Winterwunder und Herzklopfküsse - Nancy Salchow - E-Book
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Winterwunder und Herzklopfküsse E-Book

Nancy Salchow

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Beschreibung

Ein Winterroman voller Gefühle, Liebeschaos und einer großen Portion Spaß. Siljas Leben könnte perfekt sein: Der Flirt mit ihrem attraktiven Kollegen Bodo scheint sich langsam zu etwas Ernsterem zu entwickeln, sie liebt ihren Job als Lektorin und ihr Haus auf dem Land, das gerade jetzt im Winter besonders heimelig ist. Sie schwebt im siebten Himmel – bis TV-Sternchen Mimmy nach einem Medienskandal bei ihr untertaucht und Siljas beschauliches Leben völlig auf den Kopf stellt. Zwischen Bücherregalen und Silikon-Pads droht schon bald das totale Chaos. Doch trotz des Aufpralls zweier Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, scheinen sich die beiden nicht grundlos gefunden zu haben. Denn manchmal braucht man etwas Hilfe dabei, um den wahren Sinn des Lebens zu finden – und die wahre Liebe. Und wer könnte dabei besser helfen als eine beste Feindin, äh, Freundin?

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Inhaltsverzeichnis

Über das Buch

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Epilog – Zwei Jahre später

Impressum

Nancy Salchow

Winterwunder und Herzklopfküsse

Roman

Über das Buch

Ein Winterroman voller Gefühle, Liebeschaos und einer großen Portion Spaß.

Siljas Leben könnte perfekt sein: Der Flirt mit ihrem attraktiven Kollegen Bodo scheint sich langsam zu etwas Ernsterem zu entwickeln, sie liebt ihren Job als Lektorin und ihr Haus auf dem Land, das gerade jetzt im Winter besonders heimelig ist.

Sie schwebt im siebten Himmel – bis TV-Sternchen Mimmy nach einem Medienskandal bei ihr untertaucht und Siljas beschauliches Leben völlig auf den Kopf stellt. Zwischen Bücherregalen und Silikon-Pads droht schon bald das totale Chaos. Doch trotz des Aufpralls zweier Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, scheinen sich die beiden nicht grundlos gefunden zu haben. Denn manchmal braucht man etwas Hilfe dabei, um den wahren Sinn des Lebens zu finden – und die wahre Liebe. Und wer könnte dabei besser helfen als eine beste Feindin, äh, Freundin?

Kapitel 1

Beflügelt von dem Wissen, diesen einen Menschen gefunden zu haben, der jede Lücke zu füllen und jede Sehnsucht zu stillen weiß, ließ er seine Hände durch ihr langes, lachsfarbenes Haar gleiten. Niemals hätte er es für möglich gehalten, mit welch anhaltender Intensität nicht nur der Körper, sondern auch die Seele begehren kann …

 

Die ersten polyphonen Töne von „Winter Wonderland“ vibrierten durch den Raum, während Schnee und Frost weiße Eisrosen ans Wohnzimmerfenster zauberten. Silja blickte vom Manuskript auf und erspähte, dankbar für ein wenig Abwechslung von den emotionsgetränkten Zeilen, ihren treusten Kontakt zur Außenwelt blau flimmernd auf dem Wohnzimmertisch.

„Was verschafft mir die Ehre?“, seufzte sie ins Telefon, als sie den Anrufer identifiziert hatte.

Tajo. Ihr jüngerer Bruder, der seit sieben Jahren in Berlin lebte und dort als freier Fotograf arbeitete, meldete sich so gut wie nie bei ihr. Und wenn dann nur, wenn er etwas wollte.

Nicht dass sie es ihm übelnahm. Sie war selbst niemand, der allzu häufig den Kontakt zu Freunden und Verwandten suchte. Die Arbeit als Lektorin war ihr Leben und beanspruchte – ihrer Meinung nach vollkommen zu Recht – den größten Teil ihrer Zeit. Doch ein Anruf von Tajo, der schätzungsweise alle ein bis zwei Monate stattfand, bedeutete in der Regel Stress.

„Schwesterchen!“, jubelte er. „Es ist so schön, dass ich dich erreiche.“

„Warum solltest du mich auch nicht erreichen?“, entgegnete sie kühl.

Sie liebte ihren Bruder abgöttisch, doch im Moment fehlte ihr eindeutig die Zeit für eines seiner nervenaufreibenden Anliegen, das zweifellos unmittelbar bevorstand.

Sie hatte ein 426 Seiten umfassendes Manuskript vor sich liegen, das darauf wartete, von ihr bearbeitet zu werden. Und sie hatte sich mit sträflicher Verzögerung erst bis zur Seite 17 durchkämpfen können.

„Na ja, du hättest ja auch im Verlag sein können“, verteidigte er sich, „oder bei einer Lesung oder es könnte sein, dass ...“

„Um ehrlich zu sein“, unterbrach sie ihn, „habe ich gerade den neusten Saluski vor mir liegen.“

„Der gute alte Willi.“ Tajo lachte zynisch. „Hat er inzwischen etwas an Männlichkeit gewonnen?“

„Ich habe dir schon mal gesagt, Wilmar ist nicht schwul. Er hat nur eine sehr emotionale Art, mit Worten umzugehen. Und die Frauen lieben seine Bücher.“

„Ich verstehe.“ Er unterdrückte ein Lachen. „Und als fachkundige Lektorin ist es deine Erfahrung im Bereich Liebe und Sexualität, die hier wieder mal gewinnbringend eingesetzt werden soll.“

„Kein Grund, sarkastisch zu werden. Klar ist es lange her, aber wenigstens hatte ich in meinem Leben schon richtige Beziehungen.“

„Du weißt ganz genau, dass auch ich schon ernsthafte Beziehungen hatte.“

„Na ja, den Nachnamen seiner Freundin nicht zu kennen, scheint mir doch etwas gegen diese Ernsthaftigkeit zu sprechen.“

„Das war ein Mal. Und sie war Russin. Da kann man so was schon mal vergessen. “

Sie räusperte sich. „Jetzt sag schon, Tajo. Was willst du?“

„Wie kommst du darauf, dass ich etwas wollen könnte? Wir haben schon so lange nicht mehr miteinander gesprochen und ich hatte einfach Sehnsucht.“

„Keine halbnackten Busenwunder, die du für irgendein Schundmagazin fotografieren musst?“

„Nicht heute“, antwortete er zögernd. „Aber wo du grad davon sprichst, die letzten Wochen waren tatsächlich etwas anstrengend. Ich habe praktisch rund um die Uhr gearbeitet und bin kaum zum Schlafen, geschweige denn zum Einkaufen gekommen.“

„Ich wusste es!“, fluchte sie.

„Es tut mir leid, Silly.“

Sie hasste es, wenn er sie so nannte.

„Mamas Geburtstag ist in drei Tagen, Tajo. In drei Tagen! Ich habe mich die letzten fünf Jahre darum gekümmert und da bist ein einziges Mal du an der Reihe, ein Geschenk zu besorgen und schon stehen wir im Regen. Woran ist es diesmal gescheitert? Hat Pop-Sternchen Emma Olago ein Baby vor dem Juwelier bekommen, als du gerade reingehen wolltest?“

„Siehst du, das ist der eindeutige Beweis. Du hast ohne nachzudenken sofort eine Idee. Schmuck! Da wäre ich sicher in hundert Jahren nicht drauf gekommen. Du hast einfach das viel bessere Gespür für solche Sachen.“

„Was nützt mir das Gespür, wenn mir die Zeit davonläuft?“ Silja klemmte das Handy zwischen Wange und Schulter und nahm einen Schluck aus der Wasserflasche.

Sie überlegte, wann sie das letzte Mal in der Stadt gewesen war. Ihr Kühlschrank war so gut wie leer und gegessen hatte sie schon seit Tagen nichts außer Cornflakes und Dosen-Ravioli. Vielleicht könnte sie ihren nächsten Einkauf tatsächlich mit einem Abstecher zum Juwelier verbinden. Vermutlich wäre die Sache ohnehin von Anfang an in ihren Händen besser aufgehoben gewesen.

Sie spürte die innere Aufregung langsam abflachen. Prinzip hin oder her. Schließlich kannte sie ihren Bruder und den üblichen Lauf der Dinge nicht erst seit gestern.

„Also gut“, sagte sie. „Ich krieg das schon irgendwie hin. Versuch aber wenigstens, ausnahmsweise pünktlich zu sein. Es ist ihr Geburtstag und sie hat dich seit vier Monaten nicht gesehen.“

„Du bist die Beste, Silly!“

„Ja genau, und vergiss das nie.“

Sie legte auf und warf sich samt Handy zurück aufs Sofa.

Das war wieder mal typisch für Tajo. Schon sein ganzes Leben lang – er war fast auf den Tag genau zwei Jahre jünger als Silja – hatte er es geschafft, die Verantwortung für Familienangelegenheiten auf sie abzuschieben. Dafür musste er noch nicht einmal große Erklärungsversuche unternehmen. Sie war seine Schwester und dieses Argument genügte, mittlerweile auch ohne ausgesprochen werden zu müssen.

Am meisten ärgerte sie aber, dass er recht hatte. Ganz abgesehen von dem Schmuck für ihre Mutter, den es zu besorgen galt, hing nun nämlich vor allem eines in der Luft: Der wieder wach gewordene Gedanke an ihr mittlerweile vierjähriges Single-Dasein, an das Tajo sie einmal mehr äußerst taktvoll erinnert hatte.

Sie war dankbar dafür, ihre Entscheidungen alleine treffen zu können und keine leeren Pizzaschachteln hinter dem vermeintlichen Mann ihrer Träume wegzuräumen, um sich dabei nach und nach selbst zu verlieren. Anders hatte sie den Status Beziehung nie kennen gelernt.

Nicht dass ihr Aussehen wenig ansprechend oder die Auswahl potenzieller Partner bescheiden war. Das kinnlange, dunkelbraune Haar, das ihr in verspielten Fransen ums Gesicht fiel, ihre zierliche Figur und die nicht gerade hochragenden 1 Meter 63 gaben ihr ein mädchenhaftes Aussehen, das beim anderen Geschlecht nicht selten eine Art Beschützerinstinkt zu wecken schien und Silja vor allem in der Anfangsphase einer Bekanntschaft besonders viel Aufmerksamkeit bescherte.

Am Ende landete sie jedoch immer wieder beim falschen Mann. Und mit jeder gescheiterten Zweisamkeit erkannte sie umso deutlicher, dass sie sich durchaus zu schade sein durfte für ein Geben, das für sie grundsätzlich ohne Nehmen stattfand. Ihr mittlerweile 29jähriges Dasein auf diesem Planeten hatte sie zumindest dies gelehrt.

Trotzdem zog sie es vor, nicht daran erinnert zu werden, allein zu sein. Alles war gut so, wie es war. Vor allem dann, wenn man nicht darüber nachdachte.

Sie erinnerte sich an das Manuskript auf der anderen Sofahälfte und zog den unteren Stapel, beginnend mit der emotional äußerst ausdrucksvollen Seite 17, langsam zu sich herüber.

Es war nicht der Tag für einen Saluski. Sie hatte nicht viel übrig für Gefühlsduseleien dieser Art, aber heute erschien ihr das brennend Sehnsüchtige in seinen bis ins kleinste Detail beschriebenen Facetten noch nervtötender als sonst.

Wenn es kein Tag für einen Saluski ist, dachte Silja, während sie aus dem Fenster schaute, ist es vielleicht ein Tag für Schmuck.

Kapitel 2

Das Mika's Monkee war nicht nur einer der angesagtesten Clubs in Berlin, es hatte ohne Zweifel auch die höchste Promidichte.

Ein zu dieser Dichte beitragender Dauergast war Mimmy Wels, umjubelte „Daily Soap“-Ikone, die als Garant für eine gelungene Partynacht in einem roten Minikleid aus Leder und schwarzen Plateau-Overknees, unterstützt von ihrer langen Blondmähne und makellosen Endlosbeinen, besonders schwere Geschütze auffuhr.

Es galt einen Mann zu finden, denn das Klatschspaltengespött haftete selbst drei Monate nach der Trennung von Eishockeyprofi Samuel Radin noch immer an ihr, dicht platziert neben den Schnappschüssen seiner neuen Flamme.

Das alles wollte sie heute hinter sich lassen. Eine neue Chance, der Welt – die dank zahlreicher Paparazzi auch an diesem Abend irgendwie anwesend war – zu beweisen, dass das Glück noch immer auf ihrer Seite stand.

Diesem Glück besonders nahe fühlte sie sich in ihrem Lieblingsseparee, das sie sich in der Regel mit den Kollegen ihrer Daily Soap Paulas Welt teilte, allen voran dem erst neunzehnjährigen Serien-Frischling Vicky, die seit ihrem Einstieg vor sechs Monaten in fast schon verklärter Bewunderung an Mimmys Fersen hing. Sie war ihre treue Begleiterin auf nahezu jeder Veranstaltung und hatte sich auch an diesem Abend dazugesellt, um ihr und Louis, Mimmys Liebhaber im Soap-Drehbuch und schwulem Langzeitgefährten im wahren Leben, mit verbalem Beifall das nötige Echo zu geben.

Nicht nur Mimmy trug das optisch nötige Rüstzeug, um dem auszufüllenden Mittelpunkt gerecht zu werden – auch Vicky, die sich mit Hilfe eines silbernen Paillettenkleides und einer wasserstoffblonden Hochsteckfrisur etwas zu bemüht in Szene setzte, und Louis, der sein tiefschwarzes Haar zurückgegelt hatte und seinen schlaksigen Oberkörper mit einem hellblauen Halbarmshirt betonte, machten das Bild des kleinen Stammtisches perfekt.

Neben den modischen Fehltritten, vertrauten Gesichtern und Cocktailritualen gehörte Mimmys Aufmerksamkeit heute jedoch besonders dem charmanten, dunkelhaarigen und äußerst attraktiven Mann im aubergine glänzenden Sakko, der seit etwas weniger als einer Stunde an der Bar stand und sich mit zwei anderen Mittdreißigern unterhielt.

„Was ist los, Schätzchen?“ Louis puffte ihr in die Seite. „Es gab Zeiten, da hast du dein Interesse ein bisschen eleganter offenbart.“

Mimmy schaute ihn irritiert an. „Was meinst du?“

„Na ja.“ Louis nickte in Richtung Bar. „Der Kerl da hinten. Du starrst ihn seit einer halben Ewigkeit an. Entweder du gehst jetzt zu ihm oder ich hole ihn her, aber diese peinliche Glotzerei ist ja nicht mehr mit anzusehen.“

„Ich habe nicht geglotzt“, protestierte Mimmy. „Er ist mir lediglich aufgefallen. War er vorher schon mal hier?“

Louis nahm einen Schluck von seiner Margarita. „Na ja, hier vielleicht nicht, dafür aber auf dem Cover unzähliger Frauenmagazine.“

„Nicht möglich!“ Mimmy schaute zur Bar und begann irritiert mit ihrer Analyse. „Das kann nicht sein. Ich dachte, er sieht ihm nur ähnlich …“

Vicky kicherte euphorisch in ihr Cocktailglas. „Oh mein Gott, Louis hat recht. Das ist Kevin Gerlich. Ich werd verrückt. Er sieht in natura ja noch viel besser aus. Den musst du dir schnappen, Mimmy!“

„Aber ist der nicht mit so einer Bierzelt-Hupfdohle zusammen?“, wunderte sich Mimmy.

„Von der Bierzelt-Hupfdohle zum Soap-Häschen ist es nur ein kleiner Schritt. Und ob er Single ist, kannst du nur erfahren, wenn du zu ihm gehst. Also …“ Louis zog sie von der Couch und gab ihr einen leichten Schubs, der ihr nach kurzem Zögern fast wie von selbst den Weg zur Bar ebnete.

 

 

*

 

 

Der vertraute Duft von Apfelkuchen und Zimtplätzchen hüllte das Haus in ein wohliges Gefühl von Heimat. Vor allem jetzt im Winter war es ihr besonders vertraut. Sie klopfte den Schnee von ihren Schuhen und schlüpfte in die Besucherlatschen, die neben der Garderobe standen.

Silja war gerne bei ihren Eltern, auch wenn ihre Besuche durch den Job im Verlag seltener geworden waren, doch noch immer überkam sie ein tiefes Gefühl von Wärme, wenn sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ.

„Mama? Papa? Seid ihr da?“

Sie trug das Geburtstagsgeschenk für ihre Mutter in der Manteltasche und einen Korb voller Schokomuffins in den Händen, als sie die Küche betrat.

„Silja!“, rief Gerda freudestrahlend und steckte ein Geschirrtuch unter den Griff der Ofentür. „Da bist du ja!“

Sie nahm ihrer Tochter den Korb ab und fiel ihr in mütterlicher Euphorie um den Hals. Um die leicht korpulenten Hüften trug sie eine weiße Küchenschürze, die die untere Hälfte ihres geblümten Kleides fast gänzlich verdeckte. Die silbrig schimmernden Locken lagen weich auf ihren Schultern.

„Alles Gute, Mama!“ Silja löste sich langsam aus der Umarmung und nahm das mit einer Seidenschleife versehene Schmuckkästchen aus ihrer Tasche. „Das ist von Tajo und mir. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“

„Ach, ihr sollt mir doch nichts schenken.“

Silja streifte ihren Mantel ab. „Sei nicht albern, Mama. Es ist dein Geburtstag.“

Sie übte den obligatorischen Griff in die Keksdose, fischte nach einem kurzen prüfenden Blick ein Walnuss-Plätzchen heraus und lehnte sich an die Küchenanrichte, während Gerda einen der goldenen Ohrringe aus dem Kästchen nahm.

„Oh wie hübsch, die kann ich zum 80. Geburtstag von Onkel Alois tragen. Ihr seid doch verrückt, Kinder!“

„Schön, wenn sie dir gefallen.“ Silja schaute zum Rosenstrauß auf dem Küchentisch und durch die offene Tür ins Wohnzimmer. „Apropos Kinder. Wo sind Papa und Tajo?“

„Dein Vater ist im Keller und führt wieder mal Gespräche mit seiner Eisenbahn ... Und Tajo ist oben.“

„Oben?“

„Ja. Er meinte, ich soll dich hochschicken zu ihm, wenn du da bist.“ Gerda hielt ein Messer unter den Wasserhahn, um den Apfelkuchen zu schneiden. „Er hat doch nicht schon wieder irgendwelchen Unsinn angestellt, oder?“

„Wie kommst du darauf?“

„Na ja, er war so merkwürdig vorhin. So durcheinander …“

Silja wurde bei diesen Worten ein bisschen nervös, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen. „Ach, du kennst ihn doch. Er hat sicher wieder Probleme mit irgendeiner Teilzeitflamme, die ich für ihn abservieren soll.“

„Du hast sicher recht“, seufzte Gerda. „Ich wünschte, er wäre ein bisschen vernünftiger. Ein bisschen mehr wie du.“

Silja gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Mach dir keine Sorgen, Mama. Es ist bestimmt alles in Ordnung.“

Während sie die Stufen hinaufging, versuchte sie, ihren eigenen Worten Glauben zu schenken. Was, wenn es mehr war als ein Beziehungsproblem und er tatsächlich wieder in irgendwelchen Schwierigkeiten steckte? Sie erinnerte sich nur allzu gut an den vergangenen Sommer, als sie ohne jede Vorankündigung mitten in der Nacht eine zweistündige Autofahrt auf sich nehmen musste, um ihn nach einer Schlägerei mit dem Drummer der Lemon Tigers, den er heimlich vor einer Bar fotografiert hatte, vom Polizeirevier abzuholen. Oder an die Fotoausstellung seiner Freundin, für die sie eine Einladung erhalten hatte und die in einem völligen Desaster endete, weil Tajo sie – wohlgemerkt eine halbe Stunde vor Ausstellungsbeginn – gebeten hatte, sich als Fotografin und die Werke als die ihren auszugeben, da die wahre Schöpferin mit einem Magen-Darm-Virus im Bett lag (was Silja aufgrund mangelnder Normalität im Leben ihres Bruders und seiner Freunde bis heute für eine Lüge hielt).

Sie ahnte auch dieses Mal nichts Gutes, hoffte jedoch inständig, dass sie das Haus ihrer Eltern am Ende des Tages mit derselben Unbekümmertheit verlassen würde, mit der sie es betreten hatte.

Sie fand ihn vor dem Dachfenster stehend in ihrem ehemaligen Zimmer. Sein dunkelblondes Haar, das er millimeterkurz unter einer grauen Flat Cap trug, und die ausgewaschenen Jeans, die seine hoch gewachsenen Beine umhüllten, spiegelten seine Lässigkeit auch optisch wieder.

Für einen kurzen Augenblick rief dieses Bild die Erinnerung an vergangene Jahre im Haus ihrer Eltern wach, als ihr Bruder noch den Großteil seiner Zeit damit verbrachte, heimlich mit einem Fernglas zum Fenster des Nachbarhauses hinüber zu spähen, in der Hoffnung, Betti Guttermann – den heimlichen Schwarm aus seiner Parallelklasse – nur ein einziges Mal im BH zu erwischen. Die Aussicht aus seinem Zimmerfenster bot hingegen einen eher dürftigen Anblick: Das schon damals – zumindest in den Augen eines dreizehnjährigen Teenagers – steinalte Ehepaar Richter, das den lieben langen Tag nichts anderes tat, als Schach zu spielen.

„Hey, raus aus meinem Zimmer!“, rief Silja lachend, als sie den Raum betrat. Doch schon beim ersten Schritt in seine Richtung merkte sie, dass etwas nicht stimmte.

„Was ist los?“, fragte sie verunsichert.

Er drehte sich um und schaute sie mit demselben eindringlichen Blick an, dem vor einigen Monaten eine lange Anekdote über die Konsequenzen seiner Verfolgungsjagd mit einem anderen Fotografen gefolgt war, der seine Kamera inklusive einiger äußerst aussichtsreicher Aufnahmen gestohlen hatte.

„Hast du Mama schon ihr Geschenk gegeben?“

„Ja.“ Silja setzte sich auf ihr altes, mit einem Überwurf aus blauer Alpaka-Wolle überzogenes Bett. „Sie hat sich sehr gefreut. Aber jetzt lenk bitte nicht ab.“

„Ich wusste nicht, dass ich ablenke“, entgegnete er monoton.

Sie schaute ihn mit hoch gezogenen Augenbrauen an.

Nach einem letzten Zögern zog er schließlich eine Tageszeitung aus der Innentasche seiner Lederjacke und drückte sie ihr schweigend in die Hand.

Ihr Blick fiel auf das Bild in der Mitte der Titelseite, das ein junges Paar in eindeutiger Pose auf dem Rücksitz eines Wagens zeigte. Sie erkannte ein rotes Kleid, blonde Haare, einen nackten Männerarm, irgendwo eine leere Champagnerflasche.

„Sollte mir das irgendetwas sagen?“, fragte sie irritiert. „Mal abgesehen davon, dass das ein sehr freizügiges Outfit für den Winter ist?“

Er deutete auf den dazugehörigen Artikel. „Lies!“

Sie begann:

„Mimmy Wels, 26, bekannt aus der TV-Serie Paulas Welt, wurde am frühen Samstagmorgen vor der Berliner Bar Mika's Monkee in verfänglicher Situation mit dem Schauspieler Kevin Gerlich, 34, gesichtet, der zuletzt durch den Kinoerfolg Sonnenkarussell von sich reden machte. Gerlich, der mit der Jungdesignerin Marla Kamp, 22, verlobt ist, die im kommenden Frühjahr ein Kind von ihm erwartet, streitet jeglichen Kontakt zu Wels ab. Er habe sie in der Bar flüchtig kennen gelernt, woraufhin sie ihn volltrunken bis ins Auto verfolgt habe. Er betonte außerdem die Vorfreude auf das gemeinsame Baby mit seiner Verlobten und dass in seinem Leben kein Platz sei für geltungsbedürftige Möchtegern-Schauspielerinnen, die bewusst Unwahrheiten verbreiten.“

Sie schaute Tajo ungläubig an. „Du hast mich hergeholt, um mir das zu zeigen? Ich kenne weder eine Mimmy noch eine Marla – und überhaupt: Wen interessiert so was? Irgendwo auf der Welt verhungern Kinder und die haben auf der Titelseite Platz für so einen Scheiß?“

„Sicher ist es Scheiß. Aber jetzt vergiss mal deine Prinzipien und versuch dir vorzustellen, dass diese Frau Opfer einer gemeinen Lüge geworden ist, die diesen Kerl und seine einfältige Freundin schützen soll, um gleichzeitig aus Mimmy einen skrupellosen, männermordenden Vamp zu machen.“

„Selbst wenn“, Silja faltete die Zeitung zusammen und legte sie zur Seite, „ich habe noch immer nicht die leiseste Ahnung, warum mich das interessieren sollte.“

„Weil Mimmy sich nichts vorzuwerfen hat. Sie hat ihn in dieser Bar kennen gelernt – ja. Aber er war derjenige, der in die Offensive gegangen ist, sie mit zu sich aufs Hotel nehmen wollte ... “

„Es hat sie sicher niemand gezwungen mitzugehen“, warf Silja bissig ein.

„Darauf sollte es vermutlich auch gar nicht hinauslaufen. Sie wollte ihn einfach nur näher kennenlernen. Ist das ein Verbrechen? Zumal er ihr weisgemacht hat, er sei noch zu haben? Findest du es nicht auch etwas fragwürdig, dass alle Welt ihr die alleinige Verantwortung dafür aufdrückt, während dieser schmierige Typ als Unschuldsengel dasteht?“

„Das einzig Fragwürdige hier ist dieses Gespräch, Tajo. Für den Fall, dass ich es noch nicht erwähnt haben sollte: Ich kenne diese Frau nicht und ich will auch nichts über sie wissen.“ Sie begann zu stutzen. „Woher weißt du das überhaupt alles? Hast du etwa dieses Foto geschossen?“

„Natürlich nicht. Ich würde niemals ein Foto von Mimmy machen. Zumindest nicht so eins.“

„Ihr kennt euch?“

Tajo setzte sich zu Silja aufs Bett.

„Mimmy und ich“, er hielt kurz inne. „Wir sind gute Freunde. Ich kenne sie noch aus der Zeit, als sie als Praktikantin beim Fernsehen gearbeitet hat. Bei dem Sender, der heute ihre Soap produziert.“

„Soap?“ Silja schaute ihn fragend an.

„In Momenten wie diesen frage ich mich, wo du dein bisheriges Leben verbracht hast.“ Tajo grinste fast unmerklich. „Paulas Welt. Musst du doch kennen.“

Silja zuckte mit den Schultern.

„Riesiger Marktanteil, gigantische Einschaltquoten. Die Leute lieben diese Serie“, fuhr er fort. „Und sie lieben Mimmy, weil sie Glamour in ihr tristes Leben bringt.“

„Na ja, wie glamourös ihr Leben ist, sieht man ja.“ Sie machte eine flüchtige Handbewegung in Richtung Zeitung. „Abgesehen davon verstehe ich nicht, warum du dich so über diesen Artikel aufregst. Ich meine, du verdienst doch selbst dein Geld damit, andere Leute in prekäre Situationen zu bringen.“

„Ich bringe die Leute nicht in prekäre Situationen, ich fotografiere sie dabei“, stellte er richtig.

„Das läuft auf dasselbe hinaus.“

„Verstehst du nicht, was ich dir versuche zu sagen, Silly?“ Tajo wurde energisch. „Bei Mimmy ist das etwas völlig anderes. Nichts mit any publicity is good publicity. Dieser Artikel zieht ihren Namen durch den Dreck und könnte möglicherweise ihren Job, ihre Existenz ruinieren. Die Leute vom Sender fürchten um Mimmys Glaubwürdigkeit. Sie spielt in der Soap ein unschuldiges Mädchen vom Lande, das sich gegen den Rest der Welt behaupten muss. Doch durch diese Schlagzeile bleibt einfach nur ein hemmungsloses Partyluder übrig, das sich sogar einem werdenden Vater an den Hals wirft. Niemand nimmt ihr die Rolle des anständigen Mädchens noch ab.“

„Aber ist sie als öffentliche Person Schlagzeilen wie diese nicht gewohnt?“

„Sicher. Aber Schlagzeilen sind eben nicht gleich Schlagzeilen. Da sind einmal die, mit denen du im Gespräch bleibst, die hilfreich für die Karriere sind. Und dann gibt es eben die Negativschlagzeilen, die sehr schnell zu Skandalen werden. Skandale, die dir unter Umständen das Genick brechen können, wenn du nicht aufpasst.“

Tajo stand auf und ging zum Fenster. „Das Foto ist durch sämtliche Blätter gegangen und jeder lauert darauf, Mimmy in die Finger zu kriegen. Sie auszusaugen, um die nächste Story zu drucken.“

„Außerdem ist sie nur in diese Bar gegangen“, fuhr er fort, „um sich über die gescheiterte Beziehung zu einem Eishockeyspieler hinwegzutrösten, der sie wegen einer Anderen verlassen hat. Aber ihr Plan, der Welt mit einem kleinen Flirt zu demonstrieren, dass sie wieder am Leben teilnimmt, ist voll nach hinten losgegangen. Von der Verlassenen ist sie plötzlich zur gewissenlosen Verführerin geworden – zumindest in den Augen der Medien.“

Silja wunderte sich über den Eifer, mit dem er versuchte, ihr die Lage dieser Frau klarzumachen. Sie war sich mittlerweile im Klaren über das Gewicht der Worte in diesem Artikel – doch was hatte das alles mit ihm zu tun? Und warum war es ein so großes Thema an einem Tag, an dem sie als Höhepunkt eigentlich den Apfelkuchen und die Zimtplätzchen ihrer Mutter anvisiert hatte?

„Aber wenn sie Freunde wie dich hat …“, versuchte Silja lindernd einzugreifen, um eine schnelle Beendigung des Themas bemüht.

„Freunde wie ich schaden ihr mehr, als dass sie ihr helfen“, fiel er ihr ins Wort. „Ich wohne in Berlin, genau wie sie.“

„Aber das ist doch gerade das Gute daran. Du bist direkt vor Ort und kannst für sie da sein.“

„Darum geht es ja. Wir sind eben genau an dem Ort, wo die Leute sie am besten im Auge haben. Wo sie darauf warten, dass sich etwas tut und Mimmy ihnen durch ihre bloße Anwesenheit neues Futter zuwirft. Und neues Futter bedeutet auch neue Schlagzeilen.“ Tajo sammelte sich. „Das Einzige, das uns jetzt helfen kann, ist ein neuer Skandal. Irgendein Ereignis in der Welt der High Society, das ablenkt und Mimmy aus dem Brennpunkt holt.“

„Zum Beispiel?“

„Keine Ahnung. Ein Vorzeigepromi im Drogensumpf, die plötzliche Trennung eines berühmten Pärchens. Was weiß ich. Es muss nur groß sein. Groß genug, um alles andere in den Schatten zu stellen.“

Er nahm die Zeitung vom Bett und starrte auf das Bild, als würde es ihm helfen, eine Lösung zu finden, wenn er es nur lange genug anschaute.

---ENDE DER LESEPROBE---