Wo mein Herz wohnt - Nora Roberts - E-Book

Wo mein Herz wohnt E-Book

Nora Roberts

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Beschreibung

Geh, wohin dein Herz dich trägt! Jillian Baron folgt dem Ruf und kehrt auf die Ranch ihres Großvaters nach Montana zurück. Der weite Himmel, die schneebedeckten Berggipfel in der Ferne und die grenzenlose Freiheit bedeuten für sie das Paradies auf Erden. Nur die langjährige Fehde zwischen den Barons und ihren Nachbarn, den Murdocks, trübt die Idylle. Aaron Murdock, selbstbewusst, impulsiv, stolz, hält die neue Eignerin zunächst für ein unverbesserliches City-Girl, das besser daran täte, ihm die Ranch zu verkaufen. Aber davon will die selbstbewusste, unabhängige junge Frau nichts wissen.

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Nora Roberts

Wo mein Herz wohnt

Roman

Aus dem Amerikanischenvon M. R. Heinze

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Die Originalausgabe Boundary Linesist bei Silhouette Books, Toronto, erschienen. Die deutsche Erstausgabe ist im MIRA Taschenbuch erschienen.
Wilhelm Heyne Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.Copyright © 1985 by Nora RobertsPublished by Arrangement with Eleanor WilderCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2008 by MIRA Taschenbuchin der Cora Verlag GmbH & Co. KG, HamburgUmschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München,unter Verwendung eines Fotos von shutterstock/NuzzaSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN: 978-3-641-12123-5V003
www.penguinrandomhouse.de/nora-roberts

1. KAPITEL

Der Wind schlug gegen Jillians Wangen und strich durch ihr Haar. Er duftete nach Frühling und Blüten, und Jillian hob ihm ihr Gesicht herausfordernd und genussvoll entgegen. Die schlanke Stute unter Jillian drängte auf eine schnellere Gangart, und solange die Sonne hoch am Himmel stand, wollten sie reiten – zwei freiheitsliebende Wesen, Pferd und Reiterin.

Kurzes, hartes Gras wurde unter den Hufen ebenso zerstampft wie wild wachsende Blumen. Jillian achtete nicht auf die Butterblumen, während sie dem hart getretenen, rötlichbraunen Pfad zustrebte, der von silbergrauem Salbei gesäumt wurde.

Es gab keine Bäume auf dieser rauen, offenen Ebene, aber Jillian suchte ohnedies keinen Schatten. Sie galoppierte an einem Weizenfeld entlang, das in der Sonne dalag, ohne dass auch nur ein Lufthauch die Halme rascheln ließ. Danach kamen Wiesen. Viele Morgen Wiesen, die fast schon für die erste Heuernte bereit waren. Jillian lauschte dem Ruf einer Feldlerche, während sie weiterritt. Sie war keine Farmerin, und hätte jemand sie so bezeichnet, hätte sie je nach Stimmung gelacht oder gefaucht.

Die Felder wurden bestellt, weil die Ernte gebraucht wurde, genau wie die Gemüsefelder bebaut und gepflegt wurden. Selbstversorgung mit Nahrungs- und Futtermitteln machte unabhängig. Und für Jillian gab es nichts Wichtigeres. In guten Jahren blieb genug von der Ernte, um ein paar Extradollars abzuwerfen. Ein paar Extradollars bedeuteten mehr Vieh. Bei allem ging es um Vieh.

Jillian war Rancher, genau wie ihr Großvater einer gewesen war und vor ihm sein Vater.

Das Land erstreckte sich so weit, wie Jillian sehen konnte. Ihr Land, sanft rollend und fruchtbar. Morgen um Morgen war mit sprießendem Korn bedeckt, und dahinter lagen die Ebenen und Weiden, auf denen das Vieh und die Pferde grasten. Doch Jillian ritt heute nicht die Zäune ab. Sie zählte auch nicht das Vieh oder brütete über den Büchern in dem nach Leder und Eiche riechenden Büro ihres Großvaters. Heute wollte sie Freiheit, und sie nahm sich Freiheit.

Jillian war nicht auf den wilden, weiten Ebenen Montanas aufgewachsen. Sie war nicht im Sattel geboren worden. Sie war in Chicago aufgewachsen, weil ihrem Vater die Medizin mehr als die Viehzucht bedeutete, weil er den Osten dem Westen vorzog. Jillian hatte ihm das, im Gegensatz zu ihrem Großvater, nie vorgeworfen. Jeder Mensch hatte das Recht, über sein eigenes Leben zu bestimmen. Und deshalb war sie hierher zurückgekehrt, zurück zu ihren Wurzeln. Das war vor fünf Jahren gewesen, als sie zwanzig wurde.

Auf dem Hügel hielt Jillian die Stute an. Von hier reichte ihr Blick über die Felder zu den Weiden, die von einem aus dieser Entfernung unsichtbaren Zaun umgeben waren. Der Goldrausch hatte ihre Vorfahren angelockt, das Land hatte sie festgehalten. Es hielt auch Jillian fest.

Wären ihre Ahnen weiter in die Berge gezogen, hätten sie Gold gewaschen und Nuggets eingesammelt, sie hätten nichts Wertvolleres als dieses Land finden können.

Auch Jillian hatte den Wert des Landes auf den ersten Blick erkannt. Sie war zehn gewesen, als sie zusammen mit ihrem Bruder Marc auf die Utopia-Ranch hierher in den Westen gekommen war. Marc war schon sechzehn gewesen und hatte sich für Viehzucht genauso wenig wie der Vater interessiert.

Beim Anblick der Ranch hatte Jillian mit zehn gewusst, dass sie nichts in den Straßen von Chicago zu suchen hatte, sondern für diesen offenen Himmel und das endlose Land bestimmt war. Mit zehn hatte sie Liebe auf den ersten Blick erfahren.

Aber es war keine Liebe auf den ersten Blick zu ihrem Großvater gewesen. Er war ein harter, wettergegerbter, eigensinniger alter Mann gewesen. Die Ranch und die Herde waren sein Leben, und er hatte nicht die geringste Ahnung gehabt, was er mit einem dürren Mädchen anfangen sollte, das zufällig die Tochter seines Sohns war. Tagelang hatten sie einander misstrauisch umkreist, bis ihr Großvater ein paar bissige Bemerkungen über ihren Vater und seine Vorliebe für Pillen und Spritzen gemacht hatte. Jähzornig hatte Jillian ihren Vater verteidigt, und zuletzt hatten Großvater und Enkelin einander angeschrien, und Jillian hatte mit rot glühendem Gesicht und brennenden Augen nicht einmal unter der Drohung eines Ledergürtels nachgegeben.

Am Ende dieses Besuchs hatten sie sich mit einer Mischung aus gegenseitigem Respekt und Abneigung getrennt. Dann schickte ihr der Großvater einen maßgeschneiderten lederfarbenen Stetson zum Geburtstag. Und damit begann es.

Vielleicht hatten sie einander deshalb so tief lieben gelernt, weil sie sich Zeit gelassen hatten. Während der sporadischen Besuchswochen in ihrer Jugend hatte ihr der Großvater alles beigebracht. Wie man das Wetter nach dem Geruch der Luft und dem Aussehen des Himmels bestimmte, wie man einem Kalb auf die Welt half, wie man den Zaun zur Kontrolle abritt und einen Stier einfing. Und nachdem Jillian zum ersten und einzigen Mal geraucht hatte, hatte er ihr den Kopf gehalten, als ihr schlecht wurde. Er hatte nicht geschimpft.

Als seine Augen schwach wurden, hatte Jillian die Bücher übernommen. Sie hatten nie über Jillians endgültigen Umzug auf die Ranch gesprochen, auch nicht darüber, dass sie mit Großvaters fortschreitender Krankheit immer mehr Pflichten übernahm.

Als er starb, gehörte die Ranch ihr. Sie blieb und begrub die Erinnerungen an den Osten leichter als ihren Großvater.

»Du alter Brummbär«, murmelte sie. »Ich werde es dir zeigen und Utopia zu der besten Ranch in Montana machen.« Lachend warf sie den Kopf zurück und blickte zum Himmel. »Du wirst schon sehen!«

Die Stute fühlte den Stimmungswechsel ihrer Reiterin, tänzelte unruhig und warf den Kopf hoch.

»Schon gut, Delilah.« Jillian beugte sich vor und tätschelte den hellen Hals des Pferdes. »Wir haben noch den ganzen Nachmittag vor uns.« Sie zog die Stute herum und ließ sie den Hang hinuntertraben.

Diese Stunden waren umso kostbarer, als Jillian sie sich gestohlen hatte. Es gab viel zu viel zu tun, und der verdammte Jeep war schon zum dritten Mal in diesem Monat liegen geblieben. Und dann war da der Zaun an der Grenzlinie.

Die Murdock-Grenze. Jillian verzog das Gesicht.

Die Fehde zwischen den Barons und den Murdocks reichte in die Anfänge des Jahrhunderts zurück, als Noah Baron, ihr Urgroßvater, in den Südosten Montanas gekommen war, um sich dort anzusiedeln. Die Murdocks waren schon hier gewesen auf ihrer weitläufigen, reichen Ranch. Die Barons waren in ihren Augen Bauern, Eindringlinge, die entweder scheitern oder vertrieben werden mussten. Jillian wurde noch immer ganz wütend, wenn sie sich an die Geschichten ihres Großvaters erinnerte, Geschichten von zerschnittenen Zäunen, gestohlenem Vieh und verwüsteten Ernten.

Aber die Barons waren geblieben, hatten überlebt und waren erfolgreich. Nein, sie besaßen nicht so viel Land wie die Murdocks, auch nicht so viel Geld, aber sie hatten sich behauptet. Das wäre leichter gewesen, hätte ihr Großvater genau wie die Murdocks Öl gefunden, aber Öl war eine Glückssache und hatte nichts mit Fähigkeiten zu tun.

Die Murdocks konnten es sich eben leisten, preisgekrönte Zuchtrinder zu halten und stolz mit den Blauen Bändern zu winken. Was soll’s, dachte Jillian. Sie selbst züchtete eben ihre einfachen Hereford-Rinder.

Jillian kannte diesen Pfad gut. Er verlief auf dem westlichsten Teil ihres Landes, das hier zu hart für den Pflug und zu trocken für Weiden war. Niemand kam hierher, weder von ihrer Ranch noch von der Double-M-Ranch der Murdocks, deren Land parallel zu dem Weg verlief. Sogar der Zaun, der vor Jahren die Grenze markiert hatte, war zerrissen, und niemand kümmerte sich darum. Niemand mochte diesen nutzlosen Streifen Erde, weshalb sie ihn umso mehr liebte.

Es gab ein paar Bäume, Espen, die erstes Grün ansetzten. Eine Grasmücke ließ ihren Gesang ertönen. Vielleicht gab es hier auch ein paar Kojoten, ganz bestimmt aber Klapperschlangen. Jillian war nicht so verzückt, dass sie nicht daran gedacht hätte. Ein geöltes und geladenes Gewehr war hinter ihrem Sattel festgeschnallt.

Die Stute witterte das Wasser des Teiches, und Jillian ließ sie laufen. Die Vorstellung, die verschwitzten Kleider auszuziehen und in die Fluten einzutauchen, reizte sie ungemein, und Delilah hätte sich vor dem langen Rückweg ausruhen können. Jillian sah schon das glitzernde Wasser vor sich, doch die Stute witterte etwas anderes und scheute. Jillian dachte sofort an eine Klapperschlange, und während sie Delilah mit einer Hand unter Kontrolle bringen wollte, griff sie mit der anderen Hand nach dem Gewehr. Bevor sie Atem holen konnte, flog sie schon durch die Luft. Jillian hatte gerade noch Zeit für einen gemurmelten Fluch, bevor sie, Gesäß voran, im Teich landete. Aber sie hatte gesehen, dass die Klapperschlange Beine hatte.

Vor Wut kochend, rappelte Jillian sich hoch und strich sich die nassen Haare aus den Augen, um den Mann auf seinem Hengst wütend anstarren zu können. Delilah tänzelte nervös, während der Mann den schimmernden Hengst ruhighielt.

Der Mann brauchte nicht auf der Erde zu stehen, damit Jillian sehen konnte, wie groß er war. Ein schwarzer Stetson beschattete ein scharfkantiges, wettergegerbtes Gesicht mit gerader Nase und gut geformtem Mund. Jillian nahm sich nicht die Zeit, die Art zu bewundern, wie der Fremde auf dem Hengst saß, lässig und doch kontrolliert, selbstbewusst und kraftvoll. Was ihr aber sofort auffiel, waren seine Augen, die fast so schwarz wie seine Haare waren – und die lachten.

Sie zog ihre eigenen Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Was, zum Teufel, machen Sie auf meinem Land?«, fauchte sie ihn an.

Er sah sie schweigend an, und die einzige Bewegung an ihm war ein ganz langsames Heben seiner linken Augenbraue. Im Gegensatz zu Jillian nahm er sich ausreichend Zeit, sie zu bewundern.

Ihr flammend rotes Haar war durch das Wasser dunkel wie Kupfer geworden, klebte an ihrem Kopf und unterstrich die elegante feine Schädelform und die honigfarbene Haut. Ihre Augen blitzten ihm grün entgegen. Ihr wütend zusammengepresster Mund besaß eine volle, verlockende Unterlippe, die einen Kontrast zu dem festen, eigensinnigen Kinn bildete.

Lässig ließ er seinen Blick tiefer gleiten. Groß ist sie, dachte er, und die nasse Bluse schmiegte sich wie eine zweite Haut …

Langsam hob er seinen Blick wieder zu ihren Augen. Sie wurde bei seinem Starren nicht rot, obwohl sie sich dessen bewusst sein musste. In ihren Augen zeigte sich weder Verlegenheit noch Angst. Stattdessen schoss sie ihm einen harten Blick zu, der einen anderen Mann wohl eingeschüchtert hätte.

»Ich habe Sie etwas gefragt«, sagte Jillian leise und scharf. »Was, zum Teufel, machen Sie auf meinem Land?«

Anstelle einer Antwort schwang der Fremde sich aus dem Sattel, so knapp abgezirkelt, dass Jillian klar war, er hatte den Großteil seines Lebens in einem Sattel verbracht. Locker und lässig kam er auf sie zu. Dann lächelte er. Blitzartig wechselte sein Gesichtsausdruck von gefährlich erotisch zu gefährlich charmant. Das Lächeln sagte: »Du kannst mir trauen … im Moment.« Er streckte eine Hand aus.

»Ma’am.«

Jillian ignorierte die dargebotene Hand und kletterte ohne Hilfe aus dem Wasser. Triefend, eiskalt, aber keineswegs abgekühlt, stemmte sie die Hände in die Hüften. »Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«

Mut, dachte er und betrachtete sie weiterhin. Sie hat eine Menge Mut. Hitziges Temperament und – er bemerkte, wie sie das Kinn herausfordernd hochreckte – Arroganz. Er mochte die Kombination. Er hakte die Daumen in die Hosentaschen und bedauerte es, dass sie in der prallen Sonne sehr schnell trocknen würde.

»Dies ist nicht Ihr Land«, sagte er höflich. »Miss …?«

»Baron«, nannte Jillian kurz angebunden ihren Namen. »Und wer, zum Teufel, sind Sie, dass Sie es wagen, mir zu sagen, dies sei nicht mein Land?«

Er tippte an die Hutkrempe, mehr unverschämt als höflich. »Aaron Murdock.« Er verzog die Lippen zu einem mokanten Lächeln, als Jillian verächtlich durch die Nase schnaubte. »Die Grenze verläuft genau hier durch.« Er blickte auf die Spitzen seiner Stiefel, die nur Zentimeter von den Spitzen ihrer Stiefel entfernt waren. »Sie teilt den Tisch exakt in der Mitte.« Er hob seinen Blick wieder zu ihren Augen. Sein Mund war ernst, seine Augen lachten. »Ich glaube, Sie sind auf meiner Seite gelandet.«

Aaron Murdock, Sohn und Erbe. Stirnrunzelnd befand Jillian, dass er nicht wie der glatte College-Boy aussah, als den ihn ihr Großvater beschrieben hatte. Darüber wollte sie später nachdenken. Jetzt im Moment war es unerlässlich, dass sie ihren Standpunkt klarmachte.

»Falls ich auf Ihrer Seite gelandet bin«, sagte sie schneidend, »dann nur, weil Sie und Ihr Gaul sich hier herumgetrieben haben.« Sie deutete mit ihrem Daumen auf sein Pferd. Herrliches Tier, dachte sie mit einer Bewunderung, die sie kaum verbergen konnte.

»Sie haben die Zügel nicht fest genug gehalten«, behauptete er sanft.

Dass Aaron Murdock recht hatte, machte sie nur noch wütender. »Der Geruch des Hengstes hat Delilah erschreckt.«

»Delilah.« Amüsiert schob er seinen Hut zurück und studierte die glatten, klaren Formen von Jillians Stute. »Muss Schicksal sein«, murmelte er. »Samson!« Als er seinen Namen hörte, kam der Hengst näher und rieb sein Maul an Aarons Schulter.

Jillian unterdrückte das Lächeln, aber in ihren Wangen bildeten sich Grübchen. »Denken Sie daran, was Samson zugestoßen ist«, erwiderte sie. »Und halten Sie ihn von meiner Stute fern.«

»Sehr hübsche Stute«, sagte Aaron leichthin. »Gut gebaut und gut zur Zucht.«

Jillian zog die Augen wieder zu Schlitzen zusammen. »Ich werde mich schon darum kümmern, Murdock.« Sie stemmte ihre Füße in den Boden, der das von ihr tropfende Wasser aufsog. »Was machen Sie hier?«, fragte sie. »Hier finden Sie kein Öl.«

Aaron legte den Kopf schief. »Ich habe auch keines gesucht. Ich habe auch keine Frau gesucht.« Beiläufig hob er eine Locke ihres nassen Haars an. »Aber ich habe eine gefunden.«

Jillian fühlte einen Druck in der Brust, der ihr den Atem raubte, und erkannte das Gefühl. Oh nein, das war ihr schon einmal zugestoßen. Sie senkte ihren Blick zu seinen langen, gebräunten Fingern, die mit ihrem Haar spielten, und sah ihm wieder ins Gesicht. »Sie möchten doch bestimmt diese Hand nicht verlieren«, sagte sie sanft.

Einen Moment spannten sich seine Finger an, als wolle er ihre Herausforderung annehmen, doch dann ließ er ihr Haar genauso beiläufig wieder los, wie er es ergriffen hatte. »Empfindlich, ja?«, sagte Aaron sachte und lächelte. »Aber ihr Barons habt doch immer schnell gezogen.«

»Um uns zu verteidigen«, fügte Jillian hinzu, ohne zu weichen.

Sie maßen einander einen Moment, und sie waren beide überrascht, dass sie ihr Gegenüber so attraktiv fanden. Vorsicht, befahl sich jeder von ihnen.

»Tut mir leid wegen des alten Herrn«, sagte Aaron nach einer Weile. »Er war Ihr Großvater?«

Jillian reckte das Kinn hoch, aber Aaron sah, wie sich ihre Augen kurz verdüsterten. »Ja.«

Sie hat ihn geliebt, dachte Aaron ziemlich überrascht. Bei seinen wenigen Zusammentreffen mit Clay Baron hatte er einen äußerst unliebenswürdigen Mann kennengelernt. Er kramte in seiner Erinnerung nach allen Informationen, die er seit seiner Rückkehr auf die Double-M-Ranch gesammelt hatte. »Sie müssen das kleine Mädchen sein, das ein paar Sommer hier draußen verbracht hat.« Er versuchte sich zu erinnern, ob er sie jemals gesehen hatte. »Das Mädchen aus dem Osten.« Er rieb sich das von der fehlenden Rasur an diesem Morgen raue Kinn. »Jill, nicht wahr?«

»Jillian«, verbesserte sie ihn kalt.

»Jillian.« Das Lächeln veränderte wieder seinen Gesichtsausdruck. »Das passt besser zu Ihnen.«

»Miss Baron passt am besten zu mir.« Sie verwünschte sein Lächeln.

Aaron kümmerte sich nicht um ihre Unfreundlichkeit, sondern betrachtete stattdessen wieder ihren Mund. Nein, er hatte sie wohl noch nie zuvor gesehen. Einen solchen Mund vergaß kein Mann. »Wenn Gil Haley auf der Utopia-Ranch die Dinge in der Hand hat, müssten Sie ganz gut klarkommen.«

Aaron konnte förmlich sehen, wie ihr Rückgrat sich kerzengerade aufrichtete. »Ich habe auf der Utopia-Ranch die Dinge in der Hand.«

Er verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Sie?«

»Richtig, Murdock, ich. Ich habe nicht in den letzten fünf Jahren in Billings nur in Papieren gewühlt.« Seine Augen blitzten auf, aber Jillian ignorierte es und fuhr heftig fort: »Utopia gehört mir, jeder Zentimeter Boden, jeder Grashalm. Der Unterschied ist allerdings, dass ich mein Land bearbeite und nicht nur auf Ausstellungen herumstolziere und mit Blauen Bändern winke.«

Beeindruckt griff Aaron nach ihren Händen, drehte sie trotz Jillians Protest herum und studierte ihre Handflächen. Sie waren schmal, aber fest und ans Zupacken gewöhnt. Während Aaron seinen Daumen über eine Schwiele gleiten ließ, fühlte er Bewunderung – und Verlangen. In Billings war er der verwöhnten, nutzlosen Hände überdrüssig geworden. »So, so«, murmelte er, hielt ihre Hände weiter fest und sah ihr in die Augen.

Jillian war wütend, weil seine Hände so stark waren und die ihren so mühelos festhielten, und auch weil ihr Herzschlag in ihren Ohren dröhnte. Die Grasmücke hatte wieder zu singen begonnen, und die schlagenden Schweife der Pferde erzeugten ein sanftes Zischen.

Aaron roch angenehm nach Sandelholz und Leder. Zu angenehm. Um seine Iris lag ein Schimmer von Bernstein, der nur das tiefdunkle Braun unterstrich. Eine Narbe, sehr dünn und weiß, lief an seinem Kiefer entlang.

Jillian kam schnell wieder zu Verstand. Es brachte nichts, auf solche Dinge zu achten. Es brachte nichts, auf das Dröhnen in ihrem Kopf zu hören. Das hatte sie einmal geschehen lassen, und wohin hatte es sie gebracht? Große, feuchte, verträumte Augen hatte sie bekommen, hatte sich unterworfen und war ganz sanft und lieb geworden. Heute war sie viel smarter als vor fünf Jahren. Am wichtigsten war, immer daran zu denken, was ihr Gegenüber war – ein Murdock. Und was sie war – eine Baron.

»Ich habe Sie schon einmal wegen Ihrer Hände gewarnt«, sagte sie ruhig.

»Das haben Sie.« Aaron beobachtete ihr Gesicht und hob eine Augenbraue. »Warum?«

»Ich mag es nicht, wenn man mich anfasst.«

»Nein?« Er hob wieder eine Braue, gab ihre Hände jedoch nicht frei. »Die meisten Lebewesen mögen es, wenn man sie richtig anfasst.« Sein Blick senkte sich plötzlich sehr direkt in ihre Augen. »Hat Sie irgendwann einmal jemand falsch angefasst, Jillian?«

Sie hielt seinem Blick stand. »Sie überschreiten die Grenze, Murdock.«

»Vielleicht tue ich das. Wir können jederzeit den Zaun wieder spannen.«

Sie wusste, dass er sie nicht falsch verstanden hatte. Als sie wieder versuchte, ihm ihre Hände zu entziehen, gab er sie frei. »Bleiben Sie einfach auf Ihrer Seite«, schlug sie vor.

Er beschattete wieder sein Gesicht mit seinem Hut. »Und wenn nicht?«

Sie hob hochmütig den Kopf. »Dann muss ich mich wohl mit Ihnen beschäftigen.« Sie ging zu Delilah, schwang sich in den Sattel und stülpte ihren nassen Hut mit der flachen Krempe auf ihren Kopf. Jetzt hatte sie die Genugtuung, von oben auf Aaron hinunterzusehen.

Besser gelaunt stützte Jillian sich auf das Sattelhorn. Leder knarrte leise unter ihr, und ihre Bluse trocknete warm auf ihrem Rücken. »Sie machen hier einen netten Urlaub, Murdock«, sagte sie mit einem schwachen Lächeln. »Übernehmen Sie sich nur nicht.«

Er streichelte Delilahs Hals. »Oh ja, ich werde mich bemühen, Ihren Rat zu befolgen, Jillian.«

Sie beugte sich tiefer zu ihm. »Miss Baron.«

Überraschend zog Aaron ihr die Hutkrempe bis über die Nase herab. »Mir gefällt Jillian.« Er packte die Hutkordel, bevor Jillian sich aufrichten konnte, und musterte Jillian mit einem langen, seltsamen Blick. »Das schwöre ich Ihnen«, murmelte er. »Sie duften so, dass ein Mann die Augen schließen und darin baden könnte.«

Was Aaron Murdock sagte, amüsierte sie. Gewollt lässig schob sie seine Hand von der Hutkordel, richtete sich auf und lächelte. »Sie enttäuschen mich. Bei einem Mann, der so lange auf dem College war und in einer großen Stadt gelebt hat, hätte ich mehr Feuer, Geist und Witz erwartet.«

Er schob die Hände in seine Gesäßtaschen. Es war faszinierend, wie die Sonne in ihren Augen leuchtete und das tiefe Grün zum Funkeln brachte. Es waren eigensinnige Augen, und sie passten zu der Frau. »Ich werde üben«, versprach Aaron mit dem Hauch eines Lächelns. »Beim nächsten Mal werde ich besser sein.«

Sie lachte geringschätzig und wollte ihr Pferd herumziehen. »Es wird kein nächstes Mal geben.«

Seine Hand lag fest am Zaumzeug, bevor sie wegreiten konnte. »Sie wissen es besser, Jillian. Für uns wird es noch etliche nächste Male geben, bevor wir miteinander fertig sind.«

Sie wusste nicht, wie sie ihre stärkere Position so schnell verloren hatte, nur dass sie sie verloren hatte. »Sie wollen wohl unter allen Umständen diese Hand verlieren, Murdock.«

Er lächelte ihr beiläufig zu, tätschelte Delilahs Hals und wandte sich seinem eigenen Pferd zu. »Bis bald, Jillian.«

Sie wartete, innerlich kochend, bis er sich in den Sattel geschwungen hatte. Delilah tänzelte nervös zur Seite, sodass sich die beiden Pferde beinahe an den Nüstern berührten. »Bleiben Sie auf Ihrer Seite«, befahl Jillian, ehe sie die Fersen einsetzte. Die Stute machte einen Satz vorwärts.

Samson warf den Kopf herum und bäumte sich kurz auf, während Jillian auf Delilah davonjagte.

»Diesmal musst du dich noch beherrschen«, sagte Aaron zu sich selbst und beruhigte sein Pferd. »Aber bald nicht mehr.« Er lachte kurz auf und zog sein Pferd in die entgegengesetzte Richtung. »Verdammt bald.«

Schnelligkeit und Wind vertrieben einen Großteil von Jillians Ärger und Frustration. Sie ritt, wie es der Stute gefiel – schnell. Vielleicht muss sich Delilah auch austoben, dachte Jillian trocken. Beide männliche Wesen waren beeindruckend gewesen. Hätte der Hengst keinem Murdock gehört, hätte Jillian einen Weg gefunden, Delilah von ihm decken zu lassen, ganz egal, wie hoch die Deckgebühren sein mochten.

Es war ein Jammer, dass Aaron Murdock nicht ihrem Bild von einem glatten, langweiligen Geschäftsmann entsprach. So ein Typ Mann hätte nie ihr Blut in Wallung gebracht. Eine Frau in ihrer Position konnte sich Aarons Art von Anziehung nicht aussetzen, besonders nicht bei einem Rivalen. Das hätte sie auf der Stelle in einer Situation benachteiligt, in der sie ihren scharfen Verstand brauchte.

So viel hing von den nächsten sechs Monaten ab, wenn sie erweitern wollte. Natürlich, die Ranch konnte in Zukunft ihren netten kleinen Profit abwerfen, aber Jillian wollte mehr. Das Feuer ihres Großvaters war auf sie übergegangen, und mit ihrer Jugend und Energie und mit dieser wankelmütigen Dame namens Glück an ihrer Seite konnte Jillian die Utopia-Ranch zu jenem Imperium machen, von dem ihre Vorfahren immer geträumt hatten.

Sie änderte die Richtung und ritt nun doch die Murdock-Grenze ab, um den Zaun zu kontrollieren.

Sie trabte über eine Weidefläche, während die schweren Herefords mit den weißen Gesichtern kaum vom Grasen aufblickten. Das Frühlingsgras wuchs dicht und voll.

In diesem Augenblick hörte sie das Dröhnen eines Motors, hielt an und sog wie ihr Pferd die Luft ein. Benzin. Es war eine Schande, damit den Geruch von Gras und Vieh zu verderben. Ergeben zog Jillian Delilah herum und ritt dann dem Geräusch entgegen.

Der zerbeulte Pritschenwagen war auf der sanft gewellten Ebene leicht auszumachen. Jillian hob grüßend die Hand und ritt näher. Ihre Stimmung stieg trotz der noch feuchten Jeans und der nassen Stiefel wieder an. Gil Haley war für sie einer der letzten echten Cowboys überhaupt. Vor hundert Jahren wäre er mit seinem Schlafsack und einer Rolle Tabak zufrieden losgeritten. Und wahrscheinlich wäre er auch noch heute damit zufrieden gewesen.

»Gil.« Jillian hielt Delilah neben der Fahrertür an und lächelte ihm zu.

»Sie sind heute Morgen einfach verschwunden«, sagte der Vormann knapp. Im Gegensatz zu den beiden Helfern im Wagen trug er keine Arbeitsschuhe, sondern Stiefel. Gil ergab sich in den Lastwagen, weil er damit fünfzigtausend Morgen schneller und gründlicher als auf einem Pferderücken kontrollieren konnte, aber er hätte nie auf seine Stiefel verzichtet.

Jillian nickte den Begleitern ihres Vormannes zu. »Probleme?«

»Ein dummes Rindvieh hat sich weiter da hinten im Zaun verfangen.« Er schob den Kautabak in die andere Wange. »Habe es rausgeholt, bevor es Schaden angerichtet hat. Und dann müssen wir das verdammte Unkraut schneiden. Hat ein paar Zaundrähte umgeworfen.«

Jillian nickte. »Hat heute jemand den Zaun im Westabschnitt kontrolliert?«

Gil blinzelte ständig mit den Augen. »Nein.«

»Dann kümmere ich mich darum.« Jillian zögerte. Wenn jemand Gerüchte kannte, war es Gil. »Ich habe vor einer Stunde zufällig Aaron Murdock getroffen«, bemerkte sie beiläufig. »Ich dachte, er wäre in Billings.«

»Nein.«

Jillian warf ihm einen sanften Blick zu. »Das habe ich gemerkt, Gil. Was macht er hier in der Gegend?«

»Er hat eine Ranch.«

»Auch das habe ich gemerkt, Gil. Er besitzt auch eine Ölquelle, das heißt, sie gehört seinem Vater.«

»Die kleine Schwester hat einen Ölmenschen geheiratet«, erklärte Gil. »Der alte Herr hat ein wenig gedrängt und den Jungen dahin zurückgeholt, wo er ihn haben will.«

»Soll das heißen …«, Jillian zog die Augen schmal zusammen, »… Aaron Murdock bleibt auf der Double-M-Ranch?«

»Er führt sie.« Gil spuckte gekonnt aus. »Wahrscheinlich haben sich die Wogen geglättet nach der Explosion vor ein paar Jahren. Murdock wird alt, wissen Sie, fast siebzig oder auch mehr. Vielleicht will er sich jetzt zurücklehnen und entspannen.«

»Aaron Murdock führt die Ranch«, murmelte Jillian. Dann hatte sie also einen Murdock am Hals. Sie und der alte Murdock waren einander wenigstens aus dem Weg gegangen. Mit Aaron dagegen war sie bereits aneinandergeraten. »Wie lange ist er schon zurück?«

Gil zupfte an seinem grauen Schnurrbart. »Paar Wochen.«

Nun ja, sie hatte wenigstens fünf friedvolle Jahre gehabt. In einem so weiten Land sollte sie doch einem einzelnen Mann ohne große Schwierigkeiten aus dem Weg gehen können. Sie wollte noch andere Fragen stellen, aber mit denen musste sie warten, bis sie mit Gil allein war.

»Ich kontrolliere den Zaun«, sagte sie knapp, wendete die Stute und ritt nach Westen.

Gil sah ihr blinzelnd nach. Seine Augen waren scharf genug, dass er ihre feuchten Kleider gesehen hatte. Und das Feuer in ihren Augen. Zufällig Aaron Murdock getroffen? Mit einem lautlosen Lachen startete er den Pritschenwagen. Das konnte ja nun eine ganze Menge heißen.

2. KAPITEL

Der Tag begann vor Sonnenaufgang. Vieh musste gefüttert, Eier eingesammelt, Kühe gemolken werden. Trotz der Maschinen wurden fähige Kräfte gebraucht. Jillian hatte sich so an die Pflichten am frühen Morgen gewöhnt, dass sie auch als Eigentümerin mit ihren Leuten so früh aufstand.

Es war angenehm kühl, als Jillian vom Ranchhaus zu den Ställen ging, aber sie hatte diesen Weg auch schon zurückgelegt, wenn die Luft vor Hitze an der Haut zu kleben schien oder der Schnee über den oberen Rand ihrer Stiefel reichte.

Am Himmel im Osten lichtete sich die Dunkelheit nur ganz wenig, doch auf der Ranch war das Leben schon erwacht. Jillian roch gegrilltes Fleisch und Kaffee. Der Koch bereitete das Frühstück zu.

Jillian überquerte den betonierten Weg und öffnete Delilahs Stall. Wie immer wollte sie sich zuerst um die Stute kümmern, ehe sie zu den anderen Pferden und danach zu den Milchkühen ging. Ein paar Männer waren schon vor ihr da, teilten Futter aus, füllten Tröge. Absätze schlugen auf Beton, Sporen klirrten.

In den Ställen roch es angenehm nach Pferden und Heu und süßem Getreide. Als dann die Tiere gefüttert und in die Pferche hinausgeführt waren, war es fast schon hell. Gewohnheitsmäßig eilte Jillian auf den weitläufigen weißen Stall zu, in dem die Kühe auf das Melken warteten.

»Jillian.«

Sie blieb stehen und wartete auf Joe Carlson, den Aufseher der Herden. Er ging nicht wie ein Cowboy und kleidete sich auch nicht wie einer, ganz einfach, weil er keiner war. Sein gerader, geschmeidiger Gang passte zu seinem guten Aussehen. Die Morgensonne ließ seine goldblonden Haare leuchten. Er saß lieber in einem Jeep als auf einem Pferd und zog einen trockenen Wein Bier vor, aber er verstand etwas von Vieh. Jillian brauchte ihn, wollte sie wirklich Erfolg haben. Sie hatte ihn vor sechs Monaten trotz Großvaters Grollen eingestellt und es bisher noch nicht bereut.

»Guten Morgen, Joe.«

»Jillian.« Kopfschüttelnd schob er seinen peinlichst sauberen hellgrauen Hut zurück. »Wann hören Sie auf, fünfzehn Stunden am Tag zu arbeiten?«

Lachend ging sie weiter zu dem Kuhstall und passte ihre längeren Schritte den seinen an. »Im August, wenn ich achtzehn Stunden am Tag arbeiten muss.«

»Jillian.« Er legte seine Hand auf ihre Schulter und hielt sie am Eingang des Stalls an. Seine Hand war gut geformt, gebräunt, aber nicht schwielig. Aus irgendeinem Grund erinnerte sich Jillian an eine stärkere, kräftigere Hand. »Jillian, Sie wissen, dass Sie sich nicht um jede Kleinigkeit auf der Ranch kümmern müssen. Sie haben genug Helfer. Würden Sie einen Manager einstellen …«

Das kannte sie schon. »Ich bin der Manager«, sagte sie einfach. »Für mich ist die Ranch kein Spielzeug und kein Abschreibposten für die Steuer, Joe. Bevor ich jemanden die Geschäfte für mich führen lasse, würde ich lieber verkaufen.«

»Sie arbeiten zu verdammt hart.«

»Sie sorgen sich zu viel«, konterte sie lächelnd. »Das schätze ich an Ihnen. Wie macht sich der Stier?«

Joe zeigte seine ebenmäßigen, weißen Zähne. »Er ist wild wie immer. Er hat jede Kuh gedeckt, die wir bis auf drei Meter an ihn herangelassen haben. Er ist toll.«

»Das will ich auch hoffen«, murmelte Jillian und erinnerte sich an den Preis für den reinrassigen Hereford-Stier. Aber wenn er so gut war, wie Joe behauptete, würde mit ihm die Verbesserung des Rinderbestandes auf der Utopia-Ranch beginnen.

»Warten Sie, bis die Kälber geboren werden.« Joe drückte kurz ihre Schulter. »Wollen Sie einen Blick auf ihn werfen?«

»Vielleicht später.« Sie betraten den Stall. »Ich möchte gern sehen, wie mein Stier gegen den Stier der Murdocks im Juli das Blaue Band gewinnt.« Jillian lächelte herausfordernd. »Verdammt gern möchte ich das sehen.«

Als Jillian dann endlich mit dem Vieh fertig war und ihr eigenes Frühstück hinuntergeschlungen hatte, war es heller Tag. Zwischen ihren Sorgen über Futter und Löhne und Zäune hätte es eigentlich keinen Raum für Gedanken an Aaron Murdock geben dürfen. Aber es gab ihn. Jillian befand, dass sie ihn aus ihren Gedanken streichen konnte, sobald sie die Antworten auf ihre Fragen bekam. Deshalb sollte sie sich die Antworten besorgen. Sie hielt Gil an, bevor er in seinen Lastwagen klettern konnte.

»Heute fahre ich mit Ihnen«, eröffnete sie ihm und sprang auf den Beifahrersitz.

Er zuckte die Schultern und spuckte Tabaksaft auf den Boden. »Wie Sie wollen.«

Jillian lächelte über die herbe Begrüßung und stieß ihren Hut nach hinten. Einige dichte rote Locken fielen über ihre Stirn. »Warum haben Sie eigentlich nie geheiratet, Gil? Sie sind so ein Charmeur.«

»Ich war immer ein smarter Kerl.« Er startete den Motor. »Was ist mit Ihnen? Sie sind vielleicht mager, aber nicht hässlich.«

Sie stemmte einen Fuß samt Stiefel gegen das Armaturenbrett. »Ich möchte selbst über mein Leben bestimmen. Männer wollen einem sagen, was man tun soll und wie man es tun soll.«

»Eine Frau hat hier draußen allein nichts verloren«, sagte Gil eigensinnig, als er die Ranch verließ.

»Männer schon?«, konterte Jillian und betrachtete gelassen die Spitze ihres Stiefels.

»Männer sind anders.«

»Besser?«

Er rutschte auf seinem Sitz unbehaglich hin und her. »Anders«, wiederholte er und presste die Lippen zusammen.

Jillian lachte und lehnte sich bequem zurück. »Sie alter Gockel«, sagte sie voll Zuneigung. »Erzählen Sie mir was über die Explosion bei den Murdocks.«

»Da gab es mehrere. Die haben alle einen gewaltigen Dickschädel.«

»Das habe ich auch gehört. Ich meine die Explosion, nach der Aaron Murdock nach Billings zog.«

»Der Junge hatte eine Menge Ideen, als er vom College kam. Vielleicht haben ein paar davon sogar was getaugt«, räumte er ein. »War ein tüchtiger Junge, konnte auch reiten.«

»Ist er nicht gerade deshalb aufs College gegangen?«, hakte Jillian nach. »Um Ideen zu bekommen?«

Gil schnaufte abfällig. »Der alte Herr hat wohl befürchtet, der Junge würde alles zu schnell übernehmen wollen. Da ist ein Gerücht, dass der Junge zugestimmt hat, drei Jahre für seinen Vater zu arbeiten und dann zu übernehmen.«

Gil hielt vor einem Gatter, und Jillian stieg aus, öffnete es, ließ ihn durchfahren und schloss es wieder. Noch ein trockener Tag, dachte sie mit einem Blick zum Himmel. Sie brauchten bald Regen. Ein Fasan stieg vor ihr auf und schwang sich farbenfroh in den Himmel.

»Weiter«, sagte sie, als sie wieder in den Lastwagen kletterte.

»Nach den drei Jahren hat sich der Alte quergelegt. Wollte dem Jungen nicht die Macht geben, die er versprochen hatte. Na ja, sie sind hitzig, diese Murdocks.« Grinsend zeigte er seine Zähne. »Der Junge ging auf und davon. Wollte sich eine eigene Ranch zulegen.«

»Das hätte ich auch gemacht«, murmelte Jillian. »Murdock hatte kein Recht, sein Wort zu brechen.«