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Eine gewaltige Explosion auf dem Schulweg weckt die Neugierde des 13-jäahrigen Arthur. Woher kam die Detonation genau und wer steckt dahinter? Als Artur zusammen mit Ren und Cecily die Trümmer erkundet, werden die drei plötzlich in eine andere Welt katapultiert. Sie sind gefangen im Jahr 2473 in Wonderscape – einem epischen Abenteuerspiel! Ab jetzt haben sie 57 Stunden Zeit, um ihren Weg zurück nach Hause zu finden. Doch Wonderscape steckt voller Überraschungen und nicht jeder neue Freund ist, was er vorgibt zu sein. Werden die Freunde den Wettlauf gegen die Zeit gewinnen?
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Seitenzahl: 384
Wonderscape
Wettlauf gegen die Zeit
eISBN: 978-3-96129-221-9
Edel Kids Books
Ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Copyright © Edel Germany GmbH, Neumühlen 17, 22763 Hamburg
www.edel.com
Published by arrangement with Walker Books Limited, London SE11 5HJ.
Text © 2020 Jennifer Bell
Übersetzung: Birgit Salzmann
Covergestaltung: Johannes Wiebel | punchdesign unter Verwendung einer Illustration von Jann Kerntke
ePub-Konvertierung: Datagrafix GmbH, Berlin
Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Die Übersetzerin bedankt sich herzlich beim Deutschen Übersetzerfonds für die Förderung ihrer Arbeit am vorliegenden Text.
Der auf Seite 30 verwendete Fremdtext (erste sechs Zeilen) wurde mit freundlicher Genehmigung folgenden Verlages verwendet:
James Gleick, Isaac Newton Die Biografie
© 2004 Bibliographisches Institut GmbH (Albatros), Berlin
Für die Helden und Heldinnen von morgen
Es war früh am Morgen, und Arthur war auf dem Schulweg schon spät dran, als die Gartenzwerge explodierten.
Er rannte an den Nachbarhäusern in Peacepoint Estate vorbei und war gerade um eine Ecke gebogen und an dem alten Häuschen mit der Nummer 27 angekommen, als es plötzlich ein lautes PENG gab und ein Hagel leuchtend bunter Mini-Geschosse aus dem Vorgarten in alle Richtungen sauste.
»Was zum …?« Seinen Schulblazer schützend über den Kopf gezogen, duckte Arthur sich hinter den Gartenzaun und spähte durch eine Lücke, um festzustellen, was los war.
Und da sah er es: Aus irgendeinem seltsamen Grund hatte die riesige Sammlung grinsender, rotbackiger Gartenzwerge des Hausbesitzers angefangen, einer nach dem anderen zu explodieren. Arthur nahm an, dass sie vielleicht zu einem defekten Schädlingsvertreiber-System gehörten, doch bevor er dazu kam, irgendwelche Nachforschungen anzustellen, bildete sich plötzlich Druck in seinen Ohren, und mit einem mächtigen, den Erdboden erschütternden WUMM zersprangen sämtliche Fenster des Hauses, und die Eingangstür schoss aus den Angeln und wirbelte quer über den Rasen.
Zum Wegrennen blieb keine Zeit. Eine Stoßwelle von der Wucht eines Sandsacks traf Arthur auf die Brust und schlug ihm die Luft aus der Lunge. Er taumelte rückwärts auf die Straße und zuckte vor Schmerz zusammen, während sich ihm der Inhalt seines Rucksacks in die Rippen bohrte. »Autsch!«
Er fiel hin und landete mit der Wange auf einem kalten eisernen Kanaldeckel. Blutgeschmack erfüllte seinen Mund. »Igitt …« Stechender Schmerz zuckte ihm durchs Kinn. Arthur hob langsam die Hand und rieb es sich. Wenigstens konnte er alle seine Körperteile noch bewegen.
Trotz eines beunruhigenden Klingelns in den Ohren rappelte er sich hoch. Die meisten Einfahrten der Nachbarhäuser waren leer, also nahm er an, dass die Leute zur Arbeit gefahren waren. Er wischte sich die aufgeschrammten Hände am Saum seines Hemdes ab und warf einen genaueren Blick auf Hausnummer 27. Das Häuschen hatte dieselben roten Backsteinwände und moosbedeckten Ziegel wie alle anderen in der Siedlung, war aber durch eine dicht gewachsene Hecke auf der einen und eine dunkle, kleine Gasse auf der anderen Seite von ihnen getrennt.
Merkwürdig. An dem Gebäude waren weder Feuerschäden noch Rauchspuren zu sehen. Arthur versuchte sich zu erinnern, ob sie das Thema Stoßwellen letztes Halbjahr im Physikunterricht durchgenommen hatten. Die naturwissenschaftlichen Fächer mochte er am liebsten, also passte er normalerweise gut auf.
»Hallo?!«, rief da jemand und ließ ihn zusammenschrecken. »Hast du das gesehen?«
Ein großes Mädchen mit türkisfarbenen Braids stand in der Gasse neben dem Haus und winkte Arthur zu. Ihre Schuluniform hatte sie mit einer Umhängetasche aus Leder und Söckchen mit Spitzenborte aufgepeppt, die über den Rand ihrer feinen Halbschuhe lugte. Arthur erkannte sie sofort, obwohl er nicht wusste, was sie hier machte. Cecily Madaki wohnte nicht in Peacepoint Estate; von den coolen Kids wohnte niemand in dieser Gegend.
»Alles in Ordnung mit dir?«, erkundigte sie sich und kam mit schnellen Schritten auf ihn zu. »Was war das denn gerade?«
»Äh …« Arthur scharrte verlegen mit den Füßen im Kies. Er hatte noch nie mit Cecily gesprochen. Sich mit Menschen zu unterhalten, die er nicht oder nicht gut kannte, machte ihn immer nervös. Er beobachtete, wie sie um den Zaun herumlief und ihr grauer Faltenrock dabei wippte. Alles, was er über sie wusste, war, dass ihre Eltern als Promi-Friseure arbeiteten und das wahrscheinlich der Grund war, warum sie ihre Frisur ständig änderte – vorige Woche hatte sie noch einen pinkfarbenen Afro-Irokesenlook getragen.
»Ich hab gefragt, ob alles in Ordnung ist?«, wiederholte sie und blieb vor ihm stehen. »Du bist gestürzt.«
»Das hast du gesehen?«
»Nein, aber du hast ein Muster auf der Backe, das gleiche wie das da unten.« Sie zeigte auf den Kanaldeckel am Straßenrand.
Super. Er rieb sich rasch über die Wange.
»Verletzt siehst du eigentlich nicht aus«, stellte sie fest, während sie seine Schuluniform musterte. »Bist du sicher, dass dir nichts fehlt?«
Arthur straffte die Schultern, damit sein gebrauchter Blazer besser saß. Für sein Alter war er durchschnittlich groß, aber schmächtiger als die meisten Jungen in seiner Klasse – was sich als ungünstig erwies, wenn man Sachen tragen musste, die einem ohnehin schon zu groß waren. Er wünschte, er könnte das neue Schuljahr ein einziges Mal in einer neuen Uniform beginnen wie alle anderen auch und müsste sich nicht so schämen. »Mir geht’s bestens.« Er blickte zurück zum Haus. »Keine Ahnung, was das war. Irgendeine Explosion?«
»Das ist ja wohl offensichtlich«, bemerkte jemand. Ein Mädchen in ölbespritzter Schuluniformhose und Springerstiefeln trat hinter zwei Mülltonnen hervor. Ihre langen schwarzen Haare trug sie zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, und ein dicker Pony hing ihr tief ins Gesicht. »In Nummer 27 wohnt niemand«, erklärte sie und rieb sich ein bisschen Schmutz von den Knien. »Die Explosion wurde wahrscheinlich von einer geplatzten Wasserleitung ausgelöst.«
»Das Haus steht leer?« Arthur hatte das Mädchen schon ein paar Mal im Erdkundekurs ganz allein in der letzten Reihe sitzen sehen, aber er wusste nicht, wer sie war. »Woher weißt du das?«
»Wir wohnen in der Straße dahinter, und unser Garten grenzt an den von Nummer 27.« Sie ging zum Tor und inspizierte die Überreste der Gartenzwerge. Ihre lebhaften braunen Augen waren mit schwarzem Kajal umrandet, was ihr einen eindringlichen Blick verlieh. »In dem Haus brennt nie Licht, und der Garten sieht aus wie ein Urwald. Wir sind erst letzten Sommer hierhergezogen, deshalb weiß ich nicht, wie lange es schon unbewohnt ist.«
Arthur betrachtete das Häuschen noch einmal genauer. Der Rasen war von Unkraut überwuchert und die Eingangstreppe völlig verdreckt. Wenn er jetzt so darüber nachdachte: Er hatte auch noch nie jemanden gesehen …
»Du bist Ren, stimmt’s?«, fragte Cecily und musterte das Mädchen. »Ren Williams? Ich hab dich letztes Halbjahr in der Schule rumgeführt, an deinem ersten Tag.«
Ren verschränkte die Arme und wirkte unbeeindruckt. »Stimmt. Und du bist Cecily.«
Ren Williams, die Neue … Jetzt wusste Arthur, wer sie war. Es kursierten zwei Gerüchte über sie: Erstens, dass sie von ihrer alten Schule geflogen war, weil sie auf einem Motorrad durch die Kantine gefahren ist; und zweitens, dass sie sich an ihrem dreizehnten Geburtstag die Fingerknöchel hatte tätowieren lassen. Er warf einen verstohlenen Blick auf ihre Hände, um festzustellen, ob das stimmte. Sie hatte abgekaute, schwarz lackierte Fingernägel. Und tatsächlich: Vier dunkelbraune Symbole – Herz, Karo, Pik und Kreuz – zierten ihre Haut.
»Und du bist?«, fragte Ren und sah Arthur direkt an.
Er lächelte nervös. »Arthur Gillespie. Wir haben zusammen Erdkunde.« Was für ein Pech aber auch, dass er gezwungen war, sich mit zwei der einschüchterndsten Mädchen der Schule unterhalten zu müssen. Normalerweise gab er sich die größte Mühe, allen aus dem Weg zu gehen und für sich zu bleiben. So gab es weniger Fragen zu seiner Schuluniform und weniger Gelegenheiten, sich zu blamieren.
»Also«, sagte Cecily und zog den Reißverschluss ihrer Tasche auf, »da hier außer uns niemand ist, sollte einer von uns wohl die Polizei rufen.« Sie zog ein mit Mangamotiven verziertes Handy hervor und fing an, auf dem Display zu tippen. Kaum hatte sie das Telefon am Ohr, hörte man aus dem Inneren von Nummer 27 plötzlich ein klägliches Jaulen.
Arthur erstarrte. Es klang wie ein Hund. »Hast du mal irgendwelche Tiere in der Nähe des Hauses gesehen?«, fragte er Ren.
»Heute früh ist ein kleiner weißer Hund im Garten rumgerannt«, antwortete sie und runzelte die Stirn. »Ich dachte, der gehört einem Nachbarn. Glaubst du, er wurde bei der Explosion verletzt?«
Cecily ließ das Handy sinken. »Sie haben mich in die Warte…« Sie verstummte, als sie das Jaulen hörte. »Was? Da drin ist ein Hund gefangen? Schnell, wir müssen ihm helfen.« Ohne zu zögern, öffnete sie das Tor und bahnte sich einen Weg durch die Gartenzwergtrümmer zum Haus.
»Warte!« Arthur rannte ihr nach. »Du kannst da nicht rein! Das ist zu gefährlich! Was ist, wenn es noch eine Explosion gibt?«
»Genau deshalb sollten wir uns beeilen.«
»Ja, aber …« Arthurs Nacken wurde ganz steif, als der Hund plötzlich wieder jaulte, diesmal noch kläglicher. Es war so herzzerreißend, dass er es einfach nicht ignorieren konnte. Er drehte sich zu Ren um, die immer noch mit verschränkten Armen vor dem Tor stand. »Kommst du mit?«
Genervt vor sich hin brummelnd stiefelte Ren den beiden hinterher.
Während sie den Rasen überquerten, sprach Cecily laut in ihr Handy. In ihrer Stimme lag so viel Selbstbewusstsein, dass sie Arthur an seine Klassenlehrerin erinnerte. »Ja, wir sind unverletzt. Nein, in Ordnung … Da sind wir uns nicht sicher … Gut, vielen Dank.« Sie steckte ihr Handy wieder weg. »Die Polizei kennt jetzt unseren Standort, sie sind unterwegs.«
Arthur fragte sich, ob sie wohl die Anweisung erhalten hatte, in sicherer Entfernung zu dem Gebäude zu bleiben. Wahrscheinlich. Als er sich umblickte, um festzustellen, ob sich einer der Nachbarn herausgewagt hatte, entdeckte er einen älteren Mann, der mit einer hochschwangeren Frau im Morgenmantel sprach. Beide zeigten auf Nummer 27, aber keiner von ihnen kam näher.
»Wie weit ist eigentlich euer Haus von hier entfernt?«, fragte Cecily, während sie sich geschickt zwischen den Trümmerteilen der Haustür von Nummer 27 hindurchmanövrierte.
Arthur kopierte ihre Schritte und versuchte dabei, möglichst nicht auf die geköpften Zwerge zu schauen. »Es steht gleich am Ende der nächsten Straße. Die Siedlung ist nicht besonders groß.« Er warf ihr einen Seitenblick zu und fragte sich wieder, was sie hier überhaupt machte. »Ich hab dich noch nie in Peacepoint gesehen. Ich dachte, du wohnst am anderen Ende der Stadt.«
Sie seufzte. »Stimmt, aber meine Tante wohnt hier. Wenn meine Eltern geschäftlich unterwegs sind, muss ich immer bei ihr bleiben.« Sie rannte die letzten paar Schritte und trat durch das Loch, wo vorher die Tür gewesen war, ins Haus. Arthur und Ren folgten ihr.
Der Flur sah aus, als wäre er in den Siebzigerjahren zum letzten Mal renoviert worden. Orange-gelb gemusterte Tapete zierte die Wände, und über ihren Köpfen hing ein mit Spinnenweben überzogener Ventilator. Die Luft war feucht und stickig, als wären die Fenster seit Jahrzehnten nicht geöffnet worden.
»Hallo?!«, rief Cecily laut. »Ist da jemand?«
Bis auf das Winseln des Hundes kam keine Antwort. Arthurs Schritte knirschten, als er über Glasscherben lief und sich an einem umgefallenen Garderobenständer vorbeischob. Von dem avocadogrünen Teppichboden war nicht mehr viel zu erkennen, weil er mit einer dicken Staubschicht bedeckt war.
»Sieht aus, als hättest du recht«, sagte Arthur zu Ren. »Hier wohnt schon seit einer Ewigkeit niemand mehr.«
Als Antwort warf sie ihm einen finsteren Blick zu und vergrub die Hände in den Hosentaschen.
Sie gingen am Wohnzimmer vorbei, bogen um die Ecke und kamen zu einer staubigen Holztreppe, die in den ersten Stock hinaufführte. Das jämmerliche Winseln des Hundes wurde immer lauter, und Arthur hoffte, dass sie ihm überhaupt helfen konnten. Falls er ernsthaft verletzt war, würde er einen Tierarzt brauchen.
»Der arme Kerl quält sich«, sagte Cecily auf dem Weg nach oben. »Wir müssen uns beeilen.«
Die Stufen knarzten laut, und Arthur wurde schlagartig bewusst, dass durch die Explosion womöglich das gesamte Gebäude beschädigt worden war. Er stellte sich vor, wie das Dach über ihnen einstürzte, und musste gegen einen starken Fluchtreflex ankämpfen.
Als sie das obere Ende der Treppe erreicht hatten, war der Hund nirgends zu sehen. Vom Treppenabsatz gingen drei Türen ab. Zwei davon glichen den beiden im unteren Flur, aber die dritte, die nur angelehnt war, unterschied sich deutlich. Sie war aus hellem, knorrigem Treibholz und mit einer verkrusteten Schicht aus Seepockengehäusen überzogen, als hätte man sie aus dem Rumpf eines alten Schiffes gesägt.
Doch das war längst nicht das Merkwürdigste daran. Arthur bekam eine Gänsehaut, als er auf den saphirblauen Rauch starrte, der um die Tür herumwirbelte. Sie strahlte eine besondere Energie aus; er konnte die Schwingungen förmlich im Brustkorb spüren.
»Was ist denn das?«, fragte Ren mit leicht brüchig klingender Stimme.
Bevor jemand antworten konnte, hörten sie ein schwaches Bellen hinter der Tür, und Cecily runzelte besorgt die Stirn. »Der Hund ist da drin. Er braucht unsere Hilfe!« Sie schob sich langsam näher, legte vorsichtig die Finger an den Türrand und zog.
Arthurs Haut kribbelte, als ihnen ein kühler salziger Luftzug entgegenrauschte. Das dahinterliegende Zimmer war düster. Auf einem Schreibtisch lagen ein Kerzenstummel und ein Stapel alter, in cognacbraunes Leder gebundener Notizbücher. Auf dem staubigen Fußboden waren Bücher verstreut, und in der Dunkelheit konnte man riesige Schatten von Möbelstücken erkennen. Von irgendwoher pfiff der Wind – vielleicht eine Lüftung.
»Da drüben!« Cecily deutete auf ein winselndes weißes Fellbündel, das versuchte, sich unter einem umgekippten Bücherregal herauszuwinden. »Fasst alle mit an!«, rief sie und stürzte zu ihm hin.
Ren blitzte Arthur verärgert an, als wäre das alles seine Schuld. »Sorg dafür, dass die Tür offen bleibt«, grummelte sie und stapfte hinter Cecily her.
Der blaue Luftwirbel funkelte bedrohlich, als Arthur hindurchtrat. Schlagartig überkam ihn ein kurzer Hirnfrost – dieser merkwürdige Kopfschmerz, den man bekommt, wenn man zu schnell zu viel Eis isst –, der jedoch gleich wieder verschwand. Er hob das dickste Buch vom Boden auf, das er finden konnte, und platzierte es sorgfältig auf der Türschwelle, damit die Tür nicht zugeweht werden konnte.
»Du nimmst die Seite, Arthur«, ordnete Cecily an, während sie das obere Ende des Bücherregals packte. »Auf drei heben wir es hoch.«
Er ging in die Knie und brachte sich schnell in Position. Ren übernahm die gegenüberliegende Seite.
»Okay«, sagte Cecily. »Eins, zwei …«
Arthur biss die Zähne zusammen.
»… drei!«
Sie hoben alle gleichzeitig an. Ein paar übrig gebliebene Bücher rutschten von den Böden und polterten auf die Dielen, als das Regal in Schräglage geriet. Cecily spähte vorsichtig darunter, um nachzusehen, ob es funktionierte. »Ein kleines bisschen höher noch …«
Plötzlich jaulte der Hund ohne Vorwarnung auf und schoss zwischen Arthurs Beinen hindurch. Vor Schreck hätte Arthur das Regal beinah losgelassen. Während die drei das Möbelstück vorsichtig wieder ablegten, raste das Hündchen zu der Treibholztür und drehte sich zu ihnen um. Es hatte spitze Ohren, ein lustiges Stummelschwänzchen und weißes Zottelfell, das ihm in zwei struppigen Bögen über den dunklen Augen wuchs und auf diese Weise einen neugierigen Gesichtsausdruck verlieh.
Cecily hockte sich hin und streckte die Hand aus. »Keine Angst. Wir tun dir nichts.«
Der Hund knurrte ängstlich, als wollte er antworten: Da bin ich mir nicht so sicher. Dann tapste er langsam zu ihr hin und schnupperte mit seiner schwarzen Nasenspitze an ihrer Hand.
»Hat er irgendwelche Verletzungen?«, fragte Arthur.
Der Hund trug ein rotes Halsband, aber weder humpelte er, noch hatte er sichtbare Wunden. Wahrscheinlich brauchte er doch keinen Tierarzt. Vielleicht konnten sie ihn einfach der Polizei übergeben und würden es sogar noch pünktlich zur ersten Stunde in die Schule schaffen.
»Ich glaube nicht«, antwortete Cecily. »Er ist bestimmt ganz jung; er ist so klein.« Sie wartete, bis der Hund sich beruhigt hatte, dann nahm sie ihn auf den Arm.
Als Arthur am Halsband nach einer Hundemarke suchte, stieß er auf ein daumennagelgroßes Prisma aus dunklem Obsidian, das neben einer kleinen Metallscheibe baumelte. »CLOUD. WEST HIGHLAND TERRIER. MÄNNLICH«, las er laut vor. Unter der Beschriftung befand sich ein merkwürdiges Symbol, das aus drei Teilen bestand: einem gleichschenkligen Dreieck mit einem Hexagon und einem kleinen Plus-Zeichen darin. Das schwarze Prisma hatte eine sechseckige Grundfläche, auf der die Initialen HW zu lesen waren.
»Der kleine Struppi ist also ein Er«, stellte Ren fest und kraulte das Hündchen zwischen den Ohren. Es war das erste Mal, dass Arthur sie etwas wirklich Nettes tun sah. »Freut mich, dich kennenzulernen, Cloud.«
Cloud bellte und wandte schwanzwedelnd den Kopf von einem zum anderen.
»Kommt!« Cecily lächelte. »Lasst uns besser verschwinden. Die Polizei wird gleich hier sein.«
Arthur war erleichtert, als sie sich zum Gehen wandten. Alles in allem war er ziemlich zufrieden mit sich: Sie hatten Cloud gerettet! Und abgesehen von seiner Asphalttätowierung, hatte er es sogar geschafft, sich vor Ren und Cecily nicht total zu blamieren.
Zu spät bemerkte er, dass die Luft vibrierte. Als er einen Blick zur Treibholztür hinüberwarf, sah er, dass das Buch, das er auf die Türschwelle gelegt hatte, verschwunden war und dass der blaue Rauch plötzlich schneller wirbelte.
Im nächsten Moment entzündete sich flackernd die Kerze auf dem Schreibtisch, und die Tür schlug zu. Es folgte ein lautes KLICK.
Und dann war die Tür verschwunden.
Cecily setzte Cloud auf den Schreibtisch und starrte auf die brennende Kerze. »W-was war das?«, stammelte sie.
Arthur rannte zu der Stelle, wo noch Sekunden zuvor die Treibholztür gewesen war, fuhr mit den Händen über die holzvertäfelte Wand und suchte nach Ritzen. Er traute seinen Augen kaum. »Das verstehe ich nicht. Die Tür kann sich doch nicht einfach in Luft aufgelöst haben.« Er presste die Lippen zusammen und ärgerte sich, dass er ein Buch genommen hatte, um sie offen zu halten, und nicht etwas Schwereres, ein Möbelstück zum Beispiel. Ren und Cecily würden bestimmt ihm die Schuld geben.
»War das etwa ein Trick?«, fragte Ren, die sich neben Arthur gekniet hatte. »Es deutet aber nichts auf einen versteckten Mechanismus im Boden hin.« Ihr langer Pony wippte, als sie wieder aufstand und Arthur finster ansah. »Keine Ahnung, wo die Tür hin ist, aber wenn wir hier wieder rauswollen, müssen wir wohl oder übel einen anderen Ausgang suchen.« Ren klang nicht nur besorgt, sondern auch wütend, was Arthur noch mehr beunruhigte.
Er versuchte, das flaue Gefühl im Magen zu verdrängen, und ließ seinen Blick über die dunklen Zimmerwände schweifen. Das konnte doch nicht der einzige Ein- und Ausgang gewesen sein … Zwischen weiteren Bücherregalen entdeckte er ein hölzernes Bett und eine kleine Kommode, aber keine Tür. Einen kurzen Moment lang meinte er, von irgendwoher Seemanns-Musik zu hören. »Hört ihr das auch?«, fragte er.
Cecily rümpfte verächtlich die Nase. Solche Lieder gehörten sicher nicht zu ihrer üblichen Playlist. »Das Haus ist offenbar doch nicht ganz verlassen. Ich rufe lieber die Polizei noch mal an.« Sie nahm ihr Handy heraus und sah ungläubig auf das Display. »Das ist merkwürdig. Mein Handy geht nicht an. Könnt ihr mal eure testen?«
Ren zog ihr Handy aus der Hosentasche. »Meins funktioniert auch nicht.«
Mit wachsendem Unbehagen nahm Arthur den Rucksack von der Schulter, fischte sein gebrauchtes Smartphone heraus und warf einen Blick darauf. Das Display war dunkel, und wenn er den Start-Button drückte, passierte nichts. »Irgendwas muss sie blockieren«, stellte er nervös fest. »Was geht hier bloß vor sich?«
In dem Moment sprang Cloud vom Schreibtisch und sauste auf die gegenüberliegende Zimmerseite, wo ein schwerer Leinenvorhang vor der Wand hing. Er nahm ihn zwischen die Zähne, wackelte mit dem Hinterteil und zog. Der Stoff fiel herunter und gab den Blick auf eine eiserne Tür frei, in deren Schloss ein silberner Schlüssel glänzte.
»Fein gemacht!«, jubelte Cecily. Sie rannte hinüber und drehte den Knauf, aber die Tür bewegte sich nicht. »Ich glaube, das Schloss ist kaputt«, sagte sie und rüttelte an der Tür. Schließlich rammte sie ihre Schulter dagegen, um sie mit Wucht aufzudrücken.
Plötzlich schwankte der Boden unter ihnen.
»Wuaaah!« Arthur breitete die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten.
Ren rutschte gegen den Schreibtisch.
»Was ist denn jetzt los?!«, rief Cecily und klammerte sich an den Türrahmen. Ihr Blick huschte über die Wände ringsum, wo im Dunkeln Gegenstände klirrten und klapperten.
Arthur fragte sich, ob es vielleicht in einem anderen Teil des Hauses noch eine Explosion gegeben hatte, konnte sich aber nicht erklären, wie das eine solche Bewegung erzeugen sollte – es fühlte sich an, als stünde der ganze Raum auf einer Wippe. Als er die Hand ausstreckte, um sich irgendwo festzuhalten, stieß er mit den Fingerspitzen an einen kleinen Vitrinenschrank. Durch die Glastüren erspähte er mehrere Tintenfässchen, ein Gefäß mit Schreibfedern und ein paar Laternen. »Hier, nehmt eine.« Er holte eine Laterne aus dem Schrank und reichte sie Ren, eine weitere schob er Cecily über den Tisch. »Wir müssen herausfinden, was hier los ist.«
Sie benutzten abwechselnd die Kerze vom Tisch, um ihre Laternen anzuzünden, und hielten sie vor sich. Die Dunkelheit verschwand, und ein spitz zulaufender, unebener Raum mit holzgerahmten Fenstern, die sich hinter weiteren Leinenvorhängen verbargen, kam zum Vorschein. In den Regalen standen altmodische wissenschaftliche Instrumente wie Stundengläser, Messingwaagen und Mikroskope in Lederkoffern.
Cecily sah sich entsetzt um. »Was ist das hier? Und wieso stinkt es so nach Fisch?« Sie hämmerte mit der Faust gegen die Tür. »Hallo? Kann mich jemand hören? Wir sind eingeschlossen!«
Außer dem Fischgestank stieg Arthur noch ein unangenehmer Salzgeruch in die Nase, aber das war es nicht, was ihn am meisten beunruhigte. Er richtete den Blick auf die Vorhänge. Dem Grundriss des Hauses nach waren das Innenwände – sie dürften keine Fenster haben. Er taumelte durch den Raum und zog an einem der Fenster die Vorhänge zurück. Hinter der Scheibe erstreckte sich ein leuchtend orangefarbener Himmel. Am Horizont ging gerade eine glutrote Sonne auf. Zuerst wusste er nicht, was das für dunkle Streifen waren, die immer wieder auftauchten, doch dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Das waren Wellen.
»D-das verstehe ich nicht«, stammelte er. »Da draußen ist Wasser.«
»Was?« Cecily stellte sich zu ihm ans Fenster und presste das Gesicht an die Scheibe. »Nie im Leben! Das kann nicht real sein.« Sie drehte den Fenstergriff und schob das Fenster auf. Das Donnern brandender Wellen und das Geschrei von Möwen drangen herein, zusammen mit einem Sprühnebel kalter Tröpfchen, der sich Arthur auf die Wangen legte.
Es war also doch real.
»Seht nur« flüsterte sie. Wir segeln. Auf dem Meer!«
Links von ihnen erstreckte sich bestimmt dreißig Meter lang die Seitenwand eines riesigen hölzernen Schiffs. Der ganze Rumpf war mit Schießscharten durchsetzt, und vom Rand des Decks hingen schwere Netze herunter. Vorne am Bug thronte eine goldene Galionsfigur – in Form desselben Dreieck-Hexagon-Kreuz-Symbols, das Arthur schon an Clouds Halsband aufgefallen war.
»Wir sind in einer Kajüte im Heck eines Schiffes«, sagte er und las den Namen, der in goldenen Lettern auf dem Bug stand. »Es heißt PRINCIPIA.«
Rens Laterne schepperte, als sie von einem Fenster weiter hinten rückwärtstaumelte. »Aber … das kann nicht sein. Gerade waren wir doch noch in einem Haus in Peacepoint Estate. Wie ist das möglich?«
Arthur zuckte mit den Schultern und suchte nach Antworten. Als er an diesem Morgen aufgewacht war, war gerade die Sonne aufgegangen. Und nun dämmerte es schon wieder? Er stolperte zum Schreibtisch, zog einen Stuhl hervor und ließ sich darauf sinken.
Ihm wurde ganz schwindlig von den vielen Fragen, die ihm durch den Kopf schwirrten. Ob sie wohl irgendeinem Stoff ausgesetzt gewesen waren, der sie halluzinieren ließ? Aber das wäre keine Erklärung dafür, dass sie alle drei exakt dasselbe zu genau derselben Zeit erlebten.
»Glaubt ihr, wir sind irgendwie aus Nummer 27 auf die Principia … transportiert worden, als wir durch diese seltsame Tür getreten sind?«, fragte Cecily und biss sich auf die Lippe.
Wenn Arthur an den Rauch dachte, der um die Tür herumgewirbelt war, fühlte er sich an Portal 2 erinnert, eines seiner Lieblingscomputerspiele, in dem die Figuren Teleportation benutzten, um verschiedene Hindernisse zu überwinden. »Die Tür könnte ein Portal gewesen sein, das zwei Orte miteinander verbindet«, antwortete er. »Bloß, dass solche Portale nicht existieren, jedenfalls nicht in der realen Welt.« Er überlegte einen Moment, ob womöglich nichts von alldem real war und sie in irgendeiner VR-Simulation festsaßen.
Allerdings spürte er immer noch die Gischt auf der Wange und schmeckte das Salz in der Luft, und soweit er wusste, waren zu so etwas nicht mal die höchst entwickelten Virtual-Reality-Headsets in der Lage. Abgesehen davon, wie um alles in der Welt sollten sie in Nummer 27 in eine VR-Simulation geraten sein? Das war alles völlig verrückt.
Bevor sie die Sache weiter besprechen konnten, änderte die Principia plötzlich ihren Kurs und schleuderte sie alle nach Steuerbord. Cloud gab ein panisches Bellen von sich, als er auf mehreren Büchern surfend über die Dielen schlitterte. Ein paar der alten Instrumente rutschten aus den Regalen und landeten scheppernd auf dem Boden. Arthur schaffte es gerade noch, den Stapel cognacfarbener Notizbücher aufzufangen, bevor sie vom Schreibtisch rutschten.
»Irgendjemand muss dieses Schiff steuern«, stellte Ren fest. »Wenn wir einen Weg finden, auf uns aufmerksam zu machen, können sie uns vielleicht helfen. Ich könnte versuchen, mich durch eines der Fenster zu quetschen und an Deck zu klettern, was meint ihr?«
Arthur runzelte die Stirn. Mochte ja sein, dass Ren auf einem Motorrad durch die Schulkantine gefahren war, aber auf offener See an der Seitenwand eines Schiffes hochzuklettern, war eine andere Nummer. Er balancierte zum Fenster zurück und inspizierte den Rumpf der Principia. Mit seiner dicken Schicht Schiffslack und nass von der Gischt schien er extrem glatt zu sein. »Zu gefährlich«, sagte er. »Wir müssen einen anderen Weg finden.«
Während er das Fenster wieder schloss, konzentrierte sich Rens Blick auf die Eisentür. »Okay. Hast du zufällig Haarklammern dabei, Cecily?«
»Ähm …« Cecily kramte in ihrer Tasche. »Ein paar hab ich, warum?«
»Eine meiner Mums betreibt in ihrer Freizeit Lockpicking«, erklärte Ren und hockte sich vor die Tür, um das Schlüsselloch zu inspizieren. Sie zog ein Multifunktionstaschenmesser – mit integriertem Flaschenöffner, Schraubenzieher und Laserpointer – aus ihrer Gesäßtasche und fing an, daran herumzuwerkeln. »Beim Lockpicking versucht man in Wettbewerben, so schnell wie möglich Schlösser zu knacken. Meine Mum hat mir einiges beigebracht, vielleicht kriege ich das hier ja auf. Kommt drauf an, wie kaputt es ist.«
Arthur hatte noch nie etwas von Lockpicking gehört, aber es klang interessant; er nahm sich vor, es sich mal auf Youtube anzuschauen, sobald er wieder die Gelegenheit dazu hätte.
»Das ist komisch«, murmelte Ren. Sie legte das Ohr an die Tür und drehte langsam den silbernen Schlüssel herum. Dann wischte sie die Schlüsselplatte mit der Fingerspitze sauber. »Das Schloss ist gar nicht kaputt«, stellte sie fest. »Es ist bloß nicht das, wonach es aussieht. In Wirklichkeit ist es ein Kombinationsschloss. Rund um das Schlüsselloch sind die Ziffern null bis neun eingraviert. Wenn man den Schlüssel in der richtigen Reihenfolge dreht, müsste die Tür aufgehen.«
»Dann brauchen wir also nur die passende Kombination zu finden«, folgerte Arthur, während er versuchte, ruhig zu bleiben und logisch zu denken. Bald schon würde das alles vorbei sein. Sie mussten sich nur befreien und denjenigen suchen, der hier verantwortlich war, damit er ihnen half, zu Nummer 27 zurückzukehren. So weit konnten sie ja nicht entfernt sein. »Kannst du es knacken?«
»Ich versuch’s «, antwortete Ren. »In der Zwischenzeit solltet ihr zwei euch mal nach etwas mit Ziffern drauf umschauen. Ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber wer auch immer die Kombination eingegeben hat, gehört ja vielleicht zu denen, die ihre Passwörter irgendwo aufschreiben, weil sie sie sich nicht merken können.«
Während Ren sich weiter um das Schloss kümmerte, durchsuchten Arthur und Cecily Bücher, Regale, Schubladen und Schrankfächer nach Zetteln oder Notizen. Cloud schnüffelte auf dem Boden herum und wedelte jedes Mal freudig mit dem Schwanz, wenn er ein paar Kekskrümel fand.
Nachdem Arthur die Bücher in den Regalen, die komischerweise alle unbedruckt waren, durchgesehen hatte, wandte er seine Aufmerksamkeit dem halben Dutzend Notizbüchern zu, die auf dem Schreibtisch lagen. Als er eins nach dem anderen in die Hand nahm, fiel ihm auf, dass die Rücken in derselben akkuraten Handschrift von eins bis sechs nummeriert waren, die auch im Inneren quer über die Seiten floss. Er schlug das erste Notizbuch in der Mitte auf und schaffte es überraschend mühelos, einen kleinen seltsam formulierten Textabschnitt zu lesen:
… bedenke man: daß es einen geringsten Anstand, eine geringste Progression in der Bewegung gibt & ein geringstes Zeitintervall … In jedem Zeitintervall, in dem sich ein Ding bewegt, wird es Bewegung geben oder aber in allen jenen Intervallen zusammengenommen wird …
Es schien um Physik zu gehen, aber Arthur war noch zu aufgeregt, um dem Text richtig folgen zu können. Er hielt das Buch kopfüber und schüttelte es, für den Fall, dass etwas zwischen den Seiten steckte. Es fiel zwar nichts heraus, doch Arthur bemerkte, dass eine der Seiten umgeknickt war. Als er die anderen Notizbücher überprüfte, stellte er fest, dass in jedem davon eine Seite entweder halb umgeknickt war oder ein Eselsohr hatte.
»Scheint ein ziemlich bedeutender Typ zu sein«, sagte Cecily.
Als Arthur den Kopf hob, sah er, dass sie ihre Laterne hochhielt und ein gerahmtes Porträt an der Wand anleuchtete. Es zeigte einen grauhaarigen Mann in dunkelblauem Brokatmantel mit Goldknöpfen. Er hatte ein schmales Gesicht, eine markante Nase und ein Grübchen im Kinn.
Cecily rieb unten über den Bilderrahmen und musste husten, als sich eine kleine Staubwolke löste. »Hier steht Captain. W. Saint-Ocean. Kennt einer von euch den Namen?«
Arthur betrachtete das Porträt. Irgendwie kam ihm das Gesicht des Kapitäns bekannt vor.
»Nie von-m gehört«, nuschelte Ren, zwischen deren Lippen mehrere Haarklemmen herausschauten. »Dav Schloff if nich tu knacken«, fügte sie hinzu und ließ die Schultern sinken. Sie nahm die Haarklemmen aus dem Mund. »In dem Mechanismus sind sechs Rädchen zu hören, also müssten es sechs Ziffern in Folge sein. So was Kompliziertes krieg ich nicht auf. Sorry.«
Arthur wollte gerade die Notizbücher weglegen, da merkte er, dass er eins davon auf einer umgeknickten Seite aufgeschlagen hatte. Die umgefaltete Ecke sah aus wie ein Pfeil und zeigte auf ein Wort: fünf.
Er dachte nach. Sechs Notizbücher. Eine Kombination aus sechs Ziffern. Arthur zählte eins und eins zusammen. Rasch schaute er die anderen Notizbücher noch einmal durch und benutzte einen Stift und das Hausaufgabenheft aus seinem Rucksack, um die Wörter zu notieren, auf die die umgeknickten Ecken jeweils zeigten. Als er sie nacheinander las, fing seine Haut an zu kribbeln:
1 – vier
2 – zwei
3 – null
4 – drei
5 – fünf
6 – sechs
»Ich glaub, ich hab was gefunden!«, verkündete er und präsentierte Ren und Cecily sein Hausaufgabenheft. »Die Seiten in den Notizbüchern waren umgeknickt, um eine Folge von sechs Ziffern zu markieren; das könnte die Kombination sein.«
»Wow. Das ist ja eine ganz schön ausgeklügelte Eselsbrücke!«, bemerkte Cecily. Sie sah sich nachdenklich in dem Raum um. »Wisst ihr, langsam fühle ich mich an diese Escape-Room-Challenge erinnert, die meine Freundinnen und ich letztes Jahr an meinem Geburtstag gemacht haben. Dabei wird man in ein Zimmer mit lauter Spuren und Hinweisen gesperrt und muss Rätsel lösen, um wieder herauszukommen.«
Ren ließ sich gegen die Tür sinken. »Du denkst also, wir sitzen in einer Art Spiel fest?« Sie verzog das Gesicht. »In … Peacepoint Estate?«
»Du hast recht, sehr wahrscheinlich klingt das nicht«, antwortete Cecily. »Aber wenn es ein Spiel ist, dann müssten wir uns doch den Weg nach draußen erspielen können – versuch mal die Zahlenkombination.«
Arthur stellte sich neben Ren an die Tür und las nacheinander die Ziffern aus seinem Hausaufgabenheft vor, während sie den Silberschlüssel drehte. Nach der letzten Drehung passierte: nichts.
»Na toll«, sagte Ren. »Das war dann wohl ein Satz mit …«
In dem Moment gab die Tür einen Summton von sich, und ein Strahl blutrotes Gas schoss aus dem Schlüsselloch. Alle drei wichen zurück.
»Was ist denn das?«, fragte Cecily.
Der rote Dampf verwandelte sich wirbelnd in ein Dreieck-Hexagon-Kreuz-Emblem.
»Keine Ahnung«, antwortete Arthur, »aber das ist dasselbe Zeichen, dass ich am Bug der Principia und auf Clouds Halsband gesehen habe.«
Während sie weiter den Dampf anstarrten, veränderte das mysteriöse Symbol seine Form und teilte sich wirbelnd in einzelne Wörter. Nur Sekunden später schwebte ein Schriftzug vor ihnen in der Luft.
REALM 33: REISE DES KAPITÄNS
Loot: 150 Wondercoins, Wonderskill und Weltenschlüssel
Travel with wonder!
»Wer oder was ist Hxperion?«, fragte Cecily. »Und glaubt ihr, dass Wonderscape der Name dieses Spiels ist? Hab ich noch nie gehört.«
Arthur strich mit den Fingern durch den Farbnebel. Er war kalt und feucht, wie Schnee. »Keine Ahnung, aber dieses rote Zeug widerspricht sämtlichen Gesetzen der Naturwissenschaft, die ich kenne. Vor allem ist es ein Gas; es dürfte nicht in der Lage sein, eine bestimmte Form anzunehmen.«
»Wie kann es dann Wörter bilden?«, fragte Ren.
Bevor Arthur antworten konnte, löste sich der Dampf plötzlich auf, und eine vergilbte Papierrolle erschien an seiner Stelle. Arthur fing sie schnell auf. Als er sie entrollte, kamen sechs Textzeilen zum Vorschein, die in derselben Handschrift geschrieben waren wie die Aufzeichnungen in den Notizbüchern.
Stecht in See und geratet nicht in Panikmit dem Begründer der klassischen Mechanik.Um bei mir anzuheuern, braucht es eine Sache bloß: Findet erst die Leiter schwerelos. Dann segeln wir durch eine schicksalhafte Bucht,wo’s regnet Eis und Feuer kracht mit Wucht.
»Das ist ein Rätsel«, stellte Arthur fest, während er die Verse aufmerksam durchlas. »Du könntest recht haben, Cecily. Langsam kommt mir das Ganze auch wie ein Spiel vor – in der anderen Nachricht stand sogar was von Loot. Aber … ich verstehe immer noch nicht, wie das alles möglich ist.«
Ren betrachtete argwöhnisch die Schriftrolle, bevor sie die Hand auf den Türknauf legte. »Das Schloss ist jetzt auf. Soll ich?«
Von der anderen Seite kam kein Laut. Arthur umklammerte die Papierrolle und versuchte, Ruhe zu bewahren. Seine Nerven lagen blank.
»Was immer mit uns passiert ist«, antwortete Cecily zaghaft, »von dieser Kajüte aus kommen wir wohl nicht direkt zurück nach Peacepoint. Wir müssen mehr über das Spiel herausfinden, in dem wir gefangen sind.« Sie nahm Cloud auf den Arm und drückte ihn an sich. Was, seinem Zappeln nach zu urteilen, offenbar eher sie als ihn beruhigen sollte.
Ren holte tief Luft und drehte den Türknauf.
Die Eisentür öffnete sich quietschend, und ein eisiger Windstoß schlug ihnen entgegen. Arthur wusste nicht, was er auf der anderen Seite erwartet hatte, aber sicher keine Sackgasse.
»Was soll denn das sein?«, fragte Cecily und betrat die enge hölzerne Kammer. »Ein begehbarer Kleiderschrank?«
Der kreisrunde Raum war kaum groß genug für sie alle. Cloud protestierte bellend, als Arthur sich an den Rand schob und den Kopf reckte. Ungefähr zehn Meter über ihnen fiel Tageslicht durch eine Öffnung. »Ich glaube, da oben ist das Schiffsdeck«, sagte er, während er versuchte, seine Fassungslosigkeit für einen Moment auszublenden. Bloß herumstehen und Fragen stellen würde sie nicht weiterbringen. Sie mussten sich auf das Machbare konzentrieren. »Wir müssen einen Weg finden, um da raufzukommen.«
Cecily sah sich skeptisch in der Kammer um. »Ich bin ja keine Kletterexpertin, aber brauchen wir dazu nicht irgendwas zum Festhalten? Die Wände sind total glatt. Vielleicht könnten wir unsere Blazer aneinanderbinden und zu einer Art Seil umfunktionieren …«
Arthur überdachte ihre Optionen. Ein Möbelstück aus der Kajüte hereinziehen, ging nicht, dazu war zu wenig Platz. Und was die Wände betraf, hatte Cecily recht. Das einzig Bemerkenswerte daran war eine senkrechte Reihe teetassengroßer Kreise, die auf der einen Seite ins Holz geschnitzt war. Er fuhr probeweise mit dem Finger über einen davon und stellte zu seiner Überraschung fest, dass er sich am Rand nach innen drücken ließ. Nachdem er einmal herumgeschwenkt war, kam ein flacher runder Spiegel zum Vorschein.
»In dem Rätsel wurde irgendwas von einer Leiter erwähnt«, sagte Ren. »Wenn wir uns tatsächlich in einem Spiel befinden, dann war das wahrscheinlich ein Hinweis.«
Arthur breitete die Schriftrolle aus und las die Stelle noch einmal laut vor. »Um bei mir anzuheuern, braucht es eine Sache bloß: Findet erst die Leiter schwerelos.«
»Aber was für eine Leiter ist denn schwerelos?«, fragte Cecily. »Eine, die in der Luft schwebt?«
Was hat kein Gewicht?, überlegte Arthur, während er einen der Spiegel in der Wand drehte. Das war eine schwierige Frage. Wissenschaftlich gesehen hing Gewicht mit der Kraft zusammen, die auf einen Gegenstand einwirkt, normalerweise die Schwerkraft.
»Was ist mit Luft?«, fragte Cecily. »Die wiegt nichts.«
Ren runzelte die Stirn. »Wir sollen eine Leiter aus Luft benutzen?«
Cecily lief rot an. »Na gut. Dann eben keine Luft.«
Arthurs wirbelnder Spiegel fing einen Sonnenstrahl ein, und die Reflexion tanzte im Raum umher wie ein Glühwürmchen. Das brachte ihn auf eine Idee. »Wenn ich mir diese ganzen Spiegel hier so anschaue, geht es wahrscheinlich eher um eine Leiter aus Licht.« Er hockte sich hin und neigte den untersten Spiegel so, dass er einen Lichtstrahl auf die gegenüberliegende Seite der Kammer reflektierte. Der Strahl war nicht ganz horizontal, deshalb richtete Arthur den Spiegel so lange aus, bis er parallel zum Fußboden verlief.
Kaum hatte Arthur die richtige Einstellung gefunden, schrie Cecily auf und sprang in die Luft. »Was war denn das? Irgendwas hat mich ins Bein gepikst!«
»Lass mal sehen«, sagte Ren und quetschte sich an ihr vorbei.
Während sie die Plätze tauschten, bemerkte Arthur eine Eisenstange, die genau auf der Höhe des Lichtstrahls aus der Wand ragte. »Seht mal, die war vorher noch nicht da«, sagte er. »Vielleicht sollen wir eine Leiter aus Licht bilden, damit dann die Sprossen der richtigen Leiter erscheinen?«
Nachdem Arthur die Rätselrolle in seinem Rucksack verstaut hatte, schoben sie sich umeinander herum und brachten die Spiegel in die richtige Position. Arthur war es unangenehm, den Mädchen plötzlich so nahe zu sein. Ren schien sich ständig über irgendetwas zu ärgern, und Cecily wirkte genauso abweisend, wie er sie aus der Schule kannte. Er hoffte nur, die beiden würden so lange nett zu ihm sein, wie sie bräuchten, um aus diesem Schlamassel wieder herauszukommen.
»Autsch, das war mein Fuß«, zischte Cecily. »Pass doch auf, wo du hintrittst.«
»Du respektierst meine Privatsphäre auch nicht gerade«, grummelte Ren.
Arthur merkte, wie sich sein Ellbogen in etwas Weiches bohrte, und zuckte zusammen. »’tschuldigung!«
Jedes Mal, wenn ein waagerechter Strahl auf der gegenüberliegenden Seite auftraf, kam eine eiserne Sprosse aus der Wand, und nach und nach bildete sich eine Leiter zum Schiffsdeck hinauf. Um an die höher gelegenen Spiegel zu kommen, mussten sie anfangen, darauf emporzuklettern, bevor sie ganz fertig war.
»Was ist denn das für ein Spiel, das so eine hoch entwickelte Technologie wie Portale benutzt, von dem aber keiner von uns je gehört hat?«, fragte Cecily auf halber Höhe. Sie hatte Cloud unter den rechten Arm geklemmt und streckte gerade die linke Hand nach einem Spiegel aus, den sie so lange drehte, bis ein neuer Lichtstrahl ihren Weg kreuzte.
»Keine Ahnung«, antwortete Arthur, während er auf der untersten Leitersprosse balancierte. WONDERSCAPE. Der Name ging ihm immer wieder durch den Kopf. »Vielleicht gehören die Spieler irgendeinem Geheimbund an, und man muss Mitglied sein, um mitzumachen?«
Ren, die zwischen ihnen kletterte, schnaubte. »Schon klar, und warum sollte so ein Geheimbund einen Eingang in Peacepoint Estate haben? Das macht doch keinen Sinn.«
Cecily erreichte als Erste das obere Ende der Leiter, dicht gefolgt von Ren. Arthur hörte sie beide nach Luft schnappen, während er hinter ihnen an Deck kraxelte.
Oben angekommen traute er seinen Augen nicht.
Das offene Meer rund um das Schiff war den unruhigen Wellen eines eisigen Fjords gewichen. Gigantische Berge erhoben sich zu beiden Seiten. Die steilen Felswände waren von weißen Wasserfällen durchzogen, die von schneebedeckten Gipfeln herabbrausten. Überall auf dem blank geschrubbten Deck der Principia waren hölzerne Fässer, glänzende Messingteleskope und riesige Taurollen verteilt. Zwischen den drei dunklen Masten, die vom Deck in die Höhe ragten, flatterten violette, mit Hexagonen geschmückte Fahnen.
Ungefähr ein Dutzend sonnengebräunte Besatzungsmitglieder, alle in bodenlangen weißen Laborkitteln, waren an Bord. Als Arthur in ihre Gesichter sah, stellte er mit Schaudern fest, dass sie alle exakt gleich aussahen. Die Männer waren groß und dünn, hatten scharfe Wangenknochen und lange spitze Nasen, von denen man erwartet, dass jeden Moment ein Tropfen herausfällt. Die Frauen hatten feuerrote Pferdeschwänze, stechend grüne Augen und unglaublich makellose Haut, so glatt wie die einer LEGO-Puppe.
Arthur blieb der Mund offen stehen. Diese Klone wirkten wie eine Art Special Effect in einem Film.
Cecily setzte Cloud vorsichtig auf den Boden. »Hallo?«, rief sie unsicher. »Kann uns jemand helfen?«
Arthur erstarrte, als eines der männlichen Crewmitglieder sich umdrehte. ERSTEROFFIZIER, war auf dem Namensschild zu lesen, das an seinem Laborkittel steckte. Er betrachtete Cecily mit einem steifen Lächeln, bevor er auf sie zusauste, als bewegte er sich auf einem Rollsteg.
Was er auf gewisse Weise auch tat.
Als der Saum seins Kittels nach hinten flog, bemerkte Arthur, dass der Erste Offizier statt Beinen zwei von Dunst umgebene Räder hatte, mit denen er übers Deck schwebte. Außerdem schimmerte ein T auf seinem Kinn wie ein leuchtendes Tattoo.
»Das sind … Roboter«, stellte Arthur blinzelnd fest. Kein Wunder, dass sie alle gleich aussahen.
Arthur, Ren und Cecily wichen einen Schritt zurück, als der Erste Offizier einen Meter vor ihnen haltmachte und die Arme verschränkte. »Willkommen an Bord, blinde Passagiere«, sagte er schroff. Genau wie seinen Klonkameraden klebte ihm eine fettige schwarze Haartolle am Hinterkopf. »Habt ihr den Kapitän gesehen? Er ist verschwunden.«
Arthur dachte an das Ölgemälde, das Cecily in der Kajüte entdeckt hatte. »Äh …« Er zögerte, weil er sich bewusst war, mit einer künstlichen Intelligenz zu sprechen. »Meinen Sie vielleicht Captain W. Saint-Ocean?«
»Genau den«, antwortete der Erste Offizier. »Die Principia ist vom Kurs abgekommen und in den gefährlichen Fjord geraten, der häufig von Lawinen heimgesucht wird. Ohne die Führung des Kapitäns kommen wir nicht unversehrt hindurch. Es sei denn, ihr könnt helfen?«
»Wir?« Arthur schüttelte vehement den Kopf. »Sorry, aber wir haben keine Ahnung, wie man ein Schiff steuert. Wir sind dreizehn.«
»Ohne die Führung des Kapitäns kommen wir nicht unversehrt hindurch«, beharrte der Erste Offizier. »Die Principia ist vom Kurs abgekommen und in einen gefährlichen Fjord geraten, der häufig von Lawinen heimgesucht wird.«
Als er weitersprach, begriff Arthur, was los war. »Er wiederholt sich«, sagte er zu Ren und Cecily. »Er muss so programmiert sein, dass er immer wieder dasselbe sagt. Glaubt ihr, das gehört auch zu dem Spiel?« Es schien verrückt, aber es musste eine rationale Erklärung für das alles geben. Vielleicht war Nummer 27 verlassen, weil es als Testzentrum für das Spiel benutzt wurde, und sie waren irgendwie versehentlich hineingeraten?
»Moment mal. Wartet. Lasst uns nachdenken. In dem Rätsel hieß es: Dann segeln wir durch eine schicksalhafte Bucht«, erinnerte sich Cecily. »Damit könnte dieser Fjord gemeint sein. Aber es gibt doch bestimmt noch eine andere Möglichkeit für uns, nach Peacepoint Estate zurückzukommen. Ohne mitzuspielen, oder?« Als Arthur und Ren nicht antworteten, huschte ein panischer Ausdruck über ihr Gesicht. Sie schluckte und ging zu einem weiblichen Besatzungsmitglied, das gerade eins der Messingteleskope polierte. Anders als die männlichen Roboter hatte sie ein leuchtendes V auf dem Kinn. »Entschuldigung, können wir bitte das WONDERSCAPE-Spiel verlassen? Wir möchten nicht mitspielen, wir wollen einfach nur nach Hause.«
Das weibliche Besatzungsmitglied hob eine Braue. »Deine Anfrage kann nicht verarbeitet werden«, antwortete sie.
»Was soll das heißen?«, fragte Cecily.
»Das heißt, deine Anfrage kann nicht verarbeitet werden«, antwortete das Besatzungsmitglied herablassend.
Wütend lief Cecily zu Arthur und Ren zurück. »Was jetzt?«
Arthur dachte daran, was wohl gerade in der Schule passierte. Seine Lehrerin hatte bestimmt seinen Dad angerufen, um zu fragen, warum Arthur sich verspätete, und das hieß, sein Dad würde sich inzwischen ernsthaft Sorgen machen. Er musste irgendwie nach Hause kommen, um ihm zu sagen, dass es ihm gut ging. Er betrachtete den Wasserweg, der vor ihnen lag. Der Fjord war nicht breiter als ein Fußballfeld und erstreckte sich bis weit in die Ferne. Es blieb ihnen also kaum Spielraum zum Manövrieren. »Wir werden wohl mitspielen müssen. Kennt sich eine von euch mit Schiffen aus?«
Cecily sah ihn ungläubig an. »Kann ich nicht behaupten. Ich hab gerade mal einen Fluch der Karibik-Film gesehen, und ich glaube, da bin ich mittendrin eingeschlafen.«
Arthur reckte den Hals, um die Masten näher zu betrachten. Es waren keine Segel darum gewickelt, also wurde das Schiff nicht mit Windkraft angetrieben. »Die Principia muss einen Motor haben«, überlegte er laut. »Ich sehe kein Steuerrad; vielleicht ist irgendwo ein Steuerpult, das wir benutzen können, um sie aus der Gefahrenzone zu lenken?«
»Wie groß schätzt du denn die Gefahr ein, in der sich das Schiff wirklich befindet?«, fragte Cecily. »Ich meine, das ist schließlich nur ein Spiel.«
»Wir sollten besser vom Schlimmsten ausgehen«, antwortete Ren ernst. Sie deutete auf eine Treppe am Bug, die unter Deck führte. »Ich mach mich auf die Suche nach einem Maschinenraum. Meine Mum ist Mechanikerin, da sollte ich es erkennen, wenn ich einen sehe.«
»Ist das die Mum, die das mit dem Lockpicking macht?«, fragte Cecily.
»Das geht dich nichts an«, fauchte Ren. Und damit stürmte sie Richtung Bug und verschwand die Treppe hinunter.
Cecily war baff. »Hoppla. Die ist ja noch unverschämter als die Roboter.«