Wiedersehen in Wildberry Bay - Miriam Covi - E-Book

Wiedersehen in Wildberry Bay E-Book

Miriam Covi

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Beschreibung

Was uns der Meereswind flüstert

Jahrelang hat Gwendolyn Hobbs es zugelassen, dass ihr Mann Tom sie von ihrer Familie und ihren Freunden isoliert hat. Als sie es endlich schafft, sich von ihm zu trennen, flüchtet Gwen von Montreal nach Wildberry Bay, wo ihre Eltern und ihre Freunde von früher sie mit offenen Armen empfangen. Das Rauschen des Meeres und die herzlichen Bewohner des kleinen Ortes haben ihr gefehlt – ganz besonders ihre erste Liebe Neil. Bekommt ihre Beziehung von damals eine zweite Chance? Dann macht Gwen eine Entdeckung, die alles verändert. Und als Tom plötzlich in Wildberry Bay auftaucht, überschlagen sich die Ereignisse …

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Seitenzahl: 628

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Das Buch

»Neil steht neben einer der nun leeren Stuhlreihen im Bayview Diner, eine Popcornschale in seinen Händen, und starrt mich stumm an. Der Blick aus seinen blauen Augen ist so intensiv wie damals, als er siebzehn war. Als dieser Blick alles verändert hat. Mein gesamtes Leben auf den Kopf gestellt hat. Doch auch jetzt, unglaubliche zwanzig Jahre später, fängt mein Herz noch genauso wild an zu rasen wie in jenem Sommer, in dem Neil meine ganze Welt war. In dem Sommer, als meine Welt schließlich zerbrochen ist. Ich sehe ihn durch das Restaurant hindurch an und hebe die Hand leicht zum Gruß. Er steht weiterhin regungslos neben der Stuhlreihe, wie erstarrt. Er kann ganz offenbar nicht glauben, dass ich wirklich hier in Wildberry Bay bin. Ich kann das auch immer noch nicht.«

Die Autorin

Miriam Covi wurde 1979 in Gütersloh geboren und entdeckte schon früh ihre Leidenschaft für zwei Dinge: Schreiben und Reisen. Ihre Tätigkeit als Fremdsprachenassistentin führte sie 2005 nach New York. Von den USA aus ging es für die Autorin und ihren Mann zunächst nach Berlin und Rom, wo ihre beiden Töchter geboren wurden. Nach vier Jahren in Bangkok lebt die Familie nun in Brandenburg. Zur zweiten Heimat wurde für Miriam Covi allerdings die kanadische Ostküstenprovinz Nova Scotia, in der sie viele Sommer ihrer Kindheit und Jugend verbringen durfte und wo sie heute auch immer wieder Inspiration für neue Romane findet.

Lieferbare Titel

978-3-453-42213-1 – Sommer in Atlantikblau

978-3-453-42271-1 – Sommer unter Sternen

978-3-453-42375-6 – Träume in Meeresgrün

978-3-453-42374-9 – Sehnsucht in Aquamarin

978-3-453-42569-9 – Heimkehr nach Whale Island

978-3-453-42570-5 – Neuanfang auf Whale Island

978-3-453-42571-2 – Sehnsucht nach Whale Island

978-3-453-42825-6 – Träume in Wildberry Bay

978-3-453-42826-3 – Herzklopfen in Wildberry Bay

Miriam Covi

WIEDERSEHEN IN

Roman

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Originalausgabe 09/2024

© 2024 by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Diana Mantel

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München,unter Verwendung von © mauritius images /Masterfile RM / Daryl Benson; FinePic®, München

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN 978-3-641-30641-0V001

www.heyne.de

Vielleicht brauchen wir manchmal eine zweite Chance, weil die erste zu früh kam.

Unbekannt

Für Sabrina (und ihren Polizisten)

Von Herzen Danke dafür, dass du meine Verkaufszahlen immer so in die Höhe treibst, meine Liebe

Gruß und Kuss!

Wer ist wer in Wildberry Bay

Gwendolyn Hobbs, geb. Walker

Ehemann Tom Hobbs

Eltern Debbie & Bob Walker (Ehemann von Steve Leblanc)

Neil McIntosh

Ex-Frau Carrie Snyder, Töchter Dawn & Lilybelle

Schwester Zoe McIntosh & ihr Sohn Elliott

Vater Jimm McIntosh, Pfarrer & Betreiber des Blue Gables Bed & Breakfast

Helena Stern

Lukas »Luke« Cabot & sein Bruder Blake Cabot

Florentine Schiller

Eltern Regina & Bernd Schiller

Brüder Raven & Jay Leblanc

Eltern Fern & Steve Leblanc (Ehemann von Bob Walker)

Noah Miller, Yogalehrer & Ferns Freund

Eliza Baker, Besitzerin des Bayview Diners & ihr Bruder Carl Baker

Wildberry Bay WhatsApp-Gruppe

Freitag, 3. August 2018

Leanne Smith: Ich habe gehört, dass es im Bayview Diner heute einen Filmabend gibt.

Amanda Cleveland: Ohhh, wirklich? Was wird denn gezeigt? Gibt es Popcorn?

Betty Lancaster: Ist leider eine geschlossene Gesellschaft. Aber es gibt bestimmt Popcorn. Ich will auch! Wie früher, als wir das Autokino noch hatten. Wer kann sich erinnern?

Earl White: Aber hallo! Das waren noch Zeiten … Eigentlich eine fabelhafte Idee. Wildberry Bay braucht wieder ein Kino!

Amanda Cleveland: Das sehe ich auch so. Vor allem in den langen Wintermonaten, wenn man bei Netflix alles kennt.

Earl White: Oder gar kein Netflix hat

Leanne Smith: Wir sollten die neue Besitzerin des Bayview Diners bitten, den nächsten Kinoabend öffentlich zu machen. Also, zumindest für alle Wildberry-Bay-Bewohner

Earl White: Fantastische Idee! So, muss jetzt los, es ist Ebbe, und ich will noch Muscheln sammeln. Schönen Abend euch Wildbeeren

Amanda Cleveland: Euch auch. Ich mache mir jetzt Microwellen-

1

Gwendolyn

Sobald ich das Ortseingangsschild passiere, auf das die von Beeren umrahmten Worte »Willkommen in Wildberry Bay!« gemalt sind, atme ich zum ersten Mal wirklich durch. Meine Schultern entspannen sich augenblicklich, und auch mein Griff um das Lenkrad lockert sich ein wenig. Erst jetzt wird mir klar, wie verkrampft ich die ganze Fahrt über war. Die gesamten rund 1300 Kilometer, die ich mit meinem treuen Subaru von Montreal bis hierher, an die Südküste von Nova Scotia, zurückgelegt habe, war ich extrem nervös und hatte ständig das Gefühl, verfolgt zu werden. Was natürlich Blödsinn ist, schließlich habe ich auf meinem Telefon extra die »Track-my-phone«-Einstellung deaktiviert, durch die Tom bisher immer sehen konnte, wo ich war. Und was noch wichtiger ist: Er weiß noch gar nicht, dass ich es wirklich getan habe. Dass ich ihn verlassen habe. Denn mein Mann ist auf einem Businesstrip in New York und glaubt, dass ich zu Hause auf ihn warte, wie ich während der fünf Jahre unserer Ehe immer auf ihn gewartet habe.

Trotzdem habe ich wieder und wieder in den Rückspiegel gesehen, als ich dem scheinbar endlos langen Trans-Canada-Highway gefolgt bin: erst durch Québec, am Sankt-Lorenz-Strom entlang, dann durch die Provinz New Brunswick und bis nach Nova Scotia. Selbst hier habe ich immer noch nervös nach Tom Ausschau gehalten, während ich mich endlich auf dem Highway 103 befand, der mich der Atlantikküste näher und näher gebracht hat, bis ich nun tatsächlich hier bin.

Ich kann es selbst kaum glauben, dass ich diese Fahrt ohne Übernachtung bewältigt habe. Die reine Fahrzeit beträgt ungefähr zwölf Stunden, wenn man es ohne Stau schafft. Natürlich habe ich mir Pausen gegönnt, und einmal habe ich sogar eine halbe Stunde geschlafen – auf einem Walmart-Parkplatz, ganz außen, am Rande einer Wiese, wo ich mich unbeobachtet und dennoch nicht zu abgeschieden gefühlt habe. Denn was, wenn Tom mir doch folgen und meinen Subaru entdecken würde? Mich beim Schlafen überraschen würde?

Mir ist bewusst, wie unwahrscheinlich das ist. Dass ich regelrecht paranoid geworden bin. Tom kann nicht wissen, dass ich fort bin.

Noch nicht.

Allein bei der Vorstellung, Tom mitteilen zu müssen, dass ich ihn verlassen habe, wird mir übel. Rasch blinke ich und halte am rechten Straßenrand. Als der Wagen zum Stehen gekommen ist, öffne ich das Fahrerfenster, um die frische Seeluft hereinzulassen, bevor ich den Motor ausschalte und reglos sitzen bleibe, meinen Blick auf den Atlantik geheftet, der sich friedlich im letzten Licht des Tages vor mir erstreckt. Ich atme tief die salzige Luft ein und schließe kurz die Augen. Oh, wie ich diesen Duft nach Meer vermisst habe!

Als ich die Augen wieder öffne, verrät mir die Digitalanzeige auf dem Display, dass es kurz nach 21 Uhr ist. Ich bin heute Morgen um sechs Uhr in Montreal gestartet. Erschöpft starre ich wieder auf das Meer in seinem tiefen Violett, das sanft in ein Tintenblau übergeht. Bleierne Müdigkeit erfüllt mich nach dieser endlos langen Fahrt, und dennoch werde ich gleichzeitig von einer fast fiebrigen Aufregung erfüllt. Von ungläubigem Stolz. Ich habe es tatsächlich nach Wildberry Bay geschafft! Und zwar nicht, wie bei Florentines geplatzter Hochzeit im Juli, mit dem Flugzeug und nur einem kleinen Koffer voll hübscher Sommersachen. Nein, dieses Mal bin ich vorbereitet. Ich werfe einen Blick über meine Schulter, auf die vielen Taschen, die sich auf meiner Rücksitzbank stapeln. Im Kofferraum türmt sich noch mehr Gepäck. Im Fußraum des Beifahrersitzes steht Gloria, mein Hibiskus, der unterwegs, irgendwo zwischen Montreal und Québec City, zwei pfirsichfarbene Blüten verloren hat. Trotzdem bin ich froh, Gloria nicht einfach bei Tom gelassen zu haben, der sie garantiert hätte vertrocknen lassen – oder sie gleich entsorgt hätte, aus Rache an mir.

Ein empörtes Maunzen reißt mich aus meinen Gedanken. Ich beuge mich vor und spähe durch die Gitterstäbe in die Transportbox auf dem Beifahrersitz, nur um entrüstet von meinem Kater angestarrt zu werden.

»Ich weiß, Elmo, ich weiß. Aber wir haben es geschafft. Willkommen in Wildberry Bay, Süßer!«

Ja, auch Elmo musste natürlich mitkommen. Tom hätte ihn garantiert genauso entsorgt wie Gloria. Ich muss ein Schaudern unterdrücken. Genau in diesem Moment vibriert mein Telefon, und ich sehe, dass ich eine WhatsApp-Nachricht von Tom bekommen habe. Mein Herz beginnt, schmerzhaft gegen meine Rippen zu hämmern, als ich mit klammen Fingern nach meinem Telefon greife und die Nachricht öffne.

Hey, Darling, alles klar bei dir? Bin noch bei einem Geschäftsessen, melde mich danach.

Ich atme tief durch. Jetzt oder nie. Meine Finger zittern, und ich verschreibe mich mehrfach, aber ich tippe trotzdem entschlossen die Nachricht, die ich schon so lange geplant und im Kopf zigmal umformuliert habe. Die ich jedoch erst jetzt, hier, in Wildberry Bay, wirklich abzuschicken wage:

Lieber Tom, ich habe es ja neulich schon gesagt, aber du wolltest es nicht hören: Ich trenne mich von dir. Wenn du nach Hause kommst, bin ich nicht mehr da. Ich werde mich wieder melden. Gwendolyn.

Mein Herz schlägt so heftig gegen meine Rippen, dass Übelkeit beginnt, in mir hochzuzüngeln. Ich muss meine Handflächen an meiner Jeans abwischen, weil ich Sorge habe, dass das Telefon sonst meinen feuchten Händen entgleiten könnte. Ein paar tiefe Atemzüge lang versuche ich, mich selbst zu beruhigen.

Soll ich das wirklich tun? Die ängstliche Stimme in meinem Kopf, die sich so gut an Toms Wutausbrüche erinnert und die panische Angst vor seiner lauten Stimme, seinem hochroten Gesicht, seinem festen Griff hat, wispert flehentlich, dass ich es sein lassen soll. Einfach nicht reagieren.

Aber die selbstbewusstere Stimme in meinem Kopf, die sich in den Wochen seit Florentines geplatzter Hochzeit immer mehr Gehör verschafft hat, die mir in den Momenten tiefster Verzweiflung zugeflüstert hat, dass ich nicht allein bin, dass ich eine Familie habe, die mich liebt, und Freunde, die für mich da sind – die erinnert mich jetzt mit Nachdruck daran, dass ich es tun muss. Dass dieser Schritt unvermeidlich ist.

Außerdem – warum diese Panik? Es ist immerhin nicht so, dass Tom um die Ecke wartet und sofort herangestürmt kommt, sobald ich die Nachricht verschickt habe!

Allein diese Vorstellung reicht aus, um die Übelkeit stärker werden zu lassen, und ich fürchte kurz, die Fahrertür öffnen und den extragroßen Caffè Latte, der mich seit meiner letzten Toilettenpause in Truro wachgehalten hat, herausspucken zu müssen. Doch mit ein paar weiteren tiefen Atemzügen bekomme ich meinen kurzen Panikanfall und mit ihm die Übelkeit in den Griff, und ich straffe meine Schultern.

Ich benehme mich albern. Nicht wie eine 36-jährige Frau, sondern wie ein Mädchen, das Angst vor dem Ungeheuer im Schrank hat. Entschlossen vermeide ich den Gedanken, dass Tom mir tatsächlich immer öfter wie das Ungeheuer in meinem Schrank vorgekommen ist, und drücke auf Senden.

Atemlos starre ich auf das Display meines Telefons. Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn, als die hellgrauen Häkchen blau werden. Tom ist online. Er ist rund tausend Kilometer von hier entfernt, in New York City (ja, ich habe mir die Entfernung vorher bei Google Maps anzeigen lassen, einfach nur, um mich sicherer zu fühlen) – und trotzdem fühlt es sich so an, als könnte er jeden Augenblick aus dem Telefon steigen und mich am Arm packen. Mich schütteln und sagen, dass ich dumm bin, so schrecklich dumm.

Tom schreibt, teilt mir WhatsApp mit. Ich muss mein Telefon zur Seite legen. Elmo miaut laut und nachdrücklich, aber ich kann mich gerade nicht um meinen Kater kümmern. Als das Vibrieren meines Telefons eine neue Nachricht ankündigt, öffne ich doch die Fahrertür und übergebe mich auf das trockene Gras des Seitenstreifens.

Dann sitze ich ein paar panische Herzschläge lang in der geöffneten Tür und starre auf den Atlantik, während ich Mut sammele. Mut für das, was kommt.

Mit zittriger Hand greife ich nach meinem Telefon, wobei mir wieder bewusst wird, wie nackt meine Hand ohne die zwei Ringe wirkt, die ich seit Jahren getragen habe: den Verlobungsring mit dem großen Diamanten und den Ehering. Beide liegen zu Hause auf meinem Nachttisch.

»Du hast den Verstand verloren, Darling. Hör gefälligst auf mit diesem Blödsinn. Morgen früh steige ich in den Flieger nach Hause. Und ich kann dir nur raten, dort auf mich zu warten, wenn ich ankomme.«

Ich lasse mein Telefon sinken und übergebe mich erneut ins Gras neben den Subaru. Dann trinke ich den Rest aus meiner Wasserflasche, die ich zuletzt in Truro aufgefüllt habe.

»Kann ich Ihnen helfen, Ma’am?«

Beim Klang der Männerstimme zucke ich erschrocken zusammen. Als ich den gebückt gehenden alten Mann erblicke, der neben meiner Motorhaube stehen geblieben ist und mich sorgenvoll mustert, brauche ich ein paar Sekunden, ehe ich das wettergegerbte Gesicht und das lichte weiße Haar einordnen kann: Ja, das muss Earl White sein, an den ich mich tatsächlich gut erinnern kann, auch wenn er zwanzig Jahre älter ist als bei meinem letzten Sommer in Wildberry Bay. Genau wie ich natürlich selbst zwanzig Jahre älter bin, wobei ich mich momentan wieder sehr wie die Sechzehnjährige von damals fühle: verloren und verängstigt.

Earl White mustert mich besorgt, starrt flüchtig auf mein Erbrochenes und sieht wieder mich an. Meine Wangen beginnen, vor Verlegenheit zu brennen.

»Hi, Mr. White. Ich bin es, Gwendolyn Hobbs. Walker. Geborene Walker.«

Bald hoffentlich wieder Walker.

»Mir wird von langen Autofahrten immer schlecht«, flunkere ich und überlege, ob er sich noch an mich erinnert. Es ist immerhin eine halbe Ewigkeit her, seit ich mir als Teenager zum letzten Mal ein Eis im Salty Breeze Store geholt habe. Der kleine Gemischtwarenladen gehörte damals Mr. White, und noch während meine Gedanken mit einem Anflug von Wehmut zu den vollgestopften Regalen des charmanten Geschäfts zurückwandern, wird mir mit einem Schlag bewusst, aus welchem Grund ich zuletzt dort gewesen bin. Nicht wegen Eis.

Ich glaube, wieder den rutschigen Sand unter meinen Converse-Sneakern zu spüren, denn im Sommer wurden die alten Holzdielen des Fußbodens immer von einer feinen Sandschicht bedeckt, egal wie oft Mr. White summend und pfeifend mit dem Besen durch das Geschäft ging. Der Sand wurde vom Wind und von Dutzenden Füßen hereingebracht, von denen etliche direkt vom Strand kamen. Ich erinnere mich daran, wie ich Neil bei meinem letzten Besuch im Salty Breeze Store durch die Regalreihen gefolgt bin, wie ich nervös zu Mr. White hinübergesehen habe, der am Tresen stand und sich mit einer Kundin unterhielt. Ich war so aufgeregt, als ob wir etwas Verbotenes tun würden. Als ob wir einen Ladendiebstahl planen würden.

Dabei wollten wir nur Kondome kaufen.

Das Gesicht des alten Herrn hellt sich auf, als er mich betrachtet, und befangen frage ich mich, ob er sich womöglich an meinen letzten Einkauf bei ihm erinnert. Aber das ist albern. Seither haben garantiert sehr viele verknallte Teenager Kondome bei ihm gekauft.

»Na, da sieh einer her! Gwendolyn! Wie schön! Wie geht es dir?«

»Gut«, lüge ich strahlend. »Und Ihnen? Ihren Laden gibt es hoffentlich noch?«

»Natürlich«, erwidert der alte Herr regelrecht entrüstet. »Was würde Wildberry Bay ohne den Salty Breeze Store machen?« Er schmunzelt flüchtig und blinzelt mir zu, als er ergänzt: »Und wo sollten verliebte Pärchen einkaufen, die noch kein Auto haben, um zum nächsten Drogeriemarkt zu gelangen?«

Ich spüre, dass mir das Blut ins Gesicht schießt, während ich mich fassungslos frage, wie um alles in der Welt Earl White sich daran erinnern kann. Noch bevor ich weiß, wie ich reagieren soll, fährt er unbekümmert fort: »Aber mir gehört der Laden längst nicht mehr. Ich bin schließlich achtzig Jahre alt und habe mir ein bisschen Ruhe verdient, oder?«

»Absolut«, bekräftige ich, froh darüber, nicht länger um das Kondomthema und damit auch unweigerlich um Neil zu kreisen. »Und wem gehört das Geschäft jetzt?«

»Carrie McIntosh«, erwidert Earl, und seine Antwort trifft mich wie ein Fausthieb in den Magen. Ich muss mich sehr darum bemühen, mich nicht schon wieder zu übergeben, aber ich reiße mich zusammen und ringe mir einen gelassenen Gesichtsausdruck ab. Als ich merke, wie mich der alte Mann plötzlich regelrecht besorgt mustert, wird mir klar, dass ich kolossal daran scheitere. »Carrie Snyder«, beeilt sich Earl hinterherzuschieben. »Seit ihrer Scheidung heißt sie ja nicht mehr McIntosh.«

Scheibenkleister. Carrie Snyder gehört jetzt also der Salty Breeze Store. Dabei wollte ich morgen eigentlich ein paar Kleinigkeiten dort besorgen. Dann muss ich wohl in den nächsten Ort fahren. Auf keinen Fall möchte ich gleich an meinem ersten Tag in Wildberry Bay in die Ex-Frau meines Ex-Freundes hineinlaufen.

»Besuchst du deine Eltern?«, reißt mich Earls nächste Frage aus meinen Gedanken.

»Ja, genau. Soll eine Überraschung sein«, erwidere ich und bemühe mich erneut um ein fröhliches Lächeln. Immerhin bin ich in den letzten Jahren die Meisterin der aufgesetzten Fröhlichkeit geworden.

»Na, die werden sich freuen!« Der alte Mann grinst mich breit an und entblößt dabei die Zahnlücke, an die ich mich gut erinnern kann. Es ist seltsam beruhigend, dass sich manche Dinge – und Orte und Menschen – nicht ändern! »Allerdings wirst du im Cozy Cottage momentan kein Glück haben, die sind alle ausgeflogen.«

Ausgeflogen? Bitte nicht! Erschöpft lasse ich die Schultern sacken, weil ich mich so sehr nach einer heißen Dusche und einem Bett im Cozy Cottage gesehnt habe – dem Haus direkt am Meer, in dem ich viele wunderbare Sommer verbracht habe und in dem mein Vater inzwischen ganzjährig lebt. Das Haus, mit dem die schönsten Erinnerungen meiner Kindheit und Jugend verknüpft sind.

Und die schlimmsten.

Doch schon fügt Earl White rasch hinzu: »Keine Sorge, deine Leute sind nicht aus der Welt. Du müsstest die ganze Truppe im Bayview Diner finden. Da ist heute geschlossene Gesellschaft.«

Erstaunt sehe ich ihn an. »Geschlossene Gesellschaft im Bayview Diner? Warum denn das?«

»Keine Ahnung. Irgendeine Überraschungsaktion, leider weiß ich nichts Genaues. Aber angeblich heiratet niemand.« Earl grinst vergnügt. »Allerdings … wer weiß? In diesem Ort passieren schließlich ständig verrückte Sachen.« Er wird wieder ernst und hakt nach: »Kann ich etwas für dich tun, Gwendolyn? Geht es dir gut genug, um bis zum Diner zu fahren?«

»Ja, auf jeden Fall«, versichere ich rasch. »Mir geht es schon viel besser, vielen Dank.«

Ich merke genau, dass Earl einen verstohlenen Blick in mein vollgestopftes Fahrzeug wirft, und frage mich, was er denkt, als er die vielen Taschen, die Topfpflanze und die Transportbox mit meinem Kater sieht. Doch er kommentiert die Ausmaße meines Gepäcks nicht weiter, sondern lächelt mir zum Abschied freundlich zu und sagt: »Na, dann bis bald, Gwendolyn Hobbs, geborene Walker!«

Er winkt mir zu, bevor er weiter am Rande der Küstenstraße entlanggeht, in seinen gelben Gummistiefeln, einen Eimer in der Hand, in dem sich ganz sicher frisch gesammelte Miesmuscheln befinden. Ich kann mich daran erinnern, wie ich selbst als Jugendliche bis zu den Knien im kalten Wasser des Atlantiks gestanden habe, zwischen den tanzenden Bändern des gelben Seetangs, und mich nach den Muscheln gebückt habe, die schwarz glänzend an den Felsbrocken hingen und mit der Ebbe unbarmherzig enthüllt wurden.

Ich höre das Lachen der anderen, die mit mir durch das Wasser waten, sich gegenseitig nass spritzen, übermütig und sorglos, wie man es nur als Teenager sein kann: Florentine und Jay, Raven und Luke.

Und Neil. Ich sehe Neils Lächeln vor mir, als er sich zu mir umdreht und eine weitere Muschel in den Eimer wirft, den ich halte. Sein Gesicht ist sonnengebräunt, mit wenigen Sommersprossen, die sich auf seinen Wangenknochen verteilen. Sein Haar hängt ihm zerzaust in die Stirn, zahllose Sandkörner zwischen den dunkelblonden Strähnen, weil er mal wieder vom Surfen kommt. Als er mich ansieht, lodert im Blau seiner Augen die Frage auf, die er mir am Tag zuvor gestellt, aber auf die er noch keine Antwort von mir bekommen hat: »Können wir uns mal allein treffen – ohne die anderen?«

Ich schlucke und schüttele die Sehnsucht gemeinsam mit der Erinnerung ab, denn in Kombination mit der bleiernen Müdigkeit komme ich heute Abend nicht damit klar. Mir wird bewusst, dass ich ein wenig Angst davor habe, Neil wiederzusehen, auch wenn das im Grunde genommen schwachsinnig ist. Immerhin sind zwanzig Jahre vergangen, seit wir uns damals tatsächlich allein getroffen haben, ohne unsere Clique. Seit eins zum anderen geführt hat.

Ja, zwanzig Jahre sind vergangen, und trotzdem war es bei Florentines geplatzter Hochzeit im Juli so, als wären nur zwanzig Tage vergangen.

Toms Worte hallen in meinem Kopf wider. »Du verdammte Hure!«

Ich schließe meine Augen und atme tief durch. Dann ziehe ich die Fahrertür wieder zu und sage zu Elmo: »Okay, mein Süßer. Jetzt sind wir wirklich fast da.«

2

Als ich die überdachte Veranda vor dem Bayview Diner betrete, bleibe ich stehen und hole tief Luft. Ich habe dicht am Lokal geparkt und das Fahrerfenster einen Spalt offen gelassen, damit es für Elmo nicht zu stickig wird. Mein Kater hat ausführliche Streicheleinheiten und sein Abendessen bekommen und ist nun tatsächlich in seiner Transportbox eingeschlafen. So wird es ihm hoffentlich nichts ausmachen, noch ein wenig im Auto auf mich warten zu müssen, während ich versuche, meine Leute zu finden.

»Meine Leute«, das hat Earl White gesagt, und ich finde es erstaunlich, wie gut sich dieser Ausdruck anfühlt. Wie sehr »meine Leute« nach zu Hause klingt. Nach aufgehoben sein. Nach einem Zufluchtsort.

»Heute Abend ab 19 Uhr geschlossene Gesellschaft (nein, es heiratet wirklich niemand )« steht in geschwungener Handschrift auf einem Zettel, der an der geschlossenen Holztür klebt, und ich muss grinsen, obwohl mir das Herz vor lauter Aufregung bis zum Hals schlägt. An den Fenstern links und rechts des Eingangs sind die Sonnenblenden herabgelassen, sodass ich nicht in das Diner spähen kann, wie ich gehofft hatte.

Rasch schiebe ich mir eine Pfefferminzpastille in den Mund, damit man mein Malheur von gerade eben auf keinen Fall riecht, dann will ich vorsichtig die Tür öffnen, als mir ein Gedanke kommt.

Kann ich überhaupt dort hineinplatzen? Earl White hat nicht gesagt, wer alles zu dieser ominösen geschlossenen Gesellschaft gehört. Selbst wenn »meine Leute« dort drinnen sein sollten – vermutlich meine Eltern und Steve, womöglich auch meine ehemalige Clique (mit Neil?) –, vielleicht handelt es sich trotzdem um eine Veranstaltung, die ich nicht stören sollte? Eventuell die Geburtstagsfeier von jemandem, den ich gar nicht kenne? Es ist schließlich nicht so, dass ich ganz Wildberry Bay kennen würde. Nicht mehr. Immerhin war ich seit zwanzig Jahren nicht mehr hier. Bei Florentines geplatzter Hochzeit vor wenigen Wochen habe ich nicht in Wildberry Bay übernachtet, sondern in Peggy’s Cove, beim berühmten Leuchtturm, wo die Trauung stattfinden sollte.

Okay, es wäre wohl besser, wenn ich zurück zu Elmo gehe, mich neben ihn in meinen Subaru setze und warte. Warte, bis jemand aus dem Restaurant kommt, den ich kenne. Doch als ich mich zögernd abwenden will, vibriert erneut das Telefon in meiner Handtasche.

Mit zittrigen Fingern ziehe ich es heraus und öffne die neue WhatsApp-Nachricht von Tom:

Wirklich? Wildberry Bay? Wie originell, Darling.

Vor Schreck lasse ich mein Telefon fallen, als wäre es mit einem Schlag glühend heiß und hätte mir die Hand verbrannt. Es schlägt auf den Brettern der Veranda auf, und ich starre es an, fixiere mit angehaltenem Atem das Display, als würde dort jeden Moment Toms Gesicht erscheinen und mich auslachen.

Wie um alles in der Welt hat er das herausgefunden? Wie kann das sein? Was habe ich falsch gemacht? Ich bemühe mich darum, gleichmäßig zu atmen, doch das will mir nicht wirklich gelingen. Ganz langsam bücke ich mich nach meinem Telefon und hebe es auf. Starre es an, starre die Worte an.

»Wirklich? Wildberry Bay? Wie originell, Darling.«

O Gott. Er weiß, dass ich hier bin. Er weiß, dass ich hier bin!

Rasch öffne ich die Einstellungen meines Geräts und vergewissere mich, dass »Track-my-phone« nach wie vor deaktiviert ist. Ist es. Ich verstehe nicht, wie er wissen kann, wo ich bin! Angst und Panik wallen in mir auf, aber auch Wut. Geradezu verzweifelte Wut, weil Tom selbst über die Entfernung noch die Macht hat, mich fertig zu machen. Ehe ich mich daran hindern kann, klicke ich mich zurück zu WhatsApp und tippe mit fahrigen Fingern

»Woher zum Teufel weißt du das?«

Die Häkchen werden sofort blau. Ich halte den Atem an. WhatsApp zeigt mir an, dass Tom schreibt. Die Übelkeit schwappt in mir hoch, und ich presse meine Lippen zusammen, atme tief ein und aus, während ich wie besessen auf das Display starre.

»JETZT weiß ich es «

O Gott. Ich lasse das Telefon sinken und reibe mir mit einem Stöhnen über das Gesicht. Wie dumm bin ich denn eigentlich? Das war ein Trick! Eine Falle. Er hat bloß vermutet, dass ich hier bin. Und ich habe es ihm gerade bestätigt.

Jetzt kann er sich in New York ins nächste Flugzeug nach Halifax setzen und ist bald hier.

Das Telefon in meiner Hand beginnt zu vibrieren, und ich starre entsetzt auf mein Display. Er ruft an. Nein, ich kann ihn jetzt nicht sprechen. Auf gar keinen Fall. Schnell drücke ich den Anruf weg und schalte das Gerät dann ganz aus. Sobald das Display erloschen ist, lehne ich mich an die Außenwand des Diners und schließe die Augen, während ich versuche, mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Ganz ruhig, Gwendolyn, bete ich mir im Stillen vor. Immerhin bist du jetzt hier, bei deinen Leuten.

Okay, es führt kein Weg daran vorbei: Ich muss rein, ins Bayview Diner. Hier allein draußen herumzustehen, macht mich wahnsinnig. Ich werde vorsichtig ins Restaurant spähen. Vielleicht sind es gar nicht so viele Fremde, wie ich fürchte.

Als ich die Tür einen Spalt weit öffne, höre ich Musik. Eine Frau singt. Verdutzt halte ich inne und lausche auf weitere Stimmen, doch außer dem Gesang ist alles still. Nun gewinnt meine Neugierde endgültig die Oberhand, und ich schiebe die Tür so weit auf, dass ich in das Lokal hineinsehen kann.

Es ist ungewöhnlich dunkel hier drinnen, wegen der überall herabgelassenen Sonnenblenden. Und trotzdem ist keine der Lampen eingeschaltet. Als ich einen zögernden Schritt in den Raum hinein mache und die Leinwand erkenne, die vor der Theke von der Decke hängt, wird mir klar, warum das so ist: Das Bayview Diner hat sich in ein kleines, feines Kino verwandelt! Das erklärt auch den intensiven Duft nach Popcorn, der mich empfängt und meinen Magen grummeln lässt. Auf der Leinwand sitzt Audrey Hepburn auf dem Fensterbrett und singt zur Gitarre die unvergesslichen Zeilen aus »Moon River«. Ungläubig starre ich Audrey an, dann fliegt mein Blick zu den Reihen aus Stühlen, die in der Mitte des Raums aufgebaut worden sind. Dort sitzen einige Leute, deren Gesichter ich im schwachen Licht nicht richtig erkennen kann. Immerhin sind die Nischen mit ihren Tischen und Sitzbänken noch so, wie ich sie in Erinnerung hatte, stelle ich zu meiner Erleichterung fest, als ich flüchtig zur Fensterfront sehe. Einen kurzen Moment lang glaube ich, mich dort mit meiner Sommer-Clique sitzen zu sehen, sechzehn Jahre jung, die Finger beschmiert mit Burgersoße, der Magen voller Schmetterlinge.

Auch die Decke des Diners ist zum Glück wie früher, erkenne ich, als mein Blick nach oben gleitet: Im offenen Giebel hängen immer noch die farbenfrohen Geschirrtücher aus aller Welt, die flach an die Bretter der Deckenverschalung genagelt wurden. Immer wenn ich in den letzten zwei Jahrzehnten irgendwo ein besonders schönes Geschirrtuch gesehen habe, musste ich an Eliza Baker denken und daran, dass sich der Stoff gut an der Decke ihres Restaurants machen würde. Ein flüchtiger Blick zu meiner Rechten zeigt mir, dass auch die Jukebox noch an ihrer alten Stelle steht, und sofort glaube ich, die Stimmen von Foreigner singen zu hören.

Dabei ist es natürlich nach wie vor Audrey Hepburn, die singt – und dann erklingt noch eine andere Stimme, eine Stimme, die mir sehr vertraut ist und die ich schmerzlich vermisst habe, wie mir klar wird.

»Gwen!« Überrascht schaue ich wieder die Stuhlreihen an, und im nächsten Moment stürzt bereits Florentine auf mich zu. Die Freundin meiner goldenen Kindheitssommer schlingt mir in ihrer unvergleichlichen, überschwänglichen Art die Arme um den Hals und hüllt mich in einen tröstlichen Duft nach frisch gebackenem Kuchen und Pfirsichshampoo ein. »Gwenny, du bist hier, du bist wirklich hier!«, murmelt sie mit tränenerstickter Stimme an meinem Ohr, und ich muss an die enttäuschte Nachricht denken, die sie mir geschrieben hat, nachdem ich ihre geplatzte Hochzeit Hals über Kopf verlassen hatte. Ohne mich von ihr zu verabschieden. Ich wollte damals antworten, habe es aber nicht sofort geschafft, weil ich in den folgenden Tagen andere Sorgen hatte. Und danach … danach hat Flo mir bestimmt noch weitere Nachrichten geschickt, aber die konnte ich nicht mehr lesen, weil Tom Flos Nummer auf meinem Telefon blockiert hatte – genau wie die Nummern meiner Eltern. Er wollte meine gesamte Vergangenheit blockieren. Ausblenden.

»Ja, ich bin hier«, bestätige ich heiser und muss ebenfalls gegen Tränen anschlucken. Dass das so ist, dass ich endlich hier bin, kann ich selbst kaum glauben. Und gleichzeitig frage ich mich im Stillen fassungslos, wie ich es zulassen konnte, dass mein Ehemann mich in den letzten Jahren so sehr von meiner Familie und von meinen Freunden separiert hat.

Im nächsten Moment ist mein Vater bei mir. Mit einem erstickten »Gwenny!« schlingt er seine Arme um mich und hüllt mich in den Duft seines Aftershaves, den vertrauten Geruch meiner Kindheit, ein. Nur zwei Herzschläge später erreicht Mom uns atemlos, sie strahlt mich völlig ungläubig an, als hätte sie einen Geist vor sich, und wir ziehen sie schluchzend in eine Gruppenumarmung. Meine Eltern halten mich, und ich habe das Gefühl, dass eine Tonne an Sorgen von meinen Schultern gleitet und auf den Holzboden des Diners fällt. Ich bin bei meinen Eltern, ich bin bei meinen Leuten, in Wildberry Bay.

Alles wird gut. Ganz bestimmt.

»Ist … Tom auch hier?«, fragt Florentine in diesem Augenblick und lässt meinen kurzen Moment der Sorglosigkeit zerplatzen, auch wenn sie dies niemals absichtlich tun würde. Meine Eltern lösen sich von mir und sehen mich fragend an, während der Blick meiner Freundin besorgt durch die offene Tür Richtung Parkplatz gleitet. Ich bekomme eine Gänsehaut und muss den Impuls unterdrücken, ebenfalls zum Parkplatz zu sehen, wo das letzte Licht des Tages rasch schwindet. Nein, er ist nicht hier. Er kann nicht hier sein. Noch nicht.

»Nein. Ich … ich habe es endlich geschafft«, sage ich mit bebender Stimme.

»Was geschafft?« Mom sieht mich aufmerksam an, einen Arm um meine Schultern gelegt. Da ich einen Kopf größer bin als sie, muss meine Mutter sich dafür ein wenig recken, was ich sehr rührend finde. Ich lächele sie schwach an, bevor ich das ausspreche, was ich bisher selbst kaum glauben kann: »Ich bin … abgehauen.« Ich hole zitternd Luft und schiebe gequält hinterher: »Aber … ich habe einen Fehler gemacht.«

Plötzlich quellen heiße Tränen aus meinen Augen – Tränen der Angst, der Erschöpfung, der Machtlosigkeit. Wie konnte mir das nur passieren? Ich hatte doch die »Track-my-phone«-Funktion extra deaktiviert – und dann antworte ich Tom auf diese blöde Nachricht und verrate ihm alles!

Mit bebender Stimme wiederhole ich: »Ich habe einen Fehler gemacht. Und darum bin ich sicher, dass Tom mich finden wird. Hier, in Wildberry Bay.«

»Was meinst du damit, mein Mädchen?«, fragt mein Vater und mustert mich besorgt, während er eine Haarsträhne hinter mein Ohr streicht, wie er es schon früher getan hat, als ich noch sein kleines Mädchen war. Als meine größten Sorgen noch Bauchschmerzen nach zu viel Eis aus dem Salty Breeze Store oder aufgeschürfte Knie wegen einer unsanften Begegnung mit einem Felsen beim Schwimmen im Meer waren. »Hast du ihm denn nicht gesagt, dass du hierher willst?«

»Habt ihr euch im Streit getrennt?«, hakt meine Mutter ernst nach. »Und wie bist du überhaupt hergekommen? Hast du am Flughafen einen Mietwagen genommen?«

»Ich … nein. Ich bin von Montreal gefahren, mit meinem Subaru. Und … Tom … nein, ich habe ihm nicht gesagt, dass ich hier bin. Also … eben, da habe ich es gesagt. Geschrieben. Vorher nicht. Er ist ja in New York.« Ich merke, dass ich wirres Zeug rede, aber ich kann das jetzt nicht alles logisch erklären. Müdigkeit und Erschöpfung drohen mich zu überwältigen.

»Hey. Gwenny.« Mein Vater ergreift meine Hände und lächelt mich warm an. »Alles wird gut. Du bist hier. Bei uns. Jetzt kommst du erst einmal zur Ruhe, und alles andere klären wir später, okay?«

Ich atme tief durch und ringe mir ein tapferes Lächeln ab. »Okay. Entschuldigt, dass ich einfach so hier hereinplatze und dann auch noch … so überreagiere. Es ist nur … die Autofahrt war ziemlich lang.«

»Gwenny, du darfst immer überall hereinplatzen und überreagieren, so viel du willst«, versichert mir Florentine. »Hauptsache, du bist endlich wieder hier!«

Der Film wurde angehalten, wird mir bewusst, und mit einem Mal bin ich umringt von vertrauten Gesichtern, werde begrüßt und umarmt: Florentines Eltern sind offenbar immer noch in Wildberry Bay, nachdem die abgesagte Hochzeit ihrer Tochter nun schon ein paar Wochen zurückliegt. Raven ist da, und an der Art, wie er Florentine ansieht, begreife ich, dass ich ganz schön viel verpasst habe. Sein jüngerer Bruder Jay drückt mich fest an sich – ihn habe ich zuletzt im Smoking gesehen, an seinem Hochzeitstag, als er im Endeffekt nicht »Ja, ich will« zu Florentine gesagt hat, weil er sich endlich seine Liebe zu Trevor eingestehen konnte, der mich nun ebenfalls begrüßt. Auch hier habe ich einiges verpasst, wird mir klar. Jays und Ravens Mom Fern habe ich ebenfalls am Tag der geplatzten Hochzeit gesehen, als wir gemeinsam mit meiner Mutter in dem Hotelzimmer gesessen haben, in dem sich Florentine als Braut angezogen hatte, und sie umarmt mich nun ebenso herzlich wie Zoe McIntosh, die ich noch als kleine Zehnjährige in Erinnerung habe. Doch Zoe ist mittlerweile eine bildhübsche Dreißigjährige, mit himbeerrosa Pferdeschwanz und funky schwarzen Fingernägeln. Luke, Spielkamerad meiner Kindheitstage, drückt mich fest an sich und stellt mir seine attraktive dunkelhaarige Freundin vor, die offenbar aus Deutschland kommt und Helena heißt, wie ich in dem ganzen Trubel aufschnappe, bevor ich schon von Carl Baker umarmt werde. Und noch während ich mich aus den Armen des alten Herrn löse und mir die Wange tätscheln lasse, als wäre ich immer noch das Kind, das auf Carls Kutter mitfahren darf und von ihm lernt, wie man ein Fischernetz einholt, fällt mein Blick mit einem Mal auf ihn. Auf Neil.

3

Er steht neben einer der nun leeren Stuhlreihen, eine Popcorn-Schale in seinen Händen, und starrt mich stumm an. Der Blick aus seinen blauen Augen ist so intensiv wie damals, als er siebzehn war. Als dieser Blick alles verändert hat. Mein gesamtes Leben auf den Kopf gestellt hat.

Doch auch jetzt, unglaubliche zwanzig Jahre später, fängt mein Herz noch genauso wild an zu rasen wie in jenem Sommer, in dem Neil meine ganze Welt war. In dem Sommer, als meine Welt schließlich zerbrochen ist.

Ich sehe ihn durch das Restaurant hindurch an und hebe die Hand leicht zum Gruß. »Hallo«, formen meine Lippen lautlos.

»Hey.« Zwar höre ich seine Stimme nicht, aber ich sehe, dass er dies sagt, während er weiterhin regungslos neben der Stuhlreihe steht, wie erstarrt. Er kann ganz offenbar nicht glauben, dass ich wirklich hier bin. Ich kann das auch immer noch nicht.

Als ich plötzlich eine Bewegung schräg hinter ihm wahrnehme, bemerke ich die Frau und das Mädchen, die sich aus der Stuhlreihe schieben. Beim Anblick der Frau denke ich im ersten Moment, dass ich sie nicht kenne. Doch dann sieht sie mich an, und der Ausdruck in ihren Augen reicht, um mir klarzumachen, wer das ist.

Carrie Snyder, die immer noch so blond, braun gebrannt und fit aussieht wie vor zwanzig Jahren, küsst ihren Ex jetzt demonstrativ auf die Wange und sagt leise etwas zu ihm. Ich merke, dass er seinen Blick nur schwer von mir losreißen kann, dass er Carrie zerstreut ansieht und etwas fragt, was sie mit einem Kopfschütteln beantwortet. Als ich dann das Mädchen mustere, das neben Carrie steht, bin ich geradezu erschrocken von der Wut, die ich auf ihren Gesichtszügen ablesen kann, während sie meinen Blick erwidert. Und genauso erschrocken bin ich von der Ähnlichkeit mit Neil. Ja, das muss Dawn sein, seine jüngere Tochter.

So viel zu meinem dringenden Wunsch, nicht sofort Neils Ex zu begegnen. Jetzt sind es seine Ex plus Tochter auf einen Schlag. Just my luck.

Noch während ich versuche, all das zu verarbeiten, ertönt eine weitere, mir wohlvertraute Stimme: »Holy Muffins, Gwenny, es ist so schön, dass du hier bist! Ich würde gern aufstehen und dich drücken, aber ich bin leider nicht so mobil. Wie sieht es aus – hast du Hunger? Bestimmt hast du Hunger. Komm, setz dich zu uns und iss etwas, wir haben einen Filmabend. Kennst du Breakfast at Tiffany’s?«

Ich bin geradezu erleichtert, mich von dem wütenden Blick des Teenagers abwenden zu dürfen und auch nicht länger Carrie und Neil beobachten zu müssen, sondern stattdessen Eliza Baker zu begrüßen, Besitzerin des Bayview Diners und Herz von Wildberry Bay. Sie sitzt auf einem Stuhl in der vordersten Reihe, und ich stelle beruhigt fest, dass ich sie, auch wenn ich sie seit zwanzig Jahren nicht gesehen habe, sofort wiederkenne: Ihr kurzes graues Haar ist immer noch gelockt, sie trägt eine Brille und ein weites T-Shirt mit dem aufgedruckten Spruch »Karma verliert nie deine Adresse«. Als ich ihr hochgelagertes Bein sehe, begreife ich, warum sie nicht aufstehen und zur Tür kommen konnte. Eliza umarmt mich herzlich und erklärt, dass sie ein gebrochenes Knie habe, bevor mich Flo mit sich zieht, zu dem Buffet, das in einer Ecke des Diners aufgebaut worden ist. Entschlossen macht sie sich daran, verschiedene Fingerfood-Köstlichkeiten und natürlich Popcorn auf einen Teller zu häufen.

»Seit wann gibt es denn Filmabende hier im Bayview Diner?«, frage ich leise, während Flo mir noch ein Stück Kuchen auf den Teller legt und mir diesen dann reicht. Ich bin so froh, von meinen panischen Gedanken rund um Tom abgelenkt zu werden. Eine wohltuende Weile nicht über ihn und meine Flucht nachdenken zu müssen.

»Das heute ist die Premiere«, erwidert sie. »War eine Überraschung für Helena, Lukes neue Freundin. Frühstück bei Tiffany’s ist ihr Lieblingsfilm.«

»Luke ist also vergeben«, seufze ich zufrieden und sehe zu unserem Kindheitsfreund hinüber, der gerade seine Helena küsst. Luke hat eine glückliche Beziehung nun wirklich verdient, immerhin hatte er von uns allen mit Abstand die schwierigste Kindheit und Jugend. Es wird höchste Zeit, dass er sein Happy End bekommt.

»Und ob«, bestätigt Flo hörbar vergnügt. »Warte ab, bis ich dir die Details ihrer Lovestory erzähle, die wirst du mir nicht glauben.«

»Was ich vor allem nicht glauben kann«, raune ich Flo zu, »ist, dass Raven dich die ganze Zeit ansieht, als würde er jetzt sehr gern irgendwo mit dir allein sein.«

Florentines Wangen werden leuchtend rot, und ich muss auflachen, weil ich offenbar ins Schwarze getroffen habe.

»Halt dich fest, Gwenny«, sagt sie leise und grinst mich an wie ein Honigkuchenpferd. »Der Verrückte hat mir sogar schon einen Antrag gemacht. Nach nur einer gemeinsamen Nacht.«

»Nein!« Alle Gedanken an Tom sind wie weggewischt, als ich Flo ungläubig anstarre. »Nach EINER Nacht? Und du hast Ja gesagt?«

»Natürlich!«, lacht Flo auf, als wäre das das Selbstverständlichste der Welt. Ist es für sie offenbar auch. Mir wird klar, wie groß ihre Gefühle für Raven sind. Es womöglich schon lange waren – und umgekehrt anscheinend genauso. Spontan umarme ich meine Freundin und beglückwünsche sie leise. Ich habe mir schon ewig heimlich gewünscht, dass aus Raven und ihr ein Paar würde. Damals, vor zwanzig Jahren – und auch vor fünf Jahren, bei meiner Hochzeit, als Flo und Raven mit ihren Familien in Montreal waren. Die Art, wie Raven Florentine den ganzen Abend über verstohlen angesehen hat, ist mir nicht entgangen – aber ich bin nie dazugekommen, das mit meiner Freundin zu analysieren und zu besprechen, wie wir es als Teenager gemacht hätten, denn nach meiner Hochzeit hatte ich kaum noch Gelegenheit, mit Florentine zu telefonieren.

Ich sehe noch Toms wutverzerrtes Gesicht vor mir, als ich es kurz nach unseren Flitterwochen gewagt habe, länger mit Mama zu telefonieren. Die Vorwürfe wegen der horrenden Telefonrechnung, die uns erwarten würde, haben mir damals sehr zugesetzt. Natürlich hätte ich daraufhin per Skype oder WhatsApp telefonieren oder mich um einen besseren Telefonvertrag mit mehr Freiminuten kümmern können. Doch Tom hat es geschafft, mir immer deutlicher klarzumachen, dass ich Zeit mit ihm verbringen sollte, nicht am Telefon, mit Familie oder gar Freunden. Das war damals der Anfang vom Ende, nur wollte ich das noch lange nicht wahrhaben.

»Ja, Luke und Raven sind tatsächlich vergeben«, reißt mich Flos Stimme aus meinen bitteren Erinnerungen, und ich blinzele, um ins Hier und Jetzt zurückzufinden. »Aber Neil ist noch zu haben.«

Prompt lasse ich die Papierserviette fallen, nach der ich gerade gegriffen hatte, was mir einen wissenden Blick meiner Kindheitsfreundin einbringt. Ich sehe Flo genau an, dass sie noch etwas zum Thema Neil sagen will, aber in diesem Moment stoßen meine Eltern wieder zu uns, und mir bleibt das unvermeidliche Gespräch vorerst erspart. Wobei … anstatt um Neil dreht sich augenblicklich alles wieder um Tom, denn Mom fragt mich besorgt, ob ich nach der ganzen Aufregung nicht lieber sofort ins Cozy Cottage gehen und in Ruhe reden möchte, und Dad will leise von mir wissen, warum ich gesagt habe, dass Tom mich finden wird. Ob es etwas gibt, in das ich ihn einweihen sollte. Aber ich bin gerade zu erschöpft, um darüber zu sprechen, und außerdem ändert es ja nichts an der Situation, wenn ich alle nur nervös mache. Und heute Abend wird Tom ganz bestimmt nicht hier auftauchen. Also versichere ich meinem Vater, dass ich übertrieben habe, denn ich will den Filmabend nicht weiter stören. Elmo wird hoffentlich noch ein wenig ohne mich im Auto durchhalten. Wenn ich jetzt gehe, gehen meine Eltern auch, Steve wird sicher meinen Dad nicht allein ziehen lassen, und Flo möchte dann womöglich auch dabei sein, um zu erfahren, was geschehen ist. Nein, ich bleibe hier und sorge nicht für noch mehr Aufsehen. Immerhin hat mein spontanes Hereinplatzen schon dazu geführt, dass Carrie und ihre Tochter tatsächlich gegangen sind. Wegen mir, ganz klar, obwohl Carrie offenbar behauptet hat, sie sei müde und Dawn fände den Film langweilig.

»Ich möchte noch bleiben und den Film mit euch zu Ende anschauen«, versichere ich rasch und setze mich mit meinen Eltern in eine der mittleren Stuhlreihen.

Auch alle anderen nehmen wieder ihre Plätze ein … alle, außer Neil. Unruhig sehe ich mich im Diner um, aber er ist tatsächlich nicht mehr da, genauso wenig wie Carrie und Dawn. Diese Tatsache trifft mich mehr, als mir lieb ist.

Warum ist er gegangen? Etwa wegen mir? Er war es doch, der damals Schluss gemacht hat! Nicht umgekehrt. Und Flo hat behauptet, er sei noch zu haben – darum kann er doch wohl nicht wieder mit Carrie liiert sein, oder? Ich weiß, dass Neil seit fünf Jahren geschieden ist – während ich seit fünf Jahren verheiratet bin. Als ich Tom nur wenige Monate vor unserer Hochzeit kennengelernt habe, wusste ich noch nicht, dass sich Neil kurz zuvor von Carrie getrennt hatte. Sein Scheidungstermin lag ein Vierteljahr nach meinem Hochzeitstag. Ironie des Schicksals.

Im Nachhinein frage ich mich, was geschehen wäre, wenn ich Tom nicht getroffen hätte. Ob Neil und ich, nach seiner Trennung … Nein. Das ist lächerlich. Das mit uns ist eine halbe Ewigkeit her. Wir waren fast noch Kinder.

Und trotzdem beginnt mein Herz, aufgeregt wie ein Vogel in meinem Brustkorb zu flattern, sobald Neil wieder hereinkommt. Die Lichter sind erneut ausgegangen, Audrey Hepburn singt »Moon River« zu Ende, und ich beobachte atemlos, wie Neil kurz zögernd neben den Stühlen stehen bleibt und zu überlegen scheint, wo er sich hinsetzt. Gerade will er sich der letzten Stuhlreihe zuwenden, wo nur noch Carl Baker allein verblieben ist, als meine Mutter von ihrem Stuhl neben mir aufspringt und leise etwas zu Neil sagt. Dann beugt sie sich zu mir und wispert: »Ich bin direkt hinter dir, meine Süße.«

Verblüfft sehe ich zu, wie meine Mutter eine Reihe nach hinten umzieht und sich neben Carl setzt. Mein Herzschlag beschleunigt sich noch mehr, als Neil unschlüssig neben dem Stuhl verharrt, der neben mir frei geworden ist. Ich weiß nicht, ob ich fürchten soll, dass er sich nicht neben mich setzt, oder ob ich Angst davor habe, dass er genau das tut.

Und ich kann es nicht fassen, dass meine Mutter so wenig subtil versucht, Neil in meine Nähe zu manövrieren – ich bin gerade mal gefühlte zehn Minuten zurück in Wildberry Bay und nicht einmal 24 Stunden aus Montreal fort, und schon versucht sie, mich wieder mit meinem Ex zu verkuppeln?

»Hey«, höre ich plötzlich seine tiefe Stimme, und er lässt sich langsam neben mich auf den freien Stuhl sinken.

4

Diese eine, harmlose Silbe, dieses schlichte »Hey« reicht aus, um mir eine Gänsehaut über den ganzen Körper zu jagen. Ja, mein Körper erinnert sich nur zu deutlich an seine Stimme. Ich habe sie erst vor wenigen Wochen gehört, als ich Neil flüchtig am Morgen von Florentines Hochzeitstag gesprochen habe. Wir haben uns über harmlose Dinge wie das Wetter und die vielen asiatischen Touristen in Peggy’s Cove unterhalten, haben brisante persönliche Themen sorgsam umschifft und sogar gemeinsam gelacht, als eine Möwe mit einer gestohlenen Chipstüte gekämpft hat. Noch den gesamten überstürzten Heimflug nach Montreal lang hat mein Körper sich trotzdem kaum beruhigen können, weil er so aufgewühlt war von diesem kurzen Zusammentreffen mit Neil.

Und jetzt, hier, in der geradezu intimen Dunkelheit dieses Diner-Kinos, ist Neil mit einem Schlag ganz dicht neben mir, und alles in mir gerät schon wieder in höchste Aufregung. Dieses einzelne, gewisperte »Hey« schafft es, Erinnerungen an das, was Neil schon zu mir gesagt hat, zurück in mein Gedächtnis zu katapultieren.

Sätze wie »Ich habe mich von Carrie getrennt.«

»Können wir uns mal allein treffen, ohne die anderen?«

»Du bist das süßeste Mädchen auf diesem Kontinent, Gwendolyn Walker.«

»Verdammt, Gwenny, du treibst mich in den Wahnsinn.«.

Aber auch »Scheiße, Gwen. Carrie ist schwanger von mir, verstehst du das nicht? Ich KANN nicht mit dir zusammenbleiben.«.

»Hey«, erwidere ich leise und wundere mich selbst darüber, dass ich so ruhig klinge. Ich halte meinen Blick auf die Leinwand gerichtet und umfasse meinen vollen Teller fest mit beiden Händen, während ich seine Nähe mit jeder Faser meines Körpers spüre. Sein Oberschenkel in den Bluejeans ist nur wenige Zentimeter von meinem im Sommerkleid entfernt. Wenn ich nicht aufpasse, könnte mein nackter Ellbogen jeden Moment seinen streifen.

Wer hat denn diese Stühle so dicht nebeneinandergestellt? Verstohlen versuche ich, mich unauffällig ein wenig auf meinem Platz nach rechts zu schieben, denn wenn ich den Arm meines Vaters versehentlich streife, wäre das nicht dramatisch.

Aber Neil habe ich seit zwanzig Jahren nicht berührt. Bei Flos geplatzter Hochzeit haben wir uns unterhalten, aber uns weder die Hände geschüttelt noch – Gott bewahre – uns umarmt. Ich weiß nicht, was eine Umarmung mit mir gemacht hätte.

Sein Fuß in einem hellen Sneaker wippt unruhig unter seinem Stuhl, und ich frage mich, ob ich ihn nervös mache oder ob das normal für ihn ist. Ist er ein Fuß-Wipper? Ich kenne Neil nach zwanzig Jahren doch kaum noch, obwohl ich natürlich seinen Lebenslauf aus der Ferne verfolgt habe, dank der Infos, die ich von meinen Eltern und Flo bekommen habe. Neil hat mit knapp achtzehn Jahren Carrie geheiratet und ist Vater von Lilybelle Caroline McIntosh geworden. Die junge Familie ist in ein Haus an der Küstenstraße von Wildberry Bay gezogen. Neil ist trotz allem auf das College gegangen und danach Polizist geworden. Vier Jahre später kam ein zweites Mädchen zur Welt, Dawn Elizabeth McIntosh.

Als Dawn zehn Jahre alt war, haben ihre Eltern sich scheiden lassen.

»Kein Hunger?« Neils leise Frage lässt mich so erschrocken zusammenzucken, dass mein Teller ins Wanken gerät und einer der Miniburger seitlich runterfällt.

»Gwen, verdammt, du bist so ungeschickt«, glaube ich Toms verächtliche Stimme in meinem Kopf zu hören, und ich möchte gern im Boden versinken. Doch Tom kann nichts sagen, weil er nicht hier ist. Stattdessen höre ich ein geflüstertes »Warte, ich hab ihn.«.

Ich merke, wie sich Neil im Dunkeln bückt, und im nächsten Moment legt er den Miniburger, der zum Glück von einem Zahnstocher zusammengehalten wird, wieder auf meinen Teller.

»Drei-Sekunden-Regel«, flüstert er. Fragend sehe ich ihn an, und er erwidert meinen Blick im schwachen Licht. Dabei scheint er zu erkennen, dass ich nicht verstehe, was er meint, also beugt er sich ein wenig weiter vor und sagt dicht an meinem Ohr: »Das … also …«

Er bricht ab, und ich merke, dass er nach den richtigen Worten sucht. Seine Nähe ist fast zu viel für mich. Ich spüre die Wärme, die sein Körper ausstrahlt, und seinen Atem, der meinen Hals und meine Wange streift. Überwältigt muss ich kurz meine Augen schließen. Neil räuspert sich und fährt leise fort: »Als meine Kinder klein waren, da hatten wir diese Drei-Sekunden-Regel, wenn sie einen Keks oder so haben fallen lassen. Wenn er innerhalb von drei Sekunden wieder aufgehoben wurde, konnte er noch gegessen werden. Weil … keine Ahnung. Weil die Bakterien länger brauchen, um daran kleben zu bleiben? Ich weiß ehrlich gesagt nicht, woher diese komische Regel kommt.« Er lacht heiser auf und klingt beinahe verlegen. »Du … du musst den Burger natürlich nicht mehr essen. Du scheinst ja eh keinen Hunger zu haben.«

Ich kann nichts antworten, sondern ihn nur im schwachen Licht anstarren, während er mir von seinen Eltern-Regeln erzählt.

»Carrie ist schwanger«, hallt es in meinem Kopf wider. »Ich KANN nicht mit dir zusammenbleiben.«

Neil erwidert meinen Blick schweigend, bevor er sich mit einem weiteren Räuspern ein wenig zurücklehnt und mehr Abstand zwischen uns bringt. »Sorry«, murmelt er schließlich, und ich bin mir nicht sicher, was genau er meint. Dass er mir so nah gekommen ist? Dass er von seinen Kindern erzählt hat? Oder … dass er mich damals wegen seiner schwangeren Freundin verlassen hat?

»Ich … bin jetzt still.«

Nein, will ich sagen, rede weiter. Ich könnte ihm ewig zuhören, denn ich habe seine Stimme in den letzten Jahren so vermisst. Doch ich schweige und schiebe mir blind etwas von meinem Teller in den Mund, um meine Hände beschäftigt zu halten und nicht am Ende nach seinen Fingern zu greifen, die meinen so gefährlich nah sind. Ich kaue und schlucke, ohne etwas zu schmecken, und starre konzentriert auf die Leinwand, ohne den Film wirklich zu verfolgen. Neils Finger beginnen nun, unruhig auf sein Knie zu trommeln, was nicht dazu beiträgt, meinen Herzschlag zu verlangsamen.

Erst am Ende des Films bin ich ganz bei der Sache. In der letzten Szene, in der Holly Golightly im strömenden Regen ihre namenlose Katze sucht. In der sie das klatschnasse Tier findet, weinend in ihren Mantel wickelt und schließlich Paul küsst. Paul, dessen Liebe sie eigentlich nicht wollte, und der trotzdem noch für sie da ist, als sie nun endlich begreift, was gut für sie ist.

WER gut für sie ist.

»Moon River« erklingt erneut aus den Lautsprecherboxen, während die Lichter wieder angehen, und ich merke erst, dass mir ein paar Tränen aus den Augen quellen, als ich Neils prüfenden Blick auf mir spüre. Verlegen blinzele ich und wische mir rasch mit meiner Serviette über die Wangen.

»Ein Klassiker«, stoße ich hervor und lächele ihn gezwungen an. »So schön.«

Neil erwidert meinen Blick schweigend, bevor er leise antwortet: »Ja. Wunderschön.«

Ich starre ihn an, aber in dem Moment sind plötzlich wieder alle um uns herum: Flo und meine Mutter, Dad und Steve.

»Du meine Güte, Süße, du schläfst ja schon fast im Sitzen ein«, sagt Mama besorgt – sie scheint meine sicherlich geröteten Augen auf die Müdigkeit und nicht auf das rührende Ende des Films zu schieben.

Oder auf das tragische Ende meiner viel zu kurzen Liebesgeschichte mit diesem Mann, der mich immer noch stumm anstarrt, jetzt, zwanzig Jahre, nachdem er mich zum letzten Mal geküsst hat.

»Ja, Gwenny, du musst todmüde sein – nach der langen Fahrt! Wo hast du eigentlich unterwegs übernachtet?«, erkundigt sich Florentine und nimmt sich ein paar Popcorn-Flocken von meinem nur halb leer gegessenen Teller.

»Ich habe nirgends übernachtet«, gebe ich leise zu und zucke leicht mit den Schultern. »Wollte so bald wie möglich hier sein.«

Und ich konnte kein Motelzimmer bezahlen, aber darauf werde ich heute Abend nicht mehr eingehen. Momentan fehlt mir ganz einfach die Kraft, um zu erklären, dass ich keine Kreditkarte mehr habe, seit Tom meine gesperrt hat. Und ohne Kreditkarte keine Motelübernachtung. So einfach ist das.

»Du bist in einem Rutsch durchgefahren?«, hakt Steve ungläubig nach, der neben meinen Dad getreten ist und nach seiner Hand gegriffen hat. Diese kleine Geste rührt mich mal wieder sehr, obwohl Steve und mein Vater nun schon seit zwanzig Jahren ein Paar sind. Doch ich habe die beiden in den letzten fünf Jahren so selten zu Gesicht bekommen, dass ich mich wieder ganz neu an ihre Dynamik gewöhnen muss. Und an die große Besorgnis meiner Mutter, die mich sehr an meine Kindheit erinnert, als sie nun ausruft: »Aber das ist doch gefährlich, Schätzchen! So übermüdet Auto zu fahren!«

Da greift eine Hand nach meiner, und ich sehe in Flos warme braune Augen. »Umso wichtiger, dass Gwenny schnell ins Bett kommt, oder?«

»Ja, natürlich«, murmelt meine Mutter rasch.

»Ähm … also … apropos Bett. Macht es dir etwas aus, heute Nacht auf dem Sofa im Wohnzimmer zu schlafen?«, höre ich meinen Vater fragen und sehe ihn erstaunt an.

»Nein, natürlich nicht. Aber … der Gästekeller …?«

»Da schlafen noch Bernd und Regina, die ein wenig länger geblieben sind als ursprünglich geplant. Sie suchen momentan hier in der Gegend nach einem Ferienhaus!«, erwidert Steve und sieht zu Florentines Eltern hinüber, die neben dem Beamer stehen und sich mit Raven unterhalten, der gerade die DVD zurück in die Hülle legt.

»Ja, zum Glück – nachdem sie uns nach meiner geplatzten Hochzeit zunächst eröffnet hatten, dass sie sich trennen wollten«, murmelt Flo. Dann scheint ihr aufzugehen, dass ich mich gerade von meinem Mann getrennt habe, und sie fügt rasch hinzu: »Na ja, und jetzt sind sie auf Häusersuche!«

Und sie schlafen im Gästekeller des Cozy Cottage. Scheibenkleister. Damit hatte ich nicht gerechnet.

»Und euer Bootshaus?«, frage ich vorsichtig und vermeide es sorgfältig, bei der Erwähnung des Bootshauses in Neils Richtung zu sehen. Er sitzt nach wie vor auf seinem Platz und verfolgt unsere Diskussion schweigend.

»Da wohnt momentan noch Fern, die auch länger geblieben ist als gedacht«, erwidert meine Mutter ernst. »Ihr Freund ist zurück in Vancouver, in ihrem Yogastudio, aber Fern … sie will hier noch etwas … zu Ende planen«, fügt sie hinzu, und die Art, wie sie das sagt, lässt mich aufhorchen. Doch bevor ich dazukomme, nachzuhaken, was Fern für ominöse Pläne hat, sagt meine Mutter schon rasch: »Oh, ich habe eine Idee – du schläfst natürlich nicht auf dem Sofa, mein Hase! Du schläfst bei mir! Ich bin im Gästezimmer des Cozy Cottage, und ich habe das Ehebett dort ganz für mich. Das ist doch eine wunderbare Lösung.«

Zufrieden streicht sie mir über die Wange, doch ich muss mir mein Lächeln sehr abringen. Ich liebe meine Mutter, keine Frage. Aber … mir mit ihr ein Zimmer teilen? Sodass sie mich sofort beim Aufwachen morgen früh löchern kann, was genau passiert ist? Was in meiner Ehe schiefgelaufen ist?

Oder, noch schlimmer – nicht erst morgen früh, sondern womöglich schon heute Abend, vor dem Einschlafen.

»Ähm … das ist aber nicht nötig«, sage ich zögernd. »Ich kann wirklich auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen. Dann störe ich dich nicht, Mom.«

»Ach, ich bitte dich, Kind! Als ob du mich stören würdest!«

»Na ja … und Elmo … er kennt das Cozy Cottage noch nicht und wird bestimmt herumstreunern. Dann ist es ganz gut, wenn ich im Erdgeschoss bin. Er kann dann auch bei mir auf dem Sofa schlafen, weißt du? Damit er nicht so einsam ist.«

Als ob mein Kater jemals nachts bei mir im Bett hätte schlafen dürfen. Als ob Tom das je gestattet hätte.

»Wer ist Elmo?«, fragt Steve erstaunt.

»Ihr Kater«, erwidert meine Mutter.

»Oh!« Florentine reißt entsetzt ihre Augen auf und starrt mich alarmiert an. »Du hast Elmo mitgebracht, wie schön! Es ist nur … mein Vater hat leider eine ziemlich starke Katzenhaarallergie. Er kann sich nicht im selben Haus aufhalten wie eine Katze.«

»Wirklich?« Debbie starrt Florentine mit gefurchter Stirn an. »Das wusste ich gar nicht.«

»Na ja, so viele Katzen sind in den letzten Wochen ja auch nicht durchs Cozy Cottage spaziert, oder?«, fragt meine Freundin und lacht auf, während ich gerade heulen könnte. Ganz toll. Bernd hat eine Katzenhaarallergie, sodass ich nicht mit Elmo ins Cozy Cottage ziehen kann, solange er da ist.

»Du bist mit deiner Katze die weite Strecke im Auto gefahren?«, fragt Steve jetzt ungläubig und reibt sich das Kinn.

»Ja. Elmo ist mein Baby. Ich hätte ihn doch nicht einfach verlassen können.«

Wie ich Tom verlassen habe. Mühsam schlucke ich ein paar neue Tränen hinunter, während ich wieder an Holly Golightly und ihre nasse Katze denken muss. Außerdem wird die Müdigkeit jetzt so überwältigend, dass ich mich gern auf einer der Bänke in den Sitznischen des Diners zusammenrollen würde.

»Also, Gwenny-Maus«, beginnt mein Vater und räuspert sich. Ich kenne diesen Tonfall. Dad wendet ihn immer dann an, wenn er davon ausgeht, dass das, was er zu sagen hat, mich nicht glücklich machen wird. Ich wappne mich innerlich für das, was jetzt kommt.

»Mal ganz abgesehen von Bernds Allergie … Du weißt ja, dass ich nie Haustiere haben wollte. Wegen … nun ja. Wegen unserer schönen Möbel und Teppiche. Und Katzen … mit ihren Krallen …«

»Elmo ist ein Kater, und er kratzt fast nie an Möbeln«, gebe ich scharf zurück. Was daran liegt, dass Tom immer Gegenstände – eine Zeitung, ein Buch, auch mal die Fernbedienung – nach ihm geworfen hat, wenn er das gewagt hat.

Dad sieht mich betreten an. »Er könnte ja heute Nacht erst einmal im Auto schlafen, und morgen sehen wir dann weiter?«

»Niemals.« Ich verschränke die Arme vor der Brust. Das darf doch alles nicht wahr sein! »Ich lasse Elmo nicht noch länger allein. Er ist jetzt nach wie vor draußen, in meinem Wagen. Dann schlafe ich auch im Auto.«

Doch der Gedanke an mich, allein im Auto, um mich herum die Dunkelheit von Wildberry Bay, versetzt mich schon wieder in leichte Panik.

Da kommt mir ein Gedanke.

»Was ist mit dem Blue Gables Bed & Breakfast?« Ich frage mich, warum niemand vorher darauf gekommen ist, das vorzuschlagen.

»Das Blue Gables ist ausgebucht«, höre ich da eine Frauenstimme, und als meine Mutter ein wenig zur Seite tritt, sehe ich die schwarzhaarige Schönheit, die ich bei meiner Ankunft im Diner flüchtig kennengelernt habe. Wie hieß sie noch? Helena. Lukes neue Flamme.

Nun lächelt sie mich an und sagt mitfühlend: »Du musst ziemlich erschöpft sein, du Arme.«

»Ja, das kannst du laut sagen.« Ich ringe mir ein flüchtiges Lächeln ab, bevor ich matt nachhake: »Du bist dir sicher, dass das Blue Gables ausgebucht ist?«

»Den ganzen Monat August über, soweit ich weiß, ja. Deshalb wohne ich bei Luke, auf seinem Boot.« Sie sieht ihren Schatz an, der gerade näherkommt.

»Oh«, mache ich jetzt und atme langsam aus. »Scheibenkleister.«

»Außerdem … selbst wenn etwas frei wäre: Katzen sind im Bed & Breakfast nicht erlaubt, wegen Gästen mit Allergien«, meldet sich Eliza zu Wort, die aus der ersten Stuhlreihe alles sitzend verfolgt hat. Sie sieht mich ernst an.

»Tja, dann müssen Elmo und ich wohl weiterfahren«, sage ich, nur halb im Scherz, während sich eine Träne aus meinen Wimpern löst, ehe ich sie daran hindern kann.

»Nun sei doch nicht albern, wir finden eine Lösung!«, sagt mein Vater hektisch und reibt sich über die Glatze, während er sich im Raum umsieht, als würde er in Gedanken alle Schlafoptionen durchgehen.

»Du könntest bei Raven und mir auf dem Sofa schlafen«, sagt Florentine, aber da räuspert sich Raven und sagt geradezu verlegen: »Ähm … ich habe leider auch eine Katzenhaarallergie.«

»Nein!«, ruft Florentine und sieht ihren Liebsten aus weit aufgerissenen Augen an. »Ist nicht dein Ernst! Das wusste ich gar nicht!«

Nein, das wusste ich auch nicht. Dabei ist Raven offiziell sogar mein Stiefbruder, nachdem Dad und Steve geheiratet haben, aber ich habe ihn seit unserem letzten gemeinsamen Sommer vor zwanzig Jahren nur selten zu sehen bekommen.