12,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 12,99 €
2016 in allen Schlagzeilen - aktueller und authentischer als Andreas Gößlings Thriller kann True Crime nicht sein! Ein paar harmlos aussehende Fässer in der Garage ihres verstorbenen Vaters verwandeln das Leben von Lotte Soltau in einen Trümmerhaufen: In den Fässern lagern fünf brutal zerstückelte Frauen, teilweise müssen die Verstümmelungen bei lebendigem Leib zugefügt worden sein. Während Lotte noch versucht zu begreifen, wie ihr Vater, ein geselliger, musisch begabter Mann, zu den Taten eines Serienkillers fähig sein konnte, geschieht ein neuer grausiger Mord, diesmal an einem 16-jährigen Jungen. Und die Tat trägt eindeutig die Handschrift des toten Soltau … Andreas Gößling, mit dem True-Crime-Genre bestens vertraut, verarbeitet den Fall eines deutschen Serienkillers zu einem schockierenden Thriller.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 752
Andreas Gößling
WOLFSWUT
True-Crime-Thriller
Knaur e-books
Ein paar harmlos aussehende Fässer in der Garage ihres verstorbenen Vaters verwandeln das Leben von Lotte Soltau in einen Trümmerhaufen: In den Fässern lagern fünf brutal zerstückelte Frauen, teilweise müssen die Verstümmelungen bei lebendigem Leib zugefügt worden sein. Während Lotte noch versucht zu begreifen, wie ihr Vater, ein geselliger, musisch begabter Mann, zu solchen Taten fähig sein konnte, geschieht ein neuer grausiger Mord, diesmal an einem 16-jährigen Jungen. Und die Tat trägt eindeutig die Handschrift des toten Soltau …
Für meinen Sohn Simon
Man turns his back on his family,
well he just ain’t no good.
Johnny Cash:
Highway Patrolman
Lotte Soltau stoppt vor dem Areal am äußersten westlichen Rand Berlins. Ein großer, quadratischer Platz, gesäumt von Fabrikhallen aus der Kaiserzeit. Bröcklige Ziegelsteinfassaden, die Fenster mit Brettern verrammelt. Unkraut sprießt aus Rissen im Asphalt. Das ganze Gelände sieht verlassen aus, verwahrlost. Von den Baumärkten, Autohändlern, Teppich-Discountern im Gewerbegebiet ist es nur ein paar Straßenzüge entfernt. Und wirkt doch wie aus der Zeit gefallen.
Mit zusammengekniffenen Augen mustert Lotte das rostige Schild neben der Einfahrt. Ich muss endlich mal zum Augenarzt, denkt sie. Doch die Schrift auf dem Schild, ehemals schwarz auf weiß, wäre auch mit perfekter Brille kaum zu entziffern. »Indu… linpa…«, der Rest unleserlich.
Trotzdem, das ist es, sagt sich Lotte. Der letzte Punkt auf ihrer Liste. Auf dem Plastikanhänger an dem einzelnen Schlüssel, den sie gestern Abend noch entdeckt hat, steht »Industriehof Zeppelinpark, Nr. 14«. Lotte hat die Adresse gegoogelt, zwischen Brunsbütteler Damm und Heerstraße, das hier muss es sein.
Die Scheibenwischer schieben sich quietschend über die Frontscheibe ihres Ford Fiesta. Fünf Uhr nachmittags und schon düster. Aber es ist den ganzen Tag nicht richtig hell geworden. Schwarze Wolken, endloser Nieselregen. Und das Ende September.
Noch fünf Tage bis zur Beerdigung. Lotte sieht sich selbst, wie sie an seinem offenen Grab stehen wird. Die Prozession der Freunde, Bekannten, letzten treuen Angestellten ihres Vaters. Und, nicht zu vergessen, seiner Fans. Er war beliebt im ganzen Kiez. Hunderte Trauergäste werden kommen. Seine Band wird spielen, die Hakenfelde Hawks. Reden, Blumen, Kränze. Beileidsgemurmel. Lotte wird Hände drücken, nicken, danken. Und auf keinen Fall heulen.
Aber ich halt das nicht aus. Tränen, nicht schon wieder Tränen. Ihre Augen brennen, ihre Kehle ist wund. Na klar schaffst du das. So wie Paps es durchgestanden hat, als wir Mama beerdigt haben. Im Sommer vor drei Jahren.
Also los jetzt. Du bist vierunddreißig, auch wenn du dich gerade wie vierzehn fühlst. Lotte wischt sich mit dem Handrücken über die Augen, lässt die Kupplung kommen und fährt auf den Hof.
Ein Schlagloch neben dem anderen. Im Schritttempo schaukelt sie nah an den Fassaden entlang. Laderampen, Metalltore, alles verrammelt, verrostet, leer. Ein Geisterareal. Die Schilder sind auch hier kaum zu lesen. Hall… 4, …alle 6 … Oder soll das eine 8 sein? Schlammwasser spritzt aus den Schlaglöchern, in denen ihr Auto fast versinkt. Sie stellt den Scheibenwischer auf die schnellste Stufe. Einen Moment lang kämpft sie gegen den Drang an, das hier abzubrechen. Einfach umzudrehen und nach Hause zu fahren. Wo immer das ist.
Aber ihr Pflichtgefühl ist stärker. Und ihre Neugierde. Warum hat er auf diesem Gewerbehof, fünf Kilometer von seiner Firma entfernt, einen Lagerraum? Auf seinem Gelände war noch jede Menge Platz. Zumal er sein Unternehmen in den zurückliegenden Jahren immer mehr verkleinert hat. Schweres Gerät verkauft, Mitarbeiter entlassen.
Was steckt dahinter, Paps? In den letzten Tagen hat sie eine Inventarliste erstellt. Alle Fahrzeuge, Maschinen, Werkzeuge, Baustoffe auf dem Firmengelände der Soltau Hoch- und Rückbau GmbH hat sie in einer Excel-Datei erfasst. Den Hitachi-Bagger, den ihr Vater noch im Frühjahr eigenhändig gesteuert hat. Den Pick-up, drei Minibagger, sieben Presslufthämmer, fünf Betonmischer, Unmengen von Schaufeln, Hacken, Hämmern, Zementsäcken. Außerdem die Schreibtische, Stühle, Aktenschränke, PCs und Drucker in seinem Büro. Alles in die Jahre gekommen und kaum noch etwas wert.
Gestern Mittag glaubte sie, mit dem Gröbsten durch zu sein. Sie mailte die Liste an Harry Maschewski, den Gründer und Chef von Mega-Flex in Berlin-Spandau. Mega-Flex ist auf die Auflösung von Kleinunternehmen spezialisiert, Harry ein alter Freund ihres Vaters. Er rief prompt zurück, und sie vereinbarten, dass er übermorgen früh um acht vorbeikommen werde, um sich alles anzusehen. Das Wohnhaus ihrer Eltern direkt neben dem Firmengelände hätte er am liebsten gleich mit aufgelöst, aber so weit ist Lotte noch nicht. Dort ist sie aufgewachsen, in der kleinen Villa im Würfellook der Dreißigerjahre ist jeder Winkel mit ihren Erinnerungen getränkt. So wie ihre Bluse mit Tränen.
Sie weint schon wieder. Die Tränen laufen ihr übers Gesicht, tropfen vom Kinn, rinnen ihr in den Kragen, während sie die verflixte Nummer vierzehn sucht.
…le 10, Ha… 12. Was hat ihr Vater hier um Himmels willen abgestellt? Vielleicht seinen heiß geliebten, alten Mercedes-Transporter?
Das ergibt keinen Sinn, sagt sich Lotte. Auch wenn sie seinen Kastenwagen, mit dem er privat wie beruflich immer auf Achse war, auf dem Firmengelände nirgends entdeckt hat. Was seltsam ist, denn ihr Vater war ein Muster an Ordnung. Lebensversicherungen, Rentenversicherungen, Bankunterlagen, alles hat er in eigenen Ordnern abgeheftet. Auch der Kfz-Brief für den Transporter ist in dem Fuhrpark-Ordner abgelegt, mitsamt dem Ersatzschlüssel in einem Kuvert. Verkauft oder verschrottet hat er die alte Kiste also nicht.
Ihre Neugier wächst. Vermischt sich mit der Trauer zu einem eigenartigen Gefühlsgebräu. Gestern Abend, als sie eigentlich nur noch nachsehen wollte, ob auf dem Firmengelände alles abgeschlossen war, hat sie den Schlüssel entdeckt. In dem Stahlschränkchen, das im Büro an der Wand hängt und in dem ihr Vater Schlüssel aller Art aufbewahrt hat. Ein einzelner Sicherheitsschlüssel mit einem grünen Plastikschild, unter einem Hügel aussortierter Schlüssel und Anhänger auf dem Boden des Schränkchens begraben. Sie hätte ihn auch gestern nicht bemerkt, wenn sie nicht versehentlich gegen den Schrank gestoßen wäre. Der Hügel aus Metall und Plastik rutschte auseinander, und der Schriftzug Industriehof Zeppelinpark, Nr. 14 sprang ihr ins Auge. Die fremde, eckige Handschrift.
Der Regen ist plötzlich versiegt. Die Scheibenwischer malen braune Schlieren aufs Glas. »…alle 14« steht über einem zweiflügeligen Holztor, von dem die Farbe fast vollständig abgeblättert ist. Der ganze Bau ist aus Holz, eher Schuppen als Halle. Das Tor hat den fahlen Grauton alter Knochen, doch die Blechbeschläge an den Kanten und um das Schloss herum sehen ziemlich neu aus.
Lotte stellt den Motor ab. Die Scheibenwischer erstarren, auch das nervtötende Quietschen hört auf. Sie steigt aus, lässt die Fahrertür offen.
Der Schlüssel passt. Jede Wette, dass er zweimal abgeschlossen hat. Sie kennt seine Maximen und Marotten, hat genug davon selbst übernommen. Lieber zweimal zu viel als einmal zu wenig. Sie dreht den Schlüssel nach rechts. Einmal, zweimal. Drückt die Klinke herunter und zieht den Torflügel auf.
Hallstein hat ihren ersten freien Tag seit Langem. Eigentlich wollte sie heute einkaufen gehen, ins Café, sich mit Freundinnen treffen, aber der Dauerregen hat sie ans Bett gefesselt. Der Regen und Niels.
Niels Kamann liegt neben ihr in ihrem Kingsize-Bett, unter dem vier Meter hohen Baldachin, den sie von den Vormietern geerbt hat. Ihre Altbauwohnung in Charlottenburg, Bleibtreustraße, hat eine so absurd hohe Decke, dass einem beim Hochgucken schwindlig werden kann. Deshalb der goldfarbene Baldachin, der allerdings auch so absurd hoch aufgehängt ist, dass er seit seiner Erstanbringung vermutlich nie gesäubert wurde.
Weil man einfach nicht drankommt, ohne Kopf und Kragen zu riskieren, sagt sich Kira Hallstein, Kriminalhauptkommissarin beim LKA, Dezernat 11, Tötungsdelikte und erpresserischer Menschenraub. Die Troddeln wären vermutlich ein Drittel kürzer, der Goldton dreimal leuchtender, wenn jemand das Ding herunterholen, reinigen und wieder aufhängen würde. Für diesen Job hat sich aber bisher niemand aufgedrängt.
Im Moment ist der Baldachin auch nicht Hallsteins größtes Problem. Sie zermartert sich den Kopf, doch ihr fällt nicht ein, was sie heute eigentlich gemacht hat, an ihrem freien Tag. Okay, sie haben gefrühstückt, Prosecco, Hummer, Mango, Croissants. Alles von Niels mitgebracht, als er sie heute Vormittag überfallen hat. Aber danach? Sie haben irgendwann Sushi bestellt und heißhungrig alles verschlungen. Hoso-Maki, Futa-Maki, Ura-Maki. Mit Lachs, Muschelfleisch, Seeigelpaste gefüllt. Doch mittlerweile ist es fast schon wieder Abend.
Hat sie wirklich den ganzen Tag mit Niels im Bett gelegen?, grübelt Hallstein. Mit Dr. Niels Kamann, forensischer Psychiater und Anthropologe, mal auf, mal unter, mal neben ihm? Sieht ganz so aus. Und es hat sich richtig gut angefühlt. Tut es sogar immer noch.
Niels liegt auf dem Rücken und schläft, ohne zu schnarchen. Bemerkenswert. Er pustet minimal, mit gespitzten Lippen, aber schnarchen kann man das wirklich nicht nennen. Ganz klar ein Pluspunkt, denkt Hallstein.
Sie dreht sich auf die Seite, stützt den Kopf in die linke Hand und begutachtet Niels wie ein mehr oder weniger geglücktes Kunstwerk. Der Liegende, nackt. Er hat Haare auf der Brust, und was sie davon halten soll, ist schon weniger klar. Hey, er ist eben ein richtiger Kerl, sagt sie sich. Und nicht so ein Milchbubi wie all die anderen.
Sie kann es selbst kaum glauben. Er ist siebenunddreißig, nur fünf Jahre jünger als sie. Wann hat sie sich jemals mit einem aus ihrer kalendarischen Altersklasse eingelassen, einem ausgewachsenen Mann? Gib es zu, Hallstein, noch nie. Vorhin hat er ihr Geschichten aus seinem Leben erzählt, und, oh Wunder, sie hat es sich angehört. Nicht geduldig, sondern wirklich interessiert. Sie findet ihn spannend. Sie freut sich, wenn sie in seiner Nähe ist, sie liebt seine Baritonstimme und die klugen Sachen, die er damit sagt. Und okay, ich geb’s zu, räumt Hallstein ein, das macht mir Angst.
Sie krault seinen rehbraunen Brustbewuchs, er murmelt etwas im Schlaf. Ohne aufzuwachen, aber er sieht zufrieden aus. Als würde er träumend denken: Bitte weiter so.
Doch sie weiß nicht, ob sie weitermachen will. Mit dem Kraulen vielleicht, aber was soll das zwischen ihnen denn bitte schön werden? Eine echte, enge Partnerschaft?
»Wenn ich eines überhaupt nicht ausstehen kann, Kira«, hat Niels gleich bei ihrem ersten Date in diesem wohlwollenden Psychologenton klargestellt, »dann ist das eine reine Fickbeziehung.«
Ihr blieb kurz die Luft weg. »Und ich finde es zum Kotzen«, konterte sie, »wenn mich jemand einfach so Kira nennt.«
Sie mussten beide grinsen. Jeder beim LKA nennt sie nur bei ihrem Nachnamen, Hallstein. Niemals Frau Hallstein und auch nicht Kira, außer sie hat es ihm oder ihr ausdrücklich erlaubt. Die derart Begünstigten könnte sie an zwei Händen abzählen, und Niels gehört nicht dazu. Bisher nicht, und ob jemals in Zukunft, ist noch keineswegs ausgemacht.
Lieber nicht, denkt Hallstein. Sie krault sich weiter abwärts, durch den fingerbreiten, braunen Fellstreifen, der sich zu seinem Nabel runterzieht. Wann hat sie zuletzt mit einem geschlafen, der nicht ganzkörperenthaart war? Okay, mit Matthias, aber der zählt nicht. Oder nein, sorry, denkt sie. Du zählst natürlich, Matthes, du bist einer meiner engsten Vertrauten, aber für mich bist du immer noch vor allem Tobis Freund. Für immer siebzehn, auch wenn das irre klingt, zwanzig Jahre danach. Matthias Herbst ist mittlerweile genauso alt wie Niels.
Und so alt, wie auch Hallsteins Bruder Tobias heute wäre.
Lautlos schwingt der rechte Torflügel auf. Kein Knarren, kein Quietschen.
Geölt wie ein Uhrwerk, geht es Lotte durch den Kopf, noch so ein Spruch von ihrem Vater.
Hat er hier vielleicht mit der Band geprobt? Logisch, das muss des Rätsels Lösung sein. Mit Pit und Ron Stockmann. Die drei waren doch ständig auf der Suche nach einem Proberaum, in dem sie Krach machen konnten, ohne jemanden zu stören. Vor allem Pit mit seinem Schlagzeug.
Lotte tastet über die Wand, findet keinen Schalter. Doch als sie einen Schritt ins Innere macht, geht das Licht von selbst an. Sensorgesteuert, ja wie denn sonst, Paps.
Die Leuchtröhren an der Decke sind so hell, dass Lotte geblendet stehen bleibt. Sie sieht sich um und begreift immer weniger. Mit dem Proberaum hat sie offenbar falschgelegen. Auch den Transporter hat ihr Vater hier nicht untergestellt.
Dabei ist die Halle so geräumig, dass der gesamte Fuhrpark von Soltau Hoch- und Rückbau hineinpassen würde. Na gut, zumindest ohne den Bagger. Und von innen sieht sie überhaupt nicht wie ein Holzschuppen aus. Wände, Boden, Decke, alles aus Beton. Das Tor mit Stahlblech beschlagen. Aber wozu der ganze Aufwand? Der Raum ist praktisch leer. Außer zwei Dutzend Zementsäcken, einem Haufen alter Schaufeln und einer Batterie blauer Stahlfässer an der hinteren Wand enthält er nichts.
Stirnrunzelnd sieht sich Lotte um. Was auch immer Paps hier vorhatte, er hat es nicht mehr geschafft, denkt sie. Und wieder kommen ihr die Tränen. Mein Gott, er hatte noch so vieles vor! Mit dreiundsechzig ist man heute doch im besten Alter. Normalerweise. Aber dann die Diagnose, vor zwei Monaten erst: Lymphdrüsenkrebs, finales Stadium. Überall Metastasen. Das Todesurteil, ohne die leiseste Vorwarnung. »Ordnen Sie Ihre letzten Dinge, Herr Soltau, viel Zeit bleibt Ihnen nicht mehr.« Dabei war er nur deshalb zum Arzt gegangen, weil er sich in letzter Zeit häufig müde gefühlt hatte.
Lotte heult ihren Schmerz aus sich heraus. Hemmungslos. Hier hört sie sowieso niemand. Und wenn schon, es ist ihr egal. Sie hat alles verloren, also darf ihr auch alles egal sein. Es ist zu viel, denkt sie und lässt die Tränen strömen. Natürlich, sie hat noch Lutz, ihren Lebensgefährten, aber ihm fühlt sie sich zunehmend fern. Oder auch immer schon. Ich schaffe es nicht ohne dich, denkt sie und meint nicht Lutz, sondern ihren Vater. Alex Soltau, ihren Fixstern, ihren Anker, soweit sie zurückdenken kann. Den fürsorglichsten Mann, den sie jemals getroffen hat.
Das Licht geht aus, Lotte fuchtelt mit den Armen, bis es brummend wieder angeht. Wie durch einen Schleier sieht sie die Zementsäcke, die zu vier Packen gestapelt in der Halle liegen. Daneben die alten Schaufeln, ein Gerümpelhaufen, der erst recht keinen Sinn ergibt. Und dahinter, an der Wand aufgereiht, die fünf Stahlfässer, himmelblau, mit Deckeln verschlossen.
Was sollte das hier werden? Aber was spielt das noch für eine Rolle? Er ist tot!
Doch das Rätsel lässt ihr keine Ruhe. Zögernd geht sie um die Zementsäcke herum, auf die hintere Wand zu. Warum hat er hier alles neu gemacht? Wände, Boden, Decke, Elektrik, Türbeschläge. Nur von außen sieht der Bau noch heruntergekommen aus. Bestimmt wollte er da auch noch renovieren.
Dann steht sie vor den Fässern, streicht mit einer Hand über einen Deckel, wischt mit der anderen Tränen weg. Das wird hier allmählich zu blöd, denkt sie. Ich schaue da jetzt rein, ergänze die Liste, und das war’s dann.
Sie zieht den Inhalt ihrer Nase hoch. Greift sich eine der Schaufeln von dem Haufen und hebelt das erste Fass auf.
Der Deckel springt ihr fast entgegen, so energisch hat sie die Schaufelkante in den Schlitz gerammt. Sie wirft das Werkzeug weg, packt den Deckel mit beiden Händen, drückt ihn nach hinten hoch und lehnt ihn gegen die Wand. Dann beugt sie sich über die Öffnung.
Ein widerlicher Geruch wabert ihr entgegen. Süßlich und stechend, wie an der Tankstelle, nur viel stärker. Lotte hält die Luft an, biegt sich ein Stück zur Seite, damit mehr Deckenlicht in den Bottich fällt.
Oh mein Gott, was ist das denn? Augen?
Sie starrt in das Fass, ein Gesicht starrt zurück. Die Augen groß, der Mund halb geöffnet wie zu einem Lächeln. Ein Mädchen, eine junge Frau.
Aber das kann doch …
Das Gesicht ist zu Lotte emporgewandt, als kniete die Frau in dem Fass, den Kopf weit zurückgelegt. Sie hat lange schwarze Haare, große, schrägstehende Augen, und sie lächelt, lächelt, während Lotte keine Luft bekommt, schreien will, keinen Laut hervorbringt, zurücktaumelt, über die hingeworfene Schaufel stolpert. Sie fällt rückwärts auf die Zementsäcke, liegt hustend in einer Wolke aus stechend süßlichem Geruch und weißem Staub.
Wer ist das? Um Himmels willen, wer hat das gemacht? Sie kann nicht klar denken, sie kann nur verschwommen sehen, ihre Augen tränen wie verrückt. Diese Fässer, von wem … Ihre Gedanken sind Fetzen, so zerhackt wie ihr keuchendes Atmen. Das Licht ist wieder aus, sie rappelt sich auf, erneut gehen die Leuchtröhren an der Decke flackernd und brummend an.
Jemand muss sie Paps untergeschoben haben, ein Mörder, ein Psychopath. Anders kann es nicht sein. Oder ist das hier ein bescheuerter Scherz? Fünf Fässer mit Gummileichen, täuschend echt? Und gleich kommt einer um die Ecke und lacht sich krank?
Aber da ist niemand, nur Lotte und die Frau im Fass. Lotte stolpert aus dem Schuppen zurück ins Freie. Es regnet wieder, diesmal in Strömen. Die Fahrertür ihres Autos steht immer noch weit offen, der Sitz ist triefnass. Doch das merkt Lotte erst, als sie schon hinter dem Steuer sitzt und mit zitternder Hand nach dem Handy in der Ablageschale tastet. Mittlerweile ist es fast dunkel. Ich muss mich getäuscht haben. So was gibt es doch gar nicht. Wenn sie jetzt noch einmal reingehen, nachsehen würde, wer weiß, was sie in dem Fass finden würde. Einen Halloween-Kürbis mit aufgemalten Augen oder so etwas.
Aber ihr Zeigefinger weiß es besser, er wählt die 110. Auch ihr Mund gehorcht ihr nicht, er stammelt etwas von einer toten Frau in einem Fass. »Da sind noch mehr Fässer«, sagt Lotte und weint schon wieder. »Bitte kommen Sie sofort.« Ihre Stimme ist heiser vor Tränen.
Hallsteins Handy krächzt. Erfreut dreht sie sich auf die andere Seite, sucht neben dem Bett nach ihrem Blackberry. An ihren Bruder will sie heute lieber nicht mehr denken. Auch nicht an ihren Vater, der im Altenheim vor sich hin brütet. Kränkungen ausbrütet, Verdrehungen, Lebenslügen. Wann hat sie ihn zuletzt besucht? Rabentochter, Rabenschwester. Deshalb hat sie ihrem Smartphone auch dieses Krächzen als Klingelton angezüchtet. Krah, krah, Rabenkira, geh endlich dran.
Sie entdeckt es auf dem Boden, zwischen dem Teller mit Hummerresten und ihrem Proseccoglas. MaxL steht auf dem Display. Kriminaloberkommissar Max Lohmeyer, apfelwangiger Oberbayer, ihr hoffnungsvoller junger Kollege beim LKA. Hoffnungsvoll in mancherlei Hinsicht, auch wenn sie ihm bisher die kalte Schulter gezeigt hat.
Hallstein spürt ein elektrisches Kribbeln auf ihrem Rückgrat. Nicht von Niels’ Fingern, der Forensiker schläft weiter tief und fest. Sie hat Max instruiert, sie sofort anzurufen, wenn ein größerer Fall hereinkommt. Etwas jenseits der Routine von Messerstechereien mit Todesfolge oder aus dem Ruder gelaufener häuslicher Gewalt. Jetzt spürt sie die Sorte Kribbeln, die Jäger in finsterer Vorzeit gespürt haben müssen. Mit jedem Handykrächzen wird es stärker.
»Max, was haben wir?«
»Me-menschliche Überreste. Ein Frauenkopf. In einem Fass.« Max häckselt vor Aufregung. »Und vier weitere Fässer, die sind noch zu.«
»Wo?«
»Spandau. Zeppelinpark. Das ist eine richtig große Sache, Hallstein.«
»Sagt wer?«
»Ja mei, jeder hier!« Max kiekst, fast wie im Stimmbruch, dabei ist er zweiunddreißig. Auch wenn ihm das kaum einer glaubt. »Komm halt her und schau es dir an.«
Vier Minuten später sitzt Hallstein in ihrem Saab 9-3 Aero, 300 PS, rotierendes Blaulicht auf dem Dach, und fräst sich durch den Feierabendverkehr in Richtung Spandau.
Der Industriehof ist abgeriegelt, es wimmelt von Uniformierten und Streifenwagen. An der straßenseitigen Zufahrt blocken Schutzpolizisten die Traube der Schaulustigen ab. Als Hallstein mit ihrer schwarzen Limousine angeprescht kommt, lässt die Menge sie nur widerwillig durch. Dreißig, vierzig Sensationstouristen in Outdoorkleidung. Handys in der einen Hand, Coffee to go in der anderen.
Sensationsgier im Social-Media-Zeitalter, denkt Hallstein. Noch vor zehn Jahren hatten sie es meistens nur mit ein paar findigen Boulevardreportern zu tun, die den Polizeifunk abhörten und fast zeitgleich mit der uniformierten Vorhut am Ort des Geschehens aufkreuzten. Heutzutage werden solche Informationen über Facebook oder Twitter verbreitet, und ganze Flashmobs beamen sich zu den Tat- oder Auffindeorten.
In einem Gewitter aus Handykamerablitzen schiebt sich Hallstein durch die Meute, drückt auf die Hupe, lässt den Motor röhren, doch damit kann sie niemanden beeindrucken. Nicht in Berlin. Endlich hat sie das Gedränge hinter sich, fährt im Slalom zwischen duschtassengroßen Schlaglöchern und kreuz und quer geparkten Einsatzfahrzeugen in den hinteren Bereich des Gewerbehofs. Erneut fängt es zu regnen an, passend zu der düsteren Kulisse, die von Scheinwerfern angestrahlt wird.
Die Ziegelbauten aus Kaiser Wilhelms Zeiten scheinen ausnahmslos leer zu stehen. Hier im äußersten Berliner Westen, unmittelbar in der Flugschneise von Tegel Airport, gibt es etliche Areale wie dieses. Abrissreife Immobilien oder Brachflächen im Dornröschenschlaf, deren Eigentümer darauf warten, dass der neue Großflughafen draußen im Osten endlich eröffnet wird. Weil der alte Airport zeitgleich dichtgemacht werden soll, werden künftig hier im Westen keine Flieger mehr über die Dächer donnern. Stattdessen werden die Grundstückspreise wie Senkrechtstarter durch die Decke gehen. Doch da die Eröffnung des neuen Flughafens schon mehrfach verschoben worden ist, lassen die Besitzer Gewerbekomplexe wie diesen verfallen und warten die Entwicklung ab.
Fragt sich nur, denkt Hallstein, wieso die eine Halle trotzdem genutzt und sogar aufwendig hergerichtet worden ist. Als einziges von vierzehn Gebäuden.
Auf der Fahrt hierher hat sie sich von Max briefen lassen, seine junge, eifrige Stimme in ihrem Headset. Dr.-Ing. Carl Grohlich, den Eigentümer des Industriehofs, Bauunternehmer im Ruhestand, hat er bereits kontaktiert. »Herr Grohlich sagt, dass er Soltau die Halle zur unentgeltlichen Nutzung überlassen hat«, erklärte Max, während sich Hallstein die chronisch verstopfte Heerstraße zwischen Charlottenburg und Spandau entlangkämpfte. »Er wäre Soltau einen Gefallen schuldig gewesen, und sie hätten das informell geregelt, per Handschlag, ohne Mietvertrag. Er hat sich ziemlich aufgeregt«, fügte Max hinzu. »Obwohl ich ihm natürlich nicht verraten habe, worum es eigentlich geht. Ich wollte ihn für morgen früh ins LKA bestellen, aber Herr Grohlich hat darauf bestanden, sofort herzukommen.«
Umso besser, denkt Hallstein.
Sie parkt neben dem VW-Bus der Einsatzleitung und steigt aus. Unter der schwarzen Lederjacke trägt sie nur ein dünnes T-Shirt, das sie vor ihrem hastigen Abgang angezogen hat. Zu dünn für diesen überpünktlichen Herbst. Aber der Aufdruck passt, wie eigentlich immer, Born to Survive. Hallstein zieht den Reißverschluss ihrer Lederjacke bis zum Hals hoch. Auch ihre hellgrauen Chinos und die weißen Sneakers sind für diesen Einsatz alles andere als passend. Die feuchte Kälte dringt ihr durch die Sohlen und kriecht ihr die Beine hoch.
Niels hat ihr fluchtartiges Verschwinden glatt verschlafen. Sie hat ihm ein Post-it auf sein Smartphone geklebt. »Im Einsatz. Hallstein«.
Die Schiebetür des VW-Bullys ist offen. Auf der Bank an dem kleinen Klapptisch sitzt eine zerbrechlich wirkende junge Frau. Schwarz gekleidet, das blasse, schmale Gesicht eingerahmt von blondem Haar. Ein viel goldeneres Blond als Hallsteins eigene Haare. Lotte Soltau, schlussfolgert sie. Eine stämmige Polizistin in Uniform sitzt ihr gegenüber, redet auf sie ein. Lotte Soltau starrt in den Pappbecher vor ihr auf dem Tisch.
Max steht im weit geöffneten Tor von Halle 14. Er winkt und schwenkt eine Lampe, in deren Lichtkegel der Regen wie Perlenschnüre glitzert. Während Hallstein zu ihm rüberrennt, schreit er ihr schon von Weitem etwas zu. »Noch schlimmer«, versteht Hallstein. Sie mag es, wie leidenschaftlich er sich überall reinhängt, auch bei Routinefällen. Na klar, er ist noch jung und erst seit einem halben Jahr in Berlin, und manchmal ist sein Eifer einfach zum Piepen. Aber lieber so, denkt Hallstein, als wie die Mehrzahl der altgedienten Kollegen, für die alles nur noch Allerweltskram ist. Abgestumpft ist noch lange nicht dasselbe wie cool.
Da ist Max von ganz anderem Kaliber. »Die Fässer stehen da noch immer«, sagt er mit seinem lustigen Akzent und zeigt in die hell erleuchtete Halle. »Der Rechtsmediziner wollte sie in die Charité bringen lassen, aber ich habe gesagt: Das muss erst noch Hallstein sehen.« Er hat rote Flecken im Gesicht und muss sich sichtlich zusammenreißen, damit er sie nicht am Ärmel packt und mit sich zerrt.
Bei dem Gezappel ist es ein Wunder, dass er so viel Speck um die Hüften hat, denkt Hallstein.
Sie folgt ihm in die Halle, sieht sich aufmerksam um. Alles neu gemacht, aber so, dass man von außen nichts bemerkt. Wozu soll das gut sein? Fehlende Umbaugenehmigung? Aber wofür überhaupt der Aufwand, wenn das alles hier in ein paar Jahren abgerissen wird?
»Ist dieser Grohlich schon hier?«, fragt sie.
Max schüttelt den Kopf. »Der wohnt in Bad Saarow, anderthalb Stunden Richtung Osten.«
Hallstein ist versucht, ihm über den Kopf zu streicheln. Braver Max. »Ich weiß, wie weit es zum Scharmützelsee ist«, sagt sie stattdessen.
»Ich sag’s ja nur«, bringt er hervor, in einem Tonfall zwischen Reue und Klage.
Hallstein ignoriert ihn, geht auf die Rückwand der Halle mit den aufgereihten Fässern zu. Die Kriminaltechniker in ihren lichtgrauen Schutzanzügen packen ihre Siebensachen bereits wieder zusammen. Hallstein nickt dem einen oder anderen zu. Dr. Hünfeld, Vize der Charité-Rechtsmediziner, steht neben den Fässern. Ein zurückhaltender Mann, der mit seinen vierundvierzig Jahren bereits vollkommen ergraut ist.
»Was haben wir, Doktor?« Hallstein wirft einen Blick auf die Fässer. Die Deckel sind entfernt und durch transparente, straff über die Öffnung gespannte Folien ersetzt worden.
»Menschliche Überreste in allen fünf Behältern«, sagt Hünfeld. »Konserviert in Formalin.«
Sie beugt sich über das erste Fass links. Dunkle, schräg geschnittene Augen starren ihr entgegen. Das gelbliche Gesicht emporgewandt, umflossen von üppigem schwarzem Haar.
Kein Wunder, dass die Tochter geschockt ist, denkt Hallstein. Der Vater tot, und in seinem Schuppen sind jede Menge weitere Leichen.
Sie winkt Max zu sich heran, lässt sich die Stablampe von ihm geben und leuchtet in das erste Fass hinein. Unter dem schwimmenden Kopf entdeckt sie rötlich braune Klumpen und einen Unterschenkel mitsamt Fuß. Die Überreste scheinen in der konservierenden Flüssigkeit schwerelos zu schweben.
»In den anderen Behältern sind keine Köpfe«, sagt Hünfeld, während sich Hallstein über das nächste Fass beugt. »Trotzdem ist nach erster Sichtung zu vermuten, dass es sich um die Überreste von fünf verschiedenen Körpern handelt. Ordentlich getrennt, für jeden ein eigenes Fass. Achten Sie auf Proportionen und Hautfarben. Der Kopf im ersten Fass ist vom asiatischen Typus. Thailand oder vielleicht Malaysia. Der Oberarm im dritten Fass weist typisch karibische Merkmale auf. Die zierlichen Knochen, die olivenfarbene Haut. Hier tippe ich auf Mittelamerika. Aber alles unter Vorbehalt.«
Hallstein richtet sich auf, gibt Max die Lampe zurück. Sie hat für den Moment genug gesehen. Und gerochen. Der süßlich stechende Geruch dringt sogar durch die Plastikfolie, verklebt ihr die Nasenschleimhaut, setzt sich überall fest. »Also fünf Fässer, fünf Leichen?«
»Nach erstem Augenschein, ja«, sagt Hünfeld. »Aber nageln Sie mich nicht fest. Auffällig ist nämlich auch, dass jeder Behälter eine andere Auswahl an Körperteilen enthält.«
Hallstein sieht ihn verblüfft an. »Sicher?«
»So ziemlich. Überzeugen Sie sich selbst.« Er deutet auf das erste Fass, Hallstein hebt abwehrend die Hände. »Kopf, Lunge, Leber, Unterschenkel nebst Fuß im ersten Behälter«, zählt Hünfeld unbeirrt auf. »Milz, zwei Augen, eine Schulter mit Oberarm im zweiten Behälter. Eine Niere, Vagina, Unterarm mit Hand im dritten.«
»Danke, ich hab’s verstanden.«
Ein Trophäensammler, denkt sie, wie so viele Serienmörder. Die Körperteile, die er aufbewahren will, wählt er nach irgendeinem System aus, das nur in seinem kranken Hirn einen Sinn ergibt.
»Und wie lange sind die schon da drin?«, will sie von Hünfeld wissen.
»Monate, Jahre, Jahrzehnte.« Er zuckt mit den Schultern. »Das kann ich im Moment nicht einmal grob schätzen. In Formalin gelagerte Leichen sehen auch nach zwanzig Jahren noch ausgesprochen ansehnlich aus. Wir haben natürlich unsere Methoden, zum Beispiel …«
»Geschenkt«, fällt ihm Hallstein ins Wort. »Das steht dann ja alles in Ihrem Bericht.« Sie ist bekannt dafür, eitle Exkurse schon im Ansatz abzuwürgen. Und in die Rubrik »eitle Exkurse« fällt bei ihr so ziemlich alles, was über eine knappe, laienverständliche Antwort auf die jeweilige Frage hinausgeht.
»War der Täter ein Fachmann, Herr Doktor?«, mischt sich Max ein. Respektvoll sieht er den Rechtsmediziner an. »Ich meine, hat er mutmaßlich chirurgische Kenntnisse, und hat er entsprechende Instrumente eingesetzt? Skalpell, Knochensäge?«
Hünfeld schüttelt den Kopf. »Das kann ich jetzt schon ausschließen, Herr Lohmeyer. Schauen Sie sich die Abtrennflächen an: Da wurde gerissen und gehackt, nicht geschnitten und gesägt.«
Max japst, auch Hallsteins Magendecke zieht sich zusammen. »Nach Eintritt des Todes?«, fragt sie.
Hünfeld schüttelt abermals den Kopf. »Die Opfer waren noch am Leben, als sie regelrecht ausgeweidet beziehungsweise als ihnen Gliedmaßen abgetrennt wurden. Teilweise erinnern die Verletzungsmuster an Bissspuren. Von Hunden, Wölfen oder auch von Wildschweinen.«
Max dreht sich abrupt um und wankt zum Ausgang der Halle.
»Sorry«, sagt Hünfeld. »Wenn er nicht gefragt hätte …«
Diesmal muss Hallstein ihm nicht ins Wort fallen. Er unterbricht sich selbst, während sie tief Luft holt. Der Augenblick ist gekommen. Der Moment, für den sie sich wappnet, seit Max sie in ihrer Wohnung angerufen hat.
»Das Geschlecht der Opfer«, sagt Hallstein in betont neutralem Tonfall. »Alles Frauen?«
Ein Alarmton schwillt in ihrem Kopf an. Wie jedes Mal, wenn in einem neuen Fall die Toten an die Oberfläche kommen. In ihren Träumen stolpert sie immer wieder über Tote, die aussehen wie ihr Bruder Tobias. Wie Tobi vor zwanzig Jahren, als er spurlos verschwunden ist. Ein Teil von ihr glaubt immer noch daran, dass er eines Tages wiederauftauchen wird. Lebendig oder tot.
»Auf die Frage habe ich gewartet, Hallstein. Aufgrund der Größenverhältnisse lässt sich in allen fünf Fällen ausschließen, dass es sich um erwachsene männliche Opfer handelt. Die Überreste in Behälter Nummer eins und drei stammen offensichtlich von weiblichen Individuen. Bei den drei anderen könnte es sich beim jetzigen Kenntnisstand auch um männliche Teenager handeln. Könnte, wie gesagt.«
Hünfeld sieht sie durchdringend an. So, als wüsste er genau, was jetzt in ihr vorgeht. Dazu muss er allerdings kein wiedergeborener Nostradamus sein. Gerüchte über Hallstein und ihren Bruder kursieren zur Genüge. Über den psychischen Knacks, den sie zurückbehalten hat und der ihre Launen und Verrücktheiten erklärt. Genauso wie ihre herausragenden Ermittlungserfolge. Hallstein ist brillant, heißt es im LKA-Gebäude in der Keithstraße hinter vorgehaltener Hand. Wenn sie nicht gerade in der Psychiatrie ist.
»Danke, Doktor«, sagt sie. »Ich brauche Ihren Bericht zu allen fünf Opfern bis morgen früh. Ich weiß, das heißt Nachtschicht für Sie und Ihre Kollegen. Lässt sich leider nicht ändern.«
Hünfeld starrt sie an, presst die Lippen aufeinander.
Sie zieht ihren Blackberry aus der Innentasche ihrer Lederjacke. »Ich rufe die Staatsanwaltschaft an. Eil-Obduktion. Wir brauchen umgehend alle verfügbaren Informationen über den Täter. Und natürlich zur Identität der Opfer.«
»Meine Frau wird begeistert sein«, sagt Hünfeld. »Wir haben Operntickets, Die Zauberflöte.«
»Ihre Königin der Nacht wartet im Fass Nummer eins.« Hallstein lässt ihn neben den Behältern stehen und geht um die Zementsäcke herum, die absurd ordentlich mitten im Raum aufgestapelt liegen. Nicht nur Hünfelds Haar, denkt sie, auch sein Gesicht ist grau.
Sie hat die Angewohnheit, die Leute um sich herum zu taxieren: wer älter aussieht, als er tatsächlich ist, und wer jünger. Und wie sehr sein Aussehen vom kalendarischen Alter nach oben oder unten abweicht. Hünfeld jedenfalls ist zwei Jahre älter als sie und sieht fünfzehn Jahre älter aus. Während sie selbst, jedenfalls laut Niels Kamann, höchstens wie fünfunddreißig aussieht. Dafür tut sie aber auch so einiges. Wann immer sie Zeit hat, schwimmt sie im Charlottenburger Schlachtensee, rennt oder fährt mit ihrem Rennrad durch den Grunewald. Im Gegensatz zu Max hat sie kein Gramm Speck auf den Hüften. Ironwoman.
Sie wählt die Nummer der Staatsanwaltschaft und klärt die diensthabende Beamtin mit knappen Worten auf. »Anscheinend ein Serientäter«, sagt sie. »Der Hintergrund ist noch unklar. Der Fundort ist eine Halle, die von einem älteren Mann genutzt wurde, der letzte Woche an Krebs verstorben ist. Alexander Soltau, dreiundsechzig geworden. Ein unbeschriebenes Blatt, Bauunternehmer, wohnhaft hier in Spandau, Falkenhagener Feld. Ob Soltau mit dem Täter identisch ist, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Wenn nicht, ist unser Serienmörder auf freiem Fuß und kann jederzeit wieder zuschlagen.«
Die Staatsanwältin sichert Hallstein ihre Unterstützung zu. Hallstein beendet das Gespräch, verstaut ihr Smartphone in der Jacke und stellt sich neben Max ins offene Hallentor. Es regnet immer noch, und Max sieht immer noch zum Anbeißen aus, wenn auch um die Nase herum immer noch ziemlich blass.
Tobis Überreste in einem der Fässer. Tobi, dem bei lebendigem Leib Organe entnommen, Gliedmaßen abgerissen werden. Tobi, in dessen Fleisch der Täter seine Zähne schlägt wie ein Raubtier im Blutrausch.
Hallstein zwingt sich, gleichmäßig ein- und auszuatmen. Nicht zu tief und nicht zu flach. Wie es ihr in der Schlosspark-Klinik in Charlottenburg beigebracht worden ist. Die Gerüchte über sie sind stark übertrieben, aber nicht vollkommen falsch. Einmal, vor sieben Jahren, hat sie sich selbst in die Psychiatrie eingewiesen. Weil sie überall Tobias gesehen hat. In jeder Straße, Tag und Nacht. In jedem Haus und jedem Traum.
Max streckt Dr.-Ing. Carl Grohlich die Hand hin. »Lohmeyer, Kriminaloberkommissar beim LKA. Wir haben vorhin telefoniert.«
Sie stehen vor dem offenen Tor von Halle 14. Es regnet noch immer, zur Abwechslung leichtes Nieseln. Grohlich ist einer silbergrauen Mercedes-S-Klasse entstiegen, nicht das neueste Modell, aber mit allen Extras. Acht Zylinder, Vierradantrieb, 435 PS, Max kennt sich aus. Sein Vater, seine Brüder, allesamt Petrolheads. Er selbst fährt allerdings lieber Vespa.
Grohlich ergreift Max’ Hand, aber nur ganz kurz. Der Bauunternehmer im Ruhestand ist ein schmaler, kleingewachsener Mann. Dunkelblauer Nadelstreifenanzug, flinke Augen, denen nichts zu entgehen scheint. Alles an dem Mann ist schmal, auch die Krawatte und der Oberlippenbart. Die spärlichen Reste seines grauen Haupthaars sind nach hinten gegelt und rollen sich im Nacken zu einer öligen Welle. Laut Wikipedia ist Grohlich siebenundsechzig Jahre alt und hat sich »Verdienste um den Wohnungsbau in Westberlin erworben«.
Irgendwie erinnert er Max an einen nicht mehr ganz taufrischen Hochstapler aus dem Berlin der Zwanzigerjahre. Letztes Jahr hat er den im Kino gesehen, zusammen mit Amelie. Wie hieß der Film noch mal? Spielt jetzt keine Rolle.
»Vielen Dank, dass Sie gleich gekommen sind, Herr Doktor Grohlich.« Max lächelt, lässt seine bergseeblauen Augen blitzen. Es irritiert ihn, dass ihm gerade jetzt Amelie in den Sinn gekommen ist. Allerdings passiert ihm das immer wieder mal. Vor einem Dreivierteljahr glaubte er noch, dass sie heiraten würden. Kinder bekommen, Haus bauen, zusammen alt werden, alles in Rosenheim. Er war sich sicher, dass Amelie die Richtige sei. Und dann, kra-wumm, der Bruch.
Grohlich nickt, bleibt aber reserviert. Nur die Mundwinkel unter dem millimeterschmalen Schnurrbart zucken.
Er ist nervös, sagt sich Max. Warum? Weil er hier mit drinsteckt?
»Sie haben Herrn Soltau diese Halle also zur unentgeltlichen Nutzung überlassen«, kommt er zur Sache. »Könnten Sie mir den Hintergrund kurz erklären?«
»Hat er Ihnen das nicht schon selbst erzählt?« Grohlich spricht leise und zischend. Gleichzeitig versucht er, in der Halle etwas zu erkennen, aber da drinnen ist es zu dunkel. Außerdem steht ihm Max mit seinen breiten Schultern im Weg. »Oder haben Sie ihn noch nicht erreicht?«
Er wirft unruhige Blicke nach links und rechts. Der Hof ist noch von den Scheinwerfern der Spurensicherung beleuchtet. Von der Straßenseite her steuern die Streifenwagen zuckendes Blaulicht bei.
Max schüttelt den Kopf und sieht Grohlich weiter fragend an. Besonders eng scheinen die beiden nicht befreundet gewesen zu sein. Oder stellt er sich unwissend?
»Worum geht es denn eigentlich?«, fragt Grohlich weiter und versucht erneut, an Max’ Schulter vorbeizuspähen. »Am Telefon haben Sie von einer verdächtigen Entdeckung gesprochen. Was hat es damit auf sich?«
»Dazu komme ich noch. Bitte beantworten Sie zuerst meine Frage.«
Grohlich mustert ihn aus zusammengekniffenen Augen. »Vor fünf Jahren sollte Soltau mir das alles hier abreißen. Das gesamte Fabrikareal, übrigens eine ehemalige Haushaltswaren-Manufaktur. Bürsten, Bestecke und so weiter. Wir hatten alles vorbereitet, um hier eine Anlage mit Eigentumswohnungen hochzuziehen. Premiumsegment, Gated Community, falls Ihnen das was sagt.«
»Aber daraus ist nichts geworden.«
»In der Tat.« Grohlichs Gesicht verzieht sich kurz, vor Ungeduld oder Ärger. Doch er hat sich rasch wieder unter Kontrolle. »Solange in Tegel Flieger starten, bleiben die Immobilienpreise in der Flugschneise am Boden. Also war unser Projekt im gleichen Moment tot, in dem die Eröffnung des neuen Airports abgesagt worden ist. Meine Investoren sind sofort wieder abgesprungen.« Er greift sich an den Kopf, streicht sich übers Haar. »Soltau hatte einiges in die Vorbereitung gesteckt. Schweres Gerät angeschafft und so weiter. Das war alles für die Katz. Auch ich habe mir damals blutige Schrammen geholt, finanziell gesehen. Da hatte ich natürlich ein offenes Ohr für seinen Vorschlag. Obwohl mir der etwas merkwürdig vorgekommen ist.«
Auch Max ist ganz Ohr. »Was war das für ein Vorschlag?«
»Das habe ich Ihnen doch schon gesagt«, gibt Grohlich zurück. »Er wollte den Schuppen hier herrichten, um ihn unentgeltlich zu nutzen. Angeblich als Lager für Baumaterialien, die immer wieder mal zu Schleuderpreisen auf den Markt kommen. Er sagte, er hätte das schon lange vor, nur hätte er bisher keine geeignete Halle gefunden. Und solange unser Projekt hier auf Eis liege, hätte ich ja sowieso keine Verwendung für den Schuppen. Was natürlich stimmt.«
Er wendet sich halb um und macht eine Armbewegung, die den ganzen Hof umfasst. »Die Fabrikhallen lassen sich immer wieder mal vermieten. An Trödelhändler, Resterampe-Discounter und so weiter. Aber dieser Schuppen?« Sein schmaler Mund verzieht sich, das Bärtchen zuckt. »An dem Holzgerippe war schon damals kaum noch was zu retten. Dach undicht, Wände morsch, Boden feucht. Als Lager für Baumaterialien finden Sie so schnell nichts Schlechteres.«
»Haben Sie Herrn Soltau darauf denn nicht hingewiesen?«
Grohlichs Augen ziehen sich zusammen. »Warum hätte ich das tun sollen? Vom Bauhandwerk versteht Soltau nicht weniger als ich. Wenn er mir nicht vorgeschlagen hätte, die Halle herzurichten, hätte ich sie wegen Einsturzgefahr abreißen lassen müssen. Außerdem hätte ich ihn für seine Vorab-Investitionen irgendwie entschädigen müssen. Beide Probleme bin ich mit einem Schlag losgeworden. Er wollte nicht mal einen Vertrag, nur die mündliche Zusicherung, dass er die Halle kostenlos nutzen darf, bis unser Projekt wieder in Gang kommt. Natürlich habe ich zugestimmt.«
»Aber Sie haben sich gewundert.«
»Nicht wirklich«, schwächt Grohlich ab. »Ich kenne Soltau schon seit Mitte der Siebziger, wir haben zusammen an der Technischen Hochschule studiert. Ich war vier oder fünf Semester über ihm, aber er ist mir trotzdem gleich aufgefallen. Und nicht nur mir. Er konnte aus dem Stegreif eine ganze One-Man-Show auf die Bühne bringen. Und das in unserem stocknüchternen Fachbereich. Ein Bauingenieur mit Entertainerqualitäten, das finden Sie nicht alle Tage.«
»Das beantwortet meine Frage nicht«, sagt Max. »Was hat die Halle mit Herrn Soltaus Entertainerqualitäten zu tun?«
»Das liegt doch auf der Hand«, antwortet Grohlich prompt. »Ich bin davon ausgegangen, dass er hier seine künstlerische Seite ausleben wollte. Mit seiner Band Musik machen, vielleicht eine Art Privatclub aufziehen, was weiß ich. Jedenfalls war ich mir sicher, dass er nichts anstellen würde, was ihm oder mir Ärger eintragen würde. Dafür ist er zu gewissenhaft. Aber jetzt verraten Sie mir doch endlich mal, was der ganze Zirkus hier soll.«
Max greift in die Außentasche seiner schwarzen Lederjacke und zieht einen Beweismittelbeutel heraus. Er macht einen Schritt in die Halle, das Deckenlicht flammt auf. Der transparente Beutel enthält den Schlüssel mitsamt Plastikanhänger, mit dem Lotte Soltau das Hallentor aufgeschlossen hat. Das Höllentor, denkt Max und spürt einen leichten Schauder. Er ist in einer katholischen Kleinstadt aufgewachsen, in der Hölle und Teufel zumindest damals noch eine gewisse Macht besaßen. Über Seelen, Köpfe, Körper.
›Ein Irrer muss meinem Vater die Fässer untergeschoben haben, ein Psychopath‹, hat Lotte Soltau vorhin mindestens drei Mal zu ihm gesagt. ›Fragen Sie, wen Sie wollen, Paps kann damit nichts zu tun haben.‹
Grohlich ist Max in die Halle gefolgt und sieht sich unruhig um. Bei den fünf kreisrunden Abdrücken auf dem Boden vor der Hinterwand bleibt sein Blick nur kurz haften. Sehr viel mehr scheinen ihn die neu aufgebauten Betonstrukturen zu beeindrucken. Er mustert die Wände, starrt zur Decke hoch.
Max und Hallstein waren vorhin auch ziemlich verblüfft, als ihnen ein Kollege von der Kriminaltechnik erklärt hat, was sie hier vor sich haben. ›Einen Panikraum, nur falschrum. Anders gesagt, einen Kerker.‹
»Kennen Sie diesen Schlüssel, Herr Doktor?« Max hält Grohlich den Beweismittelbeutel vors Gesicht.
»Nie gesehen.«
»Sind Sie sicher, dass das auf dem Anhänger nicht Ihre Schrift ist?«
Grohlich wirft nochmals einen kurzen Blick darauf. »Todsicher. Das da ist die Handschrift eines Kindes, wenn Sie mich fragen.«
»Oder eines Erwachsenen, der selten mit der Hand schreibt«, wendet Max ein. Die Schrift wirkt ungelenk, da hat Grohlich recht. Eckig und unproportioniert. Als würde jemand einer Holzpuppe beim Schreiben die Hand führen.
»Was auf mich nicht zutrifft, im Gegenteil.« Grohlich greift in sein Jackett und zieht ein Blatt Papier hervor. Er entfaltet es und hält es Max unter die Nase. »Hier, sehen Sie. Ich habe mir vorhin noch ein paar markante Wegpunkte herausgeschrieben, damit ich mich nicht verfahre.«
Auf dem Zettel steht »A 100 Ausfahrt ICC Heerstr. Nennhauser Damm Am Zeppelinpark« in schwungvoller Handschrift, mit perfekt gerundeten Bögen.
Wieso weiß er den Weg nicht auswendig?, fragt sich Max. Oder, wenn er sich nicht ganz sicher ist, warum gibt er die Adresse nicht ins Navi ein? Laut Lotte Soltau stammt die Beschriftung auch nicht von ihrem Vater. Von wem also sonst?
Doch alle diese Fragen behält Max für sich. »Bestimmt besitzen Sie zahlreiche Immobilien«, sagt er stattdessen. »Klar, dass Sie sich nicht den Weg zu jeder einzelnen merken können. Herrje, das wäre auch was für mich!« Er bedenkt Grohlich mit einem schwärmerischen Lächeln. »Immobilien in der ganzen Stadt und eine S-Klasse, um von einem Anwesen zum anderen zu fahren.«
Du bist immer so unterwürfig, der schreckliche Satz von Amelie zuckt ihm durch den Kopf. Der Satz, der ihre Beziehung beendet hat, zack, wie ein herabsausendes Fallbeil. Der Satz, vor dem er hierher geflohen ist, von Rosenheim nach Berlin. Um sich selbst zu beweisen, dass er nicht unterwürfig ist. Sondern durchsetzungsstark, wenn auch auf seine eigene, höfliche Art.
Max kämpft mit seiner Verwirrung, und Grohlich zeigt ein schmales Grinsen. Zum ersten Mal, seit Max ihn befragt.
»Als klar war, wie schlimm es um ihn stand, habe ich alles stehen und liegen gelassen«, sagt Lotte Soltau. »Ich wohne in meinem alten Zimmer. Wie als kleines Mädchen und als Teenager. Das macht es noch schwerer, verstehen Sie? All die Erinnerungen. Er war der beste Vater auf Erden. Er kann mit diesen Horrorfässern nichts zu tun haben. Und ich … ich kann ohne ihn nicht …«
Und wieder Tränen. Hallstein zieht automatisch das nächste Tempotuch aus der Packung und hält es der Tochter des Toten hin. Der trauernden Tochter eines mutmaßlichen Serienmörders, der gleichzeitig der beste Papa der Welt war.
Lotte nimmt das Papiertaschentuch entgegen, schüttelt es mit einer fahrigen Bewegung auseinander. Wischt sich über die Augen, schnieft hinein. Sogar ihr Schnäuzen klingt kraftlos. Sie lässt das zerknüllte Taschentuch neben sich auf die Bank fallen.
»In der Halle da drüben wurden Leichenteile aufbewahrt, Frau Soltau«, versucht es Hallstein aufs Neue. »Überreste von wahrscheinlich fünf Frauen, die grausam ermordet worden sind. Die Halle wurde von Ihrem Vater genutzt. Für weitere Nutzer gibt es derzeit keine Anhaltspunkte. Ihr Vater hat das Gebäude zu einer Art Hochsicherheitstrakt ausgebaut und die alte Holzverkleidung nur zur Tarnung belassen. Da klingt es für mich nicht besonders plausibel, dass er von den Fässern nichts gewusst haben soll.«
Lotte weint leise vor sich hin. Sie ist nicht nur schlank, denkt Hallstein, sondern untergewichtig. Doch ihr ist klar, dass das nichts bedeuten muss. Die Sorge um ihren Vater und der Kummer nach seinem Tod können Lotte den Appetit verschlagen haben.
Die Frage ist, war Lotte vorher auch schon so dünn. Dann könnte es ein Symptom sein. Magersucht, Selbstekel, Selbstbestrafung. Hallstein wird bewusst, dass sie die Tochter in Gedanken immer Lotte nennt, nicht Frau Soltau.
»Das ist alles ein großes Missverständnis«, bringt Lotte zwischen krampfhaften Schluchzern hervor. »Aber das wird sich aufklären. Anders kann es gar nicht sein! Wenn Sie ihn gekannt hätten, Frau Hallstein. Er war liebevoll, ein Beschützer, fragen Sie, wen Sie wollen!«
Lotte unterbricht sich und starrt aus dem Seitenfenster des VW-Bullys. Durch die mit Tropfen übersäte Scheibe ist schemenhaft die beleuchtete Halle zu sehen. Zwei Gestalten stehen davor, die eine groß und breitschultrig, die andere schmal und einen halben Kopf kleiner.
Wenn Grohlich etwas damit zu tun hat, denkt Hallstein, wird Max es aus ihm herauskitzeln. Sein Befragungsstil ist ungewöhnlich, in Bayern vielleicht weniger als im ruppigen Berlin. Aber mit seinen Schmeicheleien, seiner altmodischen Höflichkeit und diesem jungenhaften Lächeln hat er durchaus Erfolg. Hallstein mag ihn.
»Meine Freundinnen haben oft bei mir übernachtet«, beginnt Lotte unvermittelt zu erzählen. »Karla und Grete. Besonders in den Sommerferien, wenn meine Mutter wieder mal mit ihren Reisegruppen unterwegs war. Das hätten Sie sehen sollen! Wie die Mädels für meinen Paps geschwärmt haben, vor allem Grete. Wie wir uns an unserem Pool in den Liegestühlen gesonnt haben. Da waren wir fünfzehn, sechzehn Jahre alt. Paps hat uns Fruchtsäfte serviert, ein paar Songs vorgesungen und dazu Gitarre gespielt.«
Sie lächelt vor sich hin, wischt sich gleichzeitig mit dem Handrücken übers Gesicht. »Grete war richtig verknallt in ihn, Karla und ich haben sie immer damit aufgezogen«, fährt sie fort. »Trotzdem hatten ihre Eltern nichts dagegen, sie bei uns schlafen zu lassen. Sie alle kannten ihn doch. Paps hat mit seiner Band auf Hochzeiten und Betriebsfeiern im ganzen Kiez gespielt. Jeder mochte ihn. Fragen Sie, wen Sie wollen«, wiederholt Lotte. »Sie werden niemanden finden, der ihm irgendetwas Schiefes nachsagt oder auch nur zutrauen würde.«
Wie hat sich Lotte dabei eigentlich gefühlt?, fragt sich Hallstein. War sie auch in ihren attraktiven Paps verknallt? Vermutlich ja. Mit ihrer Papaschwärmerei geht sie Hallstein zunehmend auf die Nerven. Schon wie sie »Paps« sagt. So kleinmädchenhaft, dass es fast wie Pieps klingt.
Lotte kommt immer mehr in Fahrt. Sie erzählt vom Ruderverein, für den ihr Vater einen neuen Bootsschuppen gebaut hat, von der Bühne, die er jeden Sommer auf dem Vereinsgelände aufgebaut hat, um dort Wettbewerbe für Nachwuchsbands durchzuziehen. »Er hat ständig irgendwem Gitarren- oder Gesangsunterricht gegeben«, sagt sie. »Teenagern und älteren Leuten, er hat sie auf seinen Instrumenten spielen lassen und wollte nicht mal Geld dafür.«
Hallstein beginnt fast schon selbst zu glauben, dass sie Alex Soltau zu Unrecht verdächtigt, wenn das Bild, das die Tochter von ihm malt, auch nur halbwegs stimmt.
Laut Lotte war er ein Muster an Rechtschaffenheit. Er hat Spendenaktionen für die Obdachlosenhilfe organisiert und sich in einem Verein für die Kiezverschönerung engagiert. Einen einsamen alten Mann, der seit Langem im Rollstuhl saß, hat er sonntags oft zu ihnen nach Hause geholt, ihn mit der Familie zu Mittag essen lassen, mit ihm geplaudert und anschließend Karten gespielt. »Und fragen Sie mal das Ehepaar Rüstow, was für ein Mann mein Vater war«, fährt sie fort. »Frau Rüstow war früher Deutschlehrerin, und wissen Sie, was sie mal zu mir gesagt hat: ›Dein Vater ist der feinfühligste Mann, der mir jemals begegnet ist. Ich werde nie vergessen, was er einmal über die inneren Tragödien im ›Parsifal‹ von Richard Wagner gesagt hat. Das habe ich so noch nirgendwo anders gehört. Das kommt alles aus ihm selbst heraus, aus seiner sensiblen Seele.‹«
Parsifal, der reine Tor, denkt Hallstein. Was kommt als Nächstes? Dass ihr Paps der wiedergeborene Jesus Christus war?
»Frau Soltau«, setzt sie neu an, »die Fakten lassen sich nun mal nicht wegwischen. Ihr Vater hat den Betonbunker gebaut. Wir haben zahlreiche Fingerabdrücke sichergestellt, und alle stammen von ein und derselben Person. Über deren Identität werden wir erst morgen Gewissheit haben, aber wir müssen wohl davon ausgehen, dass es sich um die Abdrücke Ihres Vaters handelt.«
»Aber nicht an den Fässern«, murmelt Lotte. Sie formuliert es nicht als Frage, und sie klingt auch nicht so, als ob sie irgendwelche Zweifel hätte. »Damit hat er nichts zu tun.«
Hallstein sieht sie nachdenklich an. Es stimmt, an den Fässern haben sie keine Abdrücke gefunden. Weder von Soltau noch von einem Dritten, außer an dem Fass, das Lotte geöffnet hat. Aber alle fünf Deckel waren mit einer feinen Staubschicht bedeckt. Möglicherweise wurden die Fässer äußerlich gesäubert, um Täterspuren zu beseitigen, doch Lotte Soltau kann das nicht gemacht haben. Aus der Dicke der Staubschicht lässt sich ableiten, dass die Säuberungsaktion rund zwölf Monate zurückliegen muss.
»Das wird sich zeigen«, sagt Hallstein. »Können Sie für die nächsten Tage bei Verwandten oder Freunden unterkommen?«
Lotte fährt zusammen. »Aber ich wohne doch …«
»Wir müssen das Haus Ihres Vaters gründlich durchsuchen«, sagt Hallstein. »Meine Kollegen sind schon vor Ort und stellen alles auf den Kopf. Glauben Sie mir, da wollen Sie nicht dabei sein. Rufen Sie eine Freundin an, und übernachten Sie bei ihr.«
Lotte wird kreidebleich. Sie will nach dem Kaffeebecher greifen und fegt ihn mit einer unbeherrschten Bewegung vom Tisch. »Ich habe niemanden!«, stößt sie hervor. »Ich bin ganz allein. Und jetzt nehmen Sie mir auch noch mein Elternhaus!«
»Das ist doch nur für ein paar Tage.« Hallstein zieht das nächste Tempotuch aus der Packung und saugt die Kaffeepfütze damit auf. »Wenn die KT durch ist, können Sie wieder rein.« Sie nimmt ihr Smartphone aus der Tasche und legt es zwischen ihnen auf den Tisch. »Was ist denn aus Ihren beiden Freundinnen geworden? Karla und Grete? Können Sie nicht bei einer der beiden übernachten? Rufen Sie doch einfach mal an. Oder wohnen die nicht mehr in Berlin?«
Lotte starrt Hallstein an. Ihre Oberlippe bebt, Hallstein rechnet schon mit neuen Tränenströmen. Aber Lottes Augen bleiben trocken.
»Karla ist nach Kanada gezogen«, murmelt sie.
»Und Grete?«
»Ein Unfall, vor zehn Jahren. So wie Mama. Tot.« Lotte wirkt auf einmal wie in Trance. Mit Mühe bringt Hallstein aus ihr heraus, dass ihre Mutter vor drei Jahren bei einem Busunfall ums Leben gekommen ist. »Sie hat als Reiseleiterin eine Touristengruppe in Polen betreut«, murmelt Lotte. »Alle, die mir wichtig sind, sind tot.«
Ihre Augen sind glasig. Sie starrt durch Hallstein hindurch, vielleicht sieht sie den Ort vor sich, an dem die ihr wichtigen Toten versammelt sind. Ihr Vater, ihre Mutter, ihre Freundin Grete.
Max steckt den Beutel wieder ein, zückt sein Smartphone und ruft die Foto-App auf. »Schauen Sie sich das hier bitte mal an.« Er zeigt Grohlich eine Ablichtung der aufgereihten Fässer.
Die Deckel sind entfernt, die Folien über die Öffnungen gespannt. Aber der Inhalt der Behälter ist nicht zu erkennen. »Die Fässer haben dort drüben an der Wand gestanden«, fährt Max fort. »Haben Sie die schon mal irgendwo gesehen? Hier in der Scheune oder wo auch immer?«
Er beobachtet Grohlich, der abwechselnd auf das Display und zur Hinterwand der Halle sieht. Die Umrisse auf dem Boden sind von bräunlicher Farbe und fettiger Konsistenz.
Grohlich zuckt mit den Schultern. »Das sind hundsgewöhnliche Industriefässer à zweihundert Liter«, sagt er. »Die kriegen Sie jeden Tag überall zu sehen. Worauf wollen Sie hinaus?«
»Haben Sie hier in der Halle solche Fässer bemerkt?«, wiederholt Max. »Standen die hier schon herum, als Sie Herrn Soltau den Schuppen überlassen haben? Oder zu einem späteren Zeitpunkt, als Sie vielleicht noch einmal hier waren?«
Der Bauunternehmer rückt die schmalen Schultern im Nadelstreifenjackett zurecht. »Wie gesagt, über solche Fässer stolpern Sie auf jeder Baustelle. Aber wenn ich es mir richtig überlege – damals, als ich mit Soltau die Vereinbarung getroffen habe, war der Schuppen leer. Wir hatten ja das ganze Areal schon entrümpeln lassen. Der nächste Schritt wäre der Abriss aller Gebäude gewesen. Ich lege mich also fest: Nein, hier stand überhaupt nichts herum. Und seitdem bin ich nie mehr hier gewesen.«
»In fünf Jahren kein einziges Mal?«
»Exakt. Um die Vermietung kümmern sich meine Verwalter.« Grohlich dreht sich einmal um die eigene Achse, schüttelt den Kopf. »Soltau hat sich einen Schutzraum gebaut, einen Panikraum, ist Ihnen das eigentlich klar?« Er deutet zur Decke, da erst bemerkt Max die Belüftungsschlitze, die in dem schattigen Streifen zwischen Decke und Wänden versteckt sind. »Wollen Sie mir nicht endlich mal verraten, was für Kostbarkeiten er in den Fässern gebunkert hat?«
»Dazu kann ich leider nichts sagen«, antwortet Max. »Derzeit wissen wir noch nicht einmal, ob es wirklich Herr Soltau war, der die Fässer hier abgestellt hat.« Er geht zurück zum Tor. »Bitte werfen Sie auch hier noch einen Blick drauf.«
Grohlich folgt ihm, nervös wie eine aufgescheuchte Schlange. »Was denn noch?«
»Schauen Sie sich bitte die Innenseite der Tür an.« Max deutet auf das Schloss und die Beschläge, die Soltau – oder wer auch immer – erst vor relativ kurzer Zeit neu angebracht haben muss. Genauso wie die massiven Stahlplatten an den Innenseiten beider Torflügel. Im Grunde wurde das gesamte Tor neu aufgebaut, die knochenfahlen Holzbretter an der Außenseite sind reine Deko. Beziehungsweise Tarnung.
»Ein Türschloss, na und?«
»Sie sind doch vom Fach, Herr Doktor Grohlich. Ein führender Kopf in Ihrer Branche, wie ich im Internet gelesen habe. Eine Baukapazität.«
Grohlich nickt bei jedem Schmeichelwort, entspannt sich zusehends wieder. »Das ist alles richtig«, sagt er leise zischend.
»Dann finden Sie es doch bestimmt auch merkwürdig, dass diese Tür innen keine Klinke hat?«, fragt Max. »Oder sonst irgendeinen Mechanismus, um sie zu öffnen? Wenn die Tür hinter mir zufällt und ich keinen Schlüssel habe, komme ich hier nicht mehr raus. Oder sehe ich das falsch?« Er klopft mit den Fingerknöcheln gegen den Stahlbeschlag.
Grohlichs schmale Augen flitzen zwischen dem klinkenlosen Türschloss und Max’ Gesicht hin und her. Max lächelt sein arglosestes Lächeln, lässt seine Augen blitzen. Das war immer schon seine beste Waffe: Er kann bewundernd gucken, schwärmerisch lächeln wie kein Zweiter.
»Das sollten Sie Soltau fragen«, sagt Grohlich.
»Aber ich frage Sie, die Kapazität. Ich bitte Sie um Ihr fachliches Urteil, Herr Doktor Grohlich. Meiner Meinung nach würde man das bei einem Tresorraum – und erst recht bei einem Panikraum – genau andersherum konstruieren. Die Außenseite ohne Klinke, um unbefugtes Eindringen zu verhindern. Aber innen keine Klinke anzubringen, ergibt doch keinen Sinn, oder sehe ich das falsch?«
Grohlich starrt ungefähr dreißig Sekunden lang auf das klinkenlose Schloss. »Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen«, bringt er hervor.
Als er Max wieder ansieht, ist sein Gesicht verzerrt. Vor Ärger, vor mühsam unterdrückter Wut. Seine Mundwinkel zucken, das Oberlippenbärtchen windet sich wie ein Wurm.
›Ein Panikraum, der sich von innen nicht öffnen lässt, ist ein Kerker‹, hat der KTler vorhin erklärt. ›Ein Kubus aus Beton und Stahl. Unüberwindlich, außer du hast einen Schlüssel. Oder eine Ladung Plastiksprengstoff.‹
So einfach ist das. Man braucht keine Kapazität mit Doktortitel und Verdiensten um den Siedlungsbau zu sein, um das zu erkennen. Aber Grohlich beharrt darauf, nicht zu verstehen.
Warum?, überlegt Max. Weil er fürchtet, sich als vermeintlicher Mitwisser verdächtig zu machen? Aber ihm müsste doch klar sein, dass es erst recht verdächtig aussieht, wenn er vorgibt, das Offensichtliche nicht zu sehen.
»Fragen Sie Soltau«, wiederholt Grohlich. »Wenn er das hier gebaut hat, wird er auch wissen, wozu.«
»Das geht leider nicht«, sagt Max in seinem sanftesten Tonfall. »Herr Soltau ist vor acht Tagen verstorben.«
Grohlich fällt die Kinnlade herunter. Seine Bestürzung wirkt echt. Aber heißt das jetzt, dass er von den Machenschaften in Halle 14 nichts wusste? Oder erschrickt er gerade deshalb, weil er in die Sache verwickelt ist und befürchtet, mit aufzufliegen?
»Das war es fürs Erste«, sagt Max. »Vielen Dank. Wir melden uns, Herr Doktor.«
Er dirigiert Grohlich aus der Halle und fischt im Gehen seinen Blackberry aus der Lederjacke. Während die S-Klasse vom Hof rollt, tippt Max auf die Eins, unter der er Hallstein eingespeichert hat. Sie hat ihn angewiesen, relevante Informationen sofort durchzugeben, während sie Lotte Soltau befragt.
Sein Herzschlag beschleunigt sich, als er darauf wartet, dass Hallstein das Gespräch entgegennimmt. Im LKA-Gebäude in der Keithstraße sind die wildesten Gerüchte über Hallstein im Umlauf: Sie hat ein Kleiner-Bruder-Trauma. Und: Sie war schon x-mal in der Klapse. Und: Wegen ihres Tobi-Komplexes lässt sie sich nur mit jüngeren Männern ein. Sicher alles bloß Gerüchte, genauso wie die Krönung von allem: Sie soll dominant sein, unterwürfige Lover bevorzugen. Mit denen sie unfassbare Sachen macht.
Als Max von diesem Gerücht zum ersten Mal hörte, fing sein Herz wild zu hämmern an. Genauso wie jetzt.
Als Hallsteins Handy loskrächzt, schreckt Lotte Soltau aus ihrer Benommenheit hoch. Sie starrt auf den Blackberry wie auf einen bösen Geist.
Hallstein hält sich das Smartphone ans Ohr und dreht sich von Lotte weg. »Hast du was, Max?«
»Bin mir nicht sicher. Irgendeinen Deal hatten die beiden am Laufen. Ich vermute, Soltau hatte ihn mit irgendwas in der Hand. Um ihn ruhigzustellen, hat Grohlich ihm die Halle überlassen und kräftig weggeschaut.«
»Anhaltspunkte?«
»Nichts Handfestes. Aber er war extrem nervös. Darauf gefasst, dass ihm hier etwas auf die Füße fallen würde.«
»Die Fässer?«
»Die gerade nicht«, sagt Max. »Die Fässer haben ihn kaum interessiert, der Bunker umso mehr. Er wirkte beeindruckt, nicht unbedingt überrascht. Und als ich ihn auf die fehlende Klinke hingewiesen habe, hat er sich dumm gestellt.«
»Aufschlussreich.«
»Ja, das denke ich auch. Vielleicht hat er geahnt, dass Soltau in dem Schuppen so etwas wie einen Kerker bauen wollte. Aber die Fässer waren ihm schlichtweg egal.«
»Danke.« Sie klickt ihn weg, legt ihr Handy wieder vor sich auf den Tisch. Okay, noch eine Runde, dann lass ich sie für heute gehen.