Wo denn bin ich? - Steen O. Welding - E-Book

Wo denn bin ich? E-Book

Steen O. Welding

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Beschreibung

Die vielfach anzutreffenden Vorurteile und Missverständnisse über Sinn und Zweck der Philosophie lassen sich vermutlich auf dem kürzesten Weg durch Fragen entkräften, die sich wissenschaftlichen Forschungen entziehen und sich dennoch nicht vermeiden lassen. Der Braunschweiger Philosoph Steen O. Welding behandelt in diesem Band exemplarisch und in prägnanter Weise einige solcher zentralen Probleme der Philosophie des Geistes, der Erkenntnis, der Sprache und der Logik. Für die Frage etwa »Wo denn bin ich im Hinblick auf das Bewusstsein der eigenen Existenz?« sind die großen Fortschritte der Hirnforschung insofern provozierend, als den zerebralen Ereignissen mentale Zustände zugeschrieben werden, deren Existenz sich nicht epistemisch feststellen lässt. Wie verbinde ich aber phänomenale Erfahrungen von Ereignissen in meinem Körper – etwa Sinnesempfindungen und Emotionen – mit dem Bewusstsein vom eigenen Selbst? Eine andere Frage betrifft eines der Hauptprobleme der gegenwärtigen Erkenntnistheorie, das sog. Gettier-Problem: Edmund Gettier hatte 1963 die Standarddefinition von Wissen – Wissen ist gerechtfertigte wahre Meinung – durch eine Reihe von Gegenbeispielen in Frage gestellt. Welding kann zeigen, dass zwischen der gerechtfertigten wahren Meinung und der Behauptung eines Wissens eine epistemische Differenz besteht, die in den bisherigen Debatten um das Gettier-Problem nicht berücksichtigt worden ist.  Darüber hinaus behandelt der Band u.a. die Struktur wissenschaftstheoretischer Erklärungen, Wittgensteins Bemerkungen über Spiele, Sprachspiele und Familienähnlichkeiten sowie ein destruktives Dilemma in der formalen Logik.

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Steen O. Welding

Wo denn bin ich?

Einige essentielle Fragen der Philosophie

Meiner

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN (PDF) 978-3-7873-3001-0 ISBN (ePUB) 978-3-7873-3061-4

© Felix Meiner Verlag Hamburg 2016. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Satz: Jens-Sören Mann. Konvertierung: Bookwire GmbH.

Inhalt

Vorwort

1. Wo denn bin ich? – Das Phänomen des Bewusstseins der eigenen Existenz

2. Die behavioristische Fehldeutung der Handlung

3. Die epistemische Differenz zwischen Meinung und Wissen

4. Die inkompatible Struktur wissenschaftstheoretischer Erklärungen

5. Spiele, Sprachspiele und Familienähnlichkeiten – Zur Frage der Kohärenz in Wittgensteins Spätwerk

6. Die logische Inkonsistenz des Universalienproblems

7. Ein destruktives Dilemma der Logik

8. Die Analyse der logischen Gültigkeit

Anmerkungen

Personenregister

Sachregister

Vorwort

Die vielfach anzutreffenden Vorurteile und Missverständnisse über den Sinn der Philosophie lassen sich vermutlich auf dem kürzesten Weg durch Fragen entkräften, die sich wissenschaftlichen Forschungen entziehen und sich dennoch nicht vermeiden lassen. Sobald wir uns auf die Erörterung dieser Fragen einlassen, Stellung beziehen und die eine oder andere Auffassung vertreten, verwickeln wir uns in philosophische Überlegungen, nach denen wir nicht mehr bereit sind, den Sinn der Philosophie in Zweifel zu ziehen. In dieser Weise werden im Folgenden exemplarisch Probleme der Philosophie, des Geistes, der Erkenntnis, der Sprache und der Logik erörtert.

Für die Frage Wo denn bin ich im Hinblick auf das Bewusstsein der eigenen Existenz? sind die großen Fortschritte der Hirnforschung insofern provozierend, als den zerebralen Ereignissen mentale Zustände zugeschrieben werden, deren Existenz sich nicht epistemisch feststellen lässt. Unter dieser Voraussetzung scheint es erforderlich zu sein, beispielsweise mir selbst bewusst zu werden, wie oder inwiefern ich eine phänomenale Erfahrung habe, was für sie charakteristisch ist und wie es für mich möglich ist, das Phänomen der eigenen Existenz zu erfassen. Wenn wir davon ausgehen, dass eigene phänomenale Erfahrungen in Sinnesempfindungen und Emotionen bestehen, wie kann ich dann durch sie zu dem Phänomen des Bewusstseins der eigenen Existenz gelangen? Diese besondere Erfahrung scheint sich durch unbewusste Lernprozesse der Sinneswahrnehmungen aus Sinnesempfindungen und der Gefühle aus Emotionen zu entfalten. Das eigene Selbst ist mir vorgegeben, es kann weder von mir noch von einem anderen als existierend festgestellt oder nachgewiesen werden. Da dessen phänomenale Erfahrung von Ereignissen in meinem Körper abhängig ist, irritiert mich die utopische Frage nach dem Bewusstsein der eigenen Existenz, wenn es weder bei noch in meinem Körper ist.

Mit der behavioristischen Fehldeutung der Handlung wird zwar eingeräumt, dass das Verhalten des Menschen aufschlussreich ist für seine Handlungen, dass es jedoch nicht identisch sein kann mit ihnen. Für eine Handlung ist es essentiell, dass sie ein phänomenales Subjekt hat, und zwar auch in Fällen einer Fehlhandlung oder Unterlassungshandlung, wenn nämlich jemand unbeabsichtigt oder versehentlich etwas tut oder unterlässt zu tun. Eine Handlung kann daher weder als ein Ereignis aufgefasst noch durch ein Ereignis kausal erklärt werden. Wenn jemand es unterlässt, etwas zu tun, dann kann er für die Folgen verantwortlich sein oder gemacht werden, seine Unterlassungshandlung ist jedoch nicht selbst eine Handlung.

Mit der epistemischen Differenz zwischen Meinung und Wissen wird auf die Frage eingegangen, inwiefern das Wissen von etwas behauptet werden kann. Im Hinblick auf Bestrebungen, den Begriff des Wissens auf eine Definition festzulegen, nämlich auf die irgendwie allgemein einflussreiche Lehrmeinung »Knowledge is justified true belief«, hat Gettiers Widerlegung dieser Definition weltweit endlose, zuweilen leidenschaftliche Erörterungen zur Folge gehabt. Gettier wendet sich gegen diese Definition mit dem Argument, die gerechtfertigte wahre Überzeugung einer Person könne auch dann vorliegen, wenn die Person gerechtfertigt ist, etwas zu glauben, was nur zufällig wahr ist; dann könne man jedoch nicht behaupten, die Person wisse, dass p. Seltsamerweise ist die zugrunde gelegte Auffassung von Wissen als gerechtfertigte wahre Überzeugung bisher nicht überprüft worden. Aus entsprechenden Beispielen wird ersichtlich, dass die Behauptung einer Person, sie wisse, dass p, nur dann als Wissen akzeptiert wird, wenn sie für ihr Wissen einen hinreichenden Grund angeben kann; ist ihr Grund unzureichend, dann ließe sich konstatieren, sie wisse nicht, dass p. Beruht dagegen ihre Überzeugung, dass p, auf einem unzureichenden Grund, dann könnte ihre Überzeugung gerechtfertigt sein, wenn sich herausstellt, dass p wahr ist, wir würden jedoch nicht feststellen, sie wisse, dass p. Es besteht also zwischen der Behauptung des Wissens und der Überzeugung von etwas eine epistemische Differenz.

Die Struktur wissenschaftstheoretischer Erklärungen ist inkompatibel mit der Lehrmeinung, es bestehe ein Zusammenhang zwischen Logik und Erkenntnis. Das Bedingungsverhältnis im Fall von wissenschaftstheoretischen Erklärungen bezieht sich auf Ereignisse und insofern ist es vollkommen verschieden von einem logisch gültigen Schlussverfahren. In kausalen Gesetzesaussagen werden kausale Beziehungen nicht behauptet, sondern als Hypothesen unterstellt. Wegen der Möglichkeit von »störenden Bedingungen« in wissenschaftstheoretischen Bedingungsverhältnissen ist es erforderlich, diesen wenig beachteten Sachverhalt systematisch zu untersuchen und nicht nur Aussagen über Ereignisse, sondern auch über Handlungen und Zustände einzubeziehen. Durch den begrifflichen Unterschied zwischen Hypothesen und generellen Aussagen wird ersichtlich, dass nur Wahrscheinlichkeitserkenntnisse für wissenschaftstheoretische Erklärungen grundlegend sein können.

In den Ausführungen über Spiele, Sprachspiele und Familienähnlichkeiten kommt es, abgesehen von einigen allgemeinen Überlegungen zum Spätwerk Wittgensteins, auf den Gesichtspunkt an, dass seine Beispiele für Begriffe ohne Grenzen nicht geeignet sind, Begriffsdefinitionen in Frage zu stellen oder zu verwerfen. Wie ungenügend die Annahme der Familienähnlichkeiten von verschiedenen Begriffen ist, wird aus Wittgensteins zusammenhanglosen Bemerkungen ersichtlich und aus deren Einschätzung für die Philosophie der Sprache.

Das Universalienproblem scheint aus einer unzureichenden Konzeption von Begriffen und Individuen hervorzugehen. Durch eine Analyse auf der Basis von Freges Unterscheidung zwischen den Eigenschaften und den Merkmalen eines Begriffs werden die Gründe herausgearbeitet, warum es weder von Begriffen noch von Individuen möglich ist, zu behaupten, sie seien Entitäten der realen Welt. In dem Zusammenhang kann der destruierte Bestand von Begriffen ohne Grenzen dargestellt werden.

Mit dem destruktiven Dilemma der Logik werden offenbar folgenreiche Schwierigkeiten bei der Interpretation der bekannten logischen Prinzipien expliziert, dem Prinzip der Identität p→p, des Nicht-Widerspruchs ¬ (p ∧ ¬ p) und des ausgeschlossenen Dritten p∨ ¬ p. Wenn man von einigen Einwänden gegen traditionelle Auslegungen dieser Prinzipien absieht, dann ist der Umstand bedeutsam, dass die Unterscheidung zwischen ein- und zweistelligen Aussagenverknüpfungen für die Interpretation dieser Prinzipien problematisch ist, nämlich in Hinsicht auf die Feststellung, dass die Affirmation und die Negation von p jeweils durch zwei Wahrheitsmöglichkeiten und -bedingungen und die Konjunktion, Disjunktion und Implikation jeweils durch vier Wahrheitsmöglichkeiten und -bedingungen bestimmt werden. Obgleich die drei logischen Prinzipien durch unterschiedliche zweistellige Aussagenverknüpfungen ausgedrückt werden, ist es für sie eigentümlich, dass sie jeweils nur zwei Wahrheitsmöglichkeiten und -bedingungen haben. Danach scheint es nicht möglich zu sein, die Frage zu beantworten, ob mit den drei logischen Prinzipien etwas über zwei Aussagen oder nur etwas über eine Aussage festgestellt wird; die eine wie die andere Interpretation ist inkohärent.

Bei der Analyse der logischen Gültigkeit wird die Irritation aufgegriffen, dass das wiederholte Vorkommen eines Terms oder einer Aussage in logisch gültigen Formeln oder Schlüssen bisher nicht geklärt werden konnte und dass es infolgedessen nicht möglich ist, die logische Folgerungsbeziehung in einem Schluss von der Wahrheit der Prämissen auf die Wahrheit der Konklusion begrifflich zu analysieren. Die gelegentlich vertretene Annahme, mit dem wiederholten Vorkommen von ›p‹ werde in einer Formel wie p→p oder p ∨ ¬ p die Wiederholung einer Aussage p behauptet, ist wegen der logischen Konstruktion dieser Formeln unverständlich. Um dem destruktiven Dilemma der Logik zu entgehen, scheint es notwendig zu sein, die Feststellung zu treffen, dass mit den logischen Junktoren nicht Aussagen, sondern nur deren Wahrheitswerte miteinander verknüpft und daher als einstellige bzw. als zweistellige Wahrheitswertrelationen definiert werden. Danach kann sich ein zweistelliger Junktor nicht nur auf die Wahrheitswerte von zwei verschiedenen Aussagen, sondern auch auf die Wahrheitswerte von nur einer Aussage beziehen. So wird zum Beispiel in p→p oder p∨ ¬ p eine reflexive Beziehung zwischen den Wahrheitswerten von p ausgedrückt und behauptet, der jeweilige Wahrheitswert von p sei mit sich selbst identisch oder die beiden Wahrheitswerte von p seien miteinander unvereinbar. Die logische Gültigkeit einer Formel geht aus einer reflexiven Wahrheitswertrelation hervor wie auch in einem gültigen Schluss die reflexive Folgerungsbeziehung. Es ist infolgedessen möglich, gültige Formeln oder Schlüsse nur auf deren reflexive Determination zu beschränken und irrelevante Komponenten auszuschließen.

Durch die Erörterung der hier vorliegenden essentiellen Fragen der Philosophie wird die provokante Forderung nach einem Umdenken erhoben, mit dem sich der kürzeste Weg zu einer philosophischen Auseinandersetzung ergeben könnte.

Für die Zusammenstellung und die Korrekturen des Manuskripts und für einige Vorschläge danke ich herzlich D. Schadt M. A., insbesondere im Hinblick auf seine eigenen ausgewiesenen Erfahrungen. Für die Durchsicht des Manuskripts und für einige Korrekturvorschläge danke ich herzlich last, but not least Dr. R. Fabian.

1. Wo denn bin ich?

Das Phänomen des Bewusstseins der eigenen Existenz

Wenn eine Theorie des Geistes in Frage gestellt wird, erscheint selbst dann vielen Autoren wissenschaftsmethodologisch die Ansicht plausibel, die Introspektion von mentalen Zuständen entspreche der Wahrnehmung. So ergibt sich eine Problemstellung, wie sie beispielsweise von Nagel erörtert wird:

»Anstatt Gedanken, Empfindungen, Nachbilder usw. mit Gehirnprozessen zu identifizieren, schlage ich vor, den Sachverhalt, daß eine Person die Empfindung hat, mit dem Sachverhalt zu identifizieren, daß ihr Körper in einem physikalischen Zustand ist oder einem physikalischen Prozessunterliegt.«1

Was sind eigentlich die Gedanken, Empfindungen oder Nachbilder einer Person? Sie sind offenbar so seltsam und eigenartig, dass es notwendig ist, die Phänomene ihres Erlebens zu reflektieren. Es ist dann unvermeidlich, sich auf entsprechende eigene Erfahrungen zu besinnen und beispielsweise hervorzuheben, dass meine Nachbilder nur etwas für mich sind, dass sie nur so lange existieren, wie sie mir bewusst und gegenwärtig sind; sie können von anderen nicht festgestellt, sondern ihnen nur mitgeteilt werden und sie sind vielmehr nur für denjenigen verständlich, der schon selbst einmal ein Nachbild gehabt hat. Phänomene des eigenen Erlebens habe ich bei meinen Sinneswahrnehmungen und Gefühlen, diese Phänomene sind mir bewusst und sie existieren für mich nur so lange, wie ich sie habe, aber das betrifft nicht meine Sinneswahrnehmungen oder Gefühle, denn die Blumen, die ich beispielsweise sehe oder über die ich mich freue, sind auch für andere sichtbar, wohingegen es ihnen verschlossen bleibt, dass es mir bewusst ist, sie zu sehen oder mich über sie zu freuen. Mir kommt es darauf an, dasjenige, was ich in meinen Sinneswahrnehmungen oder Gefühlen unmittelbar empfinde oder erfahre, was nur für mich existiert und nur mir bewusst ist, von dem zu differenzieren, was in ihnen außerhalb von mir existiert oder existieren könnte, um mit den eigenen phänomenalen Erfahrungen und verschiedenartigen Wahrnehmungen das Phänomen des Bewusstseins der eigenen Existenz aufzugreifen zu können.

I.

Diese jeweils eigene Sinneserfahrung habe ich, wenn ich beispielsweise behaupte, etwas zu sehen, zu hören, zu riechen, zu schmecken oder zu ertasten; ihren sinnlichen Gehalt erfassen die Empiristen angeblich durch die Perzeption von Eindrücken oder Sinnesdaten, die beispielsweise nach der Ansicht von Ayer in dem »argument from illusion« unvermeidlich auftaucht: