dass Du Dich noch eine ganze Woche darauf freuen kannst und das ist doch toll. Die Vorfreude ist etwas sehr Schönes. Du siehst, dass die Zeit eigentlich Dein Freund ist. Du musst die Dinge lediglich aus dem richtigen Winkel betrachten!«

Max lehnte sich zurück, überlegte, dass er später etwas genauer darüber nachdenken wollte und ließ den Blick durch die Werkstatt gleiten, während sein Großvater genüsslich an seiner Tabakpfeife sog. So saßen die zwei beieinander und genossen den gemeinsamen leisen Moment.

Der Junge kannte eigentlich jeden Winkel dieses schönen Kleinods, denn bereits seit seinen frühen Kindertagen war er voller Neugier überall herumgekrochen. Und doch fiel ihm erst jetzt eine kleine, kaum erkennbare Tür unter der Werkbank auf. Er überlegte, ober er sie in der Vergangenheit vielleicht immer nur übersehen hatte und wandte sich seinem Opa zu, der ihn seit einigen Minuten mit wissendem Blick aufmerksam beobachtete.

»Was ist das für eine Tür und wo führt sie hin?«

Der alte Mann schwieg, sagte zunächst kein Wort, gerade so, als hätte er dem Jungen überhaupt nicht zugehört. Dann aber wandte er sich seinem Enkel zu und fragte:

»Glaubst Du, dass es den Weihnachtsmann wirklich gibt?«

Was hat der Weihnachtsmann mit der Tür zu tun und warum fragt Opa ausgerechnet jetzt danach, dachte Max.

»Ich weiß nicht recht«, sagte er und spürte erneut diesen seit einiger Zeit in ihm bohrenden Zweifel, ob es den weisen Mann mit dem langen Bart im roten Mantel tatsächlich gab. Einige seiner Freunde erzählten immer, das wäre alles nur Hokuspokus. Nichts anderes als dumme Geschichten für kleine Kinder. Max aber war sich da einfach nicht so sicher. Die Jungs mochten recht haben, aber beweisen konnten sie es nicht. Und so balancierte er weiter auf einer Schwelle zwischen Zweifel und Gewissheit.

Die zwei wurden plötzlich unterbrochen, als Großmutter durch die Tür kam und die beiden Männer zum Kaffee lockte. Glücklicherweise hatte Opa seine Pfeife längst zu Ende geraucht und den Raum gelüftet, sodass ihm nicht die Ohren langgezogen wurden. Max stellte sich das bildlich vor und schüttelte energisch mit dem Kopf.

Dem Opa die Ohren langziehen. Dass ich nicht lache. Das traut sich doch niemand, sausten die Gedanken durch sein Oberstübchen.

In Erwartung leckeren Apfelkuchens war der Junge allerdings sofort abgelenkt, vergaß unversehens die zuvor noch so wichtigen Fragen und stürmte eilig an seiner Oma vorbei ins Haus. Der Nachmittag verging zügig, ohne dass Max weiter über das Gespräch in der Werkstatt nachdachte. Dann wurde es dunkel draußen. Der Abend kam sehr schnell und bald musste Max auch schon ins Bett.

Wieder einen Tag geschafft, sagte er sich und spürte abermals die Spannung des nahenden Weihnachtsfests, als ihm die Augen schwer wurden und er in einen tiefen Schlaf fiel.

Es war weit nach Mitternacht, als er plötzlich erwachte, putzmunter in seinem Bett saß und unaufhörlich an die geheimnisvolle Tür dachte, die ihm einfach so von irgendwoher in den Sinn gekommen war und von nun an keine Ruhe mehr ließ. Angetrieben von einer unbändigen inneren Unruhe stand er auf, zog sich ganz leise an, schlich aus dem Haus und durch die frostige Nacht hinüber in die Bastelkammer. Dann stand er vor der Tür unter der Werkbank und zweifelte, ob er sie tatsächlich öffnen sollte. Doch seine Neugier gab ihm unvermittelt die Antwort und er drückte die Klinke nach unten. Kaum hatte er sie geöffnet, klang von irgendwo her Musik, spürte er ausgerechnet im tiefen Winter einen warmen Luftzug, der ihm die seltsamsten Düfte entgegenwehte. Er vermochte diesem Sog einfach nicht zu widerstehen, kroch in die Öffnung und krabbelte auf den Knien durch warmen Sand einen nur kurzen Weg auf einen Lichtschein zu. Er folgte den lustigen Klängen und fand sich nur wenig später am Rand eines offensichtlich orientalischen Marktes wieder. Max schaute sich um und traute seinen Augen nicht.

Das kann doch gar nicht sein, dachte er. So etwas Fantastisches unter Opas Werkstatt! Warum hat er mir das nicht gesagt, dann hätten wir zusammen hierher kommen können?

Über dem spätabendlichen Markt in der Wüste wölbte sich ein wunderare Sternenhimmel. In einiger Entfernung sah er ein hell erleuchtetes, golden schimmerndes Märchenschloss, wie er es aus Geschichten wie Sindbad der Seefahrer oder Aladin und die Wunderlampe kannte. Direkt vor ihm aber standen ein paar Kamele, die den seltsamen Gast sichtlich entspannt, dafür aber mit großen Augen verwundert ansahen. Max ging vorsichtig an den Tieren vorbei und stand plötzlich zwischen vielen bunten Zelten, in denen verschiedenste Waren zum Kauf angeboten wurden. Da waren Gewürzsäcke, betörende Duftwolken von Zimt schwebten ihm entgegen, Curry, Kaffeebohnen, Unmengen Kräuter, Feigen und so vieles mehr. Auf der anderen Marktseite gab es Teppiche, Kleidung, Werkzeuge und auch ein Medikus bot gegen ein kleines Entgelt seine Heilungskräfte an. Gaukler und Künstler unterhielten die Zuschauer mit ihrem Spiel und eine bildschöne Tänzerin drehte sich in wundervoll eleganten Bewegungen auf einer kleinen Bühne vor einem anderen Zelt zu seltsam exotischen Klängen einer arabischen Streichlaute. Max schaute verwirrt um sich, als er nach einiger Zeit von einem Jungen angesprochen wurde.

»Komm mit. Dort hinten fängt gleich der unglaubliche Märchenerzähler mit seinen Geschichten an. Das darfst Du Dir einfach nicht entgehen lassen!«

Erneut staunte Max, brachte kein Wort heraus, bemerkte ein kleines Mädchen neben sich, das ihn freundlich ansah, an die Hand nahm und schüchtern ansprach:

»Ich bin Leila. Komm mit. Ich zeige Dir, wo wir hin müssen!«

Wenig später saß er inmitten vieler staunender Kinder und beobachtete den beeindruckenden alten Graubart, der jetzt mit einem offensichtlich uralten großen Buch unter seinem Arm in den Schein des Lagerfeuers trat.

Groß war er, trug schulterlanges, graues Haar. Sein Bart wuchs ihm bis hinunter zum Bauch. Der abgewetzte Mantel reichte bis auf die Füße und auch die Schuhe schienen reichlich verschlissen. Dieser seltsame Mann wirkte weise, belesen, wissend und war trotz seines hohen Alters ganz bestimmt noch richtig neugierig. Er begrüßte die Kinder mit lustigen und charmanten Worten, setzte sich auf seinen Schemel und begann mit einer tiefen, warmen Stimme zu lesen.

Max horte einige wunderbare Gedichte und erstaunliche Wortspiele, die er sich so schnell gar nicht merken konnte. Besonders aber faszinierte ihn die Geschichte aus 1001 Nacht.

Darin war die Rede von König Schahryâr, der sich nach einer gescheiterten Liebe nie wieder von einer Frau betrügen lassen wollte. Deshalb heiratete er jeden Tag eine andere, die er immer am nächsten Morgen töten ließ. Bald aber erschien die hübsche Scheherazade, die dieses grausame Treiben nicht mehr mit ansehen konnte. Sie ließ sich von ihrem Vater dem König zur Gattin geben, erzählte ihrem Gemahl in der ersten Nacht eine Geschichte, deren Handlung allerdings durch den anbrechenden neuen Tag unterbrochen wurde. Der König war aber so neugierig auf das Ende der Erzählung, dass er Scheherazade am Leben ließ. So ging es weiter durch 1001 Nacht. Zuletzt gebar die junge Königin drei Kinder und das Paar lebte glücklich bis ans Ende seiner Tage.

Am Ende der Geschichte setzte Stille unter den Zuhörern ein, erhob der weise Mann den Zeigefinger seiner rechten Hand und gab den Kindern einen Rat für das Leben mit auf den Weg.

»Ihr seid noch so jung. Auf dem Weg durch die Zeit geht immer mit Bedacht. Sucht nicht nach den schönen Dingen des Lebens, sondern lasst Euch von ihnen finden. Versucht das Gute für Euch zu bewahren und das Schlechte abzulehnen!«

Er schaute in die Runde. Beobachtete, dass die Kinder darüber nachdachten, lächelte milde, wandte sich ab und verschwand so plötzlich, wie er gekommen war. Max fühlte sich vollkommen überwältigt von dem, was er gerade gehört und auch die vergangen zwei Stunden auf dem wundersamen Markt erlebt und gesehen hatte. Leila, die neben ihm saß, nahm ihn erneut bei der Hand und sagte:

»Alle müssen jetzt ins Bett und Du solltest auch wieder zurück, denn es ist schon sehr spät!«

Sie brachte ihn zu den Kamelen, zeigte ihm, wo er entlang musste und wollte sich gerade verabschieden, als Max fragte:

»Warum muss ich gehen und sehe ich Dich wieder? Es war so schön mit Euch. Ich würde zu gern noch etwas bleiben!«

»Du hast es doch gerade gehört. Suche und warte nicht auf die Dinge, sondern lass Dich von ihnen finden!«

Die meisten Träume werden vergessen. Kaum, dass wir aus dem Schlaf erwachen, sind sie auch schon für immer verschwunden, haben sich unserer Erinnerung entzogen. Gelegentlich aber bleiben uns die Schlafgebilde erhalten, begleiten uns oft tagelang, bedrücken oder erfreuen uns anhaltend.

So erging es auch dem kleinen Max, als er am folgenden Morgen in seinem Bett erwachte. Die vielen Erlebnisse auf dem nächtlichen Markt, die Geschichten und die Worte des alten Mannes waren ihm noch sehr bewusst. Er vermochte sich überhaupt nicht zu erklären, wie er nach seiner Rückkehr wieder in sein Bett gekommen war und redete sich ein, dass das alles lediglich ein schöner und verrückter Traum gewesen sein musste. Bald schon stand er auf, stürzte wie jeden Morgen voller Elan in den Tag eines Jungen und verdrängte die nächtlichen Erlebnisse wenigstens ein Stück weit.

Einige Tage später war endlich Weihnachten. Am Morgen schien der Junge noch etwas aufgewühlt, was sich allerdings nach dem Frühstück langsam wieder legte. Er hatte inzwischen immer wieder versucht, sich an die Worte des Geschichtenerzählers zu halten und Ruhe zu bewahren, was ihm anfangs nur langsam, mit den Tagen aber immer besser gelang. Dann kam der Abend und die Zeit der Bescherung. Max wollte in diesem Jahr aus besonderem Grund einen genauen Blick auf den Weihnachtsmann werfen. Sein Bruder hatte nämlich gesagt, dass die Eltern den Schulhausmeister Lauke, der die Kinder während der Pausen immer ärgerte, für den Job engagiert hatten, dieser verkleidet durch die Nacht rennt, die Geschenke unter den Kindern verteilt und dafür auch noch Geld kassiert. Dem wollte Max auf die Schliche kommen, um endlich Klarheit wegen seiner inneren Zweifel an der Existenz des Weihnachtsmannes zu bekommen. Doch es kam alles so ganz anders.

Dann war Bescherung. Dir Tür öffnete sich und im selben Moment stockte dem Jungen der Atem. Er traute seinen Augen nicht, denn unter dem roten Mantel erkannte er sofort den Zauberer aus der Wüste, hörte dieselbe ruhige Stimme, sah denselben langen Bart. Da gab es überhaupt keinen Zweifel.

Aber das war doch nur ein Traum, sagte Max zu sich selbst. Das kann nicht wirklich sein. Wie geht das? Was ist mir da begegnet? Wer hat das gemacht?

Der weihnachtliche Besuch dauerte nur wenige Minuten. Der Junge hatte seine Geschenke, auf die er so lange und sehnsüchtig gewartet hatte, kaum wahrgenommen. Er starrte wie gebannt zum Weihnachtsmann, der sich zuletzt noch einmal zu ihm umdrehte, in die Augen blickte, abermals seinen rechten Zeigefinger erhob, diesmal aber nichts sagte. Dann kam es wie auf der Bühne in der Wüste. Er verschwand einfach so, war plötzlich fort.

Tags darauf ging der Junge zu seinem Großvater in die Werkstatt und erzählte ihm dieses und jenes, jedoch nichts von seinem Traum oder vom Weihnachtsmann. Nur zögerlich und scheu wagte er einen Blick unter die Werkbank und wollte wissen, ob es die geheimnisvolle Tür wirklich gab oder er sich alles nur eingeredet hatte. Und tatsächlich. Da war sie. Unauffällig und klein. Man musste schon genau hinsehen, um sie zu erkennen.

Dann sagte der Großvater zu seinem Enkel:

»Ich habe sie wieder abgeschlossen und den Schlüssel gut verwahrt!«

Er machte eine kleine Pause, sprach dann aber weiter:

»Hinter den Türen des Lebens verbergen sich oftmals seltsame Geheimnisse, Wunder oder auch Enttäuschungen. Was dort wirklich zu finden ist, erfährt nur, wer den Mut aufbringt, sie zu durchschreiten!«

Wie der Staub der Sterne

(nach einer Idee von Gisela Hildebrandt)

Da stand ich nun in der Eiseskälte dieses stillen Dezemberabends. Vollkommen unbekleidet, reglos, ganz allein und permanent den um diese Jahreszeit recht heftigen Unbilden der Natur ausgesetzt. Über mir ein wolkenfreier Himmel, der nur sehr selten im Jahr einen derart wunderbaren Blick in die fantastische Anzahl leuchtender Sterne erlaubt. Es ist einfach unglaublich, denn die wirklich schönen Dinge im Leben kosten oft nichts und warten nur darauf, erkannt und bestaunt zu werden. Was den kosmischen Zauber in seiner tiefen Unendlichkeit betrifft, muss man in einer dieser klaren Nächte lediglich nach oben schauen, sich einen Moment Zeit nehmen und von dem atemberaubenden Anblick mitreißen lassen. Es war und ist immer wieder kaum möglich, so tief einzuatmen, um die Schönheit dieses Wunders erfassen zu können. Ich weiß wirklich nicht, wie oft ich mich schon gefragt habe, ob es eine noch schwärzere Dunkelheit geben könnte, als die zwischen den funkelnden Lichtern hoch über mir. Lange habe ich in solchen Nächten nach oben geschaut, um dieses wunderbare Bild in mir aufzunehmen, es für mich zu bewahren. Weißt Du wie viel Sternlein stehen... heißt es in einem bekannten Kinderlied und nein, auch ich weiß es nicht. Woher auch. Wenn ich ehrlich bin, will ich das auch gar nicht. Mir reicht es, dass sie da oben funkeln, als ginge es um das letzte Leuchten auf dieser Welt und mein kühles Herz erfüllen, denn nicht alles muss unbedingt erklärt und in Worte gefasst werden. Genauso wenig, wie sich alle Dinge im Leben immer lohnen oder rechnen müssen. Zumeist reicht es, wenn es einfach nur Spaß macht. Doch eigentlich wollte ich gar nicht oder wenigstens nicht so ausschweifend von den Sternen erzählen.