Winter Traffic - Stephen Greenall - E-Book

Winter Traffic E-Book

Stephen Greenall

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Beschreibung

Sydney, 1994. Die Karriere von Sergeant Mick Rawson jagt auf ihr Ende zu. Er ist ein Mann mit vielen Namen und vielen Beziehungen zur Unterwelt. Er ist ein guter Cop, allerdings nur nach seinen ganz eigenen Gesetzen. Dennoch will ihn Karen Millar, der steil aufsteigende Stern im Polizeiapparat, zur Strecke bringen. Und da ist noch Sutton, ein »anständiger« Verbrecher, der loyal zu Rawson steht, komme was da wolle. Rawson und Sutton wollen noch einen letzten Coup, einen Überfall auf einen Geldtransporter, durchziehen – Karen Millar wittert ihre Chance. Als sie merkt, dass sie manipuliert und funktionalisiert wird, muss sie sich wehren.

Winter Traffic erzählt tausend Geschichten aus Sydney, von toten Rächern, lebendiger Vendetta und der Wahrheit hinter dem großen Geld. Ein knallharter Cops & Gangster-Roman, literarisch virtuos und entschieden innovativ inszeniert. Eine Art kriminalliterarischer Ulysses auf höchstem Niveau. Die Sensation aus Australien, die die Maßstäbe für Kriminalliteratur verschiebt.

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Seitenzahl: 588

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Stephen Greenall

Winter Traffic

Thriller

Aus dem Englischen von Conny Lösch

Herausgegeben von Thomas Wörtche

Suhrkamp

Für Margaret & Jim

Alpha

27

Als es vorbei war, lag Shark tot da, und Bison zuckte auf dem Teppich wie was Gestrandetes oder ein Epileptiker. Sutton stand aufrecht, atmete aber wie beim Sex, ließ das Adrenalin abflauen, was er vor langer Zeit beigebracht bekommen hatte. Bison starb, und Suttons Atmung normalisierte sich.

Whit ignorierte er. Er verließ das Wohnzimmer und durchstöberte das Haus, suchte, wo Kristy versteckt war. Sie war oben, in einem besonderen Gästen vorbehaltenen Raum/Sutton merkte sofort, dass sie viel zu fest geknebelt war.

26

Es ist der erste Tag vom Wochenende, und Susan wacht früh auf. Ärgerlich, typisch: Man kann nicht ausschlafen, auch wenn man kann. Sie denkt an ein Ereignis neulich, hievt sich in der kühlen morgendlichen Frische vor der Dämmerung aus dem Bett. Ihr ehrwürdiges Bedürfnis, stumm Alarm zu schlagen, eine Welt, die sich der Sonnenenergie zuwendet und ihre geliebten Sterne vertreibt.

Zu Monden spricht sie. Heute ist ein Tag wie andere, Sutton ist nicht im Raum anwesend.

Sie steigt in ein Kleid, ein Luxus in Weiß und ihre samstägliche Rüstung, die sie im Sebel Townhouse geklaut hat. Vielleicht hat Cyndi Lauper sie getragen oder der Schlagzeuger von Simply Red. In der Küche öffnet sie die Hintertür, lässt die Salzwasserbrise herein, klatscht zweimal in die Hände, um eine Umarmung anzuordnen. Der große Hund rast heran und stößt mit Frauchen zusammen/stößt sie rückwärts über die Schwelle.

»Vorsicht, du verdammter Wüstling.«

Bloke bellt alles Liebe und schießt in den Garten, jagt den eigenen Schwanz, bis sein ganzer Körper zu einem losgelösten wilden Wedeln wird. Dann plötzliches Erstarren und ein fragend geneigter Kopf, sie hat es versäumt, den Ball zu werfen und für Bewegung/Spaß zu sorgen.

»Ja-ja, lass mich erst mal wach werden.«

Wasserkocher und Toaster, Gottes Meereslandschaft; Susan setzt sich auf die Stufen, um sie zu betrachten. Unstete Gedanken an die Arbeit, der Polarstern, vertretbarer und anderer Stress. Ihr fällt ein, dass Bloke nicht von unter dem Haus gekommen war/sondern von der Seite. Sutton muss wohl am Truck arbeiten.

Das tägliche, schrille Kreischen des verdampfenden Wassers: Die Frau hört es, wie eine Hochfrequenzschwester, ihre Hand abwesend, solange sie das Tier tätschelt/sie bemerkt, dass etwas anders ist. Ein Gefühl von Blut in der Welt und kein vorhersehbares – verspritzt auf seinem Fell, wie ein brutaler Irrtum.

Sutton steht auf der Ladefläche, bekleidet nur mit Jeans. Er spritzt noch mal Wasser auf das alte Mädchen und denkt, ein paar Minuten mehr werden reichen. Aber Bloke ist aufgesprungen und weggerannt, wahrscheinlich weil sie ihn gerufen hat. Jetzt hat Sutton keine paar Minuten mehr.

»Was machst du?«

Er erstarrt nicht, aber er hört auf. »Ich wasch sie.«

»Ach ja?« Susans Augen liegen tief über dem Porzellanhorizont, Sonnen, die sich im Pfefferminztee spiegeln. »Hab gedacht, das hättest du gestern schon.«

Sutton springt auf den Zement und geht zum Garagentor, zieht es in einer einzigen geschmeidigen Bewegung herunter und zu. Es stört ihn, dass er die Seife noch nicht ganz abgewaschen hat.

»War das Kristy?«

25

Das Mädchen ist Sonne, fühlt sich wie daraus gemacht. Sie liegt auf dem Balkon, dessentwegen eine zusätzliche Null an der Miete hängt, und sagt sich, es ist warm genug, um hier zu sein, es soll sich lohnen. Jede einzelne ihrer Zellen wird vom Schatten geblendet, aber die Jahreszeit ist gegen sie. Lauras Stimme dringt von der anderen Seite der Scheibe zu ihr herüber.

»Du wirst nie braun.«

Ich will nicht braun werden/ich will sie nur spüren. Kristy hat diese Worte gesagt, hat sie zweimal gesagt. Aber Laura ist anstrengend. »Ich sterbe«, prognostiziert die Mitbewohnerin kläglich krächzend. »Ich werde wirklich sterben.«

»Ich hab dich gewarnt.«

»Du musst raus, Kris. Du musst rausgehen und uns Pizza holen.«

»Kann nicht. Ich brate in der Sonne.«

»Red keinen Scheiß – da draußen ist es eiskalt. Oh Gott, du bist so eine ätzende Echse.«

Sie betrachtet die Aussicht durch ein Basiliskenauge, der Hiobsbotschaftsperspektive des abnehmenden Sonnenazimuth. Kris sieht selbst elend aus, weiß aber, damit umzugehen. Was sie nicht versteht, ist, weshalb sie Kohle hinblättert, um hier zu wohnen, und bleibt, auch wenn der Sommer sich für den Rest des Jahres verpisst. Bei Höchsttemperaturen von siebzehn Grad fühlt sie sich kaum in ihrem Element.

»Hörst du mich? Du Echse!«

Du irrst dich/ich bin eine Schlange. Ziehen Schlangen im Winter gen Süden?

Sie sollte nach Norden verschwinden – Austern öffnen in Broome oder als Geisha nach Japan. Kristy fixiert den auf den Wellen treibenden Surfer, der einen Scheiß auf die Temperaturen gibt.

Wünschte, ich könnte das.

Das Bedauern ist alt, bei Hugo's hatte einer Unterricht angeboten, war mit neuen Boards und Neoprenanzügen zum Strand gefahren. Aber die Wahrheit kam schnell ans Licht/er hatte sich für pfiffig gehalten: War in meinem Leben noch keinen Tag surfen. Er hatte es geschafft, sie zu täuschen – sah danach aus, arbeitete aber in der Immobilienbranche. So ist Sydney/was für ein Arsch, sie waren einen Monat lang zusammen.

»Damit eins klar ist«, sagt Kristy und erhebt sich von der lieblosen Steinplatte. »Ich sage nein, aber du sagst ja. Dann bettelst du, dass ich mitkomme, weil du so verkatert bist, und weil ich ein guter Mensch bin, habe ich Mitleid.«

»Uahh, urg.«

»Aber jetzt kneifst du, und ich soll alleine gehen.«

Laura packt Kummer in den Schlummer. »Schau mich an, Frau. Würdest du bezahlen, das hier nackt zu sehen?«

Sie duscht und macht sich fertig, beim Verlassen des Badezimmers ermahnt sie sich, drauf gefasst zu sein: Die Welt erstickt, der Sauerstoffhitze beraubt. So bestätigt es sich, blaues Methadon-Dämmerlicht, Laura liegt unbrauchbar herum/noch wach. »Wie kommt's, dass du immer so viel schneller fertig wirst als ich.«

Weil du zwanzig Sachen machst, die ich nicht machen muss.

»Ich bin alt«, sagt Kris. »Ich kenne die Abkürzungen.«

Licht am Herd führt sie in die Küche, zum Tiefkühler. Teurer Tequila: Das ist die Abkürzung. Kristy haut auf einen Schalter, um die Dunkelheit anzuknipsen, und synkopiert ihre Schlucke, lauscht nach Audio/hört Stereo. Der Empfang ist gut, und die Makler-Idioten berechnen ein Vermögen für die Aussicht auf die Brandung, aber nichts für deren Sound.

»Du musst es machen, Kristiana. Du musst uns Essen besorgen.«

»Klappe.«

Autsch – Laura zuckt wie ein Frosch im Labor, ihre Stimme altert um ein Dutzend Jahre, will zu ihrem Körper aufschließen. »Bist du sauer?«

»Ja. Ich hab dir doch gesagt, dass ich nicht scharf drauf bin – und jetzt bin ich die einzige blöde Kuh, die geht.«

»Musst du ja nicht.«

»Du hast doch meinen Namen angegeben, Laura.«

»Na und?«

»Du hast meinen verdammten scheiß Namen angegeben. Die sind nicht wie normale Menschen – die kannst du nicht einfach so verarschen. Denen ist scheißegal, ob du zwei Sommer hintereinander Miss Beach Road gewesen bist.«

»Wie auch immer.« Vorher klang Laura wie zehn, jetzt klingt sie wie fünfzehn: gleichgültig, desinteressiert, passend zum Grunge. »Die blöde deutsche Kuh wird sich freuen.«

»Holländerin. Wieso freuen?«

»Kapier's endlich, Kris – die haben mich doch nur gefragt, weil sie dachten, dass sie dich dann kriegen.«

Der Fahrer ist jung, nicht von hier. Höflich sagt er: »Es hieß, es kommen zwei.«

»Was du nicht sagst.«

Er streckt einen Daumen hoch, alles gut, und lenkt durch den Verkehr. Stellt keine Fragen, beantwortet aber ihre: Iraner, Qom, seit zwei Jahren hier. Mit fünfzehn ist er Taxi in Städten gefahren, die sie niemals sehen wird, sich schwer vorstellen kann. Jetzt ist er 23 und studiert Wetter.

Der Wagen durchfährt ein riesiges Tor, und Kristy erkennt interne Durchgangswege, ein Anwesen mit Kreiseln und Vorfahrtsschildern, es gilt, echte Verkehrsentscheidungen zu durchdenken und treffen.

»Das ist das größte Haus in Bellevue Hill«, sagt er ausdruckslos.

»Nee, oder?«

»Glaubst du nicht?«

Sie halten vor dem von Dienstboten und Lieferanten genutzten Eingang.

Das Fräulein dirigiert sie in ein Zimmer. Hier ansässig ein Mädchen mit rotbraunen Haaren, der unschuldige Milchmädchenlook, der für manche schreckliches Gift ist. Kristy zieht ein Mieder aus schwarzer Spitze an, zwei kleine Schleifchen in der Farbe der Lust, dort wo Strapse auf Strümpfe treffen.

Haarklammern im Mund und beide Hände voll zu tun; der Aufbau eines hohen und auffälligen Pferdeschwanzes. Die Finger des anderen Mädchens streichen zur Beurteilung über den Stoff.

»Der ist so schön. Welches Label?« Kristy antwortet durch Nadeln und aufeinandergebissene Zähne.

Tahni aus Cobar. »Aubade. Ist das Französisch?«

Ein blondes Nicken, dann ein knappes, lautes Klopfen an der Tür, das sie die Zukunft vorhersagen lässt: »Das wird Das Fräulein mit den Masken sein.«

Und so erweist es sich, Tahni nimmt sie mit feierlichem Gebaren entgegen, kichert als Das Fräulein geht. Billig und aus Plastik, drei Schnurrhaarstriche beidseits eines rosa Schnäuzchens. »Was meinst du, wie viele da sein werden? Mädchen.«

»Weiß nicht«, sagt die Veteranin. »Fünfzehn, zwanzig.«

»Und wir tragen alle dieselben?«

»Dreh dich um.« Kristy geht an ihre Tasche und kramt darin nach dem Glitzerstift. »Hat sie dir eine Nummer gegeben?«

»Acht.« Sie setzt den Stift in Tahnis Kreuz an, beschriftet den schmalen Streifen Haut zwischen Mieder und Höschen mit Kitten 8. »Wieso nennst du Anita so? Das Fräulein.«

»Weil sie so herzlich und verschmust ist.«

»Aber ich hab gehört, die sind hier die Besten, für die man arbeiten kann.«

»Mädchen, das sind sie auch – mit Abstand. Komm her, mach's bei mir. Ich bin immer die Fünf.«

Tahni folgt der Aufforderung, klingt ernst nach halb vollendeter Kalligrafie. Klingt entsetzt. »Du bist schön.«

»Danke.«

»Nein … ich mein's ernst. Du bist … eigentlich schon so was wie … widerlich.«

Kristy ignoriert ihre Tasche, als sie klingelt; Tahni kündigt ein Sparvorhaben für ein Nokia 1011 an. »Die laufen über das, was man 2G nennt. Man kann sich einen von vier verschiedenen Klingeltönen aussuchen.«

Kris nickt, fragt sich teilnahmslos, wessen Anruf sie verpasst hat. »Bitte deinen Freund, dass er dir eins besorgt.«

»Ha, ich schau mich noch um … eins der Mädchen, da wo ich sonst arbeite, sagt, man kann hier Männer kennenlernen. Richtige, meine ich – Geschäftsleute, die richtige Freundinnen suchen. Die arrangieren das hier.« Kristy sagt nichts, und Tahni fragt sich, »Hast du deinen so gefunden? Deinen Freund?«

»Vergiss es.« Ein Anflug von Bitterkeit in der Stimme, neu hinzugekommen. »Wenn dir ein Mann ein Handy schenkt, dann macht er das, weil er erwartet, dass du drangehst.«

Wieder muss Tahni lachen. »Hast du keinen Friend?«

»Klar hab ich einen«, sagt Kris, dreht zum letzten Mal ihr Haar. »Aber ich lass mir keinen Scheiß von ihm kaufen.«

»Deshalb machst du das? Wegen der Freiheit.«

Tahni geht in das angrenzende Badezimmer und schließt die Tür, Kristy horcht nicht auf Geräusche, hört sie aber trotzdem. Nach einer Minute löst die Tür ihre Versiegelung, und eine schüchterne Stimme fragt, ob sie auch etwas möchte. Die widerliche Blondine geht zur Zimmertür/schließt ab.

»Ich denke, Anita hat dir die Vorschriften eingebläut.«

Die Anfängerin zuckt mit den Schultern. »Bloß ein bisschen Koks.«

»Du kannst high ankommen – die Hälfte der Mädchen macht das – aber in den Räumen hier darfst du nichts nehmen.«

»Ist das dein Ernst?«

»Was trinken ist okay, aber die Typen, die herkommen – die zum Fräulein kommen – dürfen sich nicht mal im selben Postleitzahlenbezirk blicken lassen, in dem eine Stripperin auf dem Rasen liegt und wiederbelebt werden muss.«

»Verfluchtescheißemachtendlichauf!«

Es kommt vom Flur, mit der flachen Hand wird gegen die Tür gehämmert, die Kris gerade verriegelt hat. »Räum das weg«, sagt sie und durchquert den Raum, schließt auf und lässt zwei eingefleischte Wasserstoff-Fans herein. Stolzieren wie Emus, misstrauische Blicke aus Kasuarenaugen, glitzernde Ladys, die den Raum in der Hoffnung auf ebenso glitzernde Gegenstände absuchen.

»Sieh mal an, wen haben wir denn da«, sagt die Größere, wirft ihre gefälschte Ferragamo aufs Bett. »Little Miss Read-Your-Aura. Dachte, du wärst nach Nimbin gezogen, um Kristalle zu verkaufen?« Tahni kommt aus dem Bad und kriegt eine Ladung Senfgas ab, eine geballte Mischung aus Opium + Shalimar + Poison + Angel. Keines der Parfüme weicht auch nur einen Zentimeter zurück/ein scheiß auswegloses mexikanisches Duell.

»Das Ding da ist Belinda«, sagt Kristy, zeigt mit dem Daumen. »Sie hat falsche Titten und ein verdammt schlechtes Gedächtnis.« Belinda durchbohrt sie mit Steakmesserblicken und hätte fast was gesagt. Tut es nicht: Auf die Sprünge geholfen ist ihr Gedächtnis eigentlich ganz gut. Tahni streckt dem zweiten Mädchen eine Hand hin, und Kristy sagt, die Mühe kann sie sich sparen. »Belindas Schoßhund/Vorsicht bissig.« Der Schoßhund zeigt Kris den Finger, und es vergehen zwanzig angespannte Minuten, bis Das Fräulein hereinschneit und alle zum Vorgespräch versammelt.

Im Wagen bei dem Iraner hatte Kristy sich gewundert: »Wieso Wetter?« Er verstand sie nicht ganz, bat sie, es zu wiederholen. »Wieso studiert einer das Wetter? Was ist daran so Besonderes?«

»Das Wetter ist wunderbar«, sagte er schlicht, tatsächlich mit Verwunderung in der Stimme; das aus Gold gesponnene Mädchen lächelte los. Die Unterhaltung ließ nicht auf unterschwelliges Flirten schließen, zu keinem Zeitpunkt.

»Meteorologie«, sagte sie. »Wirbelt um uns herum, Tag für Tag. Welches sind Ihre Lieblingskarten, mein Freund? Die synoptischen?«

»Ich mag Satellitenbilder. Von oben, so weit weg, jede Stadt hat eine andere …«

»Persönlichkeit?«

»Genau, das ist das Wort. London ist ein Tumor.«

»Sie haben recht.«

»Waren Sie schon mal da?«

»Tausendmal. Erzählen Sie mir von den anderen.«

»Moskau ist ein Netz«, sagte er. »Los Angeles sieht aus wie ein Pistolenschuss. Wissen Sie – wenn das Blut spritzt.«

»Wie sieht Honkers aus?«

»Hongkong ist eine Perle.«

»Paris?«

»Auch eine Perle.«

»Ach kommen Sie, mein Freund – kein Doppelgemoppel! Erzählen Sie mir von Kopenhagen.«

»Dänemark habe ich nicht gesehen. Aber Reykjavík ist wie eine eiternde Stichwunde, nur ein kleiner Schnitt seitlich ins Fleisch.«

»Okay. Dann Sydney.«

»Sydney ist eine …«

»Sagen Sie's.«

»Eine Schmierspur.«

Schweigen, der Wagen fuhr durch ein protziges Tor: »Das größte Haus in Bellevue Hill.«

»Ach, kommen Sie.«

»Glauben Sie mir nicht?«

Die Tragweite lastete schwer. Nicht sichtbar: die Größe übertragen auf interne synoptische Karten, ein Überdruck in ihrer Schläfe, den kein Meteorologe je verzeichnen könnte. Die übersinnliche Gabe, Kristys beinahe willkommener Fremder. Vielleicht wieder am Aufflackern.

»Doch«, sagte das Mädchen mit einer Stimme fern der Sonne. »Ich glaube.«

24

Das Telefon im Flur klingelt, als es das eigentlich nicht tun dürfte. Um drei Uhr morgens ist es ein erschreckendes Objekt, schreit lautstark die Aussicht auf widrige Informationen heraus. Gute Nachrichten haben Manieren und warten auf die Sonne.

Sutton steht senkrecht/eilt dringlich durch die Dunkelheit. Susan dreht sich um, wacht gar nicht richtig auf. Beim dritten ohrenzerfetzenden Läuten ist er an Ort und Stelle, die Finger fest an der Gurgel des Hörers.

»Nein.«

Er sagt es zweimal und legt auf. Aber dann steht er eine Weile einfach nur da, man könnte ihn für eine Statue halten.

In der Waschküche zieht er die Klamotten von gestern an. Sie stinken nach Arbeit, nach ihm. Im Stehen steigt er in Stiefel, und sein Schatten eifert einem Spiegel nach, einem Diener, der sagt, sein Herr ist gebaut wie ein Storch.

Er weiß, dass Bloke unter ihm ist, aufmerksam auf eine bestimmte Musik lauscht: Wenn weiche Füße zu Zement werden, heißt das, der Mann geht raus. Eine Geheimlücke zwischen erdigem Boden und Haus, ein Durchzwängen für einen vollendeten Vagabunden. Er läuft mit seinem Menschen um die Wette, den Truck in Besitz zu nehmen/er hat nie Silber geschmeckt.

Bis hier und jetzt: Der Mensch testet seine Höchstgeschwindigkeit, und sogar Bloke, der wie ein Leopard durch die Dunkelheit schießt, kommt zu spät zu der Verabredung. Der Hund wittert die Gefahr – die Fähre legt ab – und springt auf eine Ladefläche, die bereits heftig schaukelt, ein drastischer Eintrittswinkel in die Atmosphäre des Unheils. Sutton zündet den Motor beim zweiten Mal Bitten, und das verwundete Kreischen der Räder ist ein Vorgeschmack auf das Bevorstehende.

Der Mann auf der Toilette wurde Brett getauft. Vielleicht wäre der Name akzeptabel gewesen, wäre er als Mädchen zur Welt gekommen; das wäre schrullig gewesen, unverwechselbar. Mit sechzehn hat er schlechte Haut und große Träume, sieht sich in seiner Familie nach einem Künstlernamen um. Er schnappklaut sich den Erstversuch seiner Großmutter, eignet sich das Whittaker an und schnitzt es zurecht.

Jetzt ist er schon im dritten Jahr vierzig, Whit Hammond, den die ARIA in ihre Hall of Fame aufzunehmen für geeignet erachtete. Zweimal: als Bassist zweier derart gewürdigter Bands, Alben, die man kennt, und Songs, die man liebt.

Wobei er nicht wirklich hall-of-famous aussieht, er hockt auf dem Scheißhaus in seiner Bellevue-Hill-Hütte. Coiffeur-Strähnchen für den rotgefärbten Pfau, Hände, die ausverkaufte Stadien beben ließen. Sie greifen nach einem an der Wand befestigten Telefon, das pink ist wie ein Sorbet, und zittern bei dem Versuch, sich an eine spektakuläre Nummer zu erinnern.

Sutton ignoriert die roten Augen, die den Highway-Verkehr regeln, Streitwagen jenseits der Fußgängerampeln gehorsam und blind. Die Fahrt kommt ihm trotz all seiner Beschleunigungen wie Zeitlupe vor – Augenblicke komprimiert wie Stunden unter Langzeitbelichtung.

Bloke schnappt als Hungry Hippo nach der reißenden Strömung auf der Ladefläche. Es herrscht Ebbe bei den Straßenlaternen am Straßenrand, als diese sich spielverderberisch zusammentun und warnen, einen beeindruckenden U-Turn erforderlich machen/falscher und Weg und fahr und zurück. Der Hund kann das Lotus-Lüftchen fressen, den Gangwechsel am Fahrer schmecken. Es ist das Gerücht seiner selbst, dem Susan nie begegnet ist.

»Sutto? Hier ist Whit.«

»Nein.«

»Ich hab Ärger, Mann. Hör mal, tut mir leid, dass ich dich verarscht hab, aber ich brauch deine scheiß Hilfe.«

»Nein.«

»Die haben Kristy. Okay? Die haben Kristy, und die tun ihr weh.«

Die Leitung ist tot, und Whit weint.

Er nutzt die Steigung, um den Truck abzubremsen, Bloke wird aufgefordert abzusteigen, als der Fahrer beiseitetritt. Einig in Gedanken und keine Pfeife nötig, nicht einmal ein Blick – lass ihn los, den Kriegshund.

»Bleib.«

Bloke hasst BLEIB – BLEIB ist der Tod –, aber sein Bauch presst sich auf den Asphalt. Er versteckt sich unter dem Fahrzeug wie in einem Fach für eine Geheimwaffe, dessen Scheibe im Notfall niemand zu zerschlagen erträgt.

In seinen besten Jahren war Whit Mädchenschwarm. Dann kam das Koks wie eine Trophäenfrau, schniefte sein Fett vollständig weg. Das ist ein Spitzenlook, wenn man sein Leben mit dem Tragen von Unterwäsche verdient/wenn man zwanzig ist und ein Mädchen. Der Stargitarrist kreischt, als die Tür explodiert und Bison Pell auftaucht.

Bisons Weste ist aus Leder, ohne Ärmel, dafür ist er heftig tätowiert. Er geht weniger, als dass er watet – die Muskelmassen beeinträchtigen seinen Gang. Er schlendert über die Fliesen und bietet Whit ein Leitungswasser an, eine Art Begrüßung/was für den Anfang.

Rock 'n' Roll Damnation: Bevor er weiß, wie ihm geschieht, liegt Whit vor seinem eigenen Kamin auf dem Bauch, heult durch einen Knebel, dass alles ein Irrtum sei/ein schreckliches Missverständnis.

Sutton ist der flussartig davonfließende Läufer, verschwindet über Pfade, die er seit Jahren nicht betreten hat. Er ist nicht mehr so fit wie damals, als er fortging. Es waren nur acht Monate, aber trotzdem haben sie ihn seiner Schnittigkeit beraubt. Er weiß, er kann nicht mehr das Messer sein, das er mal war.

Ein Sprint in die ausweglose Sackgasse, das Hammond-Haus ist hier daheim. Nicht das größte Anwesen in Bellevue, aber ein Triumph des Art-déco, beliebt bei den Matriarchen im Umkreis. Drei Bikes stehen Wache, außerdem ein Mann.

Nur ein Grünschnabel, zwei anständige Ohren hören Schritte. Sie sagen eine Gewitterwolke voraus, die nicht erfasst werden kann/sein Mund formuliert eine Kampfansage, die das Licht des Tages nicht erblicken wird.

Der Palast bebt vor European Trance, lässt ihn aus einer zentralen Kammer wummern. Null Text, nur die Ekstase eines einzigen Synthesizers, gebaut und gespielt in einer anderen Hemisphäre. Der Soundtrack hat eine Aufgabe/den Unfrieden zu übertönen.

Sutton geht durch die Garage rein, keine Ahnung, ob sie ihn auf dem Monitor beobachten. Insgeheim bezweifelt er es. Die Bikes auf der Straße haben ihm gesagt, mit wem er's zu tun bekommt, Shark plus Bison, hochrangige Mitglieder einer sehr eisernen Crew. Zusammen sind sie zwei mächtige Körper, aber vom Hirn her kaum legendär.

Umweg, Arbeitszimmer, das verdunkelte Heim eines Anrufbeantworters, dessen Lämpchen rot leuchtet. Ein Überfliegen des Schreibtischs und Abwägen der Möglichkeiten; Sutton weiß, dass es einen Safe gibt, widersteht aber der Versuchung. Eine inzwischen geänderte Kombination/die Waffe nicht mehr da.

»Wo zum Teufel kommst du her?«

Shark sieht Sutton als Erster im Durchgang, eine lebendige Verbindung zwischen dem tiefer liegenden Wohn- und dem tiefer liegenden Esszimmer. Das Bedrohliche in seiner Stimme ist bei Bradman Durchschnitt, knapp hundert/nicht ganz.

Bison wendet sich angewidert von seiner Aufgabe ab, Whits Gesicht immer dichter an die Flammen zu halten. Er lässt den kaputten Rocker fallen wie einen Sack Blut und Knochen.

»Verpiss dich, Sutton.«

Shark ist kahl, riesig, mit Schweißperlen geschmückt. Er kommt ein Stück näher/nicht ganz heran. »Arschgesicht, bist du taub, oder was?«

Sutton hebt die Hand wie ein Hollywood-Indianer. Das Wohnzimmer ist ein großer Raum, aber überladen, viel zu voll mit protzigem Krempel. Am Chesterfield-Sofa lehnt eine Abgesägte.

»Hör mal«, sagt Bison. Er reibt sich die Wange, ein Triptychon aus eingekratzter Kriegsbemalung, das Suttons Frage beantwortet. Whit hat nicht ganz die Nägel dafür.

»Was?«

»Wir wissen, dass der Boss dich mag. Dir vielleicht sogar was schuldig ist. Aber bei Fuck-Whit hier ist das was anderes.«

»Genau«, sagt Shark. »Also lass es verdammt noch mal einfach bleiben.«

Der Schreiner scheint auf etwas zu lauschen, ein Signal oder eine Veränderung im nächtlichen Wind. Bison schiebt sich an die Flinte heran und äußert einen klugen Rat: Lasst uns keine Dummheiten machen.

»Das Haus hier hat Tricks«, sagt Sutton zum Fußboden. »So sind die Reichen. Suchen ständig Möglichkeiten, Geld auszugeben.«

»Rawson unten?«

»Nur ich.«

»Ach ja? Wo zum Teufel ist dann Nigger?«

»Nigger ist tot.«

»Bullshit.«

Bison stürzt sich auf die Flinte. Bewegt sich gut für einen großen Mann. Shark greift an. Er auch.

Sutton zieht einen Briefbeschwerer und einen Brieföffner hervor. Er sagt Licht aus, und das kluge Haus gehorcht.

23

Sein Fortschritt ist ausschweifend, eine bärenhafte Mischung aus Trägheit und Bedrohung. Der Bourbondunst ist heftig, aber hier und da sickert Verständnis durch: der Garten japanisch und makellos, ein kulturelles Gegengewicht zur hochgothischen Atmosphäre der Burg, die er wie einen Wassergraben umgibt. Der Bär erreicht eine dezente Tür, staunt über deren Farmhaus-Qualität, sechs Glasscheiben, durch die ein wohlgestaltenes Hausmädchen in Schwarz zu sehen ist. Kleiner Empfangsbereich/ein Job an der Garderobe. Er ermahnt sich, gerader zu stehen, eine akkuratere Daseinsweise aufzurufen.

Der Bär probiert die Klinke, stellt fest, dass abgeschlossen ist. Das Mädchen hört es und macht Augen, gibt ihm Zeichen einen kleinen Augenblick. Zu ihrer Rechten ein Mann im Smoking und ein paar Fahrstuhltüren. Ein halber Mann – er trägt den Kopf eines Cocker Spaniels. Der Fahrstuhl trifft ein und nimmt den überzeugenden Hybriden auf, ein lautes Klicken ertönt, als er geht. Der Bär wird eingeladen, duckt sich beim Eintritt, schrammt sich trotzdem den Schädel.

Das Mädchen zeigt zufriedene Gleichmut. Eine neugierige Musterung entwickelt sich in ihrem Blick, und er versucht sein Antwortgrinsen auf einen anständigen Rahmen zu beschränken. »Wie geht's, meine Schöne? Was kostet's denn?«

Die Musterung intensiviert sich; er hätte einen weniger zerknitterten Anzug anziehen sollen. Und weniger khaki, einen von den Lippen der chemischen Reinigung geküssten. Sie sagt: »Wir verlangen nur das Passwort.«

»Chukka. Ich kann's buchstabieren, wenn du willst – es in einem Satz verwenden.«

Ihre zusammengezogenen Brauen verraten, dass Scheitern selten ist. »Falsch.«

Der Bär schaut herunter, ein Walkie-Talkie an ihrer Hand; eine knappe Silbe, und der muskelbepackte Aufpasser kommt angerannt. Er kramt in seiner Tasche und versucht, nicht dreimal so groß neben ihr auszusehen. »Warte – ich glaube, ich hab's aufgeschrieben.« Es landet schwer auf dem Tresen und lässt sie starren, eine starke Verbindung aus Leder und Metall.

»Ich telefoniere mal …«

»Was nimmst du?«

»Wie bitte?«

Der Bär ist ein hörbarer Denker: »Du darfst die Klamotten anbehalten, also wahrscheinlich nicht der absolute Wahnsinn. Und trotzdem, was für eine Chance – zeig denen, dass du einen klaren Kopf bewahrst, und bevor du dich's versiehst, bist du Nanny in Aspen, fährst Ski mit Hamish und Harriet.«

»Ich bin sicher, wir können das klären …«

»Ich auch, meine Liebe; ich auch. Aber wenn du zum Hörer greifst, wird's kompliziert. Namen werden fallen – deiner und meiner, die von denen da oben.

Und das ist haarig, weil Namen hier nicht unbedingt die Währung sind. Nicht heute Abend.« Sie lässt das Abzeichen nicht aus den Augen, und seine Stimme gibt in ihrer Lautstärke nach. »Ich bin nicht hier, um Theater zu machen. Hab nur von einem anständigen kleinen Kartenspiel gehört. Okay, also hab ich mich im Tag geirrt …«

»Ich könnte Ärger kriegen. Diese Typen …«

»Erzähl keinen Scheiß. Ja … schon kapiert. Aber so was nennt man Gefahrenzulage, Süße. Was glaubst du, wovon ich lebe?«

»Und wie erklär ich das, wenn die mich fragen? Du bist nicht gerade unauffällig.«

»Sprich mir nach, Der Kerl kannte das Passwort.«

»Was? Tunichtgut?«

Ihre zerbissene Lippe/sein Braunbär-Lächeln. »Wurde schon schlimmer beschimpft. Der Mann gerade eben; hatte der eine Maske auf? Weil, wenn nicht – meine Herren – dann hat er im Leben ein krasses Päckchen zu tragen.« Sie wendet sich von seinem Gequatsche ab und öffnet einen übergroßen Schrank, wobei eine Menagerie aus erstklassigem Gummi zum Vorschein kommt; jedes Hundegesicht einzigartig. Ein leiser Pfiff bringt sein Erstaunen zum Ausdruck. »Darf man sich was wünschen? Ein guter Bekannter von mir ist Malamute. Oder Husky. Oder sonst so ein Scheiß. Also, wenn es möglich wäre …«

Sie wählt entschieden etwas aus und zielt damit auf seine kaum zu verfehlende Brust. Der Bär fängt, erblickt ein dem eigenen zu ähnliches Gesicht. »Schön. Und wen haben wir da?«

»Tibetmastiff. Hab ich noch nie ausgegeben.«

»Ah – ihr stimmt die Rasse auf den Kunden ab.«

»Ist das Beste an dem Job.«

Er setzt sie auf, sein wolliger Riesenschädel umschlossen von Latex und Klaustrophobie. »Wie sehe ich aus?«

»Ungefähr noch genauso.«

Er steckt eine rasch austrocknende Zunge durch den Maulschlitz, hechelt wie das Original. Das Keuchen und Schnaufen komischer Hängebacken bringt sie nicht zum Lächeln. »Wie verdorben geht's da oben eigentlich zu?«, fragt er. »Auf einer Skala von 1 bis 9½ Wochen?«

»Kann ich nicht sagen.« Die Antwort ist knapp, kälter als der Skiunterricht in Aspen; das Mädchen geht um den Tresen herum und drückt auf den Fahrstuhlknopf. »Weiter als hier bin ich nie gekommen.«

Kristy geht durch den hohen Flur zurück in ihr Zimmer, vorgewarnt von Sophie B. Hawkins, dass sie dort nicht alleine sein wird. Sie hat gerade vier Schritte in den Raum hinein gemacht, als Tahni aus dem Badezimmer schwankt, das unehrliche Mädchen schmettert ein schiefes Scheibenkleister, als sie erwischt wird. Kristy sagt: »Du sollst es schniefen, dich nicht damit abpudern. Ich dachte, wir hätten über Diskretion gesprochen?«

»Tut mir leid, ich hab nur …«

»Leg mir auch eine.«

Tahni macht einen Luftsprung, als würde sie Toyotas verkaufen, eilt zurück in ihren Tresorraum. Kristy fragt vom Bett aus, ob sie Geld verdient hat. »Um die achthundert«, ertönt die berauschte Antwort. »Mit einer Stunde Lapdance.« Kris greift in ihre Tasche nach dem Flachmann mit dem Notfall-Rum.

Niemand weiß von ihrer Halbblut-Herkunft/sie ist fünfzig Prozent Queensland. Kein Lebender. »Kris! Hast du gehört, was ich gesagt habe?«

»Ja – achthundert. Das ist toll.«

Sie geht in das angeschlossene Badezimmer und verdreht die Augen, legt sich eine ordentliche Dosis, während Tahni kichert. »Bin wohl nichts gewohnt?«

»Achte gar nicht auf mich, bin froh, dass du's nicht übertreibst. Aber keine Drinks mehr, okay? Die Nacht ist noch jung.« Die Blondine killt die Line, und es geht ihr besser, bringt sie an den Rand des Todes, wenn auch nur knapp. Monate her, seit sie was hatte/Chris verbietet es. Kristy leckt die Kreditkartenkante ab und fingerbürstet ihr Zahnfleisch, beides mit einer freudlosen Gründlichkeit, die ihrer Lieferantin nicht verborgen bleibt.

»Läuft der Abend okay für dich?«

»Äh. Ist kompliziert.«

»Was hast du zusammen?«

Doppelt so viel wie du – »Es liegt nicht am Geld. Gerade ist ein Typ gekommen, einer, den ich kenne.«

»Ex?« Kristy antwortet nicht, und Tahni runzelt ihre Zweifel: »Bist du sicher, dass er's ist? Wenn er eine Maske trägt …«

»Glaub mir, Mädchen, den erkenn ich in der Hölle wieder.«

»Oh … War er denn, äh, gemein zu dir?«

Der Song blendet aus, weshalb Kristy ihr Handyklingeln hört.

Wahrscheinlich Er, er spürt, dass sie nicht zu Hause ist/Puder im Blut hat. Guter Stoff eigentlich, alles in allem. Sie greift einen Augenblick zu spät nach ihrer Tasche und staunt über die Nachricht, acht verpasste Anrufe von Whit Zuhause.

»Kannst es mir sagen, Kris. Wenn er gemein war.«

Tahnis Stimme ist befrachtet mit einem Berg von Gefühlen, und Kristy weiß in diesem Augenblick, dass sie nicht das Durchhaltevermögen hat, dass sie den neuen Morgen nicht mit siebentausend in ihren Cobar-Stilettos begrüßen wird. Tränen nach Mitternacht, von Anita in einen Wagen gesetzt, ungefähr fünfundzwanzig Sekunden nachdem die erste die Tanzfläche berührt. Kristy sagt, »wie öffne ich SMS-Nachrichten?«

Miss 8 taucht auf, entzückt von Kristys Telefon. »Ach du Scheiße, das ist ja ein MicroTAC Elite.«

»Achtung, mein Trommelfell.«

Tahni schnappt es sich, tippt darauf herum. »Du musst dringend kommen. Ist das von deinem Freund?«

Kristy drückt Tahni einen Hunderter in die Hand und geht wieder ins Bad. Eine Krise bei Whit/hat ihr gerade noch gefehlt, verdammt. Wenigstens ist der Arsch nicht weit, fünfundneunzig Sekunden im Taxi. Tahni will ihr das Geld wiedergeben, aber Kristys Blick ist starr, kaufmännisch. »Das Metier ist fünfzehn Mal härter, als dir im Moment klar ist, also hör auf mich, wenn ich dir sage, du wirst immer bezahlt. Für alles, Tahni. Keine Ausnahmen.«

Das dritthübscheste Mädchen in Coonamble Shire nickt wie eine eifrige Schülerin. Dann verfällt sie in Traurigkeit: »Du hast nicht geantwortet. Der Typ oben – war er gemein zu dir? Ist das ein Dreckschwein, von dem ich mich fernhalten sollte?«

»Nein, irgendwie schon, absolut.«

»Bloß komisch, wie du hochgekommen bist, nachdem du bei ihm warst. Vorher war alles in Ordnung, du wolltest kein …«

»Hast du mir zugehört?«

»Total.«

»Gut. Ist nämlich kein Spaß, mit dreißig aufzuwachen im Körper einer Fünfzigjährigen und bei Porkys zu schuften, um die scheiß Miete zu bezahlen. Ist immer dasselbe alte Lied.«

»Er hat dir das Herz gebrochen. Oder? Ich seh's dir an.«

Kristy geht aus kosmetischen Gründen ins Bad, legt aber noch ein paar Lines, als sie's wieder klingeln hört. Tahni jodelt Whit Zuhause, und nach reiflicher Überlegung ist der Stoff scheiß schwach, was für Anfänger. Jede Halbschwester von einem nervigen Rocker kann dir sagen, wie sich das eigentlich anfühlen müsste, nach einer ausgewogen hochtourigen Schwerelosigkeit, in der dir der Everest langsam und verkehrt herum in die Handfläche kriecht. In Wahrheit war er wunderbar zu mir, aber fürchterlich für mich, und es hat mir das Herz in tausend Stücke gerissen, dass ich ihm seins gebrochen habe. Fast hätte Kristy es laut gesagt, aber das sind sehr feine Unterscheidungen in einer Schwarz-Weiß-Phase wie Aus-Cobar-hergezogen-und-neu-in-der-Stadt. Sie lässt die Angelegenheit in dunklere Gedankengefilde abgleiten, die rundliche Unschuld von Provinzmädchen, die sich innerhalb einer Saison verhärtet, das Weiche an ihnen wird im Licht der Hafenlaternen unzweideutig. Zehn verpasste Anrufe/sie sollte das verfluchte Ding im Klo versenken, immer rufen Männer an, nur nie der richtige. Wieso hat Chris es gekauft, wenn er's nicht benutzen wollte? Kristy drückt Tahni einen weiteren Hunderter in die Hand, erwartet Protest und bekommt ihn auch.

»Grr. Was haben wir heute Abend gelernt?«

»Lass dich immer bezahlen«, sagt Tahni strahlend. »Das elfte Gebot.«

»Das elfte?« Kristy hackt und schnieft. »Was für ein scheiß Witz/es ist das Erste mit großem E.«

22

Die Straße des Helden ist nach einem Dorf benannt, einem ganz kleinen auf der anderen Seite der Welt. Es gibt welche, die wollen sein Haus ermorden, auf seinem Grab Apartments züchten.

Natürlich wollen sie das: Ihm ist der Geruch nach sauberem Wasser eigen, ein direkter Strandblick. Wenn der beste Rugby-Spieler des Landes zu ihm in den Garten käme, drei Mal hintereinander den Ball kicken würde, er würde hier an diesem Werbefilmstrand angespült werden.

»Was machst du?«

Sutton hält die Spritzpistole wie ein Gewehrschütze seine Waffe. Er dreht sich um zur Musik ihrer Stimme.

»Ich wasche sie.«

»Echt? Dachte, das hast du gestern schon.«

Susan denkt, er kommt zu ihr, gibt ihr ein Guten-Morgen-Küsschen. Stattdessen geht er zum Garagentor, eine harte, aber geschmeidige Bewegung, die sie lichtlos einschließt.

»An dem Hund ist Blut, verdammt.«

»Okay.«

Sein Hemd hängt über der Werkzeugkiste, Sutton zieht es an, knöpft es aber nicht zu. Er sieht seine Susan an, dunkles Haar und sehr hübsch auf dem weißen Kleid/der Kontrast tut fast weh.

»War das Kristy?«

Sutton schaut ausführlich und lange.

Der Held wacht lebensrettend vor seiner berühmten Veranda, beobachtet den Strand, lässt sich aber nie zum Schwimmen herab. Es ist ein Ort für Touristen in primitivem Mosaik, Seelen mit einem Bedürfnis nach Bilderbucherinnerungen. Es sind Ausländer, denen Ozeane neu sind, mit gleichförmig dunklem Haar, die im seichten Wasser beinahe ertrinken, sogar zwischen den Fähnchen. Es sind Muskeljungs und falsche Blondinen und blassbrüstige Jugendliche, Mädchen von da drüben, die rot anlaufen und irisch mosern. Es sind Proll und Pummelbraut und lachende Mums und Dads, ein Heuschreckenschwarm Kiwis und eine ganze Grafschaft Briten.

Er hat nichts verloren im zwanglosen Sand: Der Held muss einwachsen wie ein Fußnagel/die herrlichen Münder des Hafens stopfen. Sein Wasser ist schwarz vor Erinnerung, und die Erinnerung ist Sydney, innere Strände bildeten sich um sein einziges zentrales Auge. Starren auf die Membran und behaupten, du kannst sie nicht sehen, der Held und sein Helfer, der ihn in einem Truck chauffiert.

Der ganze Tag ist Nachspiel, durchsetzt von Nachspielnachgeschmack. Worte reifen auf eine bestimmte Weise, werden aber auf eine andere laut ausgesprochen; Spaziergänge zu zweit, andere unternimmt sie alleine. Sogar Bloke zieht nach dem Mittagessen los, still streicht er um ein paar Straßenecken, entkommt dem Haus.

Zweimal setzt es ihr zu, aber vor allem ist sie müde, und das ist der Satz, der ihr zum Refrain wird, die langen Stunden zeichnen Susan blass und dünn. Ihre Schönheit ist still, aber wenn sie Arabella auf einen Notfallkaffee trifft – oder zu Rocket's Video geht und einen nicht zurückgespulten Film zurückbringt – ist das Licht aus ihrem Gesicht gewichen/ist es das Gesicht einer anderen. Ihre Ästhetik war immer schon klassisch – nicht modern und blond und geairbrushed wie eine gewisse andere Person –, aber heute sieht sie edwardianisch aus, viktorianisch, auf jeden Fall First Fleet. Freudlose Gouvernantenaugen und ein Hauch von Typhus auf den Wangen, das Haar streng zum Knoten hochgesteckt, fünf Säuglinge haben nicht überlebt.

Sutton sagt nur die Wahrheit. Macht nie mehr Worte als nötig. Ist nicht geneigt, sich zu wiederholen.

»So ist es nicht.«

»Du hast versprochen, sie nicht zu treffen. Ich hab mir geschworen …«

»Whit hatte Probleme.«

»Du kannst nicht jedes Mal da hinrennen, wenn Whit Hammond …«

»Ach, komm. Ich hab ihn seit Jahren nicht gesehen.«

Susan kaut an einem Nagel/verdaut das Wahre an der Feststellung. »Michael hat mir gesagt, er war nie eifersüchtig.«

»Hey?«

»Das hat mir viel bedeutet, dass Rawse nicht eifersüchtig war … ist das schrecklich, so was zu sagen?«

Schulterzuckender blauer Leinenstoff.

»Ist, was es ist.«

»Penetrant.«

»Mit schrecklich hat das nichts zu tun.«

Das ist das vierte Problem mit Sutton: Er regt sich nie auf, verändert sich nicht in Reaktion auf gesteigerte Ansprüche. Nicht zeigen, dass einem etwas wichtig ist, ist so, als wär's einem auch nicht wichtig – und Frauen hassen das so oder so.

Irgendwann in der Zukunft werden ihre Freundinnen darüber staunen, dass sie es geschafft hat, so lange zu bleiben, darauf achten, ihre beherzte Beharrlichkeit zu artikulieren. Aber komm jetzt, meine Liebe – ihr beiden seid so verschieden … Vor ihr liegt die Aussicht auf eine Reihe von Mittagessen in der Rose Bay und Shopping in Paddington, dem sie sich vielleicht widmen könnte, um das Schlimmste abzufedern. Es wird das Beste sein, wenn sie still mitmacht – die Mädchen bei Prago trifft, das neue Yasuda Mori probieren –, und es ist absolut wichtig, dass sie wieder wächst, sich bemüht, die Flügel zu entfalten. Zu dieser Genesung gehört auch die Begegnung mit jemand Besonderem, dem Mann, der sie verstehen und verdient haben wird.

Du bist zu gut für die. Selbst Susan wird in solchen Begriffen sprechen, wenn sie dazu gedrängt wird. Ein Mädchen kann zwar die Eastern Suburbs verlassen, aber … »Du bist verdammt noch mal zu gut, und ich werde nicht mitansehen, wie du dahin zurückgehst, nur weil du das verdammt noch mal nicht kapierst.«

»Ich geh nie wieder dahin zurück«, sagt er leise.

»Gut. Das letzte Mal bist du nämlich fast gestorben.«

»Erzähl mir nicht, was ich fast getan hätte.«

»Verfickt – fick dich.«

»Außerdem war's nicht das letzte Mal. Das war das erste Mal. Bei dir klingt es, als wär's ein ständiges Hin und Her.«

»Schön. Aber ich bin keine von diesen Frauen, Jamie. Bin ich einfach nicht.«

Dies ist nicht das Letzte, was Susan sagt – aber es ist ihr letztes Wort.

Eine Stunde vor Sonnenuntergang kommt der Wagen von Arabella, ein luxuriöses Allradgefährt, das niemals westlich der Kent Street war. Schnelles Packen von Zuhause/ein paar notwendige Dinge. Haus und Hund tun sich zusammen und bilden eine perfekte Hintergrundstille.

Periodisch wiederkehrender Selbstmord, Wasser verebbt an Bondi Rock, und Sutton sitzt solo auf dem Treppenabsatz. Sein Tagesende ist geprägt von einem eigenartigen Südlicht, einem Pinatubo-Vermächtnis oder verbrecherischem Shire-Feuer. Die Nacht stiehlt sich vom sturmgeplagten Osten herein, wirkt wie frisch aus Südamerika, watet geduldig durch die Wellen, aus Angst an der Küste zu brechen. Um Mitternacht greift er nach einem kleinen Leuchtturm, stellt ihn auf – raucht die tägliche Zigarette mit einer langsamen Sorte Sorgfalt.

21

Als Shark auf den Boden knallte, beschloss er, dort liegen zu bleiben. Sutton keuchte heftig wie beim City2Surf, und Bison wälzte sich zu seinen Füßen/Schaum trat ihm vor die Fresse. Whit stöhnte im Hintergrund wie ein längst zum Geist Gewordener, und Bison starb mit einem Glucksen, als könnte er's verdammt noch mal nicht glauben.

Er kam in den Raum, um sie namentlich anzuflehen und Befehle zu erteilen, ihre Augen noch immer kostbare Edelsteine, aber irgendwie ihres Glanzes beraubt. Er sägte an den Fesseln und begann mit der Wiederbelebung, rief ein Herz an, dessen Hauptschalter bereits umgelegt war.

Zweiundzwanzig Minuten. Erschöpfender als der Kampf. Sutton ging ins Wohnzimmer und hörte das Bündel am Kamin einen Schluchzer ausstoßen und drehte ihn um, um sein Gesicht zu sehen.

Whit hatten sie geknebelt, wie es sich gehört.

Sutton ging an die Bar und nahm einen Schluck von etwas Braunem. Er dämpfte das Licht und meuchelte die Musik. Whit ließ er liegen, wie er war, weil er die Scherereien nicht gebrauchen konnte.

Runter in die Garage, wo die erste Leiche wartete, ein roter Rubikon, den er erneut überqueren musste. Er streunte durch die Tür und wanderte ausgedörrt auf die Straße, der Mann trieb hilflos, suchte aber die kantigen Umrisse seines Trucks.

Bloke jaulte in der Ferne wie ein Hund gewordenes Kind, ein Opfer von Hexerei oder selbstbezogenen Wünschen. Seine schwarzen Lippen konnten den Umkehrzauber nicht sprechen, aber der Versuch ähnelte einem Echolot/Sutton nutzte ihn als Faden.

Sutton setzte das Fahrzeug zurück und stellte das alte Mädchen unter. Er schob sich zwischen dem Trio der Harleys durch und das Garagentor kreischte krachend zu wie amputiert. Er stieß Bloke in die Fahrerkabine, um über Niggers Leiche zu wachen, und stieg nach dieser verschlagenen Aktion in die Hölle hinauf.

Whit sah ihn und brüllte, aber Sutton ging nicht zu ihm. Stattdessen fesselte er Shark und schleppte ihn im Gamstragegriff runter, knickte ein unter dem Gewicht, bis er ihn auf die Ladefläche gehievt hatte. Er kehrte zurück, um Bison einzusammeln, und beförderte ihn genauso, warf ihn zu Nigger auf einen Haufen gegenüber Shark. Am Feuer ging er in die Hocke, Whit wurde rübenrot im Gesicht vor Angst und vergeblicher Anstrengung.

»Sie ist tot. Sie war tot, als ich angekommen bin.«

Whit gab Klagelaute von sich, die noch im Käfig von Suttons Brust gefangen waren, wild mit den Flügeln schlugen. Seine Fesseln waren zerschnitten, aber es machte keinen Unterschied – er blieb liegen wie zerknülltes Papier/jaulte wie ein junger Hund. In der Bar schenkte Sutton ein Whiskyglas übervoll und stellte es dem Bruder als flüssige Beileidskarte hin.

Dann rollte er ins Schlafzimmer wie eine Maschine, ein ausschließlich für die Arbeit entworfener Wagen auf einem Wüstenpfad.

Bettlaken aus ägyptischer Baumwolle. Sutton breitete es aus und legte das Mädchen in die Mitte. Er zog die linke Ecke darüber und drückte sie sanft an sich, ein Griff nach rechts zur anderen Ecke.

Der Schreiner nahm das letzte Ende seines Seils, seine genialsten Knoten. Er band es ihr um die Knie und die Schultern, die Fußgelenke und den Hals. Sie sah aus wie die Tote auf einem Schiff aus alter Zeit, wie etwas, das dem Meer übergeben wird, und in dieser Haltung traf der Bruder ein, Whit zitterte, als wäre er nackt. Sein Wimmern, da er sie bereits verschnürt vorfand, ein Funke der Verbitterung/ein erleichterter Pieps.

»Sutto.«

Sutto sagte, Wen kennst du, der genauso aussieht wie sie.

Bloke freute sich, an Niggers Blut zu schlabbern. Es war die erste Kostprobe des Hundes, seit sich der kleine Smith vor Monaten am Fuß verletzt hatte, plärrend davonrannte wie ein feiger Jones/sein Flip-Flop blieb rot vollgesogen liegen. Bloke raste hin und leckte die Badelatschenprämie ab, aber dann kam der Vater raus und knurrte ihn an.

Schwer zu sagen, was er getan hätte, hätte er frei über den Kadaver verfügen dürfen. Der Hund war infiziert von wilden, in Sutton aufbrausenden Meeren, Ozeanen, die keinerlei Berechtigung in der Menschenwelt haben. Mit der Nähe wurden sie noch heftiger und färbten sein Wasser rot: Sein Herrchen war ihm ins Tierreich gefolgt.

»Tut mir leid, was passiert ist«, sagte Whit. »Damals.«

Er fing an zu weinen, und Sutton knallte ihm eine, Whit rutschte an der Wand runter wie rohes Ei. Eine Weile funktionierte sein Mund stumm, aber die Ohrfeige hatte nichts Gemeines. Whit ergab sich dem Schock, und das durfte keiner von beiden zulassen.

»Es wird Ärger geben mit Slane. Du musst dich verpissen.«

Der Rocker schüttelte den Kopf. »Ich muss bleiben, mich um sie kümmern.«

»Die Chance hast du gehabt, Brett.«

»Ach ja? Und wo zum Teufel soll ich hin?«

Das Schulterzucken des Schreiners. »Denk dir was Schönes aus.«

Whits Augen drehten sich wie Symbole am Glücksspielautomaten – Kirschen, Zitronen, der Arsch überlegt, wie er's angehen soll. »Vielleicht sollten wir die Polizei rufen.«

»Wenn du die Polizei rufst, bist du erledigt.«

»Nicht mal Rawson?«

»Nein«, sagte Sutton. »Nicht mal den.«

Whit schloss die Augen vor dem Anblick ihrer Mumie, biss sich auf die Lippe, um eine andere Art Schmerz anzufordern. »Was willst du machen? Wenn Chris und Gary rausfinden …«

»Denk über das nach, worum ich dich gebeten habe.«

»Komm schon, Dude – es ist vier Uhr früh. Wen soll ich holen?«

»Ein Mann wie du hat Möglichkeiten.«

»Klar.« Tränen stiegen auf im Bruder, ein salziger Warragamba-Damm kurz davor, zu brechen. »Aber keine sieht aus wie Kristy.«

»Keine«, pflichtete ihm der Schreiner bei, gefühllos in seiner Zustimmung. »Nur die Hälfte aller Mädchen in Tamarama.«

»Verfluchte Scheiße.« Whit ging in die Hocke wie beim Yoga, die Fersen berührten nicht den Boden. »Lässt du mir eine Minute zum Verabschieden?«

»Ja«, sagte Sutton mit Nulltonstimme, »so lange kannst du haben.«

20

»Was hältst du von einem Tanz?«

Der Tibetmastiff hört die Stimme von Kitten 5 und wirft mit einem stummen Jaulen den Kopf in den Nacken. Er hat still dort gesessen, verstohlen am Rémy Martin genippt, den Verkehr adretter Hunde und halbnackter Katzen zur Kenntnis genommen. Seine Sicht ist nicht perfekt, füllt sich aber mit Dingen, die es sind: kalifornische Beine in Verbindung mit europäischen Höschen, die ganze Takelage gekrönt von einem Feuerwerk aus Fontänenhaar. »Die Welt ist klein«, wispert er, als sie das Chesterfield umrundet, eine schlangenhafte Grazie auf drastischen Pumps. »Aber wenn's dir gleich ist, lieber nicht.«

»Pech.« Sie bringt ihren Körper über seinem an, steigt rittlings über seine Knie, senkt sich herab, setzt sich auf seine Quadrizeps, um ihm ins Gesicht zu sehen und ihn wie ein Möbelstück zu nutzen. Ihre Arme ruhen auf Plateauschultern, Finger verschränken sich hinter einem Hals, den sie umdrehen möchte. »Was machst du hier?«

»Wenn du denkst, das ist kein Zufall …«

»So habe ich das nicht gemeint.« Sie vollführt entspannt eine Reihe von Kreisbewegungen und wiederholt leise die Frage.

»Ich bin undercover«, sagt er. »Arbeite an einem Fall.«

»Oh, der Blue Mover – wäre schön, wenn's wahr wäre.«

»Mein Name ist Tibetmastiff.«

»Dein Name ist Big Ship, Bonecrusher, armer alter Busted Flush. Wieso fangen die alle mit B an?«

»Kitten 5 ist high. Weiß Slane, dass du hier bist?«

»Würde es ihn interessieren?«

»Hör auf da mit deinen Hüften. Ich mag das nicht.«

»Ist es dir unangenehm, Bobby Cobra? Du lieber Himmel – noch ein B.«

»Ja«, sagt er, unzufrieden darüber. »Weil es dir nicht unangenehm ist.«

Kitten 5 spricht leise in sein Schlappohr, die unwiderstehlichste unter den eingetragenen Informantinnen: »Ein öffentlicher Tanz ist die einzige Möglichkeit. Die Wände haben Ohren, Kiddo – ganz besonders die im Schlafzimmer.« Sie beschnüffelt seinen Hals, bis ihre Zunge auf Fleisch trifft, die empfindliche Bruchlinie zwischen Hals und Gummihaut. »Im Ernst. Mach, dass du wegkommst.«

»Dasselbe wollte ich dir gerade raten.«

»Gefährliche Leute, Mister. Wenn die merken, wer du bist …«

»Die haben wohl einen Röntgenblick, oder wie?«

»Gefilmt haben sie dich, das haben sie. Unten, als du reingekommen bist. Zum Teil ist das der Grund, warum die so was überhaupt machen.«

»Hat Chris das gesagt?«

»Hat er.«

»Ach – dann weiß er also, dass du hier bist. Wahrscheinlich hat er dich drauf angesetzt.«

»Sei nicht blöd, ich mach das zum Spaß.«

»Und für Geld. Wie läuft das? Lapdance für zweihundert, einen blasen für fünf? Wie viel kostet mich ein Fick?«

»Viel.« Sie krümmt den Rücken, greift hinter sich, um an das erste von sechzehn Häkchen zu kommen, die ihr Mieder schließen. »Die ersten drei oder vier kann ich öffnen«, sagt das Kätzchen. »Danach liegt's an dir.«

»Meinst du, ich will das? In dieser scheiß Walnuss-Stube sitzen und dich ausziehen?«

»Pst, reg dich nicht auf. Ist ganz einfach: Die Hunde machen Angebote, und die Katzen entscheiden, wonach ihnen ist. Keine Vorschriften, nur die Logik der freien Marktwirtschaft.«

»Was noch?«

»Und klar, ein paar Mädchen schaffen an. Andere strippen nur.«

Er wendet den Kopf ab vor der Zusammenfassung, aber es gibt kein Entrinnen: Er bekommt alle beide im Profil präsentiert, gespiegelt in der Scheibe des Hafenblickfensters. Ihre schönen Umrisse ein sinnlicher Violinschlüssel, ihr Hals der eines liebreizenden Schwans. Der Bärenmann schließt die Augen und lässt den Kopf hängen, ein monströser Felsen, an den eine Prinzessin gekettet wurde. »Die Mädchen und die Autos«, sagt er nüchtern klagend. »Die Gemälde und die Kronleuchter. So viel Schönheit auf einem einzigen Fleck, und sieh dir an, wie hässlich sie sie machen.«

»Verzeihung, Miss 5?«

»Ich hab zu tun.«

»Ich störe sehr ungern, aber da ist ein Dobermann Pinscher, der dich unbedingt kennenlernen will.« Tibetmastiff schaut auf, vorbei an dem Mädchen, das die Welt ist, und richtet seine Aufmerksamkeit auf die Dame, die die Neuigkeiten bringt. Schwarzwaldaugen fixieren ihn, fluchen und verschwinden.

»Die ist ein Spaßvogel.«

»Ja – Anita. Ist nicht verkehrt.«

»Nicht verkehrt? Wegen ihr leide ich jetzt an Unterkühlung.«

»Kommst mir warm genug vor.«

»Ich mein's ernst – die hat mich mit ihren Titten verhext.«

»Zickende Stripperinnen sind ein harter Job«, sagt Kitten 5 verträumt, erhebt sich und dreht sich um, lässt sich erneut nieder, jetzt aber mit Blick in die entgegengesetzte Richtung. »Das ist wie …

»… einen Sack voll Kätzchen hüten?«

»Komm schon, hak's auf.«

»Kris, die Ironie ist: Hier schleichen zwanzig Kerle mit maskierten Gesichtern rum, während Anita von der Essiglippe mit einer Visage auftaucht wie …«

»Konzentrier dich.«

Die Verarbeitung ist ausgezeichnet, und die Häkchen sind winzig, der Bär fingert lange vergeblich daran herum. Er merkt, dass er außer Atem gerät, erschrocken über ihre Nähe, verwundert darüber, die Waage zu sein, die sie in diesem Moment wiegt. Er hatte die Hoffnung aufgegeben, sie je wieder zu berühren.

»Ich liebe dich.«

»Ich weiß.«

»Hätte ich's bloß nie gesagt, dann wären wir vielleicht noch zusammen.«

»Sagen durftest du's, Tibetmastiff. Nur war's nicht erlaubt, es auch so zu meinen.«

»Ja.«

»Sind sie schon verlobt?«

»Wer?«

»Wer denn noch?«

Das dunkelrote Leder knirscht unter ihrem professionellen Mahlen, seinem halbprofessionellen Schauder aus unfreiwilliger Reaktion; wider Willen nimmt er bei den Häkchen Fahrt auf, hat bereits die Hälfte des drahtigen äußeren Rückgrats hinter sich gelassen, das sie noch anständig bekleidet. »Ich halte Jamie nicht für einen, der heiratet.«

»Na ja, ich denke aber, sie vielleicht. Hasst sie mich immer noch?«

»Sie hasst dich nicht. Sie ist nur … misstrauisch.«

»Für eine, die so klug ist, ist sie auf alle Fälle strohdumm. Du lieber Gott, wenn er's wollte, hätte er's längst getan.«

»Mit dir gefickt?«

»Sie geheiratet.« Sie haut ihm aufs Knie, zielt genau auf eine bestimmte Stelle, von der sie weiß, dass es dort weh tut. Auf ewig/»Bad Dog«.

»Sie ist ein schwer beladenes altes Schiff«, intoniert er, während Kristy sich sachte zurücklehnt.

»Susans Gehirn ist astronomisch.«

»Was, wie ein Teleskop? Laserstrahlen und schwarze Löcher?«

»Ich meine Kosmologie. Ich meine, Dr. Sheldons Zweig der Mathematik beschäftigt sich mit der Lebensdauer der Sterne.« Das Zitat ist alt, für ihn wunderbar, aber der unmittelbare Effekt eigenartig: Er fühlt sich auf eine höhere Daseinsstufe gehoben. Das Schlaglicht seiner Konzentration leuchtet zur anderen Seite des Raums, konzentriert sich auf den Moment, auf dem der Dobermann Pinscher sitzt. Eine Krümmung von Raum-Zeit, eine karzinogene Intensität. »Hab gerade deinen Bewunderer entdeckt«, sagt er trotz schnell einsetzender Übelkeit. »Der Anita in den Ohren liegt.«

»Er muss wohl Blondinen mögen.«

»Weißt du, ihr seid euch eigentlich ziemlich ähnlich.«

»Der Dober und ich?«

»Du und die Susan. Beide interessiert ihr euch für das Universum, die Rätsel, die es antreiben. Unterschiedliche Seiten ein und derselben glänzenden Medaille, die Wissenschaft und der …«

»Schamanismus.«

»Ja – genau der. Sag mal, Schatz, kannst du immer noch hellsehen?«

Sie denkt darüber nach, vorübergehend reglos wie ferngesteuert, irgendwo hat sie irgendjemand auf Pause gestellt. »Der Zweig des erotischen Tanzes von Kitten 5 befasst sich hauptsächlich mit der Realisierbarkeit des Vorhabens, Bobby Cobra aus den Räumlichkeiten hier zu vertreiben.«

»Oje, das ist sehr gut.«

»Kennst du den Mann? Dobermann?« Dem Tonfall seines Kätzchens wohnt eine plötzliche Anspannung inne, die ihn erstarren lässt; das letzte Häkchen zwickt zwischen seinen geschundenen Fingern, Gliedern, die mehr als einmal gebrochen wurden und vorsätzlich schief zusammenwuchsen.

»Was ist?«

»Weißt du, was in diesem Gewerbe gefährlich ist?« Ihre Frage ist sanft, rührt von fern her. Das blinde Verlangen, ein Tau oder eine Schwimmweste auszuwerfen, trifft ihn ins Innerste, bis ins Mark.

»Sag's mir.«

»Man entwickelt einen Instinkt dafür, wird verdammt schnell schlau. Es sind nicht die Kerle, die glotzen, Bobby Cobra. Es sind die Männer, die beobachten.«

»Und das ist er. Der Dober ist ein Beobachter.«

»Du hast es erfasst«, sagt sie mit einer vor Bedeutung angespannten Stimme, das Mädchen rutscht unfreiwillig in die Rolle der Hellseherin. »Nur dass er nicht mich beobachtet.«

Auftritt der Hexe: Anita taucht aus dem Speisesaal auf und hat eine Karte in der Hand, in ihren reibungslosen Bewegungen liegt eine erschreckende Zielstrebigkeit.

Tibetmastiff schließt die Augen, beunruhigt auf eine Weise, die er nicht begreift. Er betet um Taubheit/hört alles.

»Zehn.«

»Was?«

»Unser Freund, der Pinscher, hat gerade zehntausend Dollar dafür geboten, dass du von dem Schoß da steigst, rübergehst und dich stattdessen auf seinen setzt.«

»Ich bin momentan unabkömmlich.«

»Kristy …«

»Wag es verdammt noch mal nicht.«

»Schön. Er hat mich gebeten, dir das zu geben.«

Tibetmastiff öffnet die Augen, merkt zu spät, dass er sie fest packt, absurd erschrocken über die Karte, die er nicht sehen kann, aber spürt. »Ich hätte nicht so viel koksen sollen«, sagt Kitten 5, klingt trotzdem ruhig. »Versaut mir meine übersinnliche Gabe.«

»Ganz vergessen, dass du's so genannt hast.« Er lächelt über die geheime Anekdote, die nur ihnen beiden bekannt und daher kostbar ist. »Weißt du noch, die Wahrsagerin bei Miranda? Ha ha ha/sie hat deine Hand berührt und ist hochgegangen.«

»Du denkst, du wirst geliebt in dieser Stadt. Stimmt doch, Bobby Cob.«

»Hör mal, ich weiß nicht, ob zehntausend hier Standard sind, aber ich schlage vor, du gehst von Bord. Kann dir nicht schaden, wenn du …«

»In Neuguinea gibt's einen Stamm«, sagt sie. »Wenn die dort die Gabe finden, wird sie blind gemacht. Nicht mit einem Messer oder so; die verwenden einen Zaubertrank. Und wenn das Mädchen überlebt, aus dem Koma erwacht, sieht sie die Zukunft jeder Person, die sie je berührt hat.«

»Was steht auf der Karte, Kitten? Seine Telefonnummer?«

»Sogar du weißt das besser. Sogar du, der du gar nichts weißt.«

»Ich weiß, dass ich nicht will, dass du Dschungelsaft in scheiß Papua-Neuguinea trinkst.«

Die Tänzerin greift hinter sich, um zu tun, was er nicht kann: das letzte Häkchen enthaken und das Rund ihres Mieders öffnen. Sie löst die hinreißende Borke, dreht sich um zu dem Mann, den sie viele Male berührt, dem sie viele Male geweissagt hat. Kristy verstößt gegen die Vorschriften/zieht ihre Plastikmaske ab.

»Sieh mich an.«

Er tut es nicht, will nicht. »Was steht geschrieben?«

»Ich sollte, weißt du – nach Neuguinea gehen. Stell dir vor, wie toll das wäre: den Trank trinken und überleben. Sogar jetzt noch bin ich so verdammt feige.«

»Aber sie würden dich blenden, Liebes. Ich will in keiner Welt ohne deine Augen leben. Was hätte das für einen Sinn?«

»Ich will dir was sagen, aber ich weiß nicht wie: Ich weiß, du kommst damit nicht klar. Du kannst mich nicht mal ansehen, wenn ich direkt vor dir sitze, nackt wie am Tag, an dem ich …«

»Du sagst, alle meine Namen fangen mit B an, nur nicht die, auf die es ankommt.«

»Ich hatte keinen Beweis, Bobby – keinen Grund, es zu denken. Aber in deinem tiefsten Inneren weißt du es. Ich war beim Arzt.«

Schwangerschaft; dem Mastiff stockt das Herz. »Du glaubst, ich würde leicht brechen, aber man nennt mich den Inkrementalen. Das ist nicht unverschämt/das ist Algebra. Die persönliche Grenze, über die man nicht hinwegkommt. Aber wenn du tapfer bist wie Ajax, dir die Welt auf die Schultern lädst …«

»Atlas«, sagt sie. »Ich werd's lesen. Bist du bereit?«

»Warte …«

Der Bär schaut in die Mündung aller

Gewehre vor denen er fliehen wollte,

Alle Pferde, die sich weigern

Die Worte sind Glocken, die ihnen beiden läuten, beide scheiß traurig, der Sprecher/Hörer zu sein. »Ich hab heute gekokst«, sagt Kristy zitternd. »Aber was hattest du?«

»Der Wichser hat mich verflucht«, sagt Big Ship leise, sein Blick plötzlich mit der Dunkelheit verschmolzen. Kitten 5 kennt eine Wahrheit, die Bobby Cobra nicht kennt, dass seine Augen schöner sind als ihre/als die aller.

»Er hat dir Poesie geschickt, Bonecrusher … Herrgott noch mal, zehntausend Dollar! Ich hätte mir sechs Handys kaufen können.«

»Kannst du immer noch.«

»Nö – das Angebot ist abgelaufen. Dein Bewunderer hat das Gebäude verlassen.«

»Lass uns seinem Beispiel folgen. Komm mit zu mir, Pussycat. Kein Sex, nur schlafen.«

Sie schüttelt den Kopf, eine Geste, die er nicht sieht, aber spürt. »Ich hatte heute Abend sechzehn verpasste Anrufe – und alle von derselben verfluchten Nummer.«

»Der Glückliche.« Der Bär bearbeitet seinen Schmerz wie einen Hieb, der verschluckt werden kann, der Stern seines Herzens verfinstert sich. »Weißt du, meine Liebe, wenn man gratulieren darf …«

»Ruhe, Bobby.«

Die Tänzerin greift nach dem kürzlich abgelegten Kleidungsstück und nein – er hat sie nicht angesehen. Nicht richtig/kein einziges Mal. Sie drückt seine Hand, und die Empfindung ist Gnade, eine Annullierung des Gedichts und seiner ganzen verhassten Entziehung. »Ich lasse dich ungern zurück, du Inkrementaler.«

»Aber du bist so gut darin.«

»Dafür kann niemand was.« Sie küsst seine Lippen, und Big Ship stirbt: Der Rest ist Jenseits. »Ist nur, weil ich anscheinend anderswo sein soll.«

19

Sutton löste das Führungsseil. Bloke beobachtete ihn mit Harlekin-Lächeln durch die Scheibe, die Reaktion des dummen Genies auf behobene oder bittere Zwangslagen. Der Schreiner drehte die Biker um, bis sie eine bußfertige Matratze für sie bildeten, unten bei den toten Männern/Kristys Leiche auf einem Haufen mit den anderen.

Aus der Bar oben holte er Flaschen. Whit stand starr wie ein Hutständer/bot eine Hand an. »Wo willst du sie hinbring ‌…«

Sutton drückte ihm die Flasche Johnny hinein und ging weiter.

Sie fuhren-krochen langsam in die nächtliche Welt. Der Pilot schaltete in einen anderen Gang, und Bloke leistete ihm Gesellschaft auf der Bank, bellte aus über lange Zeit gepflegter Gewohnheit in der Absicht, Tom Ugly zu ärgern. Nur ein kleines Shih-Tzu-Kläffen, weil er nicht richtig bei der Sache war.

Darke Forest tauchte bedrohlich vor ihnen auf, und Sutton fuhr vom Princess Highway ab, entschied sich für den Kitemaker, um langsam wieder runterzukommen.

Bloke stand am Balding Hill, sah die bunten Deltas gleiten, unter Zephiren sterben wie Papierflieger mit Lemming-Gemüt.

Danach kamen geheime Straßen und schmale unerlaubte Pfade, die Eukalyptus-Dimension, die sich an der Copper Road erstreckt. Der Hund murmelte Köterverse wie von Pionierschwermut betroffen, und der Mensch trug Kristy in den Schutz des Shack.

Er legte sie ab wie zerbrechliche Ware, wie eine Kiste Vorsicht, Glas!. Er blieb in Erinnerung an das Mädchen stehen, das sie war, die blutleere Schwester, die sie gewesen ist. Das weiße Neonlicht war aus, und das grüne flackerte vor Ohnmacht.

Als der Mann herauskam, setzte er sich in den Truck und ließ ihn aufheulen wie einen Diesel.

Bloke drehte sich im Kreis beim Regentanz, konnte sich aber die Flinte nicht aneignen. Er komponierte einen Song aus Werwolf-Tönen, um zu beweisen, wie sehr er ihn liebte. Blokes Brust schmerzte wie mit Kletten behaftet bei dem Gedanken, Sutton könnte ihn verlassen haben.

Sie benutzten halberschlossene Wege für den Rückzug, um ihrem Schlupfloch zu entkommen. Weit draußen auf dem Meer brannten Erzschiffe wie Scheiterhaufen für Kembla Grange. Bloke stand aufrecht, ein dämonischer Bulle, und trank den Lazarus-Wind. Schon bald würde die Sonne naseweis durch die Orangenrinde spähen.

Sie fuhren vorbei an Werftkränen, Brontosaurusse aus Stahl. Dahinter das Friedhofsheim von tausend Kaktus-Holden. Zwei Kräne rosteten im roten Schrott wie Mars oder Titan an einem Film-Set. Einer umgekippt und geschlachtet/ein Kain-und-Abel-Krieg tobte zwischen ihnen.

Es waren die Haushaltsgeräte, die er wollte. Sie vergammelten am westlichen Rand, dem toten und kaputten Land zugewandt. Sutton sah sich um wie ein Frischverheirateter, bis zu einer Tausend-Liter Kühltruhe, die er mit einer Kette hochhievte.

Der Truck wurde geholt, um den Eisschrank in eine entlegenere Ecke zu beordern. Es war ein Reich der Hügel, in dem Kies König war/wo Blaustein kostenlos herumlag. Sutton schuftete wie ein Hilfsarbeiter, bis der Sarg endlich drüben stand. Dann erhob er sich, als käme er vom Straßenbauamt, um den Spaten mit der Brust zu füttern.

Er sprang in die Fahrerkabine und stimmte das alte Mädchen ernsthaft aufs Rückwärtsfahren ein – sein Hintern presste gegen die improvisierte Gruft, um sie mit dem besiegten Kran zu verbinden. Die Vereinigung war brutal/nicht einvernehmlich/verschluckte aber Verbrechensnachweise.

Sie nahm die Reifenspuren wieder auf, die sie bei seiner Ankunft hinterlassen hatte.

18

Es ist wahr, dass Sutton im Gefängnis beinahe gestorben wäre. Das war kein Missgeschick, Angriff durch einen gemeinen Feind. Das Problem war drinnen.

Der großartige Detective war seine Rettung. Das lag nicht an seinem längst verflogenen Scharfsinn oder seinem gewaltigen Körpervolumen. Nicht einmal an seinen Bonecrusher-Händen, so zerfurcht wie der Darlinghurst Strip.

Die Vergangenheit, die Vergangenheit: Rawsons gordisches Haar und die vielen Tiber aus Schweiß, ein Koloss der gefälligen Schurken. Bevor er in der Moderne lebte, stand die Antike in seiner Schuld.

Er wacht auf und stöhnt laut vor Ischias, Stenose, die heroischen Strapazen, die die Titanenmassen heimsuchen. Die ältesten rühren von einem Unfall her, einem Autowrack, das er mit vierundzwanzig überlebte, als ihn ein Affenbrotbaum töten wollte. Ein Knick in der Wirbelsäule, den keine Schiene ausbügeln kann, und zwei Monate im Streckverband, die Ärzte sagten, Laufen werden Sie nie wieder.

Klopf-klopf. Wer da? Es ist leise – vielleicht an der Haustür – und noch einmal höflich beharrlich. Der Bewohner rollt von seiner zerwühlten Krippe und kommt irgendwie auf die Beine und zum Stehen, ein menschlicher Turm von Pisa, der aufgrund eines Katers gefährlich schwankt. Unterwegs stolpert er gegen vier Möbelstücke, geht aber jedes Mal mit Bestzeit daraus hervor. Das ist er im Kern, ein Talent für Kollisionen.

»Angel Dust.«

Ein blasses Scheibchen Besucher, kompakt und ordentlich, schiebt sich die Brille den Nasenrücken hinauf – ein nervöser Tic ausgelöst durch Rawsons unglückseligen Spitznamen für ihn. Tom sucht besorgt blickend die Diele ab und sagt: »Komm schon, Michael – so kannst du nicht die Tür aufmachen.«

»Warum?«

»Ohne verfluchte Klamotten. Ich hätte Gott weiß wer sein können.«

»Blödsinn.« Rawson entwirft ein Lächeln, das tief ist und wirr, ein kluges und witziges, vieles über den Moment hinaus erfassendes.

»Wer zum Teufel hättest du sonst sein sollen?«

Er dreht sich um und bahnt sich einen Weg durch das chronische Apartment, wird im Vorübergehen von Licht aufgespießt, das irgendwie durch die schmutzigen Jalousien dringt. Die Sonne hat etwas Robustes, von der Dämmerung weit entfernt, Beleg eines längst vergangenen Morgens. Rawson lässt sich in einen Sessel sacken, um sich eine zu drehen und die Augen vor der beiläufigen Brutalität des Tages zu verschließen.