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Wir drei Könige - Auf den Spuren des Sterns. Was mag es sein, dass drei Fremde aus dem Morgenland vereint und auf denselben Pfad leitet?Welche Mysterien mögen sich auf einer solchen Reise off enbaren... welche Weisheiten ausgetauscht werden?Und wie kam es, dass drei Könige und Weise einem Stern folgen, der sie zu einem Stall bei Bethlehem führte?In diesem Buch geht es um die Geschichte der heiligen drei Könige. Es erzählt von ihrer abenteuerlichen Reise auf dem Pfad des wandernden Sterns, von verschiedenen Weltansichten und von den vielen prägenden Gesprächen - der Grundlage des Austausches von Wissen und Weisheit.Wenn auch basierend auf der Bibelgeschichte und der Historie der damaligen Zeit, erzählt der Autor hier jedoch eine fi ktive Geschichte aus einer Welt regiert von Königen und Kaisern, von Gött ern und dem Glauben an Übernatürliches, an Magie ... an Wunder.
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Seitenzahl: 193
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Auf den Spuren des Sterns
Impressum
© 2022 Fabian Eder
Layout und Satz: grafik20.at
Fotos: Unsplash, Midjourny
Herausgeber, Verlag:
Herbert Schnalzer, Lifebiz20 Verlag
Frösau 17, A-8261 Sinabelkirchen
www.lifebiz20.academy/verlag
Grafische Qualitätskontrolle:
Markus Ponhold
www.grafik20.at
ISBN Softcover: 9783903440227
ISBN E-Book: 9783903440395
Wir drei Könige
Kapitel 1: Drei Fremde
Kapitel 2: Bedeutung
Kapitel 3: Ein schlechtes Omen
Kapitel 4: Reisegeschichten
Kapitel 5: Die Verantwortung des Wissens
Kapitel 6: Gefährliche Pfade
Kapitel 7: Die Flammen der Wahrheit
Kapitel 8: Drei Könige
Kapitel 9: Die Klagen der Nacht
Kapitel 10: Die Schlange und der Heiler
Kapitel 11: Die blinde Frau
Kapitel 12: Der Mann im Moor
Kapitel 13: Der Rabe am Fenster
Kapitel 14: Der Quacksalber
Kapitel 15: Azad und der Löwe
Kapitel 16: Der dreibeinige Schakal
Kapitel ??: Zwischenspiel
Kapitel 17: Gespräche mit dem Tod
Kapitel 18: Die Prüfung
Kapitel 19: Eklides
Kapitel 20: Der machtlose Zauberer
Kapitel 21: Bethlehem
Kapitel 22: Der wandernde Stern
Kapitel 23: Die höchste Tugend
Kapitel 24: Epilog
Ein sehr überschaubares, aber nicht unwichtiges Vorwort:
Dieses Werk soll die bisher kaum verbrauchte Geschichte der Heiligen Drei Könige erzählen, und das nicht aus biblischer, sondern eher aus menschlicher Sicht. Das soll heißen, dass hinter diesem Werk zwar sowohl historische als auch theologische Recherche steckt, es sich aber um ein fiktives Werk mit genügend Freiheiten für eine gute Geschichte handelt, gewürzt mit vielen guten Gesprächen.
Mein Anliegen ist es, euch, ihr werten Leser, zum Nachdenken zu inspirieren und euch mit jedem der Kapitel eine neue kleine Weisheit nahezubringen … und wie ginge das besser, als etwas aus der Sicht so verschiedener Persönlichkeiten zu erzählen, wie die drei Könige es nun einmal sind? Möget ihr in diesem Werk suchen und finden, wie es auch die Protagonisten taten, und ich wünsche dabei sowohl freudige Faszination als auch Vergnügen!
Eine kleine Danksagung an dieser Stelle muss jedoch noch ihren recht verdienten Platz finden, denn ohne die zahlreichen Menschen, welche mich inspiriert, unterstützt und meine fünfzehn Nebensätze mit zumindest einem Punkt getrennt haben, wäre all dies nicht möglich gewesen. Also ihr – Ja, ihr, fühlt euch ruhig angesprochen! … Ich danke euch aus ganzem Herzen!
Man sagt, Feuer ist das lebende Element …
Wasser spendet Leben und birgt Mysterien, die dem Menschen verschlossen bleiben, folgt aber seinem Fluss ergeben hin zu seinem Ziel. Stein ruht in sich und verkörpert die Ewigkeit; er wahrt Erinnerungen, welche weit über jene unserer Generationen hinaus reichen und wird alles, das wir zu wissen glauben, überdauern. Der Wind beobachtet und trägt Geschichten von einem Ort zum Anderen, sei es in Form von Gewisper, welches in den Ästen der Bäume hängen bleibt, oder in der Gestalt von Sandkörnern eines weit entfernten Landes. Das Feuer jedoch lebt selbst! Es atmet und sucht, es verlangt und es bittet, es wärmt und es verschlingt. Es stand am Beginn der Zeit, als die Dunkelheit dem Lichte wich, und sollte es erlöschen, wird alles wieder in eben jener verschwinden. Manche sagen, die Flammen kennen die Zukunft oder die Wahrheit, doch wer soll das wissen … außer dem Feuer selbst.
Der flackernde Schein des großen Lagerfeuers, welches an der Küste des persischen Golfes bei einem kleinen Fischerdorf errichtet worden war, zeichnete nur schwerlich die Konturen der Gesichter aller Männer, die sich darum versammelt hatten.
Sollte dieses Feuer bereits gewusst haben, dass die Schicksale dieser Wanderer miteinander verwoben waren – ja, sollte es geahnt haben, welche Bedeutung ihre gemeinsame Zeit für jeden Einzelnen haben sollte –, so gab es das nicht zu erkennen. Es knisterte nur geheimnistuerisch vor sich hin und trug so das Seinige zu der abendlichen Stille bei.
Nun, die dreizehn Fremden, welche nur und ausschließlich der Zufall zusammengebracht hatte, ahnten jedenfalls nichts davon, so viel sei gewiss.
Sie alle waren auf der Durch- oder Abreise und gekleidet wie gewöhnliche Händler, mit schlichten Gewändern aus farbigen Stoffbahnen, mit Kapuzen und Turbanen und mit Kamelen, deren Sättel unzählige Taschen trugen. Drei der Reisenden waren aber dennoch auffällig anders … Doch mitnichten waren sie besonders bunt gekleidet, noch taten sie irgendwelche absonderlichen Dinge, nein, es war etwas, das in ihrem Wesen lag. Etwas Auffälliges wirkte in ihren stets bedachten Gesten, eine verborgene Würde, ruhend in ihren Zügen, und ein Schimmer des von Wissen, Weisheit und Mysterien glimmenden Geistes leuchtete stets hinter ihren wachen Augen.
Irgendwann ward einem von ihnen, dem mit Abstand ältesten der am Feuer Speisenden, die wortkarge Stille zu viel. Sein langer, schneeweißer Bart umrahmte würdevoll ein großväterliches Gesicht, dessen auffällige Lachfalten von einem humorvollen Charakter zeugten. Auf seinem Haupt thronte ein hoher, weißer Turban, unter dem die samtig weißen Haare bis zu den Schultern hinab fielen. Die warmen und freundlichen Augen des greisen Mannes strahlten voller Lebensgeister in der Farbe von goldenem Bernstein, den man vor eine Kerze hält.
Er legte sein Stück Fladenbrot auf den Holzteller und erhob heiter die Stimme, welche einen alten, weisen Klang hatte – durchtränkt von Erfahrungen und Wissen:
„Nun, ich bin schon weit gereist in meinem Leben, aber eine solch große Gruppe waren wir jenseits der bekannten Karawanenplätze und Städte schon lange nicht mehr! Gestattet mir, mich vorzustellen: Ich bin Melkan, ein persischer Gewürzhändler und Gelehrter. Ich suche allerwelts nach Weisheit und Erleuchtung und nichts vermag mir mehr Freude zu bereiten, als neue Gesichter mit neuen Geschichten kennen zu lernen! Erlaubt mir auch, euch meine fünf treuen Begleiter vorzustellen, welche ihr an meiner Seite schmausen seht!“ Er tat dies freudig mit Namen, Berufungen und einem vertraulichen Maß an Überschwang, bevor er weitersprach: „Darf ein neugieriger, alter Mann wie ich erfahren, was so viele Reisende in so ein kleines Dorf am Meer treibt?“
Dabei ruhte sein Blick vor allem Anderen auf dem mysteriösen Araber, der ihm gegenüber saß. Dieser etwas unheimliche Mann war in rotschwarze Gewänder gehüllt, ebenfalls mit einem gleichfarbigen Turban, den ein roter Stein zierte, der das Feuer voller Vorahnung funkelnd spiegelte. Das schmale Gesicht des arabischen Reisenden schien düster und ernst, ob des schwarzen dichten Bartes, der langen schwarzen Haare und der starken Augenbrauenpartie. In den Händen hielt er einen kurzen Stab aus einem gewundenen Wüstenholz, welcher der Form nach so aussah, als würde sich eine Schlange um ihn wickeln. Die helle Oberfläche des Artefaktes war mit mysteriösen Zeichen versehen. Doch der alte Melkan hatte eine aus jahrelanger Erfahrung genährte Intuition, was die Gesinnung der Menschen betraf, und so verrieten ihm die leuchtenden Augen des Mannes, in deren tanzenden Grüntönen man sich verlieren konnte wie in einem dichten Nebel, dass es sich um einen guten Menschen mit guten Absichten handelte, denn in ihnen spiegelten sich weder Arglist noch Böses wieder.
Der Araber erwiderte den Blick schweigend und ließ der entstandenen Stille mehr Raum, als es so mancher am Feuer als angenehm empfand. Teils schienen sie gar nicht sicher, ober er Melkan überhaupt wahrgenommen hatte. Doch dann räusperte er sich schließlich und antwortete mit tiefer Stimme, welche sich wie ein Mantel aus Geheimnissen über das kleine Lager legte und mit ihrem dunklen Klang das Feuer zu dimmen und die Geräusche der Nacht zu vereinnahmen schien:
„Nennt mich Baltasar aus Arabien, Freund. Auch ich bin Händler und Gelehrter, doch führt mich heute Zweiteres an diesen Ort.“ Baltasar hob den Blick versonnen hinauf zum Nachthimmel. Der alte Melkan nickte wissend und auch er betrachtete ehrfürchtig den hellen Stern, welcher mit einem geisterhaften Schweif aus Licht über das Firmament zog. Schon seit über einer Woche war dieses Wunder zu sehen.
Nach ein paar Augenblicken anhaltender Stille, in denen jeder der Reisenden den wandernden Stern betrachtete, sprach Baltasar weiter:
„Ich bin ein Suchender, ständig hungernd nach Wissen und Mysterien, und dieses hat mich vollkommen in seinen Bann gezogen. Ich habe vor, dem wandernden Stern zu folgen, und diese fünf Männer begleiten mich.“
Auf einen Wink hin stellten sich diese selbst sich mit Namen vor und widmeten sich dann wieder ihren Speisen. Melkan nickte zufrieden und meinte strahlend: „Dann führt uns ja dieselbe Neugier an dieses beschauliche Örtchen! Wunderbar … welch besserer Grund könnte Fremde zusammenführen als ein wirklich gutes Rätsel?“
Baltasar nickte und nun wanderte sein Blick zu der letzten Person, welche noch am Feuer saß und bisher kein Wort gesprochen hatte. Die Haut des Fremden war so dunkel wie Kohle und seine hellen Gewänder mit der weiten Kapuze bildeten einen starken Kontrast dazu. Auch das markante, vollkommen haarlose Gesicht war mit weißen Zeichnungen versehen und kleine Erhebungen, wie Steinchen unter der Haut, verliefen dort, wo Augenbrauen wachsen sollten. Zu alledem war der auffällige Kerl auch mindestens zwei Köpfe größer als jeder Andere der Anwesenden. Eine Aura der Ruhe und der Stärke umgab ihn und ließ ihn noch größer und seine Schatten noch länger erscheinen.
Der Araber nickte in seine Richtung und fragte Melkan: „Ist dies euer Sklave? Ihr scheint ihm ein guter Herr zu sein, wenn er solch kostbare Kleider tragen darf!“
Melkan schüttelte verdutzt den Kopf, doch bevor er etwas erwidern konnte, ergriff der Fremde selbst das Wort. Er sprach in ruhiger, klarer Stimme. Sein singsangartiger Akzent schien die Geschichten aller Winde zu verstehen und klang doch ruhig und fließend wie ein mäandrierendes Gewässer:
„Ihr dürft mich Ghasar nennen, werte Herren, doch – mit Verlaub – bin ich kein Sklave. Ich bin ein Spiritueller und Gelehrter aus Nubien und suche wie auch ihr nach Weisheit und Erleuchtung.“ Auch er hob kurz den Blick auf den wandernden Stern, welcher sich hell in den fast schwarzen Augen spiegelte, so wie sich auch das Feuer und die verwirrten und beschämten Gesichter der Anderen in ihnen wieder spiegelten, doch er senkte ihn rasch wieder:
„Ich kam hierher, um über das Meer zu setzen, doch vor sieben Tagen erschien dieser Geist am Himmel und nun führt er mich wieder zurück in die Richtung, aus der ich gekommen bin.“
„Bitte verzeiht, Gelehrter“, tat Baltasar mir einer tiefen Verneigung kund und man sah ihm das Bedauern an, „mein Urteil war schnell und unüberlegt. Ihr wart allein, habt nicht gesprochen und beim Aufbau des Lagers so viel und fleißig geholfen, als wäre dies euer Tagewerk.“
Ghasar zeigte ein brüderliches Lächeln und hob beschwichtigend die Hände: „Sorgt euch nicht, ihr könnt mich nicht mit etwas beleidigen, dass ihr nicht besser wusstet, ich hätte mich ja auch früher schon vorstellen können. Es gibt nichts zum Verzeihen!“
Da ergriff der alte Perser wieder das Wort und die Euphorie war ihm deutlich anzuhören: „Nun, wie ich dass sehe, meine werten Freunde, sind wir dann wohl alle auf demselben Weg und folgen dem wandernden Stern nach Westen.“, er fuchtelte dabei wild und begeistert mit den Händen herum, „Was würdet ihr dazu sagen, wenn wir fürs Erste einmal gemeinsam reisen? Es ist sicherer, in einer großen Gruppe, und ich brenne darauf, mehr über eure Kulturen zu erfahren! Ich meine, wie oft ist es schon drei Gelehrten aus drei verschiedensten Himmelsrichtungen vergönnt, zusammen zu wandern und dabei die Zeit zu haben, sich ausgiebig auszutauschen?!“
Ghasar nickte zustimmend und seine dunklen Augen zeigten ehrliche Freude, auch wenn seine Gesichtszüge ruhig blieben.
„Ein weiser Vorschlag, Melkan aus Persien, dem kann ich nur lebhaft beipflichten!“, polterte Baltasar zufrieden. „Mögen uns die Götter leiten und zu Wissen führen, welches nicht nur unser aller Hunger stillt, sondern auch unseren Völkern Kraft und Stärke bringen möge!“
Bevor das Feuer erlosch, breitete Melkan einen blauweißen Teppich am Boden aus und begann summend darauf zu meditieren. Baltasar wickelte sich bunte Seidenbänder um die Hände und um den schlangenartig gewundenen Stab, den er immer bei sich trug, während er begann, Zeichen in den Boden zu ziehen. Dazu sang er in seiner dunklen Stimme ein fremdartiges Lied. Ghasar jedoch erhob sich lautlos und wanderte in die Dunkelheit der Nacht, wo er auch bis zum ersten Licht des Tages verschwunden blieb.
Gemeinsam zog die Gruppe als Karawane mit vierzehn Mann und sechs Kamelen am folgenden Tage los. Einer der Fischer hatte sich ihnen noch früh Morgens angeschlossen, ein junger Bursche, welcher wohl sein Elternhaus verlassen und die Welt sehen wollte; sein Name war Azad. Der Junge war bescheiden und hilfsbereit, hörte gerne zu und ging auf leisen Sohlen.
In dem kleinen Dorf in Küstennähe erwarben sie bereits etwas Proviant und im Laufe des ersten Tages kamen die Reisenden noch an zwei weiteren Siedlungen vorbei und hatten so genügend Gelegenheiten, sich mit Verpflegung und Wasser aus den noch zahlreichen Brunnen zu versorgen. Schließlich es war nur schwerlich vorherzusagen, wie viel sie davon weiter landeinwärts noch finden würden, da niemand den genauen Pfad, dem sie folgen würden, bereits kannte.
Das Land entlang der Küste wurde von kühlen Winden und den gelegentlichen Regenschauern, welche diese mit sich brachten, fruchtbar gehalten und daher siedelten viel Menschen in der Golfregion. Es wurde Ackerbau und Viehzucht betrieben und die Leute führten ein beschauliches und ruhiges Leben, solange sie die vom Meer gesandten Stürme verschonten.
Die drei Gelehrten ritten stets beisammen. Gemeinsam sprachen sie über neun Sprachen und konnten sich dementsprechend mit fast allen Seefahrern, Einheimischen, Reisenden und Händlern unterhalten, vollkommen egal, von wo diese stammten. Der alte Melkan ließ sich auch keines dieser Gespräche entgehen, denn er liebte es, sich mit den Menschen auszutauschen und Neuigkeiten zu erfahren!
Generell war Melkan der Gesprächigste der Truppe. Er plauderte munter und froh vor sich hin und fand an jeder Ecke etwas, worüber er sich wundern oder freuen konnte. Sein Wesen vereinte die Freude eines Kindes, welches jeden Tag so lebt, als sei es der Erste, mit der Weisheit eines Greises, welcher einen klugen Rat oder einen alten Spruch für alles und jeden parat hat, der nicht schnell genug die Flucht ergreift. Doch niemand störte sich daran, denn seine Begeisterung war ansteckend und sein Wissen umfangreich und weit gefächert.
Baltasar war deutlich ernster. Nur manchmal, wenn ihn eine Thematik besonders interessierte oder verblüffte, nahm er wirklich an einem Gespräch teil – dann aber mit solch einer Inbrunst und Vehemenz, dass ihn wohl selbst ein geblasenes Horn nicht übertönt oder aus dem Konzept gebracht hätte. Auch er war sehr belesen und hütete einen großen Wissensschatz, doch war er auch deutlich sparsamer damit. Ansonsten gab sich der Araber aber eher still und geheimnisvoll, er sprach gerne in Rätseln oder ließ Unklarheiten einfach im Raum stehen. Je ratloser die Mienen seiner Gefährten blickten, desto zufriedener schien er zu sein, und gerade der junge Azad nährte diese kleine Freude, wann immer er nur konnte.
Ghasar erwies sich, einmal aufgetaut, als guter und williger Zuhörer und wenn er sprach, so tat er dies nicht laut, aber alle anderen wurden ruhig und lauschten seinen melodiösen Worten – ja, selbst die Kamele hielten dann mit ihrem Geblöke inne, bis er fertig war. Der Nubier kannte viele Geschichten und tat er einmal seine Meinung zu etwas kund, so war diese stets bedacht und jedes Wort sorgsam ausgewählt. Der Hüne schien jedoch Dinge zu sehen und zu hören, welche den anderen verborgen blieben … Oft sah er plötzlich in eine Richtung, nur um dort die leere Luft zu betrachten, oder flüsterte leise in seiner Muttersprache zu Menschen, die gar nicht da waren. Auch mit den Bergen und den Bächen, den Bäumen und dem Himmel selbst schien er zu sprechen, als könnten sie ihm antworten.
Dafür sprach Baltasar viel mit den Tieren, den Kamelen der Karawane, aber auch den Vögeln und den Katzen und jeder der dies beobachtete, konnte sich kaum des Gefühles erwehren, dass ihn diese auch verstanden.
Azad Fischerssohn war wie bereits erwähnt sehr jung und verstand daher kaum ein Wort, welches die Gelehrten von sich gaben, wenn sie über Karten und Wege, über alte Schriften und Lehren oder über die Rätsel der Natur sprachen. Doch er verhielt sich still, lief neben den Kamelen der drei Weisen her und sog alles Gehörte in sich auf, selbst wenn er es nicht verstand. Ein Wissensdrang, welcher selbst über die natürliche Neugier der Jugend hinaus zu gehen schien, war dem Knaben zu eigen und in den ruhigeren Abschnitten der Reise versuchte er sich das Aufgeschnappte zu erklären und zu merken, so gut er nur konnte.
Auch am folgenden Tag durchquerten sie einige Dörfer und blieben schließlich, als das Licht der Sonne bereits ein abend-verheißendes Rot annahm, in der Nähe des Hafens, welcher in der Beuge des Golfes lag, um dort ihr Nachtlager zu errichten. Wie schon den Abend zuvor setzten sich die drei Gelehrten erst zum Lagerfeuer, nachdem sie den wandernden Stern ausgiebig studiert und seine Richtung einstimmig festgelegt hatten, um so den Kurs für den nächsten Tag zu bestimmen.
Vor dem Essen zog Baltasar einen Kreis in den lockeren Boden, welcher das ganze Lager umringte und sang leise eines seiner unheimlichen Lieder. Selbstverständlich tat er diese Arbeit mit seinem kurzen, schlangenartigen Stab. Erst dann setzte er sich zu den Anderen, aber natürlich ohne ein Wort der Erklärung.
Melkan aus Persien half bei der Zubereitung der Speisen und würzte sie mit unzähligen Pulvern und Kräutern, welcher er kundig und ohne sich einmal zu vergreifen aus den unzähligen Taschen zauberte, die er überall zu lagern schien. Danach duftete das gebratene Fleisch traumhaft und das frische Fladenbrot schmeckte nicht mehr fad und einseitig, sondern nach Kräutern und Kümmel.
Ghasar betete vor jeder Speise in seiner Muttersprache und erwies sich auch weiterhin als ausgesprochen fleißig, wenn es darum ging, beim Lagerbau oder dem Abladen der Kamele zu helfen. Er war generell sehr hilfsbereit und ungewöhnlich kräftig! Azad staunte nicht schlecht, als er sah, wie der Mann einen Kamelsattel, inklusive der Taschen, scheinbar mühelos von dem Tier hob, wo den Abend zuvor zwei Männer gemeinsam es nur unter Ächzen und Fluchen zu Wege brachten. Auch schien er nie müde oder erschöpft zu werden …
Als sie dann beieinander saßen und aßen, stellte der junge Azad die Frage, welche ihm schon seit zwei Tagen auf der Zunge brannte, und vielleicht war es das erste Mal, dass er laut genug sprach, dass ihn mehr als nur die nahestehendste Person hören konnte:
„Meine Herren, ich bin nur der Sohn eines Fischers und daher muss ich fragen, was alle hier zu wissen scheinen … was ist das für ein Licht am Nachthimmel? Wohin wandert es und was ist seine Bedeutung?“
Melkan war schon dabei Luft zu holen, um zu antworten, doch die donnergleiche Stimme Baltasars kam ihm zuvor:
„Das, Azad, ist ein fallender Stern! Er wurde von den Göttern entsandt, um uns Kraft und Wissen zu geben! Er wird uns an einen Ort führen, wo sein Licht auf die Knochen des Schafes scheint, welche die Priester geweiht haben. Wir folgen dem Stern, um dort diese Gebeine zu werfen und im Lichte des Götterfunkens die Zukunft und die Wahrheit zu lesen, denn Antworten bekommt man nur durch Hingabe und Opferbereitschaft.“
Er blickte zu Melkan, doch anstelle der erwarteten Zustimmung zeichneten Skepsis und Verwirrung die Züge des alten Persers. Nun selbst irritiert und etwas ungehalten frage der arabische Gelehrte: „Habe ich etwas Wichtiges vergessen, mein Freund?“
Melkan räusperte sich schnell: „Ach nein, nein, ich … ich muss nur gestehen, Baltasar, dass ich etwas anderer Ansicht bin. Die Griechen und Seidenhändler aus dem fernen, fernen Osten, mit denen mein Volk korrespondiert, sind sich beide einig, dass es sich bei solchen Erscheinungen um Drachen handelt. Sie fliegen über den Nachthimmel, und wer sie studiert, wird zu Weisheit und zu Erleuchtung kommen – ja, vielleicht wird er sogar zu sich selbst finden! Natürlich ist all dies ungewiss und niemand weiß, wie diese Drachen aussehen, aber fest steht, dass diese Phänomene hier sind, um studiert und beobachtet zu werden. Es ist die Achtsamkeit und die Erweiterung des Geistes, welche dann letztlich die Antworten bringt.“
Baltasar sah drein, als hätte ihn ein Kamel getreten. Kurz schwieg er, dann brach er in polterndes Gelächter aus. Nun wäre es an Melkan gewesen, beleidigt zu sein, doch wenn er es war, so gab er es nicht zu erkennen.
„Drachen?!“, setzte Baltasar nach. „Das sind schlangenartige Ungetüme, denen die Menschen das Feuer stahlen, aber doch keine göttlichen Boten der Weisheit! Bitte, Melkan, das kann nicht Euer Ernst sein, das ist schlichtweg lächerlich!“
„So?“, entgegnete der Alte ruhig. „Und die Zukunft aus den Knochen toter Tiere zu lesen ist das nicht?“
Baltasars Heiterkeit erlosch wie eine ausgeblasene Kerzenflamme. Mit grimmiger Miene deutete er drohend auf den greisen Melkan:
„Wagst du es etwa, die hohe und geheime Kunst meiner Ahnen anzuzweifeln?“ Er erhob sich und wollte auf Melkan zugehen, doch Ghasar legte ihm eine Hand auf die Schulter und hielt ihn fest. Die Pranke des Nubiers war groß und hätte wohl selbst ein durchgehendes Kamel am Fortgehen gehindert; Baltasars Augen weiteten sich ob der Krokodilbissgleichen Kraft des Griffes. Ghasar jedoch war keine Anstrengung und kein Aufwand anzusehen, noch eine Gemütsregung. Er sprach ruhig und besonnen, aber auch bestimmt:
„Der gute Melkan hier hat dir nicht weniger Respekt erwiesen als umgekehrt! Friede, Baltasar, dies sollte ein Austausch von Wissen und Meinungen sein, kein Glaubenskrieg, es sei denn, einer von euch hat einen eindeutigen Beweis für das, was er behauptet …“
Der Araber blickte voller Streitlust in die dunkeln Augen des Nubiers, doch sah er dort nur sein eigenes Gesicht, welches sich durch den Feuerschein darin spiegelte. Eine wutverzerrte Fratze, näher an einem störrischen Kind denn an einem weisen Gelehrten. Er senkte das Haupt aus Scham und Einsicht. Ihm war klar, dass der Nubier recht hatte und dass er sich ohne dessen Einwilligung wohl ohnehin keinen Schritt mehr bewegen konnte, egal in welche Richtung.
„Bitte verzeiht mir, Melkan aus Persien, ich habe mich vergessen!“, sprach er demütig. „Meine Ehrfurcht vor dem Wissen meiner Ahnen hat mich geblendet, so dass nicht zu sehen bereit war, dass es auch andere Wahrheiten gibt auf der Welt. Ich kann sehr hitzig werden, wenn es um die alten Weisheiten meiner Familie geht, und mir ist klar, dass dies ein Makel ist.“
Der Nubier nickte zufrieden und gab Baltasar frei, der sich nun, die Schulter langsam kreisend, wieder setzte. Melkan lächelte großväterlich und es war keine Spur an Zorn oder Verärgerung in seinen Zügen zu erkennen.
„Vergeben und Vergessen, mein Freund. Ich weiß, dass meine Antwort kindisch war, und ich wollte Euch nicht kränken. Ich vergesse gerne, dass manche Menschen viel stärker an ihrem Glauben hängen, als ich es tue, so verzeiht bitte auch mir! Aber wie ihr sagtet, hat die Wahrheit viele Gesichter und unsere Aufgabe als Gelehrte ist es, Wissen zu erlangen und zu finden. Zu starke Überzeugungen und voreilige Meinungsbildung könnten uns auf diesem Weg blenden und den Blick auf die Wahrheit verschleiern, vielleicht sogar auch noch andere Menschen auf den Pfad eines Irrtums bringen.“ Dies sagte Melkan wohl auch zu sich selbst, denn seine Stimme war immer leiser geworden und sein Blick entglitt in die Ferne. Baltasar nickte zustimmend: „Ihr sprecht weise, wir Gelehrten sollten nur voller Bestimmung sprechen, wenn wir etwas wirklich wissen, nicht wenn wir etwas glauben wollen.“ Dann wandte der er sich an Ghasar: „Und was ist Eure Meinung, Freund? Nun würde mich eine dritte Ansicht zu diesem Mysterium brennend interessieren!“
Ghasar zuckte aber nur mit den Schultern: „Ich maße mir nicht an zu wissen, was der Geist von mir will, noch habe ich eine Meinung zu dem Absichten, die er verfolgen mag. Er ruft mich und ich folge, die Bedeutung seines Erscheinens werde ich noch früh genug erfahren, so denn ich mich als würdig erweise …“