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Dodge Silver ist ein mächtiger Mann. Er ist Rancher, Saloonbesitzer - und Bandenanführer. Er terrorisiert eine ganze Stadt mit seiner Lasso-Mannschaft und ist verantwortlich für den Mord an Marshal Parry. Bill Alamo, der berühmte Texas-Ranger, soll die Lasso-Bande zur Strecke bringen, aber bei Marshal Parry kommt er zu spät. Gegen den Widerstand aller nimmt er den Stern des Marshals und beginnt, mit eisernem Besen zu kehren. Es ist keine Frage, dass er sich dadurch den tödlichen Hass Dodge Silvers zuzieht. Bill Alamos Lage ist wenig beneidenswert, denn er steht allein gegen ein Dutzend Revolvermänner, für die Mord eine alltägliche Beschäftigung ist ...
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Seitenzahl: 148
Cover
Die Lasso-Mannschaft
Vorschau
Impressum
Die Lasso-Mannschaft
Von Rex Hayes
Red Rock liegt vor uns, als wir den letzten Dünenkamm der Wüste überquert haben. Es ist ein kleines Nest, mitten zwischen einem Haufen von roten Felsen, die ihm den Namen gegeben haben, und sieht verteufelt trocken und staubig aus.
Shadow scharrt mit den Hufen. Er will ans Wasser, und mich zieht es zu einem kühlen Bier in der schattigen Dämmerung einer Bodega.
Von der Nähe betrachtet sieht Red Rock noch trostloser aus als aus der Ferne. Aber schließlich bin ich nicht verwöhnt, und Shadow ist es auch nicht. Das, was wir suchen, werden wir hier schon finden: etwas gegen den Durst und den Hunger, ein Bett für eine Nacht, eine Box und eine anständige Schwinge voll Hafer für meinen tüchtigen Gaul ...
Red Rock hat schon ganz etwas von der Art der südlichen Wüstenstädte an sich. Die einzige Straße öffnet sich zu einer großen Plaza, deren Mittelpunkt ein Brunnentrog mit einer Winde bildet. Auf der linken Seite dieser Plaza befindet sich ein flaches, weißgekalktes Haus, aus Adobelehm errichtet, dem natürlichen Baustoff hierzulande. Die Fenster dieses Hauses sind vergittert, und über der Veranda schaukelt ein verblichenes Schild. »Marshal´s Office« steht darauf.
Auf der anderen Seite der Plaza, dem Office genau gegenüber, steht ein festgefügtes, zweistöckiges Gebäude, dem man seinen Zweck schon von Weitem ansieht, bevor man das grellfarbige Schild mit der Aufschrift »Come in« gelesen hat.
Vorerst aber interessiert mich das alles nicht. Mich interessiert nur der Brunnen, auf den Shadow eifrig zustrebt. Ich sitze ab und werfe den Eimer an der Haspel in den Schacht. Den ersten bekommt Shadow in den Trog, den zweiten gieße ich mir kurzerhand über den Kopf.
Als ich den Eimer zum dritten Mal emporwinde, fällt ein Schatten vor mir auf den roten Staub. Der Schatten eines ziemlich großen, breitschultrigen Mannes. Ein zweiter drängt sich neben den ersten.
Ich hebe den Kopf. Zwei Männer stehen neben dem Brunnentrog und beobachten mich. Der Große trägt die Tracht der Weidereiter, wie sie im Panhandle-Distrikt üblich ist. Der Kleinere, mit braunhäutigem Gesicht und krummen Säbelbeinen, ist wie ein mexikanischer Vaquero jenseits des Rio Grande gekleidet. Trotzdem haben sie mit dem Viehjob nichts zu tun – es sei denn, sie sind Rinderdiebe. Auf der ganzen Welt haben alle Krähen die gleiche Farbe.
»Hallo, Fremder«, sagt der Große und hakt die Daumen hinter den Waffengurt. Ein langläufiger Peacemaker 45 schaukelt in einem abgewetzten Lederholster auf seiner rechten Hüfte. »Sie haben einen mächtig feinen Gaul, nur etwas müde. Sind Sie schon lange unterwegs?«
Ich grinse. Die Art dieser Revolverhelden, ein Gespräch anzufangen, das sie im Handumdrehen in eine Schießerei verwandeln können, ist nicht neu.
»Ziemlich lange.«
Der kleine Greaser starrt mich aus schwarzen, ausdruckslosen Augen an.
»Sie sind nicht sehr gesprächig, Señor.«
»Sicher nicht.«
Ein Schatten huscht über sein Gesicht. Seine Augen werden plötzlich kalt und grausam.
»Woher des Weges und wohin, Señor?« Die ölige Höflichkeit in seiner Stimme kann mich nicht täuschen.
Ich deute mit dem Daumen über die Schulter. »Von dort her.« Dann zeige ich nach Westen. »Und dort hin.«
»Dave, dieser verdammte Satteldrücker wird auch noch frech«, stellt der Greaser erstaunt fest.
Der Große schiebt seinen durchschwitzten Stetson ins Genick.
»Ja, Joaquin, aber wir werden es ihm versalzen.«
Seine Faust schießt vor. Sie trifft mein Kinn, denn auf diese Art der Reaktion war ich nicht vorbereitet. In meinem Gehirn explodiert plötzlich eine Ladung Dynamit. Als ich wieder klar sehen kann, hocke ich im Staub, die beiden Banditen stehen über mir.
»Nun, mein fremder Freund?«, sagt der kleine Greaser sanft.
Das Blut schießt mir in den Schädel. Ich will in die Höhe fahren, aber als ich den Kopf hebe, starre ich in die dunkle Mündung eines .45er-Revolvers, der sich auf mich richtet.
»Nur ruhig, Freundchen«, warnt der Große. »Bleiben Sie hübsch unten sitzen, ich habe einen etwas nervösen Finger.«
Ich weiß, dass hier im Süden schon andere Männer wegen geringerer Kleinigkeiten erschossen wurden. Deshalb bleibe ich unten.
Der Große wendet sich an seinen Freund. »Jetzt bring seinen Gaul weg, Joaquin. Verdammt will ich sein, wenn das nicht das beste Pferd ist, dem ich je begegnet bin.«
Im Bruchteil einer Sekunde wird mir alles klar: Es geht um Shadow. Diese Burschen, im Sattel aufgewachsen, haben seine große Klasse erkannt und beschlossen, ihn sich unter den Nagel zu reißen.
»Mann, Sie können mich nicht von meinem Pferd trennen«, sage ich. »Wenn Sie das tun, werde ich Sie eines Tages umbringen.«
Der Große grinst nur, der Peacemaker in seiner Faust bleibt fest auf meinen Kopf gerichtet.
»Vielleicht fangen wir mit dem Umbringen an – nicht Sie, Freundchen. Nun, wie würde Ihnen das gefallen?«
Ich muss gestehen – in dieser Sekunde fange ich an zu schwitzen. Da drüben ist das Office eines Marshals, und hier, keine hundert Schritte entfernt, werde ich ausgeplündert. Warum greift der Mann nicht ein? Ist er fort? Oder hat man ihn vielleicht sogar ...
Mein Hemd auf dem Rücken wird nass. Ich beschließe, mich auf mich selbst zu verlassen.
Der dürre Greaser nähert sich Shadow vorsichtig und angelt nach den schleifenden Zügeln. Der Rappe rollt die Augen, schnaubt und späht nach mir, aber noch hält er sich zurück. Langsam tastet sich dieser Bursche Joaquin an ihn heran und langt nach dem Horn. In dieser Sekunde stoße ich einen hohen, grellen Pfiff aus. Shadow wirbelt herum. Seine Hinterhufe fetzen hinaus und treffen den Greaser. Der Mann verschwindet so rasch aus meinem Blickfeld, als habe ihn ein Wirbelsturm hinweggefegt.
Der Große, der von seinem Partner Dave genannt wird, fährt auf seinen Absätzen herum.
»Zur Hölle!«, brüllt er; sein Colt kommt für eine Sekunde aus der Richtung. Eine Sekunde, die mir genügt. Ich schnelle mich vorwärts, mein Schädel trifft krachend seinen Brustkorb und schleudert ihn auf den Rücken. Im nächsten Augenblick bin ich auf den Füßen und blicke mich um.
»Nun, meine Freunde, wie sehen Sie jetzt aus?«
Ein Geräusch lässt mich herumfahren. Der kleine Greaser lehnt am Brunnentrog; Shadows Hufe haben ihn nur gestreift und nicht vollständig außer Gefecht gesetzt. Er trägt einen Revolver, aber seine Hand fährt auf seinen Rücken, verschwindet unter der schmutzigen roten Schärpe, die er anstelle eines Gürtels trägt, und kommt mit einem schweren Wurfmesser, dessen Griff mit Blei ausgegossen ist, wieder zum Vorschein. Er knirscht einen mexikanischen Fluch und schwingt die Hand über die Schulter zurück. Der blaue Stahl der Messerklinge blitzt in der Sonne.
Hier ist keine Sekunde zu verlieren, ich kenne die Geschicklichkeit dieser Männer von jenseits der Grenze genau, die sie mit ihren lautlosen Messern entwickeln. An Sicherheit und Schnelligkeit können sie es mit jedem nordamerikanischen Revolverhelden aufnehmen.
Mein Colt fliegt aus dem Holster, der Schuss kracht.
Der Greaser schreit auf und lässt seine Hand sinken. Das Messer, schwach geschleudert, beschreibt einen flirrenden Kreis und bohrt sich zehn Zentimeter von meinen Stiefelspitzen entfernt in den Boden. Der Mann starrt erst auf mich und dann auf seine getroffene Hand, über deren Rücken die Kugel eine lange, blutige Furche gerissen hat. Etwas wie Angst erscheint in seinen schwarzen Knopfaugen.
Ein Geräusch in meinem Rücken alarmiert mich. Dave, der Große, fällt mir wieder ein. Aber bevor ich etwas unternehmen kann, kommt eine tiefe Stimme über die Plaza: »Dave Stuart, nimm ja die Finger von deinem Schießeisen, oder ich lasse das Tageslicht durch dich scheinen! Ich habe dich im Visier!«
Ich drehe mich um. Der große Revolverheld hockt reglos im Staub, seine Finger schweben über dem Kolben seines Colts, der vor ihm liegt. Aber er wagt es nicht, ihn zu berühren. Er starrt auf die Veranda des Marshal-Office hinüber. Ich folge seinem Blick und sehe, wie sich ein Mann aus dem Schatten des Vordaches löst. Der Mann ist ziemlich groß – fast so groß wie ich –; der Marshalstern blinkt auf dem dunklen Tuch seines Rockes. Er hält eine Winchester-Repetier, Kaliber 44, in der Armbeuge, die Mündung fest auf den Mann am Boden gerichtet. Langsam kommt er über die Plaza herüber.
Im Vorbeigehen streift er mich mit einem seltsam ironischen Blick.
»Sie können jetzt Ihr Schießeisen wieder einstecken, Fremder.«
Er geht an mir vorüber und wendet sich an Stuart. »Steh auf und verschwinde, bevor ich es mir anders überlege. Und sag Dodge Silver: Das ist das letzte Mal, dass ich so etwas hinnehme. Der nächste Mann von der Lasso-Ranch, der in dieser Stadt einen Streit vom Zaun bricht, kommt wegen Landfriedensbruchs vor die Jury. Merkt euch das. Und nun will ich eure Rücken sehen!«
Er dreht sich zu dem kleinen Greaser um, der das Blut von seiner getroffenen Hand schüttelt.
»Diesmal hast du noch mal Schwein gehabt, Joaquin. Wenn du so weitermachst, bist du der nächste Friedhofkunde, darauf kannst du wetten.«
Der Greaser verzieht das Gesicht, seine dunklen Jettaugen funkeln.
»Heute sitzen Sie noch auf Ihrem hohen Ross, Marshal Parry. Aber einmal begehen auch Sie einen Fehler, und dann sind Sie geliefert.«
Er macht steif kehrt und stelzt durch den Sand davon. Vor dem »Come in« ziehen die beiden ihre Gäule vom Haltebalken, sitzen auf und reiten die Straße hinab und in das heiße, staubige Hügelland hinaus.
Der Marshal seufzt und stößt den Kolben seines Gewehres gegen den Boden.
»Diesmal war es knapp. Ein paar Minuten lang sahen Sie gar nicht glücklich aus.«
»Marshal, wollen Sie damit sagen, dass Sie alles mit angesehen haben?«, frage ich wütend.
Parry nickt. »Ja, alles.«
»Zum Kuckuck, warum haben Sie nicht früher eingegriffen, wie es Ihre Pflicht als Marshal gewesen wäre?«
Ein verschmitztes Grinsen erscheint auf seinem braunen, hageren Gesicht.
»Vielleicht wollte ich einmal sehen, wie Sie mit einer schwierigen Situation fertigwerden – Bill Alamo.«
Mein Unterkiefer klappt herab.
»Sie kennen mich?«
»Ich habe Sie einmal in Fort Kimball bei der Arbeit gesehen, als Sie den schwarzen Texas-Kid verhafteten. Die Art, wie Sie es taten, hat mir imponiert. Deshalb fragte ich die Soldaten nach Ihrem Namen und erfuhr, dass Sie Leutnant bei den Texas-Rangers sind.«
Ich packe seinen Arm. »Kein Wort zu jemandem, wer ich bin, verstanden?«
Parry nickt. »Das geht in Ordnung. Aber jetzt sollten Sie erst einmal zu mir in mein Office kommen, bevor Ihnen diese Burschen hier mit ihren Augen Löcher in das Hemd sengen.«
Die Veranda vor Parrys Office ist tief und schattig. Drei Stufen führen von der Treppe zu ihr hinauf. Roter Staub bedeckt die hölzernen Planken.
Aus einem Liegestuhl erhebt sich ein kleiner, vertrockneter Mann, nachdem wir die Treppe hinter uns haben. Er grinst mich aus einem zahnlosen Mund an und spuckt einen Strahl braunen Tabaksaftes auf den Boden.
»Feiner Junge – haben Dave Stuart mächtig rasch in den Staub geschmissen«, knurrt er anerkennend. »Und der Schuss auf Joaquins Hand. Ich habe nie einen Mann schneller ein Schießeisen ziehen sehen als Sie – und ich habe fast alle großen Schützen des Südwestens gekannt. Sie sind eine harte Nummer, was? Oder irre ich mich, wenn ich annehme, dass Sie tatsächlich nur die Hand dieses verwünschten Greasers treffen wollten und nicht sein Herz?«
Ich grinse ihn an. »Nehmen Sie an, es wäre nur ein Zufall gewesen.«
Parry öffnet die Tür. »Treten Sie ein, Bill – Smith.«
Ich folge ihm in das Halbdunkel seines Büros. Es ist kühl und sauber. In der Ecke steht ein Schrank und ein Bettgestell, in der anderen ein Schreibtisch, der mit Schriftstücken und Steckbriefen bedeckt ist. Im Hintergrund ist ein Durchschlupf zu dem Zellengang.
Parry stellt die Winchester in den Gewehrrechen, zieht eine Kette durch den Abzugsbügel und verschließt sie. Sorgfältig verstaut er den Schlüssel in seiner Rocktasche, wirft sich in einen Stuhl, legt die bestaubten Absätze auf die Tischplatte und seufzt. Dann deutet er auf einen zweiten Stuhl.
»Setzen Sie sich, Bill.«
Ich tue es und lege meinen Hut neben mich auf den Fußboden.
»Wer ist dieser alte Mann da draußen?«
Parry grinst. »Joe Hammer, der erste und älteste Einwohner von Red Rock. Er war schon hier, als noch wild bemalte Comanche-Krieger ihre Ponys über die Stelle gehen ließen, auf der sich heute dieses Höllennest befindet. Der Teufel allein weiß, warum sie ihn nicht skalpiert haben.«
»Ist er ehrlich?«
»Wer? Old Joe?« Parry lacht. »Grundehrlich, dafür kann ich meine Hand ins Feuer legen. Wahrscheinlich ist er die einzige ehrliche Haut in dieser ganzen verdammten Stadt.«
»Haben Sie Kummer, Parry?«, frage ich.
Er hebt den Blick. »Kummer? Welcher Marshal hätte den nicht in einer Stadt wie Red Rock, in der die Interessen der Rindermänner und Minenleute aufeinanderprallen? Aber keine Sorge, ich werde schon allein mit meinen Schwierigkeiten fertig.«
»Wenn Sie Hilfe brauchen, bleibe ich gern«, werfe ich ein, obwohl ich die Antwort bereits kenne.
Parry schüttelt den Kopf. »Danke, Alamo, für Ihr Angebot. Aber ich sagte es schon einmal – ich kann allein mit meinen Schwierigkeiten fertigwerden. Ich kann mit einem Revolver umgehen und bin nicht so leicht zu erschießen.«
»Na schön, wie Sie wollen.«
Im Grunde habe ich nichts anderes erwartet. Ich kenne die Art dieser hartgesottenen Marshals. Sie säubern eine Stadt und machen sich damit einen Namen, den sie gegen klingende Münze in anderen, ähnlich wilden Städten verhandeln. Die Bürger dieser Städte zahlen gut, wenn sie einen Marshal mit einem bekannten Namen anwerben können – einem Namen, der auch den härtesten Revolverhelden davon abhält, seine Revolver an ihm auszuprobieren.
Ich stehe auf und greife nach meinem Hut.
»Dann werde ich jetzt mein Pferd aus der Sonne bringen und mich nach einem Quartier umsehen. Wo kann man hier schlafen?«
Parry grinst mich an. »Wir haben nur ein Hotel in der Stadt – das ,Come in'. Eine verdammte Spielhölle, die ich am liebsten mit einer Ladung Dynamit in die Luft sprengen würde. Aber die Betten sollen gut sein.«
»Na schön, dann wollen wir mal dem ,Come in' einen Besuch abstatten«, sage ich und marschiere zur Tür. Aber dann kommt mir ein neuer Gedanke. »Wer waren die beiden Burschen, die den Überfall auf mich versuchten?«
Parrys Gesicht wird finster.
»Dave Stuart und Joaquin Murietta aus Dodge Silvers Lasso-Mannschaft. Die härteste Revolvermannschaft im ganzen County – und eine verdammte Meute von Banditen und Halsabschneidern, seitdem der alte Silver tot ist und sein missratener Sprössling die Ranch in die Hand bekommen hat. Dodge will ein Rancher sein, aber er kümmert sich nicht um sein Vieh. Trotzdem hat er immer Geld, und seine Weiden stehen voller Rinder.«
»Gestohlene Rinder, wie?«
»Wahrscheinlich. Rinder, die von seinen Rustlerfreunden zusammengetrieben und dann auf seinem Grund und Boden mit einem neuen Brand versehen werden. Ein rundes, glattes Geschäft – und niemand kann ihm etwas beweisen.«
»Was sagen die anderen Rancher dazu? Ich meine die, die durch ihn geschädigt werden. Wie ich die texanischen Viehzüchter kenne, sind sie immer in der Lage, sich die Beweise zu beschaffen, die sie benötigen, um einem Viehdieb den Strick um den Hals zu legen.«
Parry lacht freudlos. »Die anderen Rancher? Nun, ich sagte Ihnen schon, dass Silver die schärfsten Revolverschützen im ganzen County auf seiner Lohnliste hat. Zwei Leute, Dan Kelly und Jim Blaine, waren so unvorsichtig, ihren Verdacht laut auszusprechen. Sie blieben nicht mehr lange genug am Leben, um den Fehler einzusehen, den sie damit begangen hatten.«
»Soll ich nicht doch lieber hierbleiben?«, wiederhole ich mein Angebot. »Ich habe Vollmachten von Captain Jim McNelty, dem Kommandeur des Grenzbataillons, die mir genügend Handhabe zum Eingreifen bieten.«
Parry schüttelt den Kopf. »Danke, Bill, aber ich glaube, es ist besser, wenn Sie morgen früh so rasch wie möglich verschwinden. Dodge Silver wird Feuer spucken, wenn er erfährt, was heute hier geschehen ist. Und eine ganze Mannschaft ist ein wenig viel für einen einzelnen Mann – selbst wenn er Bill Alamo heißt.«
Ich zucke mit den Schultern und wende mich zur Tür. Dieser Starrkopf von Marshal ist drauf und dran, mit offenen Augen in sein eigenes Grab zu marschieren. Aber was soll ich tun? Ich habe als Ranger kein Recht, mich ungebeten in die Belange des örtlichen Friedensoffiziers einzumischen. Und außerdem – man soll den Stier nicht aufhalten, der unbedingt mit dem Kopf in das bereits ausgeschwungene Lasso rennen will.
Ich warte auf ein weiteres Wort des Marshals, aber es kommt keines mehr. Er nickt mir stumm zu, und ich öffne die Tür und trete auf die Veranda hinaus.
Der alte Joe Hammer grinst mich aus der Tiefe seines Schaukelstuhles an.
»Wie könnte wohl Ihr Name sein, Sohn?«
Ich grinse zurück. »Er könnte Bill Smith sein – ist es aber nicht.«
Shadow erwartet mich neben dem Brunnen, an der gleichen Stelle, wo ich ihn zurückgelassen habe. Gesichter zeigen sich hinter den Fenstern und in den Schatten der Vordächer. Ich fühle die unzähligen Blicke aus neugierigen Augen auf meinem Rücken, während ich Shadow zum »Come in« hinüberführe.
Die Betten des »Come in« sind wirklich gut. Nach vielen harten Wildnisnächten liege ich wieder einmal auf einer weichen Matratze, und deshalb schlafe ich länger als sonst. Fluchend schwinge ich die Beine aus dem Bett, als ich sehe, dass draußen heller Tag ist.
Ich frühstücke in der Halle, von einem mürrisch und verschlafen aussehenden Keeper bedient, bezahle meine Rechnung und sattle Shadow. Marshal Parrys Warnung fällt mir ein. Ich will aus der Stadt verschwinden, bevor dieser Dodge Silver mit seinen Revolvermännern hier aufkreuzt – nicht, weil ich mich vor ihnen fürchte, sondern um dem Marshal Unannehmlichkeiten zu ersparen.
Als ich am Marshal Office vorbeireite, entdecke ich Parry im Schatten der Veranda. Er scheint auf etwas zu warten. Eine Winchester lehnt neben ihm an der Brüstung. Im Hintergrund bewegt sich der alte Hammer und spielt mit einer mächtigen Waffe, einer uralten Schrotflinte mit zwei Läufen.
Parry winkt mir zu. »Reiten Sie los, Bill. Ich hörte, dass Silver unterwegs nach Red Rock ist. Er hat sechs Männer bei sich, das dürfte selbst für Sie ein wenig zu viel sein.«
Ich versteife mich im Sattel. »Parry, ich bleibe. Ich laufe nicht vor einer Handvoll Revolverschwingern davon.«
Der Marshal winkt ab. »Gehen Sie lieber. Ich bringe diese Sache schon in Ordnung. Wenn Sie bleiben, vergrößern Sie nur meine Schwierigkeiten. Und das wollen Sie doch nicht, oder?«