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Da taucht eines Tages ein Mann namens Chuck Cadwell im Hauptquartier der Texas-Ranger auf und behauptet, ein Pinkerton-Detektiv zu sein, der auf Hilfe angewiesen ist, um eine gefährliche Bande zur Strecke zu bringen. Bill Alamo lässt sich tatsächlich auf dieses höchst riskante Spiel ein, bei dem er nur allzu schnell merkt, dass es um Kopf und Kragen geht. Aber das nützt ihm nicht viel, denn als man ihn und seinen Gefährten nach tagelanger Verfolgungsjagd stellt, sie des Mordes bezichtigt und dann zum Tode verurteilt, scheint das klug eingefädelte Unternehmen ein vorschnelles Ende zu nehmen ...
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Seitenzahl: 156
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Hängt El Halcon!
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Impressum
Hängt El Halcon!
Von Rex Hayes
Da taucht eines Tages ein Mann namens Chuck Cadwell im Hauptquartier der Texas-Ranger auf und behauptet, ein Pinkerton-Detektiv zu sein, der auf Hilfe angewiesen ist, um eine gefährliche Bande zur Strecke zu bringen. Bill Alamo lässt sich tatsächlich auf dieses höchst riskante Spiel ein, bei dem er nur allzu schnell merkt, dass es um Kopf und Kragen geht. Aber das nützt ihm nicht viel, denn als man ihn und seinen Gefährten nach tagelanger Verfolgungsjagd stellt, sie des Mordes bezichtigt und dann zum Tode verurteilt, scheint das klug eingefädelte Unternehmen ein vorschnelles Ende zu nehmen ...
»Bill«, sagt Captain Jim McNelty, der Kommandeur des berühmten Grenzbataillons der Texas-Ranger, »hast du schon einmal eine Bank ausgeraubt?«
Mein Unterkiefer klappt hörbar herunter.
»Eine Bank ausgeraubt? Natürlich nicht. Aber, was ...«
McNelty grinst. Ich werde das Gefühl nicht los, dass er sich über mich lustig macht.
Er deutet auf einen Mann im Hintergrund des Büros, den ich erst jetzt bemerke.
»Das wird dir Mr. Cadwell besser erklären können als ich. Sprecht euch ruhig aus.«
Er geht aus dem Büro, und der Fremde, ein athletischer Mann, etwa Mitte dreißig, erhebt sich aus seinem Stuhl.
»Mein Name ist Chuck Cadwell. Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Mr. Alamo.«
»Ganz meinerseits«, sage ich und schüttle die kräftigste Männerhand, die mir je gereicht wurde.
Cadwell deutet auf die Tür. »McNelty hat sich aus dem Staub gemacht und es mir überlassen, Sie aufzuklären. Deshalb wiederhole ich seine Frage: Haben Sie schon einmal eine Bank ausgeraubt?«
»Nein, das habe ich doch schon gesagt. Was soll denn dieser Unsinn?«
Cadwell grinst. Er grinst genauso hinterhältig, wie vor ihm McNelty.
»Sie sollten sich einmal ernsthaft damit befassen, Mr. Alamo.«
Ich setze meinen Hut auf. »Cadwell, ich bin nicht so irrsinnig, wie Sie anzunehmen scheinen. Sie werden sich nach einem anderen Gesprächspartner umsehen müssen.«
Das Grinsen ist plötzlich wie weggewischt. Er greift in die Brusttasche seines staubigen Cordrockes, zieht ein gefaltetes Papier heraus und hält es mir hin.
»Hier lesen Sie, damit Sie erst einmal wissen, wer ich bin.«
Mit spitzen Fingern falte ich das Papier auseinander. Da steht ein Name: Chuck Cadwell. – Inspektor der Pinkerton Detektivagentur, mit einer Sonderaufgabe beauftragt und so weiter.
Ich falte das Schreiben zusammen und reiche es ihm zurück.
»Dann sind wir sozusagen also so etwas Ähnliches wie Berufskollegen, nicht wahr?«
Er lächelt. »Ganz recht. Nur werden Sie von der Regierung des Staates Texas bezahlt und ich von einer Privatagentur. Das schließt aber nicht aus, dass wir auch einmal zusammenarbeiten müssen – wenn wir zum Beispiel einen ganz scharfen Burschen brauchen, der Land und Leute besser kennt als wir.«
»Na schön, ich bin hier und höre. Was haben Sie auf dem Herzen?«
Cadwell seufzt erleichtert. Er lässt sich in McNeltys Sessel fallen, legt die Absätze seiner schmutzigen Stiefel auf die Schreibtischplatte, kreuzt die Hände vor dem Bauch und beginnt zu erzählen.
»Da ist das Nest, Chuck«, sage ich und halte Shadow an.
Vor uns liegt eine regellose Ansammlung von weißgetünchten Adobehäusern und zusammengefügten Bretterbuden.
»Paradiso – scheint wenig Ähnlichkeit mit einem wirklichen Paradies zu haben.«
Cadwell lächelt dünn. Sein Aussehen hat sich seit unserem ersten Zusammentreffen ein wenig verändert. Er trägt einen Sombrero, dessen Krempe er verwegen über das linke Auge herabgezogen hat, dazu Chaps, Stiefel und Sporen sowie einen mächtigen Smith & Wesson, Kaliber .45, in einem abgewetzten Lederholster.
Wegen dieses Revolvers hatte ich ihn im Verdacht, dass er kein unbeschriebenes Blatt mit einer Schusswaffe ist: Der Kolben der Waffe sieht nämlich so merkwürdig glatt und abgegriffen aus.
Cadwell reitet ein geflecktes Rinderpferd, einen sogenannten Pinto. Aus dem Scabbard unter dem rechten Schweißblatt des Sattels ragt der braune Nussbaumkolben einer .44er-Winchester, Modell 73 – genau wie bei mir.
»Tatsächlich, das ist Paradiso«, bestätigt Cadwell. »Du bist sicher, dass heute mindestens hunderttausend Dollar im Safe der Copper-Bank liegen?«
»Ganz sicher«, sage ich. »Schließlich habe ich meine Informationen. Seitdem im Gebirge Kupfer gefunden wurde, hat hier die Copper Mining Company ihren Sitz ausgebaut. Einmal im Monat ist Zahltag, und in der Nacht danach ist kein Mensch in diesem kleinen Höllennest seines Lebens sicher. Das Geld wird in der Nacht vor der Auszahlung unter starker Bewachung von der nächsten Station der Texasbahn herübergebracht. Sobald es in der Bank ist, rückt die Eskorte wieder ab. Bis es abgeholt wird – und das ist erst gegen Mittag der Fall –, liegt es vollkommen ungeschützt in dieser morschen Bruchbude von einer Bank. Wer rasch zupackt, kann es sich ohne großes Risiko nehmen. Versuchen wir es?«
»Aber sicher.« Cadwell grinst breit. »Das wird ein Spaß, von dem ganz Texas in zehn Jahren noch sprechen wird.«
Shadow beginnt unruhig zu werden. Das lange, tatenlose Herumstehen in der Sonne behagt ihm nicht. Ich nehme die Zügel in die linke Hand, damit die rechte frei für den Revolver ist.
Wir reiten den steilen Hügelkamm hinunter, bis wir auf einen Weg stoßen, der von rechts aus den Hügeln kommt. Hinter einem stacheligen Mesquitebusch halten wir noch einmal an und beobachten das Leben, das sich bei dieser Hitze auf der breiten, staubigen Hauptstraße von Paradiso zeigt. Mir ist ein wenig unbehaglich zumute. Schließlich kenne ich meine Landsleute ziemlich genau. Wenn jemand es auf ihr Geld abgesehen hat, sind sie schnell dazu bereit, ihn mit Bleigeschossen einzudecken.
Es ist sicher auch kein angenehmes Gefühl, als Bankräuber am nächsten Baum aufgehängt zu werden.
Chuck Cadwell muss etwas Ähnliches denken. Er schaut mich an, wobei er nach oben sehen muss, weil sein Pferd so klein ist. Schweißtropfen bedecken seine Stirn.
»Alles fertig?«
Ich nicke. »Ja. Verdammt, ich wünschte, es wäre schon vorbei. Sie haben einen Posten in der Bank, einen alten, hartschädeligen Pionier. Einen von der Sorte, die niemals aufgibt. Was machen wir, wenn er zum Revolver greift und uns mit Kugeln attackiert? Schließlich soll bei dem Überfall niemand verletzt werden.«
Cadwell zuckt mit den Schultern.
»Darauf müssen wir es ankommen lassen.«
Er schiebt den Hut ins Genick. Jetzt sieht er mit seinem bärtigen Gesicht nicht mehr wie ein Pinkerton-Detektiv aus. Er ähnelt jetzt ganz und gar einem jener revolverschwingenden Burschen, die unser schönes Land unsicher machen und von ihren Schießkünsten leben.
Er sieht aus wie ein Bandit, was er ja auch sein will. Schließlich steht das Ausräumen einer Bank auf seinem Plan.
Cadwell stützt die Hände auf das Sattelhorn und starrt mich an. Ich weiß, was er denkt.
»Du wirst doch jetzt nicht kneifen, Bill?«
Ich schüttle den Kopf. »Natürlich nicht. Ich habe versprochen, dass ich mitmache, und dabei bleibt es. Trotzdem – ich habe so ein eigenartiges Kribbeln zwischen den Schulterblättern. Diese Sache kann sehr heiß werden.«
»Das weiß ich selbst«, knurrt Cadwell und nimmt die Zügel auf. »Es ist zu spät, um darüber zu reden. Die Rollen sind verteilt. Du kennst deine Aufgabe. Reiten wir.«
Er gibt seinem Pinto die Sporen, und augenblicklich setzt sich das kleine Pferd in Bewegung.
Die Hauptstraße von Paradiso ist nahezu menschenleer unter den sengenden Strahlen der Sommersonne.
Der Wagen, der das Geld gebracht hat, ist bereits wieder weg, und mit ihm auch die Reiter des Begleitkommandos.
Die Bars und Spielhöllen sind noch geschlossen. Sie bereiten sich auf die wildeste Nacht des Monats vor, die regelmäßig jedem Zahltag folgt. Im Vorbeireiten sehe ich ein paar alte, weißhaarige Pioniere unter den Vordächern hocken und den Schatten genießen. Sie kauen Tabak, spucken in den rötlichen Staub und erzählen sich von den alten Zeiten.
Die Copper Mining-Bank ist ein großes, langgestrecktes Gebäude in der Stadtmitte. Die Fenster im Parterre sind vergittert. Eine breite, dreistufige Treppe führt vom hölzernen Gehsteig zum Eingang der Bank.
Cadwell drückt sein kleines Pferd gegen das Haltegeländer, sitzt ab und befestigt die Zügel so locker, dass man sie mit einem einzigen Zug vom Balken lösen kann. Ich schließe daraus, dass er einmal als Cowboy gearbeitet haben muss, bevor er Detektiv und dann Bankräuber geworden ist. Mit der typischen Bewegung aller Weidereiter zieht er die Hose in die Höhe, schiebt das Revolverholster an die richtige Stelle und setzt den Fuß auf die erste Treppenstufe. Ich bleibe im Sattel.
Zwei Männer überqueren die Fahrbahn und steuern die Bank an. Cadwell mustert sie argwöhnisch; sein Gesicht nimmt einen zufriedenen Ausdruck an. Dann wendet er sich an mich.
»Halt mir die beiden vom Leib, Bill.«
Er dreht sich um, springt die Treppe hinauf und stürmt in die Bank.
Ich schwinge Shadow auf der Hinterhand herum. Meinen Revolver ziehe ich aus dem Holster. Die abgefeuerte Kugel wirbelt eine kleine Dreckfontäne vor den Füßen der beiden Männer auf.
»Dies ist ein Überfall!«, brülle ich und feuere noch einmal. Die Kugel schlägt vor den beiden Männern in die Erde ein. Sie bleiben stehen, starr vor Schreck, und halten die Hände über ihren großen Hüten in die Höhe.
Aus dem Inneren der Bank dringt Gepolter und Geschrei. Ein Schuss donnert, dem sofort ein zweiter folgt. Die Abschüsse krachen wie Kanonenschläge in dem geschlossenen Raum. Ich fühle, wie Schweiß über mein Gesicht rinnt, während ich die Straße überblicke. Ich muss an Chuck Cadwell denken ...
Dann fliegt die Tür der Bank auf. Mein Partner erscheint auf der Schwelle, eine prall gefüllte Packtasche auf der Schulter. Hinter ihm kracht und rumort es noch immer, wie bei einer Rinderstampede.
Cadwell springt von der obersten Treppenstufe aus in den Sattel, ohne die Steigbügel zu berühren. Er feuert seine Waffe noch einmal gegen die Bank ab, bevor er sich tief über den Hals seines Pferdes beugt und die Zügel vom Balken reißt. Dann galoppiert das Pferd aus dem Stand an, und wieder einmal ist es an mir zu staunen.
Aber ich habe keine Zeit, weiter über Cadwell, diesen zwielichtigen Burschen nachzudenken. Die Stadt wird allmählich lebendig, die Bürger haben den ersten Schock der Überraschung überwunden. Und jetzt wird es ungemütlich.
Hinter mir fliegt ein Fenster auf; die Scheibe klirrt. Der ovale Fleck eines Gesichtes taucht hinter einem Gewehrlauf auf. Ich reiße den .45er hoch und jage eine Kugel in die Scheibe, und das Gesicht verschwindet.
Shadow rast die Straße hinunter. Ich feuere meinen Revolver leer und brülle aus Leibeskräften: »Weg von der Straße, wer keine Kugel haben will!«
Dabei fühle ich mich gar nicht besonders wohl. Ich habe das Gefühl, eine wunderbare Zielscheibe für alle die Gewehre und Revolver zu sein, die sich in den nächsten Sekunden auf mich richten werden.
Shadow läuft, was er kann, und das ist mächtig schnell. Ich beuge mich über seinen Hals und mache mich so klein wie möglich. Cadwells kleines Pferd rast vor mir die lange Front Street von Paradiso hinab, die einfach kein Ende nehmen will.
Der Dreck, den die Hinterhufe emporwirbeln, spritzt mir in die Augen – und dann ist plötzlich noch etwas anderes da, das vor und neben mir aufspritzt: kleine Fontänen von Staub, Kies und Sand, und es sind Kugeln aus Winchesters oder .45er-Revolvern.
Ein hochrädriger Ranchwagen, ein sogenannter Buggy, der am Ende der Straße vor dem General Store angehalten hat, kommt plötzlich in Bewegung. Er schwenkt herum und stellt sich quer über die Fahrbahn.
Cadwell hat Mühe, sein Pferd zu stoppen. Er tut es so heftig, dass ich um ein Haar auf ihn pralle. Als er das Pferd herumwirbelt, kann ich sein rotes, grinsendes Gesicht sehen.
»Es klappt!«, ruft er. »Es klappt ganz ausgezeichnet. Der Sheriff von diesem Höllennest ist schwer auf Draht. Morgen früh wird unser Name in halb Texas bekannt sein.«
»Ja«, antworte ich und jage neben ihm die Straße zurück, »wenn wir nicht schon früher mit dem Friedhof Bekanntschaft machen. Im Grunde fühle ich mich noch zu jung, um schon zu sterben.«
Cadwells Grinsen verstärkt sich.
»So viel Geld will eben mal hart verdient sein ...«
Ich sage nichts mehr. Ich kann es auch nicht. Mein Mund und meine Kehle sind mit klebrigem Staub gefüllt. Schweiß brennt in meinen Augen. Ich spähe nach einer Lücke, die uns die Möglichkeit gibt, von dieser verwünschten Straße herunterzukommen, aber ich sehe keine.
Fenster werden aufgerissen, Türen schwingen zurück. Männer eilen an uns vorbei; sie halten Gewehre in den Händen. Schüsse peitschen auf, und es kann nur noch Sekunden dauern, bis eine Kugel uns erwischt. Einmal haben sich die Verfolger eingeschossen, und dann ist es zu Ende. Das Haar sträubt sich mir unter meinem großen Hut, als ich daran denke, dass wir nie im Leben hier herauskommen. Welcher Satan hat mich nur geritten, auf diesen wahnwitzigen Vorschlag einzugehen und mich als Bankräuber zu betätigen. Und ausgerechnet in so einem heißen Nest wie Paradiso.
Plötzlich ist das Ende der Straße da.
Cadwell wirft sein Pferd nach links; Shadow folgt ihm ohne Aufforderung. Scheunen, Corrals und morsche Bretterschuppen, an denen sich ein schmaler Pfad entlangschlängelt, fliegen vorbei. Das Krachen der Schüsse hinter uns verstummt schlagartig.
Das Gelände steigt zu den Hügeln sanft an. Als wir hinaufjagen, bricht eine Schar Reiter hinter den Häusern von Paradiso hervor.
»Der Sheriff mit seinen Leuten«, sagt Chuck Cadwell grinsend und verkürzt den scharfen Galopp seines kleinen Pferdes zu einem vernünftigen Tempo. »Der Bursche ist wirklich auf Draht. Ich sagte es dir ja schon.«
Ich sagte nichts. Die Reiter beunruhigen mich nicht weiter. Shadow ist allen ihren Pferden weit überlegen. Aber es gibt etwas anderes, das er nicht schlagen kann, und wenn er noch so schnell läuft: den Telegraf. Bevor es Nacht wird, werden alle Sheriffs in diesem Teil von Texas informiert sein. Sie werden ihre Gewehre laden, ihre Aufgebote zusammentrommeln und warten, bis sie uns auf ihre Schießeisen rennen lassen können. Das Schlimmste aber ist, dass es ein paar Sheriffs unter ihnen gibt, die mit Banditen kurzen Prozess machen, wenn sie sie erwischen. Ihr Urteil ist rasch gesprochen, und sie brauchen manchmal noch nicht einmal eine Jury dazu. Sie benötigen lediglich eine Lassoschlinge und einen starken Ast – das ist alles. Wenn wir einem solchen Burschen in die Hände fallen, sind wir erledigt.
Ich kann mir vorstellen, wie die Telegrafisten in ihren Buden hocken und unseren Steckbrief durch den Draht jagen, der mit den üblichen Worten beginnt: »Gesucht wegen Mordes und schweren Raubes – tot oder lebendig – fünftausend Dollar Belohnung ...«
Dass wir überhaupt keinen Menschen umgebracht haben, spielt dabei gar keine Rolle ...
In den nächsten fünf Tagen machen wir dem Sheriff von Paradiso und seinem Aufgebot das Leben schwer. Sie kämmen das ganze Gebirge nach uns ab, aber wir gehen ihnen immer wieder durch die Lappen.
Vom dritten Tag an merken wir, dass die Zahl unserer Verfolger sich verstärkt hat. Die Sheriffs der benachbarten Countys haben ihre Aufgebote mit denen ihres Kollegen aus Paradiso vereinigt und gehen jetzt daran, ein regelrechtes Kesseltreiben gegen uns zu veranstalten.
Am sechsten Tage erwischen sie uns.
Wir reiten gerade durch ein kleines Nest, eine bedeutungslose Ansammlung von alten Hütten unter einem bleifarbenen Himmel zwischen dem Rand des Gebirges und der Wüste. Wir brauchen dringend neue Vorräte und Patronen, deshalb sitzen wir vor dem Store ab. Von einem Brett neben der Ladentür grinsen uns in schlechtem Druck unsere eigenen Porträts entgegen: »Gesucht wegen Mordes ...«
Chuck geht in den Store, ich bleibe bei den Pferden. Dann sehe ich, dass es in dem Laden auch Bier gibt, und plötzlich spüre ich all den Staub, den ich in den Tagen dieser wilden Jagd geschluckt habe. Ich muss ihn einfach herunterspülen.
Chuck steht am Tresen und grinst mich an. Der Schurke hat schon ein Bier getrunken, während ich beinahe verdurstet wäre.
Während wir trinken, hören wir plötzlich Hufschlag von vielen Pferden. Wir rennen hinaus und springen in die Sättel, ohne zu bezahlen. Der Storekeeper jammert hinter uns her, aber wir können ihm jetzt nicht helfen. Vom oberen Ende des Ortes kommt nämlich ein größerer Reitertrupp herangejagt und zwingt uns, schleunigst zu verschwinden. Wir machen kehrt und rasen zur anderen Seite des Dorfes hinaus – und landen vor den Gewehren und Revolvern eines zweiten Reiterpulks.
Die beiden Reitertrupps vereinigen sich, und die müden, verschwitzten und staubbedeckten Männer, die wir tagelang durch das Gebirge gehetzt haben, werfen uns böse Blicke zu. Sie scheinen nicht übel Lust zu haben, uns zu verprügeln, und ich sehe schon sehr schwarz für uns, als endlich ihr Anführer das Wort ergreift und Ruhe befiehlt ... Es ist, wie ich richtig vermutet habe, dieser zähe Sheriff aus Paradiso.
»Na, da hätten wir die munteren Vögel ja«, sagt er grinsend und unterzieht uns einer scharfen Musterung, nachdem sie uns unsere Schießeisen weggenommen haben. »Zwei so hübsche, schwere Jungen. Da wird sich Mister Bowman aber freuen.«
»Wer ist Mister Bowman?«, frage ich, während mir ein unangenehmes Gefühl die Kehle zuzuziehen beginnt.
Das Grinsen des Sheriffs verstärkt sich.
»Mister Bowman ist der zuständige Henker.«
Ich muss gestehen, dass ich mich bei diesen Worten äußerst unbehaglich fühle. Zwischen meinen Schulterblättern kribbelt es fürchterlich.
»Nun, Jungen, ihr habt euch ziemlich viel vorgenommen«, fährt der Sheriff ungerührt fort. »Die Jury wartet schon auf euch, und ihr Urteil kann ich euch bereits verraten. Die Mining-Bank überfallen, den Bankier niederschlagen, die Angestellten mit der Waffe bedrohen und dann mit beinahe hunderttausend Dollar einfach verschwinden – da wird wahrscheinlich nur der Strick für euch bleiben. Feine Aussichten, was?«
»Sie könnten gar nicht besser sein«, antwortet Cadwell kaltblütig und lächelt. »Dürfen wir jetzt die Hände herunternehmen? Oder haben Ihre Leute immer noch Angst vor uns?«
Der Beamte bekommt einen dunkelroten Kopf.
»Meine Jungen haben keine Angst vor zwei gewöhnlichen Sattelstrolchen!«, bellte er los. »Vorwärts, bindet die beiden an ihren Sätteln fest. Und macht es gründlich.«
Das tun sie auch. Und so kommt es, dass wir Paradiso schneller wiedersehen, als wir geglaubt haben.
Die Leute stehen auf den Gehsteigen, machen finstere Gesichter und werfen uns Schimpfworte und Drohungen an den Kopf. Das halbe County scheint anwesend zu sein. Chuck sieht es und dreht sich im Sattel nach mir um.
»Na, was sagst du jetzt, mein Alter? Hat doch alles wunderbar geklappt, was?«
Einer der Wächter treibt sein Pferd heran.
»Halt den Schnabel!«, knurrt er.
Chuck wirft ihm einen beleidigten Blick zu.
»Man wird doch wohl noch was reden dürfen ...«
»Das Reden wird dir bald vergehen, wenn du einen Strick am Hals spürst«, knurrt der Mann und lässt uns nicht mehr aus den Augen.
Ich ziehe es vor, zu schweigen. Diese ganze Sache gefällt mir nicht mehr. Sie sieht mir zu sehr nach einem abgekarteten Spiel aus. Man hat uns schon verurteilt. Die Gerichtsverhandlung ist nur noch ein wenig Tünche, mit der man dem Fall einen offiziellen Anstrich geben will.
Und es kommt, wie ich es mir gedacht habe.
Die Jury tritt am nächsten Morgen in der Schule zusammen. Der Saal ist gerammelt voll. Sheriff-Deputys mit würdevollen Gesichtern, blitzenden Messingsternen auf den schwarzen Westen und großen, gut geölten Revolvern bringen uns vom Gefängnis herein. Die Menge murrt; sie möchte uns am liebsten sofort lynchen. Auch das Gesicht meines Partners wird ein wenig blass, als er die Situation erkennt.