Wie viel wiegt ein Instagram? - Christian Klein - E-Book

Wie viel wiegt ein Instagram? E-Book

Christian Klein

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wünschen Sie sich auch manchmal ein Telefon mit Wählscheibe zurück? Leider kommen Sie um ein Smartphone nicht herum. Und so teilt sich die bildschirmgebeugte Bevölkerung nicht länger in Männlein oder Weiblein, sondern Smartphone-Nutzer und Smartphone-Halter. Die einen dealen an der Online-Börse, laden YouTube-Videos hoch oder snapchatten mit Pamela Reif, die anderen suchen verzweifelt nach der Tastatur, mit der sie telefonieren können.

Mit viel Humor und großer Gelassenheit erzählt Christian Klein von Sinn und Unsinn des Smartphones in unserer Gesellschaft - und warum früher trotzdem nicht alles besser war.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 291

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



INHALT

CoverÜber dieses BuchÜber den AutorTitelImpressumWidmungZum GeleitPROLOGAufwachsen ohne SmartphoneSmart what?Wie hält man das Smartphone ans Ohr?Wetten, er rennt gegen die Laterne!?Selbsttest: Welcher Smartphone-Typ bin ich?Der HypeZu doof zum GoogelnGoogle-ÜbersetzungKein InternetMessengerTippfehlerKonzerte und SmartphoneTrends bei FotosYouTubeUnsere neuen »STARS«Hilfe, meine Mutter hat ein SmartphoneFitness-AppsIllegale DownloadsApps zum ReichwerdenJunkmails sind kreativDas Smartphone ist wegMacht uns das Smartphone faul?Macht uns das Smartphone dumm?Der Neue WortschatzSich unterhalten wird überbewertetImmer erreichbarWas wäre, wenn?Wir sterben aus!Klingeltöne damals und heuteLiebe übers InternetApps & mehrDer richtige Anbieter – Part 1Hilfe, mein Smartphone ist ein SelbstmordattentäterStreit mit dem SmartphoneGespräche mit der Generation 2000Gespräche per WhatsApp – mit meiner GenerationGespräche per WhatsApp – mit der älteren GenerationDie Porno-IndustrieDas EndeAbkürzungsverzeichnisDANKSAGUNG

Über dieses Buch

Wünschen Sie sich auch manchmal ein Telefon mit Wählscheibe zurück? Leider kommen Sie um ein Smartphone nicht herum. Und so teilt sich die bildschirmgebeugte Bevölkerung nicht länger in Männlein oder Weiblein, sondern Smartphone-Nutzer und Smartphone-Halter. Die einen dealen an der Online-Börse, laden YouTube-Videos hoch oder snapchatten mit Pamela Reif, die anderen suchen verzweifelt nach der Tastatur, mit der sie telefonieren können. Mit viel Humor und großer Gelassenheit erzählt Christian Klein von Sinn und Unsinn des Smartphones in unserer Gesellschaft – und warum früher trotzdem nicht alles besser war.

Über den Autor

Christian Klein, Jahrgang 1985, ist verheiratet und lebt aufgrund des immer noch nicht eingetretenen, plötzlichen Reichtums immer noch am Rande des Rheinlands und nicht in einer Luxus-Villa auf den Malediven. 2016 verarbeitete er bei Schwarzkopf & Schwarzkopf mit Neulich im Discounter einige spaßbefreite Monate an der Ladenkasse im Lebensmitteleinzelhandel zu einem urkomischen Buch über Begegnungen mit skurrilen Kunden.

Christian Klein

WIE VIEL WIEGT EIN INSTAGRAM?

Warum uns das Smartphone (doch nicht) zur Krone der Schöpfung macht

BASTEI ENTERTAINMENT

Originalausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Stefan Lutterbüse

Titelillustration: © Zmiter/www.shutterstock.com

Umschlaggestaltung: FAVORITBUERO, München

Datenkonvertierung E-Book:

hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-5618-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Dieses Buch ist meiner Mutti, meinen beiden Neffen und meiner Nichte, der Prinzessin, gewidmet. Nehmt es mir bitte nicht übel, dass ich ausgerechnet euch mehr als einmal als Beispiel heranziehen musste, das ist nicht böse gemeint, sondern einfach nur die späte Rache für eure feuchte Aussprache, mit der ihr mir die Zeit als Babysitter verschönert habt. Von meinen T-Shirts gar nicht zu reden.

So, und jetzt wieder Kopf runter, Smartphone gucken. Jo!

Zum Geleit

Das Wort Smombie wurde 2015 von einer Jury zum »Jugendwort des Jahres« in Deutschland gewählt. »Smombie« ist ein Kofferwort aus den Begriffen »Smartphone« und »Zombie«. Welches Geheimnis hinter dieser Bezeichnung liegt, werde ich in diesem Buch nach und nach aufdecken. Erwarten Sie also eine literarisch-investigative Reise voller Spannung, Geheimnisse, Poesie, Erotik, mit dramatischen Wendungen und erschütternden Wahrheiten … oder hören Sie auf etwas zu erwarten, und lesen Sie einfach weiter. Aber ich muss Sie warnen: Dieses Buch enthält teils extrem verstörende Szenen und Situationsbeschreibungen, die sich nachhaltig auf Ihren Smartphone-Alltag auswirken können.

Zum weiteren Geleit:

Im Verlauf des Buches werden Sie auf unbekannte Ausdrücke, Fachwörter oder Abkürzungen stoßen, die zum Teil im nachfolgenden Text erläutert werden, im Erklärbär-Teil des Buches oder im Anhang. Wie das funktioniert, werden Sie bestimmt selbst herausfinden. Kommen Sie schon, ein bisschen Spaß machen soll das Ganze ja auch …

PROLOG

Jeder besitzt es, jeder nutzt es, rund um die Uhr. Ich rede vom Smartphone. Ich nehme mich gar nicht aus, darf aber behaupten, dass ich ob der Gnade der frühen Geburt sogar ohne Handy – geschweige denn ein Smartphone – aufgewachsen bin.

Wer »in« ist, besitzt heute entweder ein iPhone von Apple oder ein Gerät von Samsung. Welches das bessere Smartphone ist, muss jeder Nutzer für sich selbst entscheiden. Es gibt erstaunlicherweise noch andere Hersteller wie HTC, Huawei und Motorola, es soll sogar Windows-Phones geben, die habe ich aber noch nie gesehen, vermutlich also nur ein Märchen, eine Internetlegende. All diese anderen Anbieter neben Apple und Samsung bedienen nur eine verschwindend geringe Minderheit. Welchen Hersteller ich bevorzuge, werde ich nicht sagen, für den Moment reicht die Information, dass in unserem Haushalt beide Smartphone-Riesen vertreten sind. Da mir trotz meiner unermüdlichen Anfragen per WhatsApp, Instagram oder Facebook-Posts weder Apple noch Samsung Unsummen an Geld überweisen wollten, damit ich sie in diesem Buch gut wegkommen lasse, habe ich mich entschlossen, diese Firmennamen fortan nicht weiter zu nennen und stattdessen von Fallobst und Korea zu sprechen.

Ich war in meiner Jugend stundenlang damit beschäftigt, Briefe zu schreiben oder Liebesbriefe zu beantworten. Mit einem Füller. Freiwillig, weil so alt bin ich auch wieder nicht. Zugegeben, es ist nicht so, dass ich jemals einen Liebesbrief bekommen hätte, aber wenn, dann hätte ich ihn eigenhändig beantwortet, ganz sicher. Es wäre vielleicht noch darauf angekommen, von wem er gewesen wäre, aber ich hätte entweder mit einem handgeschriebenen Brief geantwortet – oder gar nicht.

Heutzutage bekommt man keine Briefe mehr und wenn doch, dann sind es Rechnungen oder Werbeschreiben. Denn jeder, auch ich, kommuniziert mit dem Smartphone. Es gibt Tausende von Apps*, die uns das Leben erleichtern sollen. Es gibt zum Beispiel die App von Skype. Wozu gibt es die? Richtig: zum Telefonieren. Und wofür genau war jetzt das Telefon, das Smartphone, eigentlich da?

Nun, eben dieser Frage will ich in diesem Buch auf den Grund gehen, oder auch nicht. Während ich an meinem Schreibtisch sitze, nach draußen in den Garten schaue und auf mein neues Smartphone warte, will ich versuchen zu erläutern, wie es so weit kommen konnte, was die Ursachen, vor allem aber, was die Auswirkungen der Smartphone-Abhängigkeit sind.

Ich kann den Unterschied zwischen früher und heute auch in der eigenen Familie beobachten: Mein Neffe, der inzwischen 14 Jahre alt ist, bekam sein erstes Taschentelefon vor drei Jahren. Mit elf also. Genau wie meine Nichte, die etwas jünger ist. In beiden Fällen waren es natürlich Smartphones! Was man beobachten kann, ist, dass beide mit den Hightech-Geräten heillos überfordert und tatsächlich darüber erschrocken sind, dass man mit diesem Spielzeug auch telefonieren kann. Hätte ich nur ansatzweise geahnt, was es bedeutet, den beiden ein Smartphone anzuvertrauen, dann hätte ich meine Schwester mit allen Mitteln davon abgehalten. Erlauben Sie mir bitte, zu gegebenen Anlässen auf meine eigenen Familienmitglieder zurückzukommen, die nämlich regelmäßig eindrucksvoll illustrieren, wie man sich in der Welt der Smartphones verlaufen kann. Ich will versuchen, Auswege aus diesem Smombie-Irrgarten zu finden, damit dieses Buch ein wichtiger und praktischer Ratgeber für Ihren Alltag wird, das Google Maps zur Straße der Überlebenden sozusagen.

Smartphones sind Fluch und Segen gleichermaßen. Wir sind immer, vierundzwanzig Stunden am Tag, erreichbar. Für alles und für jeden. Jemanden nicht zu erreichen ist eine echte Kunst geworden. Im Sommer im Straßencafé zu sitzen und einen Tischnachbarn ohne Smartphone zu sehen, grenzt schon an eine Zeitreise. Selbst die ältere Generation hat inzwischen Smartphones. Ich sage nicht, dass sie damit klarkommen, aber hey, sie haben immerhin eines und zeigen es stolz ihren Freunden und Familienmitgliedern, die es dann oft zum ersten Mal einschalten.

Aber ich will gar nicht weiter auf technische Probleme mit Smartphones eingehen. Dieses Buch soll davon handeln, dass man sehr viele lustige Sachen mit Smartphones machen kann, und davon, wie sich meine Generation fühlt, wenn man von der jüngeren Generation Nachrichten bekommt. Gerade die Jüngsten fühlen sich ja so unglaublich cool, wenn sie ihr erstes Smartphone in ihren Patschfingern halten. Meine Nichte war gerade in der Schule angekommen, als sie zum ersten Mal nach dem Fallobst verlangte. Dabei konnte sie das Wort »Smartphone« kaum schreiben. Im Gegensatz zu meinem Neffen, der »Smartphone« bis heute noch nicht buchstabieren kann. Ich weiß, es klingt arrogant, aber als ich in deren Alter war, war ich orthografisch auf der Höhe der Zeit: H-A-N-D-Y.

* wird im Erklärbär-Teil erklärt

Ein kleines Quiz zum Warmwerden. Kennen Sie sich aus in der Welt der Smartphones?

1. In welchem Jahr kam das wirklich erste Smartphone auf den Markt?

A1992B1999C2002D2007E2035

2. Wer war der Hersteller des ersten Smartphones?

ACommodoreBIBMCNokiaDAppleESamsung

3. Was außer Telefonieren konnte das erste Smartphone noch?

AFotografierenBFaxenCElektronische Türschlösser öffnenDDigital bezahlenEWindeln wechseln

4. Mit welchem System konnte man eine Telefonnummer mit dem ersten Smartphone eingeben?

AWählscheibeBDrucktastenCTouchscreenDSprachsteuerungEGedankenkontrolle

5. Wie heißt das erste Smartphone?

A1Bi83-ACSimonDBernadetteES1

Fundstücke

Bei meiner jahrzehntelangen, intensiven Recherche zu diesem Überlebens-Ratgeber, die mich in die hintersten und finstersten Ecken der Welt geführt hat, in dramatische Situationen, bei denen ich um Leib und Leben fürchten musste, mehrfach meine politischen und moralischen Ansichten von Grund auf ändern musste und leider viel zu oft und stets nur mit allerletzter Kraft einer drohenden Schizophrenie entging, nur um gleich darauf wieder in die nächste ausweglose Falle zu tappen, bin ich häufig Zeuge von Aussagen geworden, die ich mit Hilfe von Dritten, die ich an dieser Stelle aus reiner Nächstenliebe auf keinen Fall namentlich nenne, im Internet veröffentlicht habe, damit sie unwiderruflich für die Nachwelt erhalten bleiben, da sie mehr als nur zum Nachdenken anregen. Ich werde sie fortan »Fundstücke« nennen, damit eine direkte Verbindung zu meiner Person oder den oben erwähnten »Dritten« nicht ohne Weiteres herzustellen ist.

Fundstücke #1

Wenn Du nach 15 Jahren aus der Haft entlassen wirst, Deine Wertgegenstände ausgehändigt bekommst, und Dein Nokia 3310 noch 2 Balken hat …

Aufwachsen ohne Smartphone

Ich bin zwar gerade Anfang dreißig, hatte aber in meiner Kindheit kein Mobiltelefon und das Wort Smartphone konnten noch nicht einmal Angeber buchstabieren. Klar, es gab das Wort smart und es gab das Wort Phone, aber das Gerät nannte man lieber Handy. Das konnte man manchmal mit einer Hand zuklappen, und damit begann auch schon die Zeit, als die Preise fürs Simsen langsam für jedermann erschwinglich wurden.

Ich kaufte mein erstes Gerät mit 17 und es war ein Trium. Das war früher das Einsteigermodell. Das Trium hatte noch eine herausziehbare Antenne, so groß wie ein Baguette. Wir mussten zum Telefonieren die Antenne rausziehen, weil es sonst keinen Empfang hatte. Die Smartphones von heute besitzen nur noch ein unsichtbares Baguette.

Mein zweites Handy war ein Nokia. Ich habe es immer noch, denn es hat noch genug Akkuladung, um die kompletten Londoner U-Bahnlinien bei Stromausfall eine Woche lang zu versorgen. Mit diesen Handys konnte man nicht nur telefonieren und Textnachrichten verschicken, sie hatten sogar ein Spiel vorinstalliert, und das hieß Snake. Das spielten wir stundenlang und die Frage, wer welches Spiel in welcher Version auf seinem Handy hatte, blieb uns erspart. Es gab nur dieses Spiel, denn es war vorinstalliert und man bekam es auch nicht herunter vom Gerät.

Die Handys von damals hatten aber auch völlig unnütze Sachen wie einen Taschenrechner. Den gibt’s heute häufig nicht mehr, und wenn man einen braucht, muss man ihn im App-Store umständlich herunterladen. Es sei denn, man hat ein Superhirn in seiner WhatsApp-Gruppe, das gerade Zeit hat für die echt schwierige Frage, wie viel 2 x 6 ergibt.

Apps für diese alten Handys gab es noch nicht mal als Aufkleber, aber wir hatten schon Internet auf den Telefonen, nutzten diese für damalige Zeiten unglaublich moderne Möglichkeit allerdings nicht, weil es noch keine Internet-Flatrates gab. Wenn man also versehentlich auf den Button Internet kam, drückte man panisch die Beenden-Taste, weil die Internetfunktion damals unbezahlbar war.

Man konnte diese alten Handys übrigens auch auf den Fliesenboden fallen lassen, und das Handy ging nicht kaputt, im Gegensatz zur Fliese. Heute sieht es da ganz anders aus. Das liegt aber ganz, ganz sicher nicht daran, dass Handys heute schneller kaputtgehen, sondern dass die Fliesen härter als vor 13 Jahren sind.

Wollte man sich in meiner Jugendzeit, also in der Vor-Handy-Zeit, mit Freunden treffen, verabredete man sich in der Schule für den Nachmittag. Das klappte erstaunlich gut, und wenn doch mal etwas dazwischenkam, dann rief man auf dem Festnetztelefon an. Wenn keiner abnahm, sprach man eine Nachricht auf den Anrufbeantworter oder wartete einfach zwei Stunden am verabredeten Ort. Wenn niemand kam, fragte man eben am nächsten Tag in der Schule nach, warum die Verabredung geplatzt war.

Ich musste immer zuhause Bescheid sagen, wohin ich wollte, wenn ich verabredet war. Da ich in meiner Jugend noch kein Handy besaß, wollte meine Mutter immer wissen, wo ich steckte – für alle Fälle. Das war damals völlig okay für mich. Da meine Freunde und ich uns sowieso immer am selben Ort trafen, war es sowieso nicht schwierig, mich zu finden.

Wir hatten kein Internet. Somit gehörten wir wohl zur letzten Generation, die Fahrpläne für öffentliche Verkehrsmittel lesen lernte, die sich Telefonnummern merken konnte, und die Hausaufgaben ohne die Hilfe von Google machen musste. Einmal im Jahr bekamen wir ein Buch geschenkt, ein Telefonbuch. Ein Telefonbuch war ein dickes, schweres Buch, in dem Telefonnummern alphabetisch nach den Nachnamen der Einwohner der Stadt geordnet waren, in der man lebte.

Heute hören viele Musik nur noch übers Smartphone. Ich hatte damals noch einen Discman und musste mich morgens entscheiden, welche CDs ich hören wollte. Man wollte ja nicht seine komplette CD-Sammlung mit sich rumschleppen. Irgendwann später kam der MP3-Player auf den Markt, aber um den zu bespielen, brauchte man wiederum einen PC, den ich damals auch noch nicht besaß. Und die ersten Handys konnten MP3-Dateien nicht abspielen. Trotzdem fehlte uns damals nichts. Schon gar nicht Gangsta-Rap. Denn wir konnten uns noch ganz normal unterhalten, wie es Menschen Jahrtausende lang getan haben, wir lernten unsere Freunde in der Schule oder beim Spielen kennen, und wir haben uns auch nicht über das Smartphone in den einzig wahren Menschen verliebt, mit dem wir dann eine Fernbeziehung führen, weil er 500 km entfernt wohnt.

Für einige Leute ist das Internet natürlich praktisch, denn es passt bekanntlich zu jedem Topf ein Deckel, und wenn der Deckel nun mal in einer Höhle in Papua-Neuguinea wohnt, so besteht nun endlich die Möglichkeit, diesen Deckel auch zu finden, vorausgesetzt man hat keine Flugangst. Aber zum Thema Liebe via Smartphone kommen wir später noch.

Ich habe in meiner Kindheit viele wichtige Dinge gelernt, indem ich sie ausprobiert habe. Ich konnte sie eben nicht mal schnell googeln: Sand schmeckt nicht gut und auch gelber Schnee ist kein Gaumenschmaus, so etwas mussten wir alles selbst herausfinden. Okay, die Sache mit dem Essen hätte ich vermutlich trotz Internet getestet, denn Geschmäcker sind ja verschieden und ich esse gern. Viele Leute denken ja: Was es nicht im Internet gibt, gibt’s gar nicht. Ich dagegen schaue einfach aus dem Fenster, um zu sehen, ob sich das Wetter eher zum Baden oder zum Angeln eignet – und nicht aufs Smartphone. Mal davon abgesehen, welches Handy man nun besitzt, zeigt das Smartphone ja eigentlich auch immer ein anderes Wetter an, als das, was man vor der Türe tatsächlich vorfindet. Die Koreaner zeigen sechs Grad und Regen, das Fallobst zeigt vierzehn Grad und strahlenden Sonnenschein an – und in Wirklichkeit sind es minus drei Grad und es schneit. Die Runde geht an die Koreaner, weil die dichter dran waren.

Wenn wir früher mit Freunden gezeltet haben, konnten wir im Notfall nicht mal eben zuhause anrufen und sagen: »Mama, hol mich ab, da sind so komische Geräusche im Gebüsch.« Nein, wir mussten entweder die ganze Nacht lang zitternd wie Espenlaub auf dem Zeltplatz bleiben oder im Dunkeln allein durch den Wald nach Hause latschen. Wer so was erlebt hat, für den ist das Blair Witch Project eine bessere Einschlafhilfe.

Heutzutage gehört man nicht dazu, wenn man nicht das neuste Smartphone hat. Noch verrückter: Man muss aber nicht nur das neuste Smartphone haben, sondern auch das von der richtigen Firma. Zu meiner Zeit hatten wir noch nicht einmal schnurlose Festnetztelefone. Bei uns hing der Telefonhörer noch an einer Strippe und somit gab es so etwas wie heimliches Telefonieren nicht. Das Telefon stand im zugigen Flur oder mitten im Wohnzimmer und damit warst du quasi immer Ortsgespräch. Es war ein bisschen so absurd wie telefonieren in der Straßenbahn – darauf komme ich gleich noch detaillierter zurück.

Wenn wir also delikate Gespräche führen wollten, mussten wir warten, bis wir sturmfrei hatten oder zur Telefonzelle gehen, wobei das ja immer so eine Sache war, nicht nur wegen des fehlenden Kleingelds. Wir waren dann zwar allein in der Telefonzelle, aber unser Schwarm stand wahrscheinlich mit feuerroter Birne in Omas Wohnzimmer. Wir konnten damals auch nicht von Telefonzelle zu Telefonzelle telefonieren. Also mussten wir meist auf dem Schulhof oder nachmittags von Angesicht zu Angesicht miteinander reden, wenn wir etwas besprechen wollten, das nicht jeder mitbekommen sollte.

Geredet wurde natürlich auch im Klassenraum, vor allem über die kleinen Zettel mit der Frage »Liebst du mich?«. Heutzutage haben Lehrer mit anderen Problemen zu kämpfen als mit herumgereichten Zetteln. Heutzutage gründen Eltern WhatsApp-Gruppen, um in Sachen Schule auf dem neusten Stand zu sein. Zu meiner Schulzeit trafen sich die Eltern beim Einkaufen oder nachmittags auf einen Kaffee. Als Schüler hatten wir dadurch noch eine Gnadenfrist, um den Bockmist, den man gebaut hatte, selbst zu beichten oder um sich gute Ausreden einfallen zu lassen. Heute sind die Eltern ja schon informiert, bevor man den Mist überhaupt gebaut hat.

Fundstücke #2

Jedes Mal, wenn ein Smartphone auf den Boden fällt und das Display zersplittert, hört man leise ein altes Nokia kichern.

Smart what?

Warum heißt ein Smartphone eigentlich Smartphone? Ist es besonders smart? Smart war für mich immer ein Auto. Ein sehr kleines Auto. Kurz: Für mich ergibt das Wort Smartphone keinen echten Sinn, weshalb ich auch heute noch lieber von einem Handy spreche. Wir fanden es früher cool, wenn wir ein kleines Handy hatten, aber inzwischen sind die großen und noch größeren Telefone der letzte Schrei. Sie sind so groß geworden, dass man sie nicht mal mehr in die Tasche stecken kann. Jetzt ist ein Smart aber doch der Inbegriff eines kleinen Autos, ist ein Smartphone also ein großes Telefon für ein kleines Auto? Oder werden Smartphones in Zukunft so groß wie ein Auto sein? Kann man ein Smartphone irgendwann quer in einer Parklücke ablegen? Denn für das Auto brauche ich ja bald keine Parklücke mehr, das bekomme ich ja fast problemloser in die Tasche als so manches Telefon …

Früher war es wichtig, so klein wie möglich zu sein, heute kommt es wieder auf die Größe an. Irre, aber die Menschheit stand mal auf kleine Handys. Heute hingegen gilt: je größer, umso besser. Wenn das so weitergeht, haben wir bald die Dimension von Telefonzellen erreicht (ach übrigens, für die junge Generation: Telefonzellen waren früher in etwa zwei mal zwei Meter kleine, gläserne geschlossene Häuschen, in denen ein Telefon hing. Die Häuschen waren gelb. Man warf dort Münzen ein, um zu telefonieren. Falls ihr so etwas seht: Macht mit eurem Smartphone ein Foto von der Telefonzelle, denn diese historischen Bauwerke sind heute ebenfalls so selten wie ein Einhorn).

Ich war siebzehn und so stolz auf mein erstes, kleines Taschentelefon. Nun, ich war irgendwie der Letzte von meinen Freunden gewesen, der ein solches Wunderding bekam. Was heute Koreaner oder Fallobst ist, war damals Nokia oder Trium. Und unsere Handys bekamen ständig neue Funktionen. Nach und nach gab es schließlich auch Geräte, auf denen mehr als nur ein Spiel funktionierte und das jetzt auch MP3-Songs abspielen konnte. Für 2,99 Euro pro Woche bekam man ein Jamba-Abo, um sich ein Spiel oder ein Lied aufs Handy zu laden. Aus diesen »Verträgen« kam man nicht wieder raus, ohne eine SMS* für 2,99 Euro an Java zu schicken mit dem Wort »Stop«. Nachdem man das mit gefühlten siebenundzwanzig Antwort-SMS (»Ja ich bin mir sicher, dass ich dieses Abo nicht mehr möchte«) – und natürlich für jeweils weitere 2,99 Euro pro SMS – bestätigen musste und niemand so viel Guthaben auf seiner Prepaidkarte hatte, dürfte mindestens jeder Zweite aus meiner Generation noch immer ein Jamba-Abo haben, was sie oder er nur längst vergessen haben dürfte.

Mein Tipp: Schauen Sie doch einfach mal nach, manchmal lohnt es sich wirklich, seine Handy-Monatsrechnung genau zu studieren! Und dann fordern Sie die 2.583 kostenlosen Klingeltöne ein, die Sie schließlich über Ihr Abo in all den Jahren bezahlt haben.

Wir hatten damals nicht die technische Möglichkeit, mit dem Handy mal schnell online zu gehen und uns den Song einfach bei einem Download-Store zu laden, damit wir ihn auf dem Handy hatten. Diese Technik beherrschte seinerzeit offenbar nur Jamba. Dafür gab es sehr coole Fernsehwerbung bei VIVA. Man hatte das Gefühl, dass VIVA komplett aus Jamba-Spots bestand, aber wir hatten ja gottlob noch weitere neunundzwanzig Sender, und alle in Farbe! Aber auch die anderen Sender brachten Jamba-Werbung, und ob es nun der bekloppte Frosch war oder der Hase Schnuffel, uns gefiel, was dort beworben wurde und somit brauchten wir diese Songs zum Überleben, und so gab es die Lieder konsequenterweise bald auch auf CD und einige, wie der Hase Schnuffel, wurden tatsächlich Nummer-eins-Hits in unserer schönen Republik. Es wurde uns also unendlich schwergemacht, kein Abo abzuschließen. Heute sieht man diese Art Werbung genauso selten wie ein Einhorn – mit anderen Worten: Sie ist ausgestorben. Und für die Smartphone-Generation hat Jamba nie existiert.

Ich kann mich noch ganz genau erinnern, wann und wie ich mein erstes richtiges Smartphone in der Hand hielt. Es stammte vom Fallobst und war Teil einer Aktion eines großen Mobilfunkanbieters: »Wir schicken Ihnen das Gerät zwei Wochen zum Testen, und wenn es Ihnen nicht gefällt, schicken Sie es einfach zurück. Und wenn Sie es behalten möchten, bekommen Sie einen passenden Vertrag, bei dem Sie lediglich Ihr gesamtes Monatsgehalt an uns überweisen müssen, um das Ganze über den überschaubaren Zeitraum von 429 Monaten abzuzahlen.«

Dummerweise gab es zu diesem Zeitpunkt immer noch keine Internetflatrate für Smartphones, und wirklich guten Internetempfang gab es auch nicht – und so hatte ich das Ding eine Stunde ausprobiert, wieder eingepackt und zurückgeschickt. Denn ich erkannte schnell, dass man damit noch nicht wirklich viel anfangen konnte. Und es war für mich echtes Neuland, ich war überfordert mit all seinen Funktionen. Ich fühlte mich mit Anfang 20 zum ersten Mal alt, richtig alt.

Ich war auch der festen Meinung, dass sich das Ding nie im Leben durchsetzen würde. Heute sind wir schon in der x-ten Generation Fallobst.

Bitte tragen Sie in der nachfolgenden Zeile wahlweise die namensgebende Zahl des aktuellen Fallobst- oder Korea-Handys ein. Damit aktualisieren Sie dieses Buch auf den heutigen Stand, der Verlag kann ja wirklich nicht zu jeder Neuausgabe der Smartphones eine aktualisierte Auflage erstellen:

iPhone-Generation 4 – 5 – 6 – 7 – 8 – 9 (hier bitte aktuelle Version eintragen).

Samsung Galaxy S-Generation 4 – 5 – 6 – 7 – 8 – (hier bitte aktuelle Version eintragen).

Ich habe eine andere Marke, und zwar (bitte Marke eintragen),

in der Version (hier bitte aktuelle Version eintragen).

Besten Dank für Ihre Mithilfe, diesen Smartphone-Ratgeber aktuell zu halten.

Aber zurück zum Thema, ja, das Smartphone hat sich durchgesetzt. Tja, hinterher ist man ja immer schlauer. Schlauer auch, was die Nutzung der vielen nützlichen und vergleichsweise merkwürdigen Funktionen anbelangt: Ich kann mich inzwischen recht gut in der Welt der Smartphones bewegen.

Na, das sieht doch so aus, als sei vieles besser geworden, seit es Smartphones gibt, richtig? Aber nur bis zu einem Punkt, denn es gibt da immer noch die Sache mit dem Immer-erreichbar-Sein. Ich bin ja selbst ein Smombie geworden. Ich verlasse das Haus zwar auch mal ohne Telefon, aber nur, wenn der Akku und meine Powerbank leer sind. Das wäre mir früher übrigens nie passiert, wenn man sich an die ersten Handys erinnern kann. Die Akkus damals hielten in etwa eine Woche, ja, auch wenn man damit täglich mehrere Stunden telefoniert hatte. Heute hängen die Smartphones so oft am Strom, dass es eigentlich doch wieder kabelgebundene Telefone sind.

Ich muss gestehen, dass es ein komisches Gefühl ist, ohne Handy loszuziehen, so, als würde man ohne Geld einkaufen gehen wollen. Ohne mein Smarty, wie ich es liebevoll nenne, fühle ich mich halt irgendwie nackt und unvollständig, eine der modernen Smombie-Krankheiten eben …

Mit den heutigen Smartphones kann man inzwischen problemlos Filme schauen. Klar, das geht am besten zuhause, denn da hat man das 50 MBit-WLAN und nur damit macht Netflix-Streaming auch Spaß. Also schaltet man seinen 80-Zoll-Fernseher aus, um die 30fach verkleinerte Version von Star Wars auf dem Handydisplay zu schauen … Wer tut so etwas? Und vor allem warum? Ganz einfach, weil man es jetzt kann. Und es ist scheinbar völlig egal, ob das wirklich Spaß macht oder nicht.

Das Einzige, was wir seinerzeit auf den alten Handys lesen oder sehen mussten, waren SMS. Wir zahlten pro SMS zirka 9 Cent. Und wir hatten auch nur maximal 160 Zeichen für eine SMS. Das Twitter von heute war damals unsere SMS. In dieser Zeit wurden auch die absurdesten Abkürzungen erfunden, weil 160 Zeichen wirklich nicht viel sind. Und eine zweite SMS schreiben kam rein finanziell einfach nicht infrage. HDGDL* hat also so manche sorgende Mutter zum Verzweifeln gebracht, wenn sie mal kurz die SMS ihres Schutzbefohlenen durchscrollte, um sicherzugehen, dass der Kleine auch keine Dummheiten anstellt. Übrigens führte auch diese Entwicklung schon wieder zu einem Top-Hit, diesmal von den Fanta 4, die dem Abkürzungswahn mit MfG eine Hymne widmeten.

Eine gute Alternative zu 160 Zeichen voller Textabkürzungen war, einen Brief zu schreiben, ihn abzufotografieren und per MMS zu versenden (für 49 Cent). Aber das ging natürlich erst, seitdem Handys quasi auch Fotoapparate sind. Heute ist eine gute Kamera im Smartphone obligatorisch. Leute, wir hatten keine miese Kamera in den ersten Handys, wir hatten gar keine Kamera. Der Erste unter meinen Freunden mit einer Kamera im Handy wurde dann natürlich auch der gefeierte Held unserer Clique. Klassische Fotoapparate und auch Digitalkameras sind zwanzig Jahre nach dieser ersten Handykamera fast ausgestorben, weil inzwischen jedes Smartphone mit einer Kamera daherkommt, und die Qualität ist gar nicht mal so schlecht.

Man ahnt schon, dass die technische Weiterentwicklung der Handys eher langsam verlief. Erst konnte man mit den Mobiltelefonen nur telefonieren und SMS schreiben, irgendwann folgte dann die Kamerafunktion. Zugegeben, die Fotos waren immer unscharf und es war nicht viel zu erkennen, aber man konnte Fotos machen. Dann kamen die nächsten, immer teureren Modelle, mit einem MP3-Player daher, und peng!, auf einmal gab es ein iPhone, das offensichtlich alles konnte – alles, außer telefonieren. Ich meine, das ist nur fair, bei so viel fantastischer, neuer Technik muss ja irgendetwas Nebensächliches auf der Strecke bleiben.

Fragen Sie sich eigentlich, warum ich behaupte, mit dem iPhone könne man nicht telefonieren? Haben Sie es denn selbst mal versucht? So richtig wie früher mit Lautsprecher am Ohr und Mikro in der Nähe vom Mund? Und was passiert also, wenn Ihre Wange – in der normalsten aller Arten, ein Telefon zu halten – das Display berührt? Richtig! Sie legen auf. Welch herrliche Erfindung aus der Wüste Nevadas.

Als ich vor kurzem meine Familie besuchte, demonstrierte mein Neffe einmal mehr, dass man als Mitglied der Generation Smombie schnell an seine Grenzen gerät. Der Grund für seine Verwirrung: Ich telefonierte mit meinem Handy. Nochmals zur Erinnerung, genau dafür wurden Geräte ursprünglich konzipiert. Mein Neffe bekam große Augen und fragte mich voller Ehrfurcht:

»Warum hältst du beim Skypen das Telefon ans Ohr?« Ich schaute ihn verdattert an.

»Ähm, ich habe einfach nur telefoniert!?«

»Cool, das geht? Wie heißt die App dafür …?«

Das konnte er doch nicht im Ernst meinen? Er sah irgendetwas in meinem verwirrten Blick und sagte dann rasch: »Hey Alter, war nur ein Spaß!«

Aber war es das wirklich? Im Prinzip konnte ich ja froh sein, dass er mich persönlich fragte und nicht per WhatsApp – und dass er Worte benutzte, die ich kannte und verstand, denn das ist ja heutzutage auch nicht mehr so leicht. Auch zu diesem Thema kommen wir später noch.

Ich fragte ja eingangs, warum die Smartphones eigentlich »smart« sind. Es liegt wohl nicht an ihren Benutzern, da bin ich mir sicher. Wenn ich das Wort »smart« mithilfe eines Wörterbuchs übersetze, finde ich die Begriffe »intelligent«, »raffiniert« oder »flott«. Klingt gut. Aber das gilt nur für die Adjektive. Es gibt jedoch auch ein Substantiv. Also ein Hauptwort. Und das Wort »Smartphone« besteht doch vermutlich aus zwei zusammengesetzten Hauptwörtern, also z. B. wie »Nudelsuppe«, also Nudel und Suppe. Die Übersetzung vom englischen Substantiv »smart« ist »Schmerz«. Und jetzt denken Sie bitte mal darüber nach …

Fundstücke #3

Ich gehöre ja zu der Generation, die sich das Telefon ans Ohr hält beim Telefonieren.

Wie hält man das Smartphone ans Ohr?

Jedes Mobiltelefon hat eine Freisprecheinrichtung. Man kann auch praktischerweise ein Headset anschließen, wenn man beim Reden lieber die Hände frei haben möchte. Das kann ich absolut nachvollziehen, aber warum zur Hölle schaltet man beim Telefonieren in der Straßenbahn die Freisprecheinrichtung ein? Ohne Headset, einfach den Freisprecher an und auf Laut stellen? Warum tut man das? Weil man es kann? Die Person am anderen Ende der Leitung erzählt gerade, dass sie sich von der Blinddarm-OP erholt und die Narbe so schrecklich juckt, als würden eine Million Ameisen eine neue U-Bahn unter seiner Bauchdecke bauen – und die gesamte Straßenbahn hört zu. Zumindest war das vor drei Jahren so, denn inzwischen telefoniert das halbe Straßenbahnabteil auf diese Art und Weise, und die andere Hälfte gibt hilfreiche Ratschläge und kluge medizinische Tipps. Wozu soll man auch zu einem teuren Mediziner oder Psychologen gehen und somit der Krankenkasse auf der Tasche liegen, wenn man in der Straßenbahn kostenlos und zu fast jedem Problem einen gutgemeinten Lösungsvorschlag erhalten kann? Ich selbst finde die Straßenbahn-Therapie allerdings sehr unbefriedigend, denn es steigen alle paar Minuten Leute ein und aus und so bekommt man nur Teil- und keine Komplettlösungen angeboten. Ich finde es außerdem sehr unhöflich, wenn jemand gerade ein spannendes Thema am Telefon bespricht und kurz vor dem Finale aussteigt. Das geht nicht! Das wäre ja, als würde man deine Lieblingsserie eine Folge vor der großen Auflösung absetzen. Erst einen krassen Cliffhanger einbauen und dann das Publikum mit offenem Ende verwirrt hängenlassen? Ich weiß, wovon ich rede, denn es hat mich schon die eine oder andere schlaflose Nacht gekostet, und meine Neugierde hätte mich fast umgebracht.

Was kann man tun? Einige Experten empfehlen, einfach mit auszusteigen, um das Gespräch bis zum Ende zu hören. Keine gute Idee! Denn ich habe es oft erlebt, dass Leute völlig überrascht sind, wenn sie merken, dass man an ihrem Leben so stark Anteil nimmt. Und wenn dann noch der Gesprächspartner am Ende der Leitung mitbekommt, dass man einfach nur krass neugierig ist und außer einem hilflosen »was für ein Freak« nichts zur Lösung des Problems beisteuern kann, heißt es häufig nur: Beine in die Hand nehmen und rennen. Am besten in Richtung Haltestelle.

Die Generation, die mit dem Smartphone aufgewachsen ist, kennt das Problem des Fremdschämens übrigens nicht. Man versteht bei dem heutigen Jugendsprech (krass Alder!) ohnehin nicht mehr, was die Smombies genau sagen wollen. Zudem besteht das halbe Gespräch nur noch aus Abkürzungen, was wiederum merkwürdig ist, denn in Zeiten von WhatsApp braucht sich niemand mehr auf 160 Zeichen zu beschränken. Ein Fall von klassischer Konditionierung?

Die Menschen schrecken ja nicht mal mehr davor zurück, ihre nicht ganz legalen Angelegenheiten per Freisprecher in der Straßenbahn zu besprechen. Selbst wenn die Polizei mit im Abteil sitzt. Okay, der Polizist macht es selbst auch nicht anders. Er hatte zwar keine illegalen Dinge zu klären, aber ich wollte eigentlich auch nicht wissen, was er am Abend vorher mit seiner Frau und nur zwei Stunden später mit seiner Freundin gemacht hat. Man kann bei derlei Gesprächen durchaus noch etwas lernen: Ganz offenbar geht der Trend in Deutschland hin zur Zweitfrau oder zum Zweitmann.

In der Deutschen Bahn ist es zwar anders, aber nicht viel besser. Auch dort telefonieren die Leute auf diese unangenehme Art und Weise, übrigens besonders gern im sogenannten Ruhewagen, den man unter anderem an den Schildern mit dem durchgestrichenen Mobiltelefon erkennt. Aber diese Telefonjunkies steigen zumindest nicht alle fünf Minuten aus, so dass man das ganze Gespräch so lange verfolgen kann, bis das Handynetz irgendwo im Niemandsland zwischen Braunschweig und Magdeburg den Geist aufgibt. In den meisten Fällen sind diese Telefonate nur leider sehr langweilig. Wenn zwei Verliebte telefonieren, hört sich das meist so an:

»Ich vermisse dich!«

»Nein, ich vermisse dich!«

»Ich freu mich auf dich!«

»Ich freue mich viel mehr! Warte, gleich kommt ein Tunnel …«

Wenn man sich solch ein Dialogfeuerwerk nicht zwei Stunden lang anhören will, hilft nur noch die beherzte Flucht nach vorn: »Wenn Sie nicht sofort auflegen, werde ich dafür sorgen, dass Sie Ihr Ziel nie erreichen – und dann wird sie (an dieser Stelle ein böser Blick und eine eindeutige Geste in Richtung Smartphone) Sie lange vermissen, sehr lange …« Ja, zugegeben, nicht die feine englische Art, aber sehr effektiv. Nach solchen Worten telefoniert keiner mehr!

Apropos Dialog der Kulturen: Ich habe letztens eine Muslima gesehen, und die hatte eine verdammt coole Lösung: Sie klemmte sich ihr Smartphone unters Kopftuch ans Ohr und konnte so problemlos telefonieren, ohne Headset und ohne Freisprecheinrichtung. Sie hatte die Hände frei, um die schweren Einkaufstüten zu tragen und konnte zuhause schon Bescheid geben, was alles in den Kühlschrank muss.

Eine ganz besondere Unart ist das Smartphone am Steuer. Denn dort, wo man schon aus Sicherheitsgründen eine Freisprecheinrichtung benutzen sollte oder zumindest mit dem Lautsprecher oder Headset telefonieren sollte, tut es keiner. Ich bin oft genug im Auto unterwegs und sehe immer Menschen, die eine Hand am Lenkrad haben und mit der anderen Hand das Telefon ans Ohr pressen. Man muss eigentlich nicht mal ins Auto schauen, meist reicht es schon, wenn man auf die Fahrweise achtet. Wenn jemand mit 60 km/h über die linke Spur der Autobahn wackelt, brauche ich gar nicht mehr zu gucken, ich weiß einfach, okay, der telefoniert einhändig, und die andere Pranke sucht nach WDR 5. Hätte er mal bloß ein Kopftuch getragen! Daraus sollte man gleich eine Forderung, ja ein Gesetz machen: Kopftücher für alle Autofahrer! So entstehen nebenbei bestimmt auch traumhafte Blitzerfotos.

Gott sei Dank gibt es hier und da auch noch Nicht-Smombies, also Nombies. Ich habe einmal in der U-Bahn einen Jugendlichen ohne Kopfhörer, ohne Tablet und vor allem ohne Smartphone gesehen. Den habe ich erst um ein Autogramm und dann um ein Selfie gebeten, denn solche Menschen gehören auch ins Sammelalbum Der Seltenen Phänomene