Wir müssen reden – aber richtig! - Robert Burdy - E-Book

Wir müssen reden – aber richtig! E-Book

Robert Burdy

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Beschreibung

Unser Leben wird von Kommunikation bestimmt. Wir sind immer und überall im Austausch mit anderen. Und doch setzen wir uns kaum damit auseinander, wie wir kommunizieren. Dabei könnten wir mit dem richtigen Wissen nicht nur besser verstanden werden, sondern dabei auch noch unsere Beziehungen stärken. Robert Burdy räumt mit der größten Kommunikationsfalle überhaupt auf: der Idee, dass Kommunikation reine Kopfsache sei. Vor allen Dingen zeigt er aber, welch enorme Wirkung wir mit emotional intelligenter Kommunikation erzielen. Dank acht goldener Kommunikations-Tools wird bald aus jedem Gespräch eine Win-Win-Situation. Eine praktische Anleitung zu einem besseren zwischenmenschlichen Miteinander in allen Lebensbereichen.

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Robert Burdy

WIR MÜSSEN REDEN – ABER RICHTIG!

Die Kraft der emotional intelligenten Kommunikation

 

Vorwort von Gerald Hüther

 

 

 

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2024

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

 

E-Book-Konvertierung: ZeroSoft SRL

Illustrationen: Sabine Hanel, Gestaltungssaal, Rohrdorf/Thansau

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München

Umschlagmotive: © FinePic®, München

 

ISBN Print: 978-3-451-60210-8

ISBN E-Book (EPUB): 978-3-451-83444-8

Inhalt

Vorwort

Einleitung

1   Auf ein Wort: Was passiert, wenn wir miteinander kommunizieren

Verletzende Kommunikation ist Körperverletzung

Gelungene Kommunikation ist Entwicklung

Kommunikation braucht Aufmerksamkeit

2   Vom Kopf ins Herz: Emotionen sind die Essenz jeder Botschaft

Kommunikation wirkt emotional: Nur was uns berührt, wird zur Information!

Kommunikation wirkt emotional: Wir leben in acht Milliarden Wahrnehmungswelten!

Denn sie wissen nicht, was sie fühlen

Was will ich emotional bewirken?

Wir brauchen einen Plan

Was kann ich sagen?

Eichhörnchen auf Speed

Wir sind alle derangierte Eichhörnchen auf Speed!

Von alten Mustern zu neuen Wegen

3   Bitte recht freundlich! Wer kommunizieren will, muss nett sein

Schafe im Wolfspelz

Schauen Sie in den Spiegel!

Lächeln sie sich zu gelingender Kommunikation

Von Stimmungskanonen und Blindgängern

Es geht auch anders

4   Ohne Relevanz kein Tanz! Kommunikation braucht Motivation

„Gatekeeper“ im Gehirn

Blinde Flecken

Relevanz braucht keine guten Gründe

Türe erst öffnen, dann durchgehen!

5   Kann ich etwas für dich tun? Bedürfnisse erkennen und erfüllen

Rationalisierungen: Finde das Bedürfnis

Narrative sind Schlüssel zu unserem Verständnis der Welt

Die Werbefalle: Wie wir Bedürfnisse wecken, statt Probleme zu lösen

Bedürfnisse entwirren

6   Märchenstunde: Funktionen und Fallstricke von Narrativen

Rhetorische Wunder gibt es nicht

Der Held in meinem Film bin ich

Wie kann man so doof sein!

7   Austausch auf Augenhöhe: Miteinander reden braucht Respekt

Erfolg ist keine Chefsache

Jedes Wort ist Teil von mindestens zwei Lebensgeschichten

Wer andere bewertet, verlässt die Augenhöhe

8   Stille als Sprache: Wer reden will, muss auch zuhören

Schweigen spricht Bände

Schweigen schaltet das Alarmsystem aus

Pausen im Gespräch – Zeit, sich zu sammeln

Der Wert des aktiven Zuhörens

Im Takt senden und empfangen

Einfach mal die Klappe halten!

Die Emotions-Falle

Wer wütend wird, wird doof!

Sie entscheiden: Bedacht statt impulsiv

Karma is a bitch

9   Wir, hier, jetzt – Fokus und Präsenz im Austausch

Von Mensch zu Mensch

Nie mehr Beutetier

Innere Haltung, äußeres Verhalten

Die „Charakter-Legende“ auflösen

Wer urteilt, verurteilt. Auch sich selbst!

Unsere Gedanken und Gefühle sind Zeitreisende

Vergangenheit: Erfahrungen sind noch keine Weisheiten

Gegenwart: Sorry, schon vorbei!

Zukunft: Nur in meinem Kopf

10 Richtig reden: Die acht Maximen emotional intelligenter Kommunikation

Was soll das eigentlich alles?

Wir tauschen mehr als Worte aus!

Wege zur Verbundenheit

Lass uns tanzen!

Ich, du, wir, viele

Der Rest hat Pause

Der Affe im Gehirn

Voll im Flow

Abschied zur Heldenreise

Wenn wir reden, schaffen wir eine ganze Welt

Quellen- und Literaturverzeichnis

Über den Autor

Vorwort

Auch wenn es uns angesichts des gegenwärtigen Zustandes unserer Welt bisweilen die Sprache verschlägt, wir kommen nicht weiter und finden keine Lösung für die vielen Probleme, wenn es uns nicht gelingt, immer wieder miteinander zu reden. Wir sind voneinander abhängige und aufeinander angewiesene soziale Wesen, die schon als kleine Kinder nicht überleben, geschweige denn irgendetwas von anderen lernen könnten, wenn niemand bereit ist, mit ihnen zu sprechen und ihnen dabei zu helfen, all das zu erlernen, worauf es im Leben ankommt. Und wir haben ein so plastisches, zeitlebens lernfähiges Gehirn herausgebildet, weil es uns in die Lage versetzt, über alle Grenzen und ideologischen Verblendungen hinweg miteinander ins Gespräch zu kommen und gemeinsam nach Lösungen für die Probleme zu suchen, die in unserem Leben und vor allem in unserem Zusammenleben zwangsläufig entstehen. Wir Menschen sind und bleiben Suchende und als solche können und werden wir uns auch immer wieder verirren und hoffnungslos verwickeln. Als Einzelne ebenso wie als ganze Gemeinschaften. Um das zu vermeiden, müssen wir miteinander reden, aber richtig, wie Robert Burdy es in diesem Buch schon im Titel zum Ausdruck bringt.

So richtig haben wir das bisher offensichtlich noch immer nicht geschafft. Sonst hätten wir ja nicht so viele Probleme. Wenn manche Menschen nicht miteinander reden wollen oder können, so liegt das aber nicht an ihnen, sondern an den unterschiedlichen und oft unvereinbaren Vorstellungen und festen Überzeugungen, die sie sich im Lauf ihres Lebens, oft schon als Heranwachsende, ins eigene Hirn gebaut haben. Diese festen Überzeugungen und Einstellungen erwachsen aus den Erfahrungen, die jede und jeder von uns im bisherigen Leben gemacht hat oder machen musste. Aber nicht die eine solche Erfahrung auslösenden Probleme werden in Form entsprechender Nervenzellverschaltungen fest im Gehirn verankert, sondern die jeweiligen Lösungen, die eine Person dafür selbst gefunden oder von anderen übernommen hat. Diese strukturell im Gehirn verankerten festen Vorstellungen, Überzeugungen und inneren Einstellungen darüber, worauf es im Leben ankommt, sind es, die uns daran hindern, auf andere Menschen mit anderen Vorstellungen, Überzeugungen und Einstellungen zuzugehen und uns mit ihnen auszutauschen. Wir haben Angst davor, dass dabei genau das infrage gestellt wird und zusammenbricht, was uns in einer unsicheren Welt und schwierigen Beziehungen bisher einigermaßen Halt geboten hatte: unsere feste Vorstellung davon, wie etwas zu sein hat, wie es gemacht werden muss, was richtig und was falsch ist. Diese Halt bietende Vorstellung darf nicht erschüttert werden, denken wir.

Es gibt eine sehr banale Ursache für diese Angst, aufeinander zuzugehen und miteinander zu reden: Wir hatten in unserem Kulturkreis bisher einfach nicht genügend Gelegenheit, um die beglückende Erfahrung machen zu können, dass Konflikte auch anders gelöst werden können als durch Konfrontation, Gegenwehr und die Durchsetzung eigener Interessen auf Kosten anderer, also im weitesten Sinn durch Kampf oder noch deutlicher durch Krieg. Wie das geht, haben wir oft schon in unseren Herkunftsfamilien von Eltern und Geschwistern erfahren, aber auch im Kindergarten, in der Schule, im Berufsleben und wohl am deutlichsten beim Versuch, erfolgreich in die Führungspositionen von Unternehmen und Organisationen, Parteien und Vereinen aufzusteigen. Nicht miteinander zu reden, sondern andere zu übertrumpfen, herumzukommandieren, über den Tisch zu ziehen, verbal fertig zu machen, auszugrenzen, zu mobben, zu dissen und wie das alles heutzutage heißt, war die erfolgversprechendste Lösung. So geht es nun schon seit vielen Generationen. Kein Wunder also, dass wir bestens Bescheid wissen, wie man Kriege anzettelt und gewinnt. Wo aber konnten wir oder unsere Eltern oder unsere davor lebenden Vorfahren lernen, wie Frieden geht? Wie Konflikte gewaltfrei gelöst werden können? Wie man miteinander ins Gespräch kommt, anstatt sich gegenseitig eine über die Rübe zu hauen?

Deshalb stimmt es: Wir müssen miteinander reden, aber richtig! Nicht mehr ständig aneinander vorbei oder übereinander oder alle gleichzeitig und auch nicht so laut wie möglich. Und es kann auch nicht heißen: Wir müssen wieder miteinander reden, denn so richtig haben wir das seit der Sesshaftwerdung vor zehntausend Jahren noch nie gekonnt. Wir mussten es auch nicht können, denn es ist ja bisher, mit unserer kriegerischen Gesinnung, einigermaßen gegangen. Manche haben sich auf diese Weise auch sehr erfolgreich durchgesetzt und vieles entdeckt und erfunden und etabliert, was wir bis heute nutzen. Dazu gehören beispielsweise die modernen medizinischen Verfahren oder die neuen Technologien, die vieles ermöglichen, was bisher so nicht ging. Aber auch die modernen Waffen, die Cyberkriminalität, die Ausbeutung unserer natürlichen Ressourcen, die digitale Überwachung und so vieles, was unseren Fortbestand auf diesem Planeten gefährdet. Angesichts dieser bisher noch nie dagewesenen Bedrohung unserer eigenen Existenzgrundlagen müssen wir jetzt, erstmals in unserer Geschichte, nicht wieder, sondern endlich lernen, richtig miteinander zu reden.

Dafür brauchen wir eine Grundlage, und deshalb bin ich froh, Ihnen dieses Buch von Robert Burdy empfehlen zu können. Denn der Autor schafft in diesem Buch etwas, das zum Kompliziertesten gehört, wozu wir Menschen befähigt sind, was aber nur wenige können. Es gelingt ihm nämlich in vorbildlicher Weise, die Leserinnen und Leser seines Buches einzuladen, eine neue Erfahrung zu machen. Das ist nicht banal, denn andere Menschen einzuladen, ihren Blick noch einmal zu öffnen und ihren Horizont zu erweitern, ist nicht das, was wir in unserem Kulturkreis besonders gut gelernt haben. Aber das ist noch nicht alles. Mit seinem Buch hilft Robert Burdy den Leserinnen und Lesern auch, sich über etwas bewusst zu werden, was sie alle als Fähigkeit oder zumindest als Bauchgefühl bereits in sich tragen, aber bisher noch nie so recht umzusetzen gewagt haben. Der Autor ermutigt uns, schubst uns an manchen Stellen sogar ein wenig an, es doch einfach mal zu versuchen. Richtig miteinander zu reden ist ja keine Zauberei. Das kann jede und jeder, wenn sie oder er das auch wirklich will. Und für alle, die sich immer noch nicht heranwagen, bietet Robert Burdy immer wieder konkrete Beispiele und Erlebnisse an, die dazu inspirieren, es doch jetzt einfach mal so oder so ähnlich auszuprobieren und zu erleben, wie es ist, wenn man endlich mal richtig miteinander redet, statt einander mit seiner ständigen Schwätzerei auf die Nerven zu gehen.

Auch wenn es viele Menschen noch immer glauben und es ständig versuchen, so ist es doch aufgrund objektiver neurobiologischer Gegebenheiten nicht möglich, einen anderen Menschen zu verändern. Wie sich jemand in bestimmten Situationen verhält, lässt sich durch Dressur- und Abrichtungsmaßnahmen mit Hilfe von Belohnungs- oder Bestrafungsmethoden in der gewünschten Weise erzeugen. Aber die diesem Verhalten zugrundeliegende innere Einstellung, also die Haltung der betreffenden Person, bleibt davon unbeeinflusst. Sie tritt zum großen Erstaunen der vielen Dompteure mit ihrer verhaltenssteuernden Wirkung sofort wieder zutage, sobald die Belohnungen ausbleiben oder die Bestrafungen nicht mehr wirken. Diese innere Einstellung ist aufgrund vergangener Lösungserfahrungen entstanden, sie lässt sich deshalb nur durch neue Erfahrungen bei der Lösung bestimmter Probleme verändern. Aber das kann niemand von außen herbeiführen, erzwingen oder gar unterrichten. Das gelingt nur demjenigen, der es schafft, diese andere Person einzuladen, zu ermutigen und wenn möglich auch noch zu inspirieren, eine neue Erfahrung machen zu wollen, eine neue Perspektive einnehmen, eine neue Lösungsmöglichkeit ausprobieren zu wollen. Allen, die erfahren möchten, wie das geht, empfehle ich das Buch. Als Nebeneffekt werden Sie dann feststellen, dass sich die Art und Weise, wie Sie mit anderen reden, spürbar verändert hat.

Und wer sich dafür interessiert, wie man richtig mit anderen Menschen redet, der erfährt in diesem Buch, dass man dazu diese anderen auf eine liebevolle Weise zu einer neuen Erfahrung einladen, ermutigen und inspirieren sollte. Sonst bleibt alles Gerede nur bloßes Geschwätz, und das können die mit „künstlicher Intelligenz“ ausgestatteten Automaten inzwischen ja meist schon viel unterhaltsamer als wir.

 

Gerald Hüther

Göttingen, im Juni 2024

Einleitung

Ein guter Freund hat mir geraten, dieses Buch mit folgenden Worten zu beginnen: „Ich kann es auch nicht!“ Er hat es mit einem Lächeln gesagt. Ich bin nicht sicher, ob es ironisch oder nachsichtig war. Also: Ich kann es auch nicht.

Es ist die Wahrheit. In meinem Leben sind Beziehungen abgebrochen, Lieben entliebt und Projekte entwertet worden, weil es mir nicht gelungen ist, richtig mit meinen Mitmenschen zu reden. Selbst nach Jahrzehnten der beruflichen Beschäftigung mit dem, was wir heute emotional intelligente Kommunikation nennen, mache ich Fehler.

Emotional intelligente Kommunikation ist ein Goldstandard, den wahrscheinlich niemand von uns je ganz und stetig erreichen wird. Ein Austausch, bei dem Gesprächspartner die eigenen Bedürfnisse und die ihres Gegenübers erkennen, und mit Empathie ansprechen. Der Versuch, sich zu verbinden, anstatt sich gegeneinander durchzusetzen. Spannend ist, ob wir dem jeden Tag etwas häufiger gerecht werden können. Und uns bewusst damit zu beschäftigen, was wir da eigentlich tun, wenn wir miteinander reden.

„Man kann nicht nicht kommunizieren.“ So hat es der Philosoph, Psychotherapeut und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick in seinen wegweisenden Axiomen zur Kommunikation formuliert. Tatsächlich kommunizieren wir immer. Selbst mit jenen, mit denen wir nicht reden. Es lässt sich gar nicht vermeiden, dass wir ununterbrochen Botschaften senden, die unseren Mitmenschen etwas sagen. Nur  … oft ist es halt nicht das, was wir ihnen sagen wollen! Insofern kann man Watzlawicks Satz auch auf die Spitze treiben – sprachlich wie inhaltlich: Selbst wenn man es nicht kann, kann man nicht nicht kommunizieren.

Warum können wir das eigentlich oft nicht – so miteinander reden, dass wir uns auch verstehen? Die Antwort ist ebenso einfach wie erschreckend und verwirrend: Weil wir die wichtigste Fähigkeit, die ein Mensch im Leben haben kann, nicht richtig lernen. Menschen begnügen sich damit, ihren Kindern das Sprechen beizubringen. Sie übersehen dabei aber meistens, dass neben dem, wie man spricht, es genauso wichtig ist, zu lernen, was man sagt. In Wahrheit lehren wir unsere Kinder lediglich, verabredete Geräusche zu machen. Möglicherweise vor allem in der Hoffnung, dass sie das lästige Plärren der Säuglinge lassen. Ihre Fortschritte erfreuen uns so lange, bis sie uns die ersten verbalen Brocken an die Köpfe schleudern, die richtig weh tun. Dann wünschen wir uns, sie würden einfach wieder schreien wie die Babys, doch es ist zu spät. Sie haben das „Wortgeräusche-Machen“ schon gelernt. Was sie nun mit dieser Fähigkeit anstellen, das überlassen wir größtenteils ihnen. Da ist es kein Wunder, dass sich die Unfähigkeit zu kommunizieren bis ins Erwachsenenalter und bis in die Chefetagen und die Parlamente fortsetzt. Wortreiche Sprachlosigkeit ist eine Erbkrankheit, die durch falsche Kommunikation übertragen wird.

Unter Führungskräften gibt es inzwischen kaum noch Zweifel an der Tatsache, dass Kommunikationsfähigkeit eine wichtige Kernkompetenz ist. Viele sagen sogar, die wichtigste überhaupt. Trotzdem ist die Fähigkeit, wirkungsvoll mit Mitmenschen – in dem Fall Mitarbeitern – zu reden, die einzige Kernkompetenz, die nicht systematisch gelehrt, nicht gelernt, nicht geübt und nur selten praktiziert wird. Diese Kernkompetenz wird in der Regel nach dem Prinzip abgehakt: „Kann quatschen, kann kommunizieren“. Nach derselben Logik müsste es für den Führerschein ausreichen, Gas geben zu können. Vergessen wir doch einfach Richtung und Regeln für die Fahrt! Manche leben so ihr ganzes Leben. Damit machen sie es sich aber erstmal deutlich zu leicht, letztendlich deutlich zu schwer und dazwischen deutlich zu gefährlich.

Nun ist ja auch ein Buch Kommunikation. An diesem Punkt fängt das Theater schon an: Der Hund jagt seinen Schwanz, wir bedienen uns der Kommunikation, um die Kommunikation besser zu verstehen, kommunizieren, um anschließend besser kommunizieren zu können. Das klingt furchtbar widersprüchlich. Aber wir werden nicht umhinkommen, den ewigen Kreislauf aus Senden und Empfangen an irgendeinem Punkt zu unterbrechen, um aus den Missverständnissen, Fehlkommunikationen und verbalen Gewaltakten auszubrechen, die viele Bereiche unseres Alltags prägen.

Das ist der Versuch dieses Buches: Es leichter machen. Herauszutreten für einen Moment, für ein paar Zeilen und für den einen oder anderen Gedanken und einmal neu darüber nachzudenken, was wir da eigentlich tun, wenn wir miteinander reden. Was dabei in unseren Gehirnen geschieht. Und ob das wirklich das ist, was wir brauchen.

In unserem Buch Wir informieren uns zu Tode habe ich gemeinsam mit dem renommierten Hirnforscher Professor Gerald Hüther unter anderem dargelegt, dass wir Menschen auf Informationen angewiesen sind, um uns in dieser Welt frei entfalten und das Zusammenleben mit anderen gestalten zu können. Während es in jenem Buch vor allem um die Überflutung unserer Gehirne durch einen mehr als gesättigten globalen Informationsmarkt ging, liegt in diesem Buch der Fokus darauf, wie wir selbst Informationen mit anderen teilen. Denn genau das ist Kommunikation: das Teilen relevanter Informationen mit Menschen, die unser Leben in irgendeiner Form berühren. Ich bin Gerald Hüther unendlich dankbar für all die Inspiration, die unsere fortgesetzte Zusammenarbeit mir schenkt. Ohne ihn und alles, worüber wir geredet haben, wäre auch dieses Buch nur halb so gut. Derselbe Dank gilt allen anderen klugen Menschen, die ihre Weisheiten über unser Gehirn und wie es funktioniert, wenn wir kommunizieren, in Büchern und Vorträgen geteilt haben. Er gilt Anna Egger beim Herder Verlag, die dieses Buch erkannt hat, bevor es geschrieben war, und die dieses Projekt auf die richtige gedankliche Schiene gesetzt und alle Weichen richtig gestellt hat. Wir haben da richtig gut miteinander geredet!

Ein aufrichtiges, wenn auch etwas gegrummeltes Wort des Dankes gilt allen Menschen, mit denen es oft so unsäglich schwierig war, zu kommunizieren. Sie sind oft unsere besten Lehrmeister! Wenn auch wider Willen.

Menschen müssen miteinander kommunizieren. Doch wenn wir uns erst sagen: „Wir müssen reden“, ist es oft schon zu spät für einen gelingenden, konstruktiven Austausch. Wir können das besser.

Deshalb heißt dieses Buch auch Wir müssen reden – aber richtig!. Es geht nicht um eine Frage von Leben und Tod. Aber es geht um die zentrale Frage danach, wie wir leben. Gescheiterte Kommunikation tötet gemeinsame Projekte, Beziehungen und Lebensträume. Und wenn Situationen perfektes Teamwork brauchen und nicht nur gemeinsames Herumwurschteln (zum Beispiel in Flugzeugcockpits), dann können Kommunikationspannen schnell zu Katastrophen werden, die tatsächlich Menschenleben kosten. Experten für Flugsicherheit haben deshalb eine Methode entwickelt, die „Crew Resource Management“ heißt und die eigentlich nicht mehr und nicht weniger bedeutet als „präzise und wirkungsvoll miteinander reden“. Die Weisheiten des „Crew Resource Management“ werden längst auch auf andere Lebensbereiche übertragen. Wir können viel lernen von der Luftfahrtindustrie, die sich eine extrem hohe Fehlerintoleranz angewöhnt hat, zum Wohl aller Fluggäste.

Die meisten von uns würden sagen, das ist auch richtig so. Schließlich wollen wir alle überleben, wenn wir in ein Flugzeug steigen. Erstaunlich ist dann allerdings, dass wir gleichzeitig solche wertvollen Dinge wie unsere persönlichen Verbindungen zu geliebten Menschen oder motivierten Mitarbeitern dem kommunikativen Zufall überlassen. Dass wir es mit resigniertem Schulterzucken akzeptieren, dass Liebesverhältnisse crashen, weil sie nach einem kommunikativen Strömungsabriss keine Luft mehr unter den Flügeln haben. Dass Beziehungen zu Kindern, die wir mit so viel Sorge und Liebe großgezogen haben, auf dem Boden einer sprachlosen Realität zerschellen. Oder dass wir teuer angeworbene oder ausgebildete Mitarbeiter, die wichtig für unseren Erfolg sind, in die Flucht reden.

Wie schön und wie hilfreich wäre es, wenn es uns gelänge, die eigenen Bedürfnisse und die unserer Gesprächspartner im kommunikativen Austausch verbal zu befriedigen. Beide Seiten! Wenn unsere Beziehungen – persönliche wie professionelle – wachsen und gedeihen könnten auf dem Boden der Informationen, die wir uns gegenseitig schenken. Wir sind alle dazu in der Lage, wir haben die entsprechende Ausstattung. Aber nur wenige nutzen sie zugunsten einer emotional intelligenten Kommunikation.

Dabei ist es etwas ganz Besonderes, dass wir das überhaupt können. Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das sich mithilfe seiner Sprache und seiner Fähigkeit, in abstrakten Modellen und zusammenhängenden Geschichten zu denken, verständigt. Tiger haben kein Lebenskonzept. Fische scheinen nicht nach Glück zu streben. Nach allem, was wir heute wissen, ist das ein Alleinstellungsmerkmal des homo sapiens. Toll! Aber was machen wir damit? Wir irrlichtern mit dieser wunderbaren Gabe durch Raum und Zeit wie der alte Fred Feuerstein am Ruder eines Raumschiffes.

Unser Körper hat für diese zentrale Funktion keine Automatik. Das ist eigentlich erstaunlich, aber wir haben keinen Instinkt, der uns diese wichtige Aufgabe intuitiv bewältigen lässt. Andere, sehr viel trivialere Funktionen haben eine Art Autopiloten, der die Steuerung übernimmt. Aber während unser Haar ohne Aufsicht wächst, unser Herz ohne Taktstock schlägt und unser Mund ohne Gebrauchsanweisung Speichel und Worte produziert (manchmal nur schwer voneinander zu unterscheiden), schafft unser Gehirn den Austausch von Informationen nicht in derselben automatisierten Weise. Wir brauchen vielmehr unseren Verstand, wollen wir wirkungsvoll miteinander reden. Wirkungsvoll miteinander reden heißt aber: emotional wirkungsvoll. Und das ist ein Problem. Wir wollen also mit Hilfe unserer Vernunft emotional wirken, das – entschuldigen Sie die vielleicht etwas farbenfrohe Analogien – wirkt erstmal wie in den Krieg ziehen für den Weltfrieden oder Vögeln für die Jungfräulichkeit!

Wie lässt sich die Vernunft nutzen, um eine emotionale Wirkung zu erzielen? Das ist eine der Schlüsselfragen, die dieses Buch zu beantworten sucht. Zu guter Letzt läuft alles auf das hinaus, wofür Daniel Goleman den Begriff „emotionale Intelligenz“ geprägt hat. Also auf die Frage: Wie lässt sich unser Umgang mit dem emotionalen Wesen Mensch – uns selbst und den anderen – intelligent gestalten? Diese Frage geht viel weiter als bis zu unserer Alltagskommunikation zuhause oder im Büro. Am Ende werden wir alle die Antwort finden müssen, wollen wir das Auseinanderfallen freiheitlicher, demokratischer Gesellschaften verhindern, an denen totalitäre Kräfte so genüsslich zerren. Denn wenn wir nicht die komplizierte Antwort finden, dann werden sich immer mehr Menschen den einfachen Antworten zuwenden.

„Tall order!“ nennt man das im Englischen – eine große Bestellung, eine riesige Erwartungshaltung. Stimmt. Also fangen wir doch einfach da an, wo wir es jeder für sich noch überschauen können: bei unserem ganz alltäglichen Austausch mit unseren Mitmenschen. Das ist schon kompliziert genug.

Wenn Mitarbeiter die Produkte ihres Unternehmens selbst testen und verwenden sollen, um Vertrauen in die Erzeugnisse zu demonstrieren, wird das im Marketing gern mit dem Satz „Eat your own dogfood!“ umschrieben. Wer seinen eigenen Mist nicht runterkriegt, kann ihn nämlich auch nicht verkaufen. In diesem Sinne ist auch das vorliegende Buch eine Hundefutter-Selbstspeisung. Denn wenn es seinem Autor nicht gelingt, seine eigenen Regeln anzuwenden, dann wird es sich im Kreis drehen, wie der Hund, der seinen Schwanz jagt. Wenn ich Sie, liebe Leserinnen und Leser, nicht längst irgendwo berührt habe, wo Sie empfindsam sind, wird dies möglicherweise die letzte Zeile sein, die Sie in diesem Buch lesen. Ich will Sie aber berühren, und zwar dort, wo es gleichzeitig wehtut und guttut: bei Ihren Grundbedürfnissen. Wir werden also gemeinsam darauf schauen, was wir eigentlich brauchen. Was unsere emotionalen Bedürfnisse sind und wie sie sich durch eine emotional intelligente Kommunikation befriedigen lassen.

Am Ende werden Sie acht wesentliche Grundsätze für Ihre persönliche kommunikative Entwicklung kennengelernt haben. Sie werden sie aber noch lange nicht nicht perfektioniert haben. Eine zentrale Erkenntnis wird nämlich sein, dass diese Prinzipien nur durch kontinuierliche (lebenslange) Reflexion und kritische Auseinandersetzung umgesetzt werden können.

Wie jede Kommunikation zwischen Menschen ist diese Lektüre eine „shape-changing Interaction“: eine Interaktion, die die Gestalt und das Wesen der Beteiligten nachhaltig verändert. Wer also keinen Bock auf Veränderung hat, der werfe dieses Buch an genau diesem Punkt bitte im hohen Bogen über den Zaun, vorzugsweise einem Nachbarn an den Kopf. Dann hat diese Arbeit wenigstens eine zweite Chance.

Sind Sie noch bei mir? Oder sind Sie der Herr Nachbar oder die Frau Nachbarin? In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass in diesem Buch nicht gegendert wird. Im Kern der emotional intelligenten Kommunikation geht es um menschliche Grundbedürfnisse, die wir alle als Menschen miteinander teilen. Ja, Männer und Frauen empfinden unterschiedlich und reden auch unterschiedlich miteinander – jedoch wird es im Folgenden genau darum gehen: auf die individuellen emotionalen Situationen und Bedürfnisse auf beiden Seiten einer Kommunikation einzugehen. Eine Unterscheidung zwischen männlich, weiblich oder divers erübrigt sich deshalb für die folgenden Betrachtungen. Ich gehe davon aus, dass Sie bereits ein Geschlecht haben und es ihnen auch bekannt ist. Also nutze ich mal das männliche, mal das weibliche Personalpronomen. Fühlen Sie sich frei, sich da einzuordnen, oder irgendwo dazwischen. Hauptsache, Sie fühlen sich angesprochen.

Ach, noch was. Nur Mut! Kommunikation ist fehlerfreundlich. Wir müssen nicht immer alles richtig machen. Wir haben genug Sicherheitsabstände auf diesem Weg. Unsere Mitmenschen wissen schon den Versuch emotional intelligenter Kommunikation zu schätzen. Sie sind nachsichtig, wenn wir Fehler machen. Wir können ja immer nochmal drüber reden!

In diesem Sinn: Los geht’s. Das wird eine spannende Reise.

 

Robert Burdy

Markkleeberg, im März 2024

1 Auf ein Wort: Was passiert, wenn wir miteinander kommunizieren

Es hört sich so einfach an: „Sag mal was!“ Wir alle stehen tagtäglich und immer wieder vor dieser Herausforderung und nehmen sie meistens so selbstverständlich an, als gelte es, einen gefundenen Geldschein aufzuheben. Oft wird erst im Nachhinein klar, wie groß die Herausforderung eigentlich war, wie schnell man sich beim Aufheben verbiegt und wie teuer uns der gefundene Geldschein zu stehen kommen kann. Manchmal ist es nämlich nur ein falscher Fünfziger.

Wenn wir miteinander reden, bewegen wir uns bildlich gesprochen in einem extrem hochpreisigen Umfeld. Das Potenzial von gelungener Kommunikation, Gutes zu bewirken und unsere Beziehungen zu bereichern, ist erheblich. Genauso groß ist allerdings das Risiko, mit den falschen Worten ellbogentief ins rhetorische Klo zu greifen und anschließend sehr lange im üblen Geruch des Gesagten zu stehen. Da reden wir nicht nur über das sprichwörtliche zerbrochene Porzellan, sondern auch über tiefe Narben auf der Seele. Das gilt für private Kommunikation in unseren persönlichen Beziehungen genauso wie für die Art und Weise, mit der wir im Job mit anderen reden. Nicht gelingende Kommunikation kann menschlich wie monetär sehr teuer werden.

Wir stürzen uns also – ohne dem große Aufmerksamkeit zu schenken – immer und immer wieder in eine Aktivität, die uns selbst und das Gefüge unserer sozialen Beziehungen nachhaltig verändern kann. Hand aufs Herz: Wie oft machen wir uns diese Tragweite von Kommunikation bewusst?

Die Absicht, uns zu äußern, zwingt uns immer wieder dazu, uns auch zu ent-äußern, also etwas von uns preiszugeben. Das macht verletzlich. Außerdem kommunizieren wir, weil wir Informationen brauchen. Miteinander zu reden, ermöglicht es uns, in einer immer komplexer werdenden Welt Lösungen für Probleme zu finden, indem wir von den Erfahrungen anderer profitieren. Gegenseitig voneinander zu lernen ist eine wichtige Grundmotivation für Kommunikation. Egal, ob wir in die tiefsten Geheimnisse eines naturwissenschaftlichen Problems eindringen und uns darüber mit anderen Super-Schlaumeiern austauschen. Oder ob es darum geht, herauszufinden, was unserem Lebenspartner die Petersilie verhagelt hat.