Winterplanet - Erik Schreiber - E-Book

Winterplanet E-Book

Erik Schreiber

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Beschreibung

Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 3167. Dies sind die Abenteuer des Forschungsraumschiffs VASCO DA GAMA, das mit seiner Besatzung von 330 Männern und Frauen unterwegs ist, um fremde Sonnensysteme, astrophysikalische Wunder zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Heimat entfernt dringt die VASCO in unbekannte Bereiche der Galaxis vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Das 700 Meter durchmessende irrikonische Forschungsraumschiff VASCO DA GAMA soll in der unendlichen Weite des Kosmos kartographische Arbeiten durchführen und sich einem Schwarzen Loch nähern. Was sich jedoch als sehr übersichtlich erweist. Der Bereich, in dem das Forschungsschiff zurzeit unterwegs ist, ist sternenleer. Die Hauptaufgabe besteht jedoch darin, das Schwarze Loch näher zu untersuchen, welches einige Merkmale aufweist, die kein aktives Schwarzes Loch aufweist.

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Seitenzahl: 212

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Erik Schreiber

Sternenlicht 15

Winterplanet

Saphir im Stahl

Bereits erschienen:

Siehe am Ende des Buches

Sternenlicht 15

Erik Schreiber - Winterplanet

e-book Nr: 139

Erste Auflage 01.01.2023

© Saphir im Stahl

Verlag Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Thomas Budach

Lektorat: Joachim Stahl

Vertrieb: neobooks

Winterplanet

Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 3167. Dies sind die Abenteuer des Forschungsraumschiffs VASCO DA GAMA, das mit seiner Besatzung von 330 Männern und Frauen unterwegs ist, um fremde Sonnensysteme, astrophysikalische Wunder zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Heimat entfernt dringt die VASCO in unbekannte Bereiche der Galaxis vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.

Das 700 Meter durchmessende irrikonische Forschungsraumschiff VASCO DA GAMA soll in der unendlichen Weite des Kosmos kartographische Arbeiten durchführen und sich einem Schwarzen Loch nähern. Was sich jedoch als sehr übersichtlich erweist. Der Bereich, in dem das Forschungsschiff zurzeit unterwegs ist, ist sternenleer. Die Hauptaufgabe besteht jedoch darin, das Schwarze Loch näher zu untersuchen, welches einige Merkmale aufweist, die kein aktives Schwarzes Loch aufweist.

*

Auf der Brücke der VASCO DA GAMA wimmelte es nur so vor Geschäftigkeit, während man darauf wartete, dass das Schiff sich dem Schwarzen Loch weiterhin näherte. Als die Wochen dahinflossen, wuchs die Spannung, mit jedem weiteren ereignislosen Tag ließ sie jedoch nach. Der Befehl zum Aufbruch zum Schwarzen Loch wurde allerdings noch nicht gegeben. Man wollte erst warten, bis die aufgetretene Seuche vollständig besiegt wurde.

Die Wissenschaftler der astrophysikalischen Abteilung warfen nicht nur den Blick nach vorn in Richtung des Schwarzen Lochs, sondern auch zurück, in Richtung Heimat. Blickte man von einer imaginären Stelle oberhalb der eigenen Galaxis auf die Milchstraße herunter, erkannte man eine riesige Scheibe mit ausufernden Armen. In einem dieser Arme befand sich das heimatliche Sonnensystem Jaimbaliz mit dem Planeten Irrikon. Aus irgendeinem Grund nannte man ihn Orionarm. Das System lag ziemlich an der Spitze des Armes und somit außerhalb der vielen Sternenreiche, die den Krieg gegen die Frogs und die Nachfolgekriege besonders hart traf. Der Orion-Arm der Milchstraße schwang, wie viele andere, wie der Ausläufer eines Feuerrades nach außen, von dem Rand der spiraligen Galaxis Abstand nehmend.

So blieb das riesige Forschungsschiff der Sternenlicht Erkundungsflotte im Stillstand. Man würde verschiedene Forschungsprojekte durchführen. Das war so geplant, das Schwarze Loch fiel damit nicht aus dem Fokus der Forschung, sondern musste nur warten, bis die geplanten Messungen und Untersuchungen im Leerraum des Alls durchgeführt und beendet wurden. Währenddessen würden die schnellen Erkundungskreuzer der Orion-Klasse entweder das All in der Nähe durcheilen und den unbekannten Weltraum erkunden oder aber sich mit anderen Außenmissionen an den Forschungen beteiligen.

Andererseits wartete man noch auf die CAVANAG unter dem Kommando von Engelbert Zwitkovits, die sich auf der Erkundung eines kleinen Sonnensystems befand, rund 170 Lichtjahre in Richtung Spiralarm entfernt. System ist etwas hochtrabend, es bestand nur aus der Sonne, soviel man bisher feststellen konnte.

Expeditionsleiter Professor Doktor Janosh Starotic war im Augenblick etwas grüblerisch. Er ließ seinen Blick wandern, doch sah er eigentlich nichts. In Gedanken war er mit allerhand Problemen beschäftigt.

Prof. Dr. Janosh Starotic, verantwortlich für die Besatzung und natürlich für das Raumschiff, ließ sich von dem herrschenden Trubel nicht mitreißen. Er befand sich auf seinem Kommandoplatz und dachte an die Seuche, die inzwischen fast überwunden war. Er lehnte sich in seinem hochlehnigen Kommandantensessel zurück, während er seine Aufmerksamkeit dem Sensornetzwerk, welches mit voller Leistung arbeitete, widmete. Nach dem üblichen Schichtwechsel ebbte die Hektik allmählich ab. Zivile und militärische Besatzungsmitglieder wechselten sich in der Schicht ab. Dabei wurde strikt darauf geachtet, keine Schicht mit nur zivilen oder militärischen Besatzungsmitglieder zu besetzen. Die Mission war ein ziviler Auftrag. Die militärische Besatzung diente dazu, die Ordnung aufrecht zuerhalten und die zivilen Mannschaftsmitglieder zu schulen und gegebenenfalls zu schützen. Eine gewisse Ordnung musste sein. Obwohl ein rein ziviler Forschungsauftrag vorlag, wollte man mit der militärischen Ordnung erreichen, dass in Konfliktfällen schneller und zielgerichteter eingegriffen und zielgerichtet gehandelt werden konnte.

Der Expeditionsleiter beobachtete mit einem Auge die Besatzung der Zentrale, mit dem anderen das Hologramm neben sich. Er blickte unauffällig in die Runde und sah seine Leute an. Gerade befand sich Vesna Kobetic auf dem Weg zur Schleuse, ihre Schicht war beendet. Kurz blieb sie stehen und wandte sich nochmals an den Expeditionsleiter.

„Schiff bereit für den nächsten Einsatz”, sagte sie klar und deutlich. Wie es ihre Art war, kamen Befehle und dienstliche Gespräche knapp und präzise.

„Sehr gut Frau Kobetic.” An den Chefnavigator gewandt sagte er: „Bringen sie uns in Position. Die genauen Daten erhalten sie von den Astrophysikern und sollten eigentlich bereits vorliegen.”

Vesna wandte sich ab und verließ die Zentrale über den zentralen Lift des Forschungsschiffes.

Chefnavigator Ko Arimatsu saß rechts von ihm an seinem Arbeitsplatz. Links von ihm hatte Systemingenieur Günther Leinster an einem Computerterminal Platz genommen.

Doktor Starotic beugte sich über seine eigene Konsole und sah zu wie die Anzeigen langsam von orange nach gelb wechselten und sich dem betriebsbereiten grün näherten. Als die letzte Anzeige sich in einem satten und beruhigenden Grün darstellte, bewegten sich seine Finger über den Touchscreen des Monitors und rief eine schnelle Testsequenz auf. Die Anzeige verschwand für einen Sekundenbruchteil, dann füllte sich der Bildschirm mit Zahlen und Diagrammen. So schnell wie Zahlen und Symbole über die Bildfläche rasten, konnte er mit seinen Augen nicht folgen. Die Schiffs-KI würde die Daten innerhalb weniger Minuten sortieren, undifferenzierte Werte aussondern und sie dann nach Wichtigkeit ordnen. Er fragte sich ob er eines Tages etwas wirklich interessantes in den Daten finden würde, die vom Computer verworfen wurden. Dann wurde der Bildschirm wieder kurz dunkel und gab die Resultate aus. Alles befand sich innerhalb der vorgegebenen Richtwerte.

Doktor Starotic machte sich seine Gedanken, für einen Augenblick war er abgelenkt. Seine Augen blickten auf die holographische Darstellung des um ihn herum befindlichen Weltalls, aber wirklich sehen tat er die Darstellung nicht.

„Wir brechen in das All auf. Wir sind, so weit möglich, auf alles vorbereitet. Das bedeutet für die mehr als dreihundert Mitglieder der Expedition eine enorme verantwortungsvolle Aufgabe, aber auch Einsamkeit oder Stress. Vorbereitet auf einen Kampf, der hoffentlich nie stattfinden wird, auf Unbekanntes, auf Liebe und Tod. Aus Vernunft und Bescheidenheit werde ich nie darüber sprechen. Aber denken werde ich es. Als Leiter der Expedition habe ich Verpflichtungen. Wir wollen das All nicht erobern, wir wollen unsere Weitsicht erweitern, Unbekanntes kennenlernen, Vergessenes wieder erlangen, Verlorenes wiederfinden. Menschen und andere intelligente Lebewesen suchen wir. Nicht um zu erobern, zu besiedeln, sondern um die Nachbarn im All friedlich zu treffen. Die Expedition wird Lichtjahre zurücklegen und wir bringen Mess- und Beobachtungssysteme in Position. Sie nehmen auf, registrieren, sortieren, notieren. Die Datenspeicher füllen sich, die Archive werden wachsen.

Und es geht um den Kontakt. Ich denke, der Kontakt friedlicher Natur ist das Wichtigste im fremden Weltall. Kontakt bedeutet einen Austausch von Erfahrungen, Begriffen, zumindest von Resultaten, von irgendwelchen unbekannten Zuständen. Aber wenn wir uns nicht austauschen, wenn es nichts gibt, um es auszutauschen? Man kann sagen, dass von unseren Expeditionen, unseren Absichten, die Zukunft des Menschen, der besiedelten Welten, ja des Alls abhängt. Wenn bereits viel geschehen ist, dann kann immer noch alles geschehen. Das hängt nicht von uns wenigen der Expedition der VASCO DA GAMA ab. Aber in allem, was von uns abhängt, werden wir zusammen sein.

Aber ich philosophiere. Dazu bin ich nicht ausgebildet, ich bin Naturwissenschaftler und jetzt Expeditionsleiter.”

Prof. Dr. Janosh Starotic blinzelte kurz, schüttelte den Kopf als wolle er die Gedanken von eben abschütteln und konzentrierte sich wieder auf das Hologramm. Er wartete auf die CAVANAG.

Die Akretionsscheibe des Schwarzen Lochs funkelte groß und bedrohlich vor dem dunklen Hintergrund des sternenarmen Weltalls. Zumindest schien es so auf dem ersten Blick. Zumindest auf den Meßgeräten, denn optisch war nichts auszumachen. In Wirklichkeit war sie im Verhältnis zu einem echten Schwarzen Loch relativ klein. Das war bereits der erste Unterschied. Kurz darauf schloss er den Bericht für das Logbuch und lehnte sich nachdenklich in seinen Kontursessel zurück. Im Verlauf des letzten Jahrzehnts hatte er viel zu viel Verwaltungsaufgaben übernommen und war nun froh, der Universität und den Forschungslaboren den Rücken gekehrt zu haben. Er hatte immer mehr bürokratische Verpflichtungen übernommen und konnte sich nun wieder auf die Forschung konzentrieren. Vorausgestzt die Führung des Schiffes ließ ihm genügend Zeit. Dafür stand ihm aber die erfahrene Vesna Kobetic zur Seite. Langsam schwenkte er im Sessel von links nach rechts und wieder zurück. Er dachte über den Auftrag nach, neue Welten zu erkunden und sich eine Zeitlang am Schwarzen Loch aufzuhalten und dort entsprechende Forschungen vorzunehmen. Ein Schwarzes Loch, dass sich nicht wie ein solches verhielt war immer interessant. Es hätte aber auch andere Ziele gegeben.

Weit draussen, nahe dem Rand der Galaxis, liegt der Sternhaufen Connatt-Om, ein wirbel von dreißigtausend lebendigen Sonnen. Er ist wie die Milchstrasse geformt und hat einen geschätzten Durchmesser von fünfundvierzig Lichtjahren. Die Umgebung ist Dunkel, der Weltraum Leer, bis auf wenige Einsiedlersterne, wie die Rote Zwersonne in fast 100 Lichtjahren Entfernung. Von Außerhalb sieht der Sternenhaufen wie ein funkelndes Lichtgewebe aus. Breite Sternenbänder mit Sonnen in den unterschiedlichsten Farben von dunklem rot bis hin zu einem blassblau. Zusammenballungen und Leerräume und dennoch sind die meisten Sternen mit unsichtbaren Begleitern gesegnet. Planeten, Monden, Asteroiden oder einfach nur Sternstaub.

Dr. Janosh wäre auch gern dorthin geflogen. Stattdessen führt sein Weg und der der andern etwa 330 Besatzungsmitgliedern zu einem falschen Schwarzen Loch. Und gerade dies, ein, wenn nicht das Spezialgebiet von ihm, und den meisten Besatzungsmitgliedern der VASCO DA GAMA, sorgte dafür, das Ziel Nummer eins zu sein. Verstreut in der Galaxis finden sich tausende wenn nicht millionen Schwarze Löcher und die meisten haben ein gemeinsames Aussehen und gleiche Eigenschaften. Und eines der auffallenden Löcher war sein Ziel.

Gleichzeitig wollte er soviele Wunder der Galaxis kennenlernen wie nur möglich. Daher waren die vier Forschungskreuzer, die CHARON, die CAVANAGH, die CONSENTES und die CERES ständig unterwegs, um kleinere Besonderheiten des Universums aufzuklären.

Den meisten Beobachtern erscheint das Schwarze Loch als eine friedliche, ja beschauliche Anomalie. Sie saugt weder Materie noch Licht an. Sie verschluckt nichts. Aber warum und was macht es jetzt?

*

Weniger als einen Schiffstag später befand sich jeder an seinem Platz, und die CHARON war startbereit. Die Mannschaft, die sich auf der VASCO DA GAMA aufhielt, fand sich in kürzester Zeit ein. Kurt Jessan, und Peer Dexter Hegen befanden sich bereits an Bord. Sein Blick fiel auf den Bildschirm, der den Eingang zum Hangar zeigte. Zwei Personen näherten sich dem Landeschacht der CHARON. Bevor die restliche Besatzung eintraf, meldete sich Doktor Scheerbart in Begleitung eines unauffälligen Assistenten, um an Bord kommen zu wollen. Natürlich erhielten beide den Zugang zur CHARON.

„Herr Doktor, hiermit übergebe ich Ihnen ein Paket mit brisantem Inhalt. Bitte gehen sie besonders sorgfältig damit um und lassen sie niemanden, außer ihrem vertrautesten Vertreter damit arbeiten. Auf dem beiliegenden Datenkristall finden sie alle Informationen, die Doktor Schmird sammelte. Es kann natürlich sein, dass sich unser Doktor auch geirrt hat. Aber er ist Arzt und der Inhalt des Paketes ist nicht sein Spezialgebiet.“

„Ich denke“, antwortete Doktor Scheerbart und blickte zu seinem Assistenten, „dass wir beide mit diesem ‚Geschenk‘ pfleglich umgehen werden.“ Er streckte beide Arme danach aus und nahm das ‚Geschenk‘ vorsichtig entgegen. „Was ist es denn genau? Ich habe nur Andeutungen erhalten und die sind, sagen wir mal so, sehr merkwürdig.“

„Da benutzen sie den richtigen Begriff, es ist würdig, es sich zu merken.“ Der Kommander der CHARON sah ihn ernst an. „Sie verstehen sicherlich, dass es dieses ‚Geschenk‘ nie gegeben hat. Dieses Geschenk ist etwas Besonderes. Bitte arbeiten Sie ohne Kontakt zur Schiffs-KI Vasca. Die KI soll nichts davon erfahren, damit sie nicht an offizielle Dienststellen die Informationen weitergibt“.

Doktor Scheerbart sah ihn an und lächelte verschmitzt. „Ich weiß gar nicht, wovon sie reden“.

Kommander Hegen gab dem Mann die Hand. Das gestaltete sich etwas schwierig, da dieser beide Hände voll hatte. „Na dann sind wir uns ja einig“.

Doktor Scheerbart und der blasse wortkarge Assistent, der nicht einmal vorgestellt wurde, verließen die CHARON über den Zentrallift. Auf dem Weg zurück in ihr Labor, trafen sie noch im Hangar auf Dr. Ludovic Schmird. Peer Dexter Hegen konnte über den Bildschirm der Außenbeobachtung sehen, wie sich die beiden Männer angeregt unterhielten. Im Hintergrund werkelte die Hangarbesatzung der VASCO, die den Hangar der CHARON betreuten. Gleichzeitig kamen die übrigen Besatzungsmitglieder, sahen nur kurz zu den diskutierenden Männern und begaben sich an Bord. Nachdem auch Dr. Schmird durch Anwesenheit glänzte, sah sich Hegen um. „Wo ist Ben?“

Mehr als ein Schulterzucken kam nicht als Antwort und fragende Gesichter, die sich gegenseitig ansahen. Lediglich Kurt macht die Andeutung sprechen zu wollen, als sich Ben über das Armsprechgerät meldete.

„Kommander“, die Anrede war höflich, er war wohl nicht allein, „ich befinde mich noch in der Krankenstation. Leider dauert es noch einige Zeit, bis ich untersucht werden kann. Es sind gerade zwei schwere Fälle hereingekommen.“

„Gut, dann werden wir ohne Dich abfliegen.“ Ihm fiel diese schnell gefällte Anweisung nicht leicht. Aber er konnte keine Rücksicht darauf nehmen. Ein Mann weniger an Bord würde nicht zu Komplikationen führen. Vor allem ging es um die Gesundheit von Ben. „Du bleibst an Bord, lässt Dich genauestens untersuchen und bleibst ansonsten in Deinem Quartier. Es sollte nur eine Routineuntersuchung sein. Daher erwarte ich keine Überraschungen. Versuche möglichst dem SSD aus dem Weg zu gehen“. Peer sah seinen ersten Offizier an. Er ahnte, wer den Bericht über WANDERER an den SSD weitergegeben hatte. Sicher nicht, um der Crew zu schaden, sondern um für die Sternenlichtvereinigung, insbesondere den Heimatplaneten Irrikon, ein wichtiges Fundstück zu übergeben.

Oberleutnant Patricia Kress, verantwortlich für die Navigation fragte: „Geht es nun endlich los, zu unserem eigentlichen Ziel?“

„Ja, wir wollen so schnell wie möglich dahin, nur mit einem weiteren Aufenthalt um eine Sonde auszusetzen und unsere weiteren Aufgaben durchführen. Während wir uns mit der roten Zwergsonne beschäftigen, wird die VASCO Kurs zum Schwarzen Loch setzen, wir werden uns dort wieder treffen“.

Patricia ging daran, den Kurs zu programmieren, die fehlende Schiffs-KI war dabei ein kleines Hemmnis. Aber die Berechnungen liefen im Bordrechner genauso gut ab, als ob die Schiffs-KI den Kurs berechnen würde, es dauert nur geringfügig länger. Geplant war, die Zeit im Normalraum möglichst kurz zu halten und mit dem Einstein-Rosen-Antrieb sehr nah an die Sonne zu fliegen. Mit nur einem Stopp um eine der Funkbojen auszusetzen. Auf diese Weise blieb mehr Zeit für Messungen aller Art. Gleichzeitig wurden die Verbindungen zur VASCO aufgebaut, aber nicht aktiviert. Man würde zu gegebener Zeit mit den Wissenschaftlern dort Kontakt aufnehmen.

Pat beugte sich über ihre Konsole und sah zu, wie das Programm ablief und wie die Anzeigen langsam von Rot nach Orange, nach Gelb wechselten und schließlich die Grünfärbung annahmen. Das Programm passte sich dem Hauptprogramm an. Als die letzte Anzeige in einem beruhigenden Grün aufflammte, bewegte sie ihre Hände über die Schaltflächen und bestätigte die Ergebnisse. Der vor ihr stehende Bildschirm wurde für einen Augenblick leer und füllte sich dann mit Zahlen. Alle dargestellten Angaben befanden sich innerhalb der vorgegebenen Richtwerte.

„Fertig?“, fragte Hegen in die Runde.

Sie saßen angeschnallt auf ihren Sitzen. Die Andruckabsorber würden zwar die meiste Arbeit abnehmen, aber sicher ist sicher. Jeder hatte seine Position eingenommen, die Finger lagen meist ruhig an den Schaltpulten und Instrumenten.

„Kommandant an Logbuch“, sagte Hegen. „Wir starten. Zeit: 16 Uhr Standardzeit.“

Die Starterlaubnis aus der Zentrale wurde erteilt. Der übliche Countdown erfolgte. Die CHARON hob vom Boden des inzwischen luftleer gepumpten Hangars ab und schob sich durch die sich öffnenden Schotten der VASCO. Hinter ihnen blieb für einen kurzen Moment der beleuchtete Hangar zurück, dann legte sich das Schwarz des All wie ein Leichentuch über sie. Kurz darauf befanden sie sich auf dem Weg. Der Forschungskreuzer der Orion-Klasse beschleunigte unaufhörlich, bis er sich aus dem Normalraum verabschiedete. Bis zu ihrer Ankunft im Zwergsonnensystem blieb für niemanden viel zu tun. Unterwegs würden sie nur eine Funkboje aussetzen.

*

Vor wenigen Minuten hatte die CHARON in einem Wirbel aus Licht und Farben, die für eine gewisse Zeit im Hologramm zu sehen war und den unbekannten Überlichtraum darstellte, über die Einstein-Rosen-Brücke verlassen. Antriebslos hing das Sternenschiff in der interstellaren Leere, ein Diskusraumschiff mit einhundertsiebzig Meter Durchmesser. Wobei der Begriff „hing“ oder „stand“ eher belanglos waren. Nach dem Austritt aus dem Überlichtraum trieb die CHARON mit einer Geschwindigkeit von einigen tausend Kilometern pro Sekunde durchs All. Um die CHARON herum nur Leere und daher wirkte es, als ob der Forschungskreuzer stillstand. In der interstellaren Leere gab es nichts, bis auf einige Gasreste, Moleküle und Atome, die in ihrer Zahl so gering waren, dass sie höchstens einen Sturm im Wasserglas erzeugen konnten. In Flugrichtung des Forschungskreuzers lag die Rote Zwergsonne. Weit entfernt der funkelnde Orionspiralarm der heimatlichen Milchstraße, in deren Außenbezirk die Sternenlichtvereinigung lag.

Ein Abgrund von mehreren tausend Parsec trennte die CHARON von ihrer Heimat.

Im Schiff war es still. Die Maschinen schwiegen, die Kraftwerke im Maschinenraum arbeiteten mit geringster Leistung für die Lebenserhaltungssysteme und Energie für die Gerätschaften im ganzen Schiff. Die Besatzung nutzte die Zeit, um ihren privaten Beschäftigungen nachzugehen, hauptsächlich durch schlafen.

Sie haben die Pause nötig, dachte Pat. Sie hatte die Wache, überprüfte die Fernortung, lauschte den Kommunikationskanälen und horchte, ob sich irgendwelche Signale in die Leere des Kosmos verirrt hatten. In Gedanken ging sie die Ereignisse der letzten Zeit noch einmal durch, während Björn ruhig und konzentriert an seinem Arbeitsplatz seinen Messungen nachging. Der Start von der VASCO DA GAMA, das Aussetzen der Funksonden und das Auffinden der Station, die sie WANDERER genannt hatten. Der Angriff der Primaten auf der Station, die unter einer Biosphärenkuppel lebten, die Erkrankung von Leutnant Benjamin Eigl, der auf der VASCO zurückblieb und der langsame und langweilige Flug zur Roten Zwergsonne. Bislang hatte die Mannschaft noch keine Anstrengungen unternommen, ihr einen Namen zu geben.

Stunden nach der Ankunft im Leerraum gingen sie ihrem Dauerauftrag nach. Das Aussetzen von Funkbojen, der langweiligsten Aufgabe, die man einer Raumschiffbesatzung übergeben konnte. Mit dieser Meinung stand die Besatzung der CHARON nicht allein da. Auch die Besatzungen der Schwesternschiffe CAVANAGH, CERES und CONSENTES waren dieser Meinung. Für die Mannschaft des Forschungskreuzers CHARON war es also nichts anderes als ein Routineunternehmen. Im Hintergrund ihrer Mission stand die Aussetzung von einer großen Anzahl Funkbojen, um den Kontakt um Heimatsystem Jaimbaliz und den Heimatplaneten Irrikon aufrechtzuerhalten. Sie hatten mehr als ein Drittel des einhundert Lichtjahre Fluges auf der langen Fahrt zum unbekannten Sonnensystem der Roten Zwergsonne hinter sich gebracht. Sie befanden sich inzwischen in einer Entfernung von lediglich zweiundsechzig Lichtjahren vor ihr. Björn sondierte die Sonne und das System, dass aber nur aus einem einzigen, kleinen Planeten am äußersten Rand der habitablen Zone die Zwergsonne umkreiste. Mit etwa 0,25 Astronomischen Einheiten war er mit seinen beiden Monden gerade noch in der lebensspendenden Zone. Die Daten der Fernortung machten nur diesen einen einzigen Begleiter aus, der von zwei Monden sowie Trümmern zweier weiterer Monde oder zweier anderen Planeten umkreist wurde.

Astrogator Björn Hartmann arbeitete vor dem Bildschirm, der ein fast sternenloses All präsentierte, in dessen Mittelpunkt eine rote Sonne schwebte. Sie war eine Zwergsonne mit der Größe von etwa 35 Prozent der heimatlichen Sonne Jaimbaliz und zählte zu den Hauptreihensternen der Klasse M, dessen Radius etwa 15 Prozent der Sonnenmasse ausmachte. Rote Zwergsonnen sind die kleinsten Sterne, in deren Zentrum Wasserstoff in Kernfusionen stattfindet. Etwa drei Viertel aller Sterne gehören dieser Sternenklasse an. Sie leuchten so lichtschwach, dass kein einziger dieser Sterne von Tyros aus mit bloßem Auge gesehen werden kann. Aus historischen Gründen werden Rote Zwergsonnen, wie sie umgangssprachlich genannt werden, manchmal auch als späte Hauptreihensterne bezeichnet, weil früher irrtümlich angenommen wurde, dass Sterne sich im Verlauf ihrer Entwicklung zu Spektralklassen kühlerer Oberflächentemperatur entwickeln würden. Anders als bei der unteren Massegrenze, die durch die Mindestvoraussetzung für den physikalischen Prozess des Wasserstoffbrennens im Kern gegeben ist (und somit Rote Zwerge gegen Braune Zwerge abgrenzt), besteht keine definitorische Einigkeit über die genaue Abgrenzung zu heißeren Sternen.

Björn konzentrierte sich auf seine Arbeit, klassifizierte die Sonne im galaktischen Leerraum und versuchte mehr über ihren Standort und ihre Eigenschaften herauszufinden. Bedingt durch die geringe Masse verläuft die Kernfusion von Wasserstoff nach Helium sehr langsam. Die Leuchtkraft der Roten Zwergsonne ist geringer als die von Jaimbaliz, die er als Vergleich heranzog. Dadurch ergab sich ebenfalls eine geringere Oberflächentemperatur. Ihre Strahlung wird vornehmlich als langwelliges Licht und Infrarotstrahlung abgegeben. Es war ein kleiner Leuchtstern, seine Eruptionen waren örtlich begrenzt, die Feuerstürme in denen jeder normale Stern auf der Stelle verschwunden wäre, bildeten nur kleine Wirbel auf seiner Oberfläche und gefährdeten den einsamen Planeten nicht, der ihn umkreiste. Wegen ihrer geringen Helligkeit können einzelne Rote Zwerge kaum über große interstellare Distanzen beobachtet werden.

Björn war sich daher bewusst, dass es eine besondere Auszeichnung war, sich der Roten Zwergsonne nähern und erforschen zu dürfen. So nah, wie es sonst kein anderer kann.

Diese Sonne war Milliarden Jahre alt. Um sie herum zogen Asteroidengürtel, die allesamt mal Planeten gewesen sein mussten. In genaueren Untersuchungen konnte er den Unterschied ausmachen und die verschiedenen Trümmerringe um die Sonne definieren. In den äußeren Ringen gab es jedoch Unterbrechungen, die bei dem Planeten endeten, der nun einsam seine Bahn um den Roten Zwerg zog. Björn kam zu der Einsicht, der Planet musste von außerhalb des Systems gekommen und von der Sonne eingefangen worden sein.

*

Stunden später, ein Wachwechsel hatte stattgefunden, und Björn und Pat schliefen in ihren Kabinen. In der Zentrale herrschte Ruhe, es lag im gleichen friedlichen Halbdunkel wie sonst auch, mit Ausnahme des Arbeitsplatzes von Peer und Petra. Jedenfalls, wenn es an Bord Nacht war. Still war es hier, von den leisen Hintergrundgeräuschen arbeitender Maschinen abgesehen. Die Mitte der Zentrale verschwand auf Grund des Holoschirms. Wenn jemand einen friedlichen mit Sternen übersäten Himmel erwartete, wurde getäuscht. Mehr als einmal vermisste Peer die Sterne der heimatlichen Milchstraße, wie sie vom Heimatplaneten aus zu sehen waren.

Peer hatte inzwischen wieder das Kommando übernommen und saß in seinem Kommandosessel auf der Brücke der CHARON. Von hier aus hatte er die besten Zugriffsmöglichkeiten auf alle Bereiche des Raumschiffes einschließlich der Bordbibliothek mit seinen Büchern, Hörspielen und Filmen. Im Augenblick hatte er für derlei Ablenkung keine Zeit. Er kontrollierte den Flug, den Standort des Forschungskreuzers und die Entfernung zum Forschungsschiff. Seit ein paar Stunden flog die CHARON im freien Fall durch die Schwärze des Alls. In der astrophysikalischen Abteilung, wenn man den Arbeitsplatz von Björn Hartmann so nennen wollte, herrschte fieberhafte automatisch ablaufende Tätigkeit. Die flackernden Kontrollen und die wechselnden Darstellungen am Bildschirm verrieten, dass sie ununterbrochen mit Daten überschüttet wurde. Sie deshalb, weil Petra seine Arbeit übernommen hatte. Die beiden Bildschirme warfen ihr fahles Licht auf ihr Gesicht. Peer nahm alles nur am Rande war. Denn in diesem Moment meldete sich die Zentrale der VASCO DA GAMA.

„Hier Forschungskreuzer CHARON“, meldete sich Kommander Peer Dexter Hegen. „Was ist der Grund für ihren Anruf?”

„Hier ist die VASCO DA GAMA“ meldete sich Ko Arimatsu. „Ich übergebe an Kommander Kobetic.“

„Hallo CHARON, hier ist Kommander Kobetic. Um es kurz zu machen, es handelt sich um ihre Besatzung. Ich möchte wissen, ob sich ein oder mehrere Besatzungsmitglieder eine Infektion zugezogen haben, die sich in roten, erbsengroßen Pusteln zeigt.“

„Aus welchem Grund?“

„Wir vermuten, das Leutnant Eigl der Verursacher einer Seuche geworden ist. Seit er an Bord ist, treten immer mehr Fälle gleichartiger Symptome auf. Hautausschläge, Fieber, bis hin zu einem Koma. Treten bei Ihnen gleiche Fälle auf?”

„Sie sehen mich überrascht. Bei uns ist alles in Ordnung. Aber ich frage bei Patricia Kress und Björn Hartmann nach, die befinden sich im Augenblick nicht in der Zentrale.” Er wandte sich ab und rief über den Armbandkommunikator die beiden Mannschaftsmitglieder an. Beide waren über die rüde Unterbrechung ihres Schlafes nicht erfreut, aber bestätigten ihre gute Gesundheit.

„Bei mir auch erst mal nicht“, wendete sich Rudolf Stein an Peer. Peer sah sich in der Kommandozentrale des Forschungskreuzers um. Zuerst fiel sein Blick auf seinen Stellvertreter Kurt, der nur mit dem Kopf schüttelte. Peer rief ebenfalls den Bordarzt an. Der beschied ihm eine Absage. Auch die anderen Besatzungsmitglieder schüttelten den Kopf. Anscheinend gab es keinen einzigen Infektionsfall. Peer wandte sich an die die Stellvertreterin des Expeditionsleiters der VASCO.

„Bei uns ist kein Fall bekannt Kommander Kobetic. Warum sollte auch so etwas auftreten? Wir sind alle putzmunter.“

„Wie bereits gesagt, ihr Mannschaftsmitglied, Leutnant Eigl, hat sich solche Pusteln zugezogen. Auf der VASCO treten vermehrt solche Fälle auf und wir vermuten, Leutnant Eigl ist derjenige, der zuerst damit in Berührung kam.“ Majorin Kobetic unterstrich mit der Hand ihre Erklärung. Das Bild in der Holoprojektion auf der Astroscheibe ließ sie erscheinen, als sei sie direkt an Bord. „Wir vermuten, er ist der Patient Null, bei dem die Auswirkungen einer fremden Infektion zuerst auftraten. Und weil er zu ihrer Besatzung gehört, liegt die Vermutung nahe, dass sie ebenfalls infiziert sind.“

„Wie sie mitbekommen haben, ist hier alles in Ordnung. Wie kommen Sie auf Ben? Gibt es Hinweise?”

„Er ist der Einzige, der von einem fremden Insekt gestochen wurde. Vor seiner Ankunft hatten wir keine Fälle.”

„Aber bei uns trat nichts auf. Warum ausgerechnet jetzt der Ausbruch?” Hegen schien nicht erfreut über die Auskunft. Vesna Kobetic sah ihn direkt an. Hegens Gesicht war ausdruckslos, aber er machte sich sicherlich Gedanken.