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Wodurch ist „Exaktes Wissen“ charakterisiert, inwiefern ist dieses überhaupt möglich? Was sind die Kriterien „Empirischen Wissens“? Welches sind die beiden logischen Fundamente auf denen jede wissenschaftliche Erkenntnis beruht? Die Antworten hierzu werden in diesem Buch von den jeweiligen Koryphäen selbst gegeben: den großen Philosophen, z. B. Platon, Aristoteles, Descartes, Leibnitz, Hume, Kant; den bedeutenden Naturwissenschaftler wie Galilei, Newton, Darwin, Mendel, Hertz, Einstein, Heisenberg und anderen, sowie den großen Mathematikern. Der Leser wird feststellen, dass es keinen Gedanken von Wert gibt, den diese Männer nicht bereits vorweg gedacht hätten.
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Seitenzahl: 574
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Inhaltsverzeichnis
Für Emily
Vorwort
1. Sinn der Bildung ist, sich für anderes, für andere und für allgemeine Gesichtspunkte offen zu halten.“ (Hegel)
2. „Zwar weiß ich viel, doch möchte ich alles wissen.“ (Faust, J. W. von Goethe)
2.1 „Was auch die Hellenen von den Nichthellenen übernommen haben, das bringen sie zu einem schöneren Ziel.“ (Platons Schüler Philipp)
Die Begründung der rationalen Wissenschaften
Das Atom
Die Logik
Der Idealismus: Platon
Der Realismus und empirisches Wissen: Aristoteles
2.2. Das Mittelalter: „Credo ut intelligam“ (Anselm von Canterbury)
2. 3 Die Renaissance: „Die Entdeckung des Menschen und der Welt“ (Jacob Burckhardt)
Kopernikus
Giordano Bruno
„Die Entdeckung des Menschen und der Welt“
2.4. Der Realismus: „Nichts ist im Verstand, was nicht zuvor in den Sinnen war“ (John Locke)
Francis Bacon: „Wissen ist Macht“
John Locke
Schranken des Empirismus
Der „Common-Sense“
2.5 Der Pfad zur exakten Wissenschaft: „Das Universum saugt mich auf, wie ein Punkt; vermöge des Gedankens begreife ich es.“ (Pascal)
Leonardo da Vinci
Johannes Kepler
Galileo Galilei
Isaac Newton
2.6 Fortschreitendes Wissen: „Glücklich ist, wer dazu beiträgt, das reine Licht dieses immerwährenden Evangeliums zu verbreiten.“ (Priestley)
Die Chemie
Geologie und Biologie
2.7 Die Aufklärung: „Die Hypothese Gott ist nicht nötig.“ (Laplace)
2.8 „Schöne neue Welt“ (Aldous Huxley)
Der Hedonismus
3. „Ich zweifle, also bin ich.“ (René Descartes)
3.1 Die Sophisten „Der Mensch ist das Maß aller Dinge.“ (Protagoras)
3.2 Die akademische Skepsis
3.3 Die jüngere Skepsis aus dem ersten Jahrhundert nach Christus
3.4 Die „Idole“ des Francis Bacon
1. Die Idole des Tribus
2. Die Idole des Specus
3. Die Idole des Fori
4. Die Idole der Theatri
3.5 David Hume: „Was wir den Geist nennen, ist nichts anderes als ein Anhäufung oder Sammlung von verschiedenen Wahrnehmungen.“
Das Kausalprinzip: Das Problem der Logik
Die Existenz
Psychologie
Die Induktion
Das „Ich“
Die totale Skepsis
4. Prometheus: „Die Zahl erfand ich ihnen, jeder Kenntnis Kern.“ (Aischylos)
4.1 „Keiner ohne Geometrie möge hier eintreten.“ (Platon)
4.2 Merkmal 1: Die Idealität der Mathematik
Geometrie
Die Zahlen
Hartnäckige Kritiker
4.3. Merkmal 2: Konstruktion, Inspiration, Kreativität
Addition und Multiplikation natürlicher Zahlen
Primzahlen
Vollkommene und befreundete Zahlen, magische Vielecke
Johannes Kepler und die Planeten
4.4 Merkmal 3: Die Logik
Die Logik
4.5 Merkmal 4: Struktur: „… das geistige Band“
Euklid
‚Logos’ und ‚Pragmata’
Der Strukturbegriff bei den Zahlen
Allgemeine Strukturen
Informatik
4.6 Die Anwendung, ein Merkmal der Mathematik?
4.7 „Dem Wahren, dem Schönen, dem Guten“ (Inschrift über dem Eingangsportal der Frankfurter Alten Oper)
5. Wissen
5.1 Exaktes Wissen
Kriterien exakten Wissens
Das „Wissen“ der Computer
„Wissen“ in der Kunst
Theoretische Physik
Fazit
5.2 Empirisches Wissen
5.2.1 Glaubhaftes, unwidersprochenes und allseitig geprüftes Wissen
5.2.2 Glaubhaftes, glaubhaftes und unwidersprochenes Wissen
Unwidersprochen und glaubhaft?
Erfüllbarkeit der Kriterien; empirischen Wissens im Allgemeinen
Hypothesenbildung
Überprüfung der Hypothese
Statistik
Gregor Mendel: Die Vererbungslehre
Die Musik, empirisch erklärbar?
Der Darwinismus und die Molekularbiologie: Das Leben
Ethik: Der Altruismus
Wolfgang Schlageter
Wissen im Sinne der Wissenschaften
Exaktes Wissen, Empirisches Wissen, Grenzen des Wissens
AUGUST VON GOETHE LITERATURVERLAG
FRANKFURT A.M. • WEIMAR • LONDON • NEW YORK
Die neue Literatur, die – in Erinnerung an die Zusammenarbeit Heinrich Heines und Annette von Droste-Hülshoffs mit der Herausgeberin Elise von Hohenhausen – ein Wagnis ist, steht im Mittelpunkt der Verlagsarbeit. Das Lektorat nimmt daher Manuskripte an, um deren Einsendung das gebildete Publikum gebeten wird.
©2013 FRANKFURTER LITERATURVERLAG FRANKFURT AM MAIN
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Medien- und Buchverlage
DR. VON HÄNSEL-HOHENHAUSEN
seit 1987
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über http://dnb.d-nb.de.
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Lektorat: Dr. Helga Miesch
Titelbild: Peter Hermes Furian / fotolia.de
ISBN 978-3-8372-5094-7
Die Autoren des Verlags unterstützen den Bund Deutscher Schriftsteller e.V., der gemeinnützig neue Autoren bei der Verlagssuche berät. Wenn Sie sich als Leser an dieser Förderung beteiligen möchten, überweisen Sie bitte einen – auch gern geringen – Beitrag an die Volksbank Dreieich, Kto. 7305192, BLZ 505 922 00, mit dem Stichwort „Literatur fördern“. Die Autoren und der Verlag danken Ihnen dafür!
Für Emily
Vorwort
Die Motivation für das vorliegende Buch habe ich in der Einleitung „An den Leser“ dargestellt. Es ist mir darüber hinaus ein Bedürfnis, den Herren Christian Rössler und Thorsten Rauhut für ihre Unterstützung zu danken. Ebenso meiner Tochter Julia für ihren emotionalen Beistand.
Außerdem danke ich dem Verlag für die Zusammenarbeit, insbesondere auch dafür, dass er das Erscheinen dieses Buches ermöglicht hat.
0. An den Leser: „Besser einen gut geschulten als einen zu gefüllten Kopf“ (Montaigne)
Das Einzige, was er wisse, sagte Sokrates, sei, dass er nichts wisse. Und Sokrates war nach Auskunft des Orakels von Delphi immerhin der klügste Mensch! In der Tat, was heißt es, etwas zu wissen? Erläutern wir die Problematik an einem scheinbar selbstverständlichen Satz: „Jeden Morgen geht die Sonne auf.“
Jahrtausende galt den Menschen dieser als selbstverständliche Wahrheit und auch heute noch richten wir mehrheitlich unseren Tagesablauf nach diesem. Natürlich wissen wir als gebildete Menschen, dass er falsch ist, dass die Sonne ruht und die Erde sich tatsächlich bewegt. Aber woher? Wir könnten uns auf bekannte Bilder aus dem Weltraum beziehen, die diese Aussage offenbar bestätigen. Aber schon die Griechen haben diese Frage diskutiert und spätestens seit Kopernikus im 15. Jahrhundert wird sie zunehmend Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion. Außerdem wurden die genannten Bilder erst durch diese Erkenntnis möglich. Erst hierdurch wurden die Gesetze entwickelt, die die Menschheit überhaupt erst befähigten, den Weltraum zu erforschen. Und schließlich könnten diese Bilder uns genauso täuschen wie der morgendliche Sonnenaufgang!
Wir wissen, dass eine der größten wissenschaftlichen Autoritäten der Neuzeit, Galileo Galilei, nach seiner Verurteilung durch die Inquisition trotzig gesagt haben soll: „Und sie bewegt sich doch!“ Andererseits hat Aristoteles, eine mindestens ebenso große Autorität, definitiv behauptet, die Erde ruhe! Und wie er haben es die Menschen fast zweitausend Jahre geglaubt. Darunter Kapazitäten wie Alexander der Große, Cäsar, Albertus Magnus, Karl der Große und Dante! Und Aristoteles war keinesfalls durch irgendwelche voreingenommenen Meinungen oder gar aus Bequemlichkeit zu seinem Urteil gekommen. Wir wissen, dass bereits zu seiner Zeit die Frage diskutiert wurde, ob es nicht die Erde sei, die sich bewege.
Aristoteles stellte sich dem Problem und argumentierte folgendermaßen: Wird ein Körper weit genug senkrecht nach oben geworfen und würde sich die Erde bewegen, so müsste dieser an einer anderen Stelle auftreffen als von der er abgeworfen wurde. Dies sei aber nicht der Fall! Es wird vermutlich nicht vielen von uns leicht fallen, dieses Argument zu widerlegen! Andere wurden dann zu Galileis Zeiten genannt, ebenso schwierig zu durchschauen! Wieso schießt eine Kanone in Westrichtung ebenso weit wie bei einem Schuss nach Osten, obwohl sich die Erde doch in Richtung Osten wegdrehen soll? Weiter: Wir wissen vom Karussell, dass bei einer Kreisbewegung Fliehkräfte auftreten. Wäre die Erde eine Kugel, so müssten wir ja alle infolge dieser Kräfte wegfliegen! Man könnte nun meinen, die Bewegung würde ja so langsam erfolgen, dass sie faktisch nicht wahrnehmbar sei. Tatsächlich muss sie aber in vierundzwanzig Stunden vierzigtausend Kilometer zurücklegen, was einer Geschwindigkeit von cirka 1666 Kilometer pro Stunde entspricht! Nimmt man dann noch, wie wohl die meisten, die Sinneserkenntnis als erste Quelle unserer Erkenntnis, so sieht man jeden Morgen die Sonne aufgehen, der Satz ist also in diesem Sinne wahr. Bedenken wir noch, dass nach der Einsteinschen Theorie beide Behauptungen sowohl wahr als auch falsch sein können, je nach dem Standpunkt, so wird die Verwirrung keinesfalls kleiner!
Wir hätten die Problematik ebenso gut an den Begriffen ‚Materie’, ‚Leben’, ‚Ästhetik’ erläutern können. Was bedeutet es, etwas zu ‚wissen’? Dieser Frage stellen wir uns in diesem Buch. Genauer: Was bedeutet es, etwas im Sinne der Wissenschaften zu wissen und wo liegen möglicherweise deren Grenzen? Denn „keine der früheren Hochkulturen hat ihre Technik so radikal auf Wissenschaft gegründet, keine hat ihre Wissenschaft so konsequent auf Naturbeherrschung abgestellt, keine ihr Wirtschaftssystem und ihren Sozialapparat so auf wissenschaftliche und technische Rationalität entwickelt, wie das Abendland seit Beginn des industriellen Zeitalters“. (Hans Freyer)
Bereits die obigen Bemerkungen zeigen, dass die Frage nach der Gültigkeit und den Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis nicht dahingehend beantwortet werden kann, indem man die Ergebnisse aufzählt, die die Wissenschaften, ob tatsächlich oder nur vorgegeben, gewonnen haben. Tatsächlich behaupten diese, nahezu alles und jedes Problem lösen zu können. Aber schon vor mehr als zweitausendfünfhundert Jahren stand für Heraklit fest: „Viel Wissen heißt nicht, Verstand haben.“ Und ebenso pointiert sagt Heinrich Scholz: „Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn alles Übrige vergessen wird“. Wir müssen also zum Kern dessen vordringen, worauf sich der Anspruch jedes wissenschaftlichen Wissens stützt. Sozusagen das Skelett offen legen, das jede wissenschaftliche Aussage trägt und ihren Wahrheitsanspruch sichert. Genauer:
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit wir überhaupt wissen können?Ist es möglich, exaktes, absolutes, objektives Wissen zu definieren, falls ja, wie?Ist das Kriterium des exakten Wissens konkret erfüllbar, falls ja, wo?Gibt es prinzipiell unüberschreitbare Grenzen des exakten Wissens, falls ja, von welcher Art sind diese?Selbstverständlich behaupten wir nicht, hier Neues zu sagen. Im Gegenteil: Die gesamte kontinentale Philosophie nach der Zeit der Scholastik, das heißt der Philosophie des Mittelalters, hat mit diesem Problem gerungen. Hatte man sich nämlich in der Scholastik in erster Linie mit den ‚ganz großen Fragen’ beschäftigt, Gott, Seele, Unsterblichkeit, manchmal auch mit weniger großen, zum Beispiel der Frage des Geschlechtes der Engel, so ist es verständlich, dass man hier zu keinem übereinstimmenden Ergebnis gekommen ist. Descartes, der Begründer der neuzeitlichen Philosophie, stellte dann in aller Klarheit die Frage, welche Möglichkeiten der menschliche Verstand überhaupt hat? Innerhalb welcher Grenzen er generell zu sicheren Erkenntnissen gelangen kann? Welche Methode hierbei leitend sein soll? Die Antworten, die Descartes gab, waren zunächst beispielhaft für das Weitere.
Jedenfalls waren die Aufgaben gestellt und was in der Philosophie Rang und Namen hatte, setzte sich mit diesem Problem auseinander, auf dem Kontinent Malebranche, zunächst auch Pascal, dann Spinoza und Leibniz. Die Engländer Bacon, Hobbs, Locke, Berkeley und Hume widmeten ihre Kraft dieser Aufgabe. Bis dann schließlich das Ganze in den drei berühmten Kritiken von Kant seinen vorläufigen Abschluss und Höhepunkt fand. Und doch wollte man auch hier noch das Wissen über die dort gezogenen Grenzen hinaustreiben. Dies war das Ziel des deutschen Idealismus, Fichte, Schelling und als Höhepunkt Hegels Dialektik! Wir werden diesen Weg zu verfolgen haben. Und natürlich insbesondere auch zurückkehren müssen zu denjenigen Denkern, denen das gesamte Abendland seine Philosophie und Wissenschaft verdankt, den Griechen: Heraklit, Pythagoras, Empedokles, Demokrit und selbstverständlich Platon und Aristoteles!
Schon durch diese Hinweise ist klar, dass wir natürlich auch nicht beanspruchen, die schwierigen anstehenden Fragen selbst lösen zu können. Wir werden vielmehr die ganz Großen zu diesem Thema sprechen lassen, neben den bereits Genannten auch die großen Naturwissenschaftler. Aber auch sie sind nur Menschen. „Vor einiger Zeit habe ich einen monumentalen Bock geschossen“, schreibt Einstein an Max Born. Und so gelten auch für die großen Koryphäen Ciceros Worte: „errare humanum est“. Auch die größten Genies waren nicht vor Irrtümern gefeit, selbst in ihrem Fach! Aristoteles glaubte, im Schlamm könne durch ‚Urzeugung’ Leben entstehen, Leibniz dachte, dass die „Natur keine Sprünge“ machen könne, und Heinrich Hertz hielt die Anwendung der Elektrodynamik für ausgeschlossen.
Aus diesem Grunde wird dem Leser das gesamte Spektrum angeboten, das die verschiedenen Philosophen zu diesem Problem als Lösungen für richtig hielten. Insbesondere setzen wir uns auch mit den Männern auseinander, die prinzipiell exaktes Wissen überhaupt für unmöglich hielten, den Skeptikern. Fichte sagt: „Was für eine Philosophie man wähle, das hänge davon ab, was für ein Mensch man sei“, und „nicht allein in Poesie und Musik müssen wir unserem Geschmack und Gefühl folgen, sondern auch in der Philosophie“, meint Hume. Also muss der Leser in letzter Instanz selbst entscheiden, welcher Auffassung er folgen will.
„In jeder besonderen Naturlehre könne nur so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen werden, als darin Mathematik anzutreffen ist“, sagt Kant. Damit ist der Leitfaden vorgegeben und wir werden diese Aussagen zu begründen haben. Dabei brauchen wir keinerlei Vorkenntnisse über Mathematik, schon gar nicht irgendwelche komplizierte tiefgründige Sätze derselben. Für unser Problem ist nämlich das relevant, was in der Schule überhaupt nicht behandelt wird: Was ist das Wesen der Mathematik, worin liegt ihre allgemeine Bedeutung, insbesondere in erkenntnistheoretischer Hinsicht? Also gerade dies, was ihr seit allen Zeiten die uneingeschränkte Bewunderung aller Geistesgrößen gesichert hat und das der Schulunterricht im Allgemeinen völlig verdunkelt.
Neben der Mathematik werden die allgemeinen Prinzipien des Wissens exemplarisch an der Informatik, der Physik und der Biologie vertieft. Denn was das „Wissen“ betrifft, so sind diese Wissenschaften unbestritten die am weitesten fortgeschrittenen. Außerdem dominieren diese unser Leben bis in die subtilsten Bereiche. Auch hierbei sind keinerlei Vorkenntnisse erforderlich. Das Wort wird weitgehend den großen Naturwissenschaftlern wie Galilei, Newton, Einstein, Heisenberg, Darwin und anderen überlassen.
Kant stellt seiner Philosophie folgende drei Fragen voran: „Was können wir wissen, was dürfen wir hoffen, was sollen wir tun?“ Kein Tier kann so fragen! Man kann das Lebewesen, das sich diesen Problemen stellt, geradezu als das Menschliche charakterisieren. Wir mögen die Antworten in der Hektik des Alltags verdrängen, aber nur wenn wir in der „Ver – Antwortung“ hierzu leben, handeln wir als Mensch.
Damit das eigentlich Humane möglich ist, sind somit zwei Fragen zu klären: Zunächst: Bleibt neben „Wissen“ für „Hoffen“ und „Tun“ überhaupt noch ein eigenständiger Raum? Wird nicht bereits alles von den Wissenschaften erfasst, wie beispielsweise der große Physiker und Mathematiker Laplace glaubte? Weiter: Ist „Denken“ tatsächlich ein menschliches „Existenzial“ oder, wie Demokrit vor zweieinhalbtausend Jahren und nicht wenige Wissenschaftler heute sagen, lediglich das irgendwie Bewusstwerden eines allgemeinen Naturgesetztes? Somit vom Handeln des Tieres nur graduell unterschieden, wobei Marx nicht einmal mehr diese Differenz billigte? Freiheit, Wille, Denken also nur scheinbar von uns bestimmt werden, letztlich aber demselben Gesetz unterworfen sind, das die Galaxien ebenso regelt wie die Welt der Atome?
Speziell für Informatik, Physik und Biologie ergibt sich hieraus:
Der Mensch denkt, Computer werden aber bisweilen ebenfalls als Elektronengehirne bezeichnet!
Der Mensch ist auch Körper und insofern natürlich wie jeder dieser der chemisch – physikalischen Gesetzlichkeit unterworfen!
Der Mensch ist Lebewesen und unterliegt somit wie jedes derartige den Gesetzen der Biologie!
Inwiefern also das eigentlich Humane gerechtfertigt werden kann, hängt somit entscheidend davon ab, inwiefern die Grenzen dieser Wissenschaften bestimmt werden können, exakt und unwidersprochen!!
Wir werden somit immer wieder auf die Kantschen Fragen zurückkommen und diese im letzten Kapitel noch einmal eingehend erörtern.
Obwohl das Buch als organisch Ganzes konzipiert ist, kann der Leser dennoch, je nach Interesse, einzelne Kapitel und Abschnitte selektiv lesen. Die Literatur, auf die sich das Buch stützt, der die angegebenen Zitate entnommen sind, ist im Anhang angegeben.
Welcher Leser könnte aus den folgenden Ausführungen Gewinn erzielen? Wir beziehen uns hierzu sinngemäß auf eine Äußerung Platons, als dieser nach dem Wesen des Philosophen gefragt wurde: „Weder die Götter noch die Weisen philosophieren, denn beide sind schon weise, ebenso wenig philosophieren auch die Unverständigen, da sie nicht bestreben, weise zu werden: denn das ist eben das Arge am Unverstande, dass er, ohne schön und gut und vernünftig zu sein, doch sich selbst ganz genug zu sein dünkt. Wer nun nicht glaubt, bedürftig zu sein, der begehrt auch das nicht, dessen er nicht zu bedürfen glaubt. Welches sind dann die Philosophierenden, wenn es weder die Weisen sind noch die Unverständigen? Das muss ja auch dem Kinde klar sein, dass es die sind, die zwischen beiden stehen.“
1. Sinn der Bildung ist, sich für anderes, für andere und für allgemeine Gesichtspunkte offen zu halten.“ (Hegel)
Dass mit den modernen Wissenschaften eine vollständige Zäsur verbunden war, ein neues Zeitalter anbrach, das war den großen Zeitgenossen sofort völlig klar. „Unser menschliches Jahrhundert herbeizuführen, haben sich – ohne es zu wissen oder zu erzielen – alle vorhergehenden Zeitalter angestrengt“, sagte Schiller in seiner akademischen Antrittsrede. Und Priestley glaubte enthusiastisch: „Alle Kenntnisse werden sich auf die verschiedensten Gebiete ausdehnen. … Die Natur, einschließlich ihrer Materie und ihrer Gesetze, wird uns besser gehorchen; der Mensch wird seine Stellung in dieser Welt leichter und angenehmer gestalten; … Was auch immer der Beginn der Welt gewesen sein mag, ihr Ende wird so herrlich und paradiesisch sein, wie wir es uns heute überhaupt nicht vorstellen können… “ Voltaire glaubte, hoffen zu dürfen, „dass Vernunft und Betriebsamkeit immer weiter fortschreiten; dass nützliche Künste sich verbessern; dass die Übel, die den Menschen heimsuchen, worunter die Vorurteile nicht die geringste Geißel sind, nach und nach verschwinden… “
Weniger optimistisch beurteilte Voltaires Landsmann Alexis de Tocqueville die Situation. Zwar würde die fortschreitende materielle Produktivität einen ständig sich steigernden Wohlstand zur Folge haben, die Menschen wären dann aber nicht freie, sich selbst bestimmende Persönlichkeiten. Der allgemeine Konformismus, der Staat, die eng verwobene Gesellschaft würden einen solchen Druck auf sie legen, der alle Bestrebungen in dieser Richtung blockieren würde. Dies erfolge in der Form, dass sich die Gesellschaft dieses Zwanges nicht einmal bewusst sein könne. Und Goethe lässt Wilhelm Meister sagen: „Das überhandnehmende Maschinenwesen quält und ängstigt mich; es wälzt sich heran wie ein Gewitter, langsam, langsam; aber es hat seine Richtung genommen, es wird kommen und treffen.“
Vollständig eingetroffen ist keine der Prognosen und doch haben sie alle irgendwie Recht gehabt. Dass mit dem erneuten Erwachen der Wissenschaften in der Renaissance das menschliche Dasein bis in die letzten Verästelungen hinein revolutioniert wurde, ist unbestreitbar. Golo Mann meint, „das ägyptische ,Alte Reich’ sei in wesentlichen Beziehungen noch unserem 15. Jahrhundert näher, ähnlicher, als dieses unserer eigenen Zeit, und man müsse alle die Jahrtausende von den ersten Tempelstätten bis zu den Kathedralen als eine Epoche sehen und, was danach begann, als eine andere, immer schneller, immer dichter sich verändernde, bis endlich, in unseren Tagen, die Entwicklung zu einer eigentlichen Explosion geworden sei“.
Doch alleine die ‚Wiedergeburt’ der Wissenschaften würde nicht ausreichen, um dieses Phänomen zu erklären. Die oft vorgetragene Auffassung, technische Probleme oder gar wirtschaftliche Interessen hätten das wissenschaftliche Forschen bestimmt ist weitestgehend falsch! Begründet wurden diese im klassischen Griechenland, keiner der großen Naturphilosophen dachte dabei auch nur im Entferntesten an technische Anwendungen. Ebenso wenig Aristoteles, der große Begründer der wissenschaftlichen Systematik überhaupt. Nachdem beispielsweise im dritten Jahrhundert vor Christus ein Schüler Euklid, den großen Mathematiker aus der platonischen Akademie, gefragt hatte, wozu die Geometrie nützlich sei, beauftragte jener sofort einen Sklaven, damit der diesem einen Obolus aushändige, „da er ja aus dem, was er lernt, einen Profit ziehen muss“. Wie haben sich die Zeiten geändert!
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