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Ist Francis wirklich ein Nichtsnutz, wie sein Vater behauptet, oder kann er sich in Tykes Bande bewähren? Die Suche nach der Quelle des Flusses, an dem Francis viele spannende Abenteuer erlebt, wird zu einem Gleichnis für ein neues Leben. Ein spannendes Buch über Wut, Vergebung, die Suche nach dem Platz im Leben und bedingungslose Liebe, die jedem Menschen gilt.
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Seitenzahl: 156
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Patricia M. St. John
Wo der Fluss beginnt
Impressum
Originaltitel: »Where the River Begins«
Zuerst veröffentlicht in den USA bei Moody Publishers, 820 N. LaSalle Blvd., Chicago, IL 60610
© 1980 by The Moody Bible Institute of Chicago
Deutsch von Ingeburg Bedke
© 1981 der deutschsprachigen Ausgabe, Verlag Bibellesebund, Marienheide
8. Auflage 2009
© 2019 der E-Book-Ausgabe
Bibellesebund Verlag, Marienheide
https://shop.bibellesebund.de/
Coverillustration: Traudel Comer
Covergestaltung: Georg Design, Münster
ISBN 978-3-95568-320-7
Hinweise des Verlags
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Inhalt
Titel
Impressum
Der Kirschbaum
Der Fluss
Der Bauernhof
Wieder im Kirschbaum
Die Bande
Das Feuer
In Schwierigkeiten
Auf der Flucht
Die Zuflucht
Fragen
Die Quelle
Das Tulpenbeet
Der Strom des Lebens
Der Schwan
Die Heimkehr
Der Kirschbaum
»Francis!«, schimpfte der Stiefvater, »benimm dich! Lass deine kleine Schwester in Ruhe. Es ist nicht zu glauben, ein Junge in deinem Alter!«
Francis schluckte seinen Bissen hinunter und begann mit den üblichen Entschuldigungen.
»Wirklich, Papa, sie hat mich zuerst gekniffen – sie fängt immer an, und du meinst …«
»Ich habe nicht angefangen.«
»Doch, du hast angefangen.«
»Hab ich nicht!«
»Francis, sei still! Merkst du nicht, wie du deine Mutter aufregst und ihr dadurch Kopfschmerzen bereitest? Ist dir das ganz egal?«
»Nein, ich sage euch ja nur …«
»Hör auf, uns etwas zu sagen. Nimm dein Essen mit auf dein Zimmer und bleib dort, bis ich dich rufe. Ich habe diese ewige Streiterei satt. Man könnte glauben, du seist ein Baby!«
Francis nahm seinen Teller, schnappte sich ein Nusstörtchen von der Mitte des Tisches, trat gegen Wendys Schienbein und begab sich zur Tür. Ihr Geschrei verfolgte ihn durch den Flur. Er ging jedoch nicht in sein Schlafzimmer, sondern schlich sich durch die Wohnstube, stopfte sich ein Comicheft unter den Pullover und verschwand durch die Hintertür in den Hof. Er durfte nicht am Küchenfenster vorbeigehen, wo die anderen ihr Mittagessen beendeten. Daher ging er auf Zehenspitzen ums Haus und rannte auf die Hecke zu. Er bückte sich, kroch durch das hohe Gras hinter den Apfelbäumen und kam sicher beim Kirschbaum in der äußersten Ecke des Gartens an.
Keiner wusste so recht, wem der Kirschbaum gehörte, denn seine Wurzeln verliefen halb in ihrem Garten und halb in dem der alten Frau Glengarry von nebenan. Schon das gab Francis das prickelnde Gefühl, etwas Verbotenes zu tun. Es war aufregend, in das Grundstück anderer Leute zu spähen und so zu tun, als ob man nicht erwischt werden durfte. Dabei hatte Frau Glengarry die herunterbaumelnden Beine längst gesehen. Als Francis’ Sandale eines Tages in ihren Lavendelbusch gefallen war, war sie herausgekommen, um sie ihm zurückzugeben. Sie freute sich eigentlich über die Beine, die im Kirschbaum baumelten – sie weckten Erinnerungen an ihre längst vergangene Kindheit.
Aber keiner aus seiner Familie hatte Francis’ Versteck im Kirschbaum bisher entdeckt, da er durch einen immergrünen Busch verdeckt war. Es war nicht einfach hinaufzukommen. Mit dem Teller in der Hand war es sogar unmöglich. Daher aß er sein Mittagessen unten zu Ende. Dann stopfte er sein Törtchen in die Tasche, sprang hoch und packte den untersten Ast. Er schwang sein Bein darüber und zog sich hoch. Von dort kletterte er vorsichtig weiter bis zu einer großen Astgabel. Hier befand sich eine Art Sitz und eine Vertiefung, die groß genug war, um eine Blechdose aufzunehmen.
Francis machte es sich bequem und überprüfte den Inhalt der Dose. Es war noch alles da – drei kleine Matchbox-Autos, fünfzig Fußballkarten und eine Tüte Pfefferminzbonbons. Er aß die Krümel seines Törtchens auf und begann, über seine Lage nachzudenken.
Es machte ihm nichts aus, vom Tisch weggeschickt zu werden. Denn wenn Vater zornig war, Mutter Kopfweh und Wendy schlechte Laune hatte, war es viel angenehmer, sein Mittagessen im Kirschbaum einzunehmen. Trotzdem war er verletzt. Wendy hatte zuerst gekniffen – das tat sie immer –, und Vater gab immer ihm die Schuld, weil er der Ältere war. Das war nicht fair! Wenn er wie Debby und Wendy Vaters eigenes Kind wäre, hätte dieser ihn genauso lieb wie die Mädchen. Es war ihm auch nicht egal, dass Mutter Kopfschmerzen hatte. Es machte ihm sogar sehr viel aus, und er hätte alles für seine Mutter getan. Doch leider traute er sich nie, es ihr zu sagen.
Papa sagt, ich sei ungezogen, und Mama glaubt ihm immer. Es ist einfach ungerecht – Wendy hat mich zuerst gekniffen, aber nie sagen sie, Wendy sei gemein. Papa gibt immer mir die Schuld.
Seine Gedanken wanderten im Kreis herum und kamen immer wieder auf den gleichen Punkt zurück. Es war wirklich nicht fair – es war nicht fair. Er sagte es sich abends im Bett, so dass er oft nicht einschlafen konnte, und er dachte im Klassenzimmer daran. Dadurch passte er nicht auf. Im letzten Zeugnis hatte gestanden, dass er unaufmerksam sei. Da war Vater böse geworden und hatte wieder gesagt, er sei ungezogen, und Mutter hatte ihm beigepflichtet. Es war wirklich ungerecht!
Aber hier im Kirschbaum konnte man leichter als sonst irgendwo vergessen, dass es nicht fair war, denn man konnte viele Dinge beobachten. Er konnte Frau Glengarry sehen, wie sie in einen dicken Schal gehüllt ein- und ausging, um ihre Katzen zu füttern, und Frau Rose zwei Häuser weiter, die ihre Geschirrhandtücher zum Trocknen aufhängte. Er konnte in die Hinterhöfe verschiedener Leute sehen und weiter hinten die Autos und Lastwagen verfolgen, die auf der Hauptstraße dahinbrausten. Noch weiter hinten fing der Wald an. Kleine Hügel erhoben sich mit Äckern von rötlich brauner Erde, Bauernhöfen und Weiden, und irgendwo zwischen zwei Hügeln grüßte ein Fluss. Es war März, und der nasse Winter hatte ein Ende. Der Fluss überflutete teilweise das Ufer und reichte an manchen Stellen fast bis an die Brücken.
Dann sah Francis sich im eigenen Garten um. Die Krokusse waren verblüht und welk, aber die lanzenförmigen Blätter der Narzissen ragten aus dem Gras. Abgesehen vom Gesang der Vögel war es sehr still, und er überlegte, was jetzt wohl die anderen taten. Mutter war sicher ins Bett gegangen mit ihren Kopfschmerzen, und Vater würde den Nachmittag mit Wendy und Debby verbringen, weil heute Samstag war. Er würde sie sicherlich mit zum Park nehmen, damit sie Rad fahren konnten und ein Eis spendiert bekamen. Bestimmt würde er bald zu Francis’ Zimmer hinaufgehen, um ihm zu sagen, dass er mitkommen könne, falls er sich benehmen und bei seiner kleinen Schwester entschuldigen würde. Francis musste zugeben, dass sich sein Stiefvater oft Mühe gab, nett zu sein.
Aber er wollte nicht, dass jemand nett zu ihm war. Er wollte sich auch nicht bei Wendy entschuldigen oder mit kleinen Mädchen zusammen Fahrrad fahren. Auch hatte er genug Geld in der Tasche, um sich selbst ein Eis zu kaufen. Es war Frühling, und er wollte allein fort, um etwas zu erleben: Er wollte zum Fluss fahren. Mutter würde sich keine Sorgen um ihn machen, denn sie schlief, und Vater war sicher froh, ihn los zu sein. Er steckte die Pfefferminzbonbons in die Tasche und kletterte vorsichtig den Baum hinunter. Dann spähte er durch die Büsche, um sicherzugehen, dass die Luft rein war. Sein Fahrrad stand im Werkzeugschuppen und war leicht erreichbar. Noch ein paar Augenblicke, und schon war er aus dem Tor und radelte wie wild drauflos. Sein Atem ging schwer, doch er hatte es geschafft!
Francis wusste in etwa, wie er zum Fluss gelangen konnte, aber allein war er bisher noch nie so weit fort gewesen. Als er am Ende der Straße angekommen war, kamen ihm Zweifel, ob ein Ausflug allein auch wirklich Spaß machte. Er merkte sogar, dass er sich nach Vater, Wendy und dem Park sehnte und hoffte im Stillen, dass ihn die anderen einholen würden.
Aber sie tauchten nirgends auf. Plötzlich wurde er sich bewusst, dass er am Ende einer Straße stand, in der die Häuser kleiner als in seiner Straße waren. Hier wohnte Ram, ein indischer Junge, der dieselbe Schule besuchte wie er. Er hatte Ram bisher nicht besonders beachtet. Keiner tat es, denn er war sehr scheu und klein für sein Alter, und er konnte nur mangelhaft Englisch sprechen. Aber Ram besaß ein Fahrrad. Mit ihm konnte man auf Entdeckungsfahrt gehen. Francis radelte zur Hausnummer acht und klopfte an die Tür. (An den englischen Haustüren befinden sich größtenteils noch Türklopfer statt Klingeln.) Rams Mutter öffnete ihm. Sie trug einen dunkelblauen Sari, und das Haar hing ihr zu einem langen Zopf geflochten über den Rücken. Auf ihrer Hüfte trug sie ein kleines Mädchen. Auch sie konnte nicht gut Englisch und blickte recht ängstlich drein. Auf ihr Rufen eilte Ram herbei, um sie miteinander bekannt zu machen. Seine kleine Schwester hieß Tara. Sie betrachtete Francis mit großen dunklen Augen. Francis fand sie viel sympathischer als seine Schwester Debby.
Rams Mutter schien sich zu freuen, dass Francis gekommen war, um Ram zum Radfahren abzuholen. Kein anderes Kind hatte ihn bisher besucht, und ihr kleiner Junge fühlte sich einsam hier in England, wo es so schwer war, sich zu verständigen. Während Ram seine Reifen aufpumpte, bereitete seine Mutter für beide ein kleines Picknick vor. Francis wartete in einem Zimmer, in dem es angenehm nach Curry duftete, und versuchte vergeblich, Tara dazu zu bewegen, ihn anzulächeln.
Dann fuhren sie los, auf dem Radweg entlang der großen Hauptstraße, die von der Stadt südwärts führte, hinaus ins offene Land. Francis kannte den Weg, denn er war schon ein- oder zweimal mit seinem Stiefvater dort gewesen.
»Wohin wir fahren?«, erkundigte sich Ram; seine schwarzen Augen strahlten.
»Zum Fluss«, rief Francis, der vorausfuhr.
Der Fluss
Nach etwa eineinhalb Kilometern verließen sie die Hauptstraße und fuhren eine Landstraße hinunter zu einem schönen Dorf mit alten Fachwerkhäusern und einer Schmiede neben einer kleinen Dorfwiese. Sie hielten an, um sich Popcorn zu kaufen, und radelten dann über die Brücke, um einen geeigneten Rastplatz zu finden. Der große Fluss war beinahe bis zur Uferhöhe angeschwollen, aber weiter oben außerhalb des Dorfes befand sich ein kleinerer Nebenarm. Dort würden sie ungestört sein. Francis wusste nicht genau, wie man dorthin gelangte, aber er radelte voraus, und Ram folgte ihm vertrauensvoll. Sie fuhren durch ein offen stehendes Gatter, versteckten ihre Räder hinter der Hecke und trotteten einen Pfad entlang, der einen Hügel hinaufführte.
»Ich glaube, der Fluss ist auf der anderen Seite«, bemerkte Francis. »Beeil dich, Ram!«
Es war ein wunderschönes Fleckchen Erde. Große Buchen mit grauen, ausladenden Ästen säumten den Weg. Sie luden zum Klettern ein. Die Blätter sprossen noch nicht, aber Weidenkätzchen leuchteten aus dem Unterholz hervor, und die Vögel lärmten und sangen in der Vorfreude auf das Nestbauen. Die Luft war voll Sonnenschein, Leben und Frühlingsduft. Francis breitete seine Arme aus wie die Tragflächen eines Flugzeugs und rannte so schnell er konnte den Hügel hinunter.
»Da ist der Fluss!«, rief er. »Ich habe es ja gesagt. Lauf mit mir um die Wette bis zur Brücke, Ram!«
Aber Ram war nicht an steile, aufgeweichte Pfade gewöhnt. Er blieb mit seinem Fuß in einem Kaninchenloch hängen und fiel auf die Nase. Weil er ein tapferer und höflicher kleiner Junge war, stand er auf und entschuldigte sich. Aber er war sehr besorgt um seine verschmutzte Hose. »Wir gehen bald nach Hause?«, fragte er hoffnungsvoll.
»Nach Hause?«, rief Francis. »Doch nicht jetzt! Ich sagte dir doch, ich wüsste, wo der Fluss ist. Los, komm, Ram, beeil dich!«
»Warum gehen Fluss?«, protestierte Ram. »Wasser kalt, und ich nicht schwimmen.« Doch er folgte Francis gehorsam bis zur Brücke. Sie setzten sich auf einen Baumstamm und verzehrten ihr Picknick, während das goldbraune Wasser in Uferhöhe an ihnen vorbeieilte und um die Stämme der Erlen sprudelte. Francis kaute genüsslich an seinem belegten Brot und meinte, dies sei der schönste Nachmittag, den er je erlebt hatte. Wendy und sein Stiefvater schienen sehr weit weg und unwichtig. Er war frei und konnte tun und lassen, was er wollte, und gehen, wohin er wollte. Der Fluss war nur der Anfang des Abenteuers.
Francis sah sich um. Hinter ihm lag eine abschüssige Weide, auf der schwarzweiße Kühe grasten. Dahinter lag ein Bauernhof mit einer Scheune und weiteren Gebäuden, und noch weiter drüben sah man ein hellgrünes Feld mit jungem Getreide. Am Frühlingshimmel hingen weiße Schäfchenwolken. Als sich Francis gerade nach dem Fluss umsehen wollte, brach die Sonne voll hervor. Sie beschien das Schöllkraut und den Huflattich am Ufer und glitzerte auf dem Wasser.
Francis sprang auf und rannte zu einer Erle, deren Stamm weit über den Fluss hinausragte. Er wollte darauf entlangklettern und auf die Strömung hinuntersehen. Aber als er den Baum erreicht hatte, machte er noch eine andere Entdeckung. Sie war so gefährlich und aufregend, dass er einen leichten Schrei ausstieß, gemischt aus Furcht und Freude.
Auch Ram stand auf, eilte herbei und wartete neben ihm.
Sie sahen hinunter auf eine gut versteckte Bucht, in der ein kleines Boot an einen Pfahl gebunden war. Die Flut hatte es angehoben, so dass es auf dem Stauwasser auf- und niedertanzte – ein schäbiges kleines Boot, das auf seinen Frühjahrsanstrich wartete. Francis war im Nu die Böschung hinuntergesprungen und saß bereits im Boot. Die Ruder fehlten, auch gab es kein Steuer. Es war nur ein kleines Ruderboot, mit dem man sich an einem heißen Sommertag auf dem Fluss vergnügen konnte. Aber für Francis bedeutete es ein Erlebnis, das alle anderen in den Schatten stellte. Er machte sich bereits an den Knoten zu schaffen und forderte Ram auf einzusteigen.
Ram stand steif vor Angst und Unentschlossenheit am morastigen Ufer. Er erkannte sofort, dass es äußerst gefährlich war, das kleine Boot loszubinden. Aber ihm war auch klar, dass er Francis weder davon abhalten noch ihn allein lassen konnte. Aber er versuchte es dennoch:
»Nein, Francis«, flehte er und breitete bittend seine Hände aus. »Zurückkommen – nicht gut – ich nicht schwimmen – Francis!«
Der letzte Knoten war gelöst; das Boot, das seitwärts von einem Wasserstrudel erfasst worden war, fuhr auf den Hauptstrom zu. Ram, der nichts mehr fürchtete, als allein gelassen zu werden, machte einen Sprung und landete neben Francis im Boot. Es schaukelte beängstigend, behielt jedoch das Gleichgewicht. Schon hatten sie das Stauwasser verlassen und wurden von der Hauptströmung ergriffen.
Francis wurde still, sein Gesicht war ganz blass. Er hatte nicht im Entferntesten daran gedacht, dass so etwas passieren könnte. Er hatte sich vorgestellt, dass er sich am Flussufer an den Zweigen der Bäume festhalten würde, um eine nette kleine Fahrt zu machen. Doch das Boot war jetzt völlig außer Kontrolle und raste in der schäumenden Strömung dahin. Ram schluchzte und murmelte hinter ihm. Ram war sich sicher, dass ihr letztes Stündchen geschlagen hatte, und Francis dachte nicht anders. Er hielt sich am Bootsrand fest und versuchte nachzudenken. Aber das Boot fuhr so schnell, dass er keinen klaren Gedanken fassen konnte. Wenn er es nur ans Ufer steuern und einen Ast packen könnte! Oder wenn er es in eine Schilfinsel lenken könnte! Aber er konnte nichts anderes tun, als sich festzuhalten.
Auf einmal übertönten Schreckensrufe vom Ufer her das Rauschen des Flusses. Francis sah sich um und erblickte einen sehr großen, zornigen Mann, der so schnell lief, wie er konnte. Zwei kleine Jungen rannten hinter ihm her, gefolgt von einem wütend bellenden Schäferhund.
»Da vorn ist das Wehr, ihr kleinen Dummköpfe!«, brüllte der Mann. »Lenkt das Boot zur Seite. Hängt eure Jacken auf der rechten Seite ins Wasser.«
Er lief schneller als das Boot und war ihnen ein ganzes Stück zuvorgekommen. Er hatte sich ein Seil um den Bauch gebunden, und nun sprang er in seinen Kleidern in den Fluss. Francis musste unwillkürlich an ein zorniges Nilpferd denken.
»Könnt ihr schwimmen?«, brüllte der Mann.
»Ich kann schwimmen – er nicht«, rief Francis zurück.
»Dann springt!«, rief der Mann und schlug mit seinen Armen auf das Wasser. »Das Wehr liegt direkt vor euch. Springt, sag ich euch!«
Francis sah flüchtig nach vorn. Tatsächlich: Der Fluss schien vor ihnen mit Getöse zu verschwinden. Ram sah es auch, stieß einen lauten Schrei aus und sprang. Der Mann fing ihn auf und hielt ihn fest.
Francis platschte ins Wasser und kämpfte mit den Wellen. Es schien, als ob er den ganzen Fluss hinunterschluckte und auf den Grund sinken würde. Dann kam er wieder an die Oberfläche und merkte, dass ihm der Mann eine Hundeleine entgegenhielt. Er packte zu und wurde ans Ufer gezogen. Der Mann arbeitete sich, mit Ram unter einem Arm und Francis im Schlepptau, aus dem Wasser. Einen Moment später wurde Francis wie ein ertrinkendes Hündchen an Land gezogen und ins Gras geworfen, nass, durchgefroren und schluchzend.
Der Bauernhof
Das Boot war hinter dem Wehr verschwunden; die beiden Jungen und der Hund liefen ihm nach. Aber der Mann rief sie mit lauter Stimme zurück: »Wir holen es später«, rief er. »Bringt diese Jungen nach Hause und sagt Mutter, dass sie ihnen trockene Kleider geben soll. Sie holen sich sonst noch den Tod. Lauft, alle zusammen! Hört auf mit dem Gejammer, ihr beiden. Lauft, sage ich!«
Er schien so wütend zu sein, dass sie nicht einen Moment zögerten, ihm zu gehorchen. Hustend, spuckend und außer Atem standen sie auf und folgten ihren flinken und aufgeregten kleinen Führern. In quatschnassen Schuhen und triefenden Kleidern, die nach unten zogen, stapften sie über die Weide. Sie stolperten über Grasbüschel und Kuhfladen. Doch hielten sie nicht einen Augenblick an, denn der zornige Mann kam hinter ihnen her. Nie zuvor in ihrem Leben hatten sie solche Angst gehabt.
Gerade als sie meinten, vor Erschöpfung zusammenzubrechen, hatten sie ihr Ziel erreicht. Sie überquerten einen Hof, und der ältere Junge hielt ihnen die Tür auf. Eine Frau stand am Eingang und hörte sich an, was ihr die beiden Jungen, so schnell sie konnten, gleichzeitig erzählten.
»Wie ungezogen von euch«, sagte sie recht streng, indem sie Francis und Ram ansah. »Wir können dankbar sein, dass ihr beide nicht ertrunken seid. Lass das Badewasser einlaufen, Martin, und geht beide sofort in die Wanne! Kate, spüle ihre Kleider durch und lege sie in den Wäschetrockner! Sie müssen dann so lange warten, bis sie trocken sind. Ich werde ein paar alte Sachen heraussuchen; sie können so lange am Kamin sitzen. Nun beeilt euch, ihr ungezogenen Jungen – geht nach oben!«
Etwa eine Viertelstunde später saßen sie in der Küche am Kamin und tranken heißen Tee. Francis trug einen Bademantel und darunter einen Pyjama, der ihm viel zu klein war, und Ram erschien in einem anderen Pyjama, der für ihn aber viel zu groß war. Jetzt prustete und spritzte der Mann im Badezimmer, und beide hofften, er möge noch sehr lange dort bleiben. Kate, ein etwa fünfzehnjähriges Mädchen, sah sie vorwurfsvoll an, als sie ihre Kleidungsstücke vor dem Kamin ausbreitete. Beim Hinausgehen warf sie ihr langes blondes Haar stolz zurück.