Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Roman Gaida – Vater von vierjährigen Zwillingen und Topmanager – zeigt, wie man Karriere und Familie verbinden kann, ohne sich selbst, die Partnerin, die Kids oder den Job gänzlich zu vernachlässigen. Die Kunst dabei ist, die eigene Einstellung und individuelle Situation richtig zu durchdenken: Was sind jetzt die richtigen Karriereschritte? Was bedeutet Erfolg für mich? Was ist wichtig, was nice-to-have und wie finde ich den richtigen Arbeitgeber? Der Autor liefert dazu ein Set aus Hacks, Tools, Strategien und Quick-Wins, um die doppelte Herausforderung, die Kinder und Karriere mit sich bringen, zu meistern. Untermalt werden die Tipps und Tools mit den eigenen Erfahrungen und persönlichen Anekdoten. »Roman Gaida hat Recht, wenn er schreibt, dass aktivere Väterrollen auch zu mehr Frauen in Führungspositionen führen. Denn ob Frauen bestimmte Positionen annehmen können, hängt nicht nur von ihren Vorgesetzen, sondern auch von ihrem Vereinbarkeitsmodell zu Hause ab. Ich wünsche mir, dass es durch Bücher wie dieses zum ›New Normal‹ wird, dass bessere Vereinbarkeit von allen Seiten Unterstützung erfährt.« Verena Pausder, Unternehmerin, Investorin und Initiatorin von stayonboard »Working Dad gehört zu den Büchern, die ich gerne schon viel früher gelesen hätte. Es ist mit Herz, Leidenschaft und Verstand geschrieben und es beleuchtet einen Themenkomplex, bei dem sich bisher viel zu viele Männer mit ihrer eigenen Mittelmäßigkeit zufriedengegeben haben. Mein Aufruf: Lest dieses Buch, Männer! Für euch, eure Kinder und eure Familien.« Michael Trautmann, Unternehmer und Co-Autor von On the Way to New Work
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 289
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Roman Gaida
WORKING DAD
Vereinbarkeit von aktiver Vaterrolle und Karriere leben
Campus Verlag
Frankfurt/New York
Über das Buch
Roman Gaida – Vater von vierjährigen Zwillingen und Topmanager – zeigt, wie man Karriere und Familie verbinden kann, ohne sich selbst, die Partnerin, die Kids oder den Job gänzlich zu vernachlässigen. Die Kunst dabei ist, die eigene Einstellung und individuelle Situation richtig zu durchdenken: Was sind jetzt die richtigen Karriereschritte? Was bedeutet Erfolg für mich? Was ist wichtig, was nice-to-have und wie finde ich den richtigen Arbeitgeber?Der Autor liefert dazu ein Set aus Hacks, Tools, Strategien und Quick-Wins, um die doppelte Herausforderung, die Kinder und Karriere mit sich bringen, zu meistern.Untermalt werden die Tipps und Tools mit den eigenen Erfahrungen und persönlichen Anekdoten.»Roman Gaida hat Recht, wenn er schreibt, dass aktivere Väterrollen auch zu mehr Frauen in Führungspositionen führen. Denn ob Frauen bestimmte Positionen annehmen können, hängt nicht nur von ihren Vorgesetzen, sondern auch von ihrem Vereinbarkeitsmodell zu Hause ab. Ich wünsche mir, dass es durch Bücher wie dieses zum ›New Normal‹ wird, dass bessere Vereinbarkeit von allen Seiten Unterstützung erfährt.« Verena Pausder, Unternehmerin, Investorin und Initiatorin von stayonboard»Working Dad gehört zu den Büchern, die ich gerne schon viel früher gelesen hätte. Es ist mit Herz, Leidenschaft und Verstand geschrieben und es beleuchtet einen Themenkomplex, bei dem sich bisher viel zu viele Männer mit ihrer eigenen Mittelmäßigkeit zufriedengegeben haben. Mein Aufruf: Lest dieses Buch, Männer! Für euch, eure Kinder und eure Familien.« Michael Trautmann, Unternehmer und Co-Autor von On the Way to New Work
Vita
Roman Gaida ist Vater von Zwillingen und Topmanager in einem Fortune-500-Unternehmen. Er ist regelmäßiger Gast in Podcasts und Wirtschaftsmedien zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Karriere sowie im Bereich Leadership.
Für Laura, Mattis und Niklas
Cover
Titel
Über das Buch
Vita
Inhalt
Impressum
Vorwort
Intro
TEIL 1
WAS WILLST DU WIRKLICH?
Kapitel 1
Das Karriereideal: Man muss Opfer bringen?
Ikigai: Wofür lohnt es sich zu leben?
Kapitel 2
Was bedeuten Erfolg und Karriere für dich?
Kapitel 3
Wie sieht deine Karriere bis zur Rente aus?
Kapitel 4
Was für ein Vater möchtest du sein?
Kapitel 5
Quantity versus Quality Time
Kapitel 6
Jede Position hat ihren Preis
Kapitel 7
Gründe für die Unvereinbarkeit finden sich immer
Unklare Rollenverteilung in der Familie
Übersteigerter Ehrgeiz
Narzisstischer Glaube, unentbehrlich zu sein
Unternehmen und Vorgesetzte
Politik
Lösungen für Vereinbarkeit finden
TEIL 2
KARRIERE ALS VATER
Kapitel 8
Darauf solltest du achten
Kapitel 9
Eigne dir neues Wissen an
Kapitel 10
Werde sichtbar
Kapitel 11
Arbeite nicht weniger, sondern anders
Kapitel 12
Fixed Mindset versus Growth Mindset
Kapitel 13
In kleineren Schritten zum Ziel kommen
Kapitel 14
Planung ist alles – vergiss die Planung
TEIL 3
ELTERNZEIT
Kapitel 15
Als Vater in Elternzeit gehen?
Kapitel 16
Elternzeit-Coming-out
Die Recherche
Der richtige Zeitpunkt
Wie sagst du es deinem Team?
Kapitel 17
Wie reagierst du als Chef:in darauf?
Kapitel 18
Väter brauchen Motivation
Kapitel 19
Die partnerschaftliche Aufteilung – Glücklich/Glücklich statt 50/50
TEIL 4
FAMILIENFREUNDLICHKEIT: WIN-WIN FÜR UNTERNEHMEN UND LEADERSHIP
Kapitel 20
Attraktivere Unternehmen und stärkere Mitarbeiter:innenbindung
Eine Frage der Vorbildfunktion
Psychologisch einen sicheren Raum schaffen
Kapitel 21
Motiviertere Mitarbeiter:innen und ein besseres Arbeitsklima
Kapitel 22
Effizienteres Zeitmanagement
Nichts ist in Stein gemeißelt
Talentmanagement unterstützt gutes Zeitmanagement
Kapitel 23
Zeit – das höchste Gut
Priorisieren
Fokus-Zeit ergründen
Meeting-Kultur
Empowerment fördern
Kapitel 24
Kranke Kinder – Krisenmanagement für alle Beteiligten
Kapitel 25
Die Frage nach dem Purpose
Kapitel 26
Resilienz und der Umgang mit Stress
Kapitel 27
Empathische Zuhörer:innen
Kapitel 28
Kinder fördern Offenheit und kreatives Denken
TEIL 5
FAMILIE
Kapitel 29
Die idyllische Idee vom Vatersein und die Realität
Kapitel 30
Das erste Jahr als Working Dad
Kapitel 31
Geteilte Elternschaft
Kapitel 32
Familienurlaub
Kapitel 33
Familie braucht Zeit – Karriere als Working Dad auch
Kapitel 34
Social Media – was brauchst du als Dad wirklich?
Kapitel 35
Vergiss Perfektion
Kapitel 36
Moderne Männer
Kapitel 37
Wo ist der beste Standort für Karriere und Familie?
TEIL 6
ME-TIME
Kapitel 38
Family First?
Kapitel 39
Mentale Bedürfnisse ernst nehmen
Kapitel 40
Achte darauf, dich zu mögen
Kapitel 41
Erholung und Pausen
Kapitel 42
Achtsamkeit
Kapitel 43
Freund:innen
Kapitel 44
Ciao, schlechtes Gewissen
Kapitel 45
Vergesst euch nicht als Paar
Kein Ende, sondern ein Anfang
Danksagung
ANHANG
Quellen
Grafiken
Anmerkungen
Konvertierung in EPUB: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Auslöser und Inspiration für dieses Buch war vor allem die Geburt unserer Zwillinge. Dieser neue Lebensabschnitt fiel genau in die Zeit, als ich die digitale und kulturelle Transformation eines Geschäftsbereichs in einem Konzern starten und umsetzen sollte. Wie sollte ich das alles hinbekommen? Eine Partnerschaft auf Augenhöhe führen, eine inspirierende und motivierende Führungskraft sein und über allem ein aktiver Vater für meine Söhne.
Früher wälzte ich Bücher über Leadership und Karriere – und jetzt übers Vatersein. Aber ich fand darin nichts, was mir helfen konnte, alles gut miteinander zu vereinbaren. Ich fand keinen Mittelweg, keinen Weg, der zu mir passte. In vielen beruflichen und privaten Gesprächen stellte ich fest, dass es sehr vielen Eltern, insbesondere Vätern, so geht wie mir. Auch der Podcast Working Dad, den Marius Kursawe 2019 ins Leben gerufen hat und bei dem ich seit einiger Zeit mitwirke, spiegelt den Wunsch nach Vereinbarkeit von Karriere und Familie der gegenwärtigen Vätergeneration wider.
Rückblickend auf die vergangenen fünf Jahre hat alles ganz gut funktioniert. Aber warum eigentlich? Nicht nur für mich und meine Kinder, sondern auch für andere Väter möchte ich in diesem Buch meine Erfahrungen und Gedanken zu diesem Thema festhalten, die Hürden auf meinem Weg beschreiben, aber auch Hilfestellungen und Denkanstöße geben, um mehr Vereinbarkeit leben zu können.
Die Vereinbarkeit von Karriere und Familie ist für Firmen ein wichtiger Baustein einer modernen Unternehmenskultur und ein zukünftiger Wettbewerbsvorteil im Ringen um Talente. Daher war es für mich als Vater und als Führungskraft wichtig, meine Erfahrungen zu teilen.
Es war ein Montagnachmittag im Dezember, als ich – wie schon so oft – durch das Gate 2 des Flughafens Narita ging. »Konnichiwa, Roman-san«, sagte mit einem Nicken der Mitarbeiter an der Passkontrolle. Ich war müde vom langen Flug und stieg ohne Umweg in den Schnellzug nach Shimbashi ein. Die Hände auf dem Griff des Rollkoffers, den Kopf auf den Händen, nickte ich immer wieder weg. Mein Zug fuhr vorbei an den Dörfern mit blauen Blechdächern in Richtung Megacity. Aber irgendetwas war anders als sonst. Die Luft roch in Japan immer nach Tee, das war es nicht. Ob in San Francisco, Busan, Bilbao oder Shanghai, es roch überall etwas anders, auch wenn Flugzeug, Zug, Meetingraum und Restaurants sich an all meinen Geschäftsreisezielen ähnelten.
Nicht, dass mir meine Arbeit keinen Spaß machte. Nach knapp einem Jahrzehnt in Schichtarbeit an einer Maschine wusste ich meinen Job wirklich zu schätzen. Auch das Reisen liebte ich sehr. Aber auf dieser Reise in das Land des Lächelns fühlte ich mich anders, als wäre ich Lichtjahre weit weg von daheim. Es kam mir vor, als wäre Tokyo nicht auf einem anderen Kontinent, sondern auf einem anderen Planeten. In den Straßen leuchteten dieselben bunten Schilder in fremden Schriftzeichen wie sonst auch, ich kam an denselben Büros und denselben Izakayas vorbei. Für die nächsten Tage standen Präsentationen, Meetings und Produktionsbesichtigungen auf dem Plan. Es waren viele wirklich interessante Termine, und ich würde tolle Menschen treffen, die ich schon länger nicht mehr gesehen hatte. Aber dieses Mal fühlten sich die 9.300 Kilometer Entfernung von zu Hause nicht befreiend und spannend an, sondern bedrückend. Vor 14 Tagen waren Mattis und Niklas geboren worden, unsere Zwillinge.
Weder die Vorbereitungskurse, das Wickeln der Plastikbabys, der Erste-Hilfe-Kurs noch die guten Ratschläge anderer Eltern und der Familie können einen wirklich auf das vorbereiten, was einen als Vater erwartet – und als Vater von Zwillingen schon gar nicht. Natürlich rechnet man mit schlaflosen Nächten und einem veränderten Tagesablauf, aber auf keinen Fall mit Wickel-Akkord am Tag und in der Nacht und auch nicht damit, dass das Gefrierfach für zehn Liter Muttermilch definitiv zu klein, aber lebensnotwendig ist. Was einem auch niemand sagt, ist, wie es einen Mann verändert, wenn er Vater wird. Natürlich nehmen wir uns vor, ein guter Vater zu sein. Ein Vater, der da ist, sich um die Familie kümmert und trotzdem weiter an seiner Karriere schraubt. Aber die Realität sieht ganz anders aus. Das merkt man schnell.
Selbstverständlich gibt es auch Papas, die das alles mit Leichtigkeit stemmen. Deren Schwiegereltern wohnen zumeist nebenan und deren Frau will sich selbstverständlich nur um die Kinder kümmern, damit er das Geld nach Hause bringt. Oder umgekehrt. Willkommen im Jahr 2022. Wir sitzen hier nicht am Stammtisch, und wir leben auch nicht mehr im 20. Jahrhundert. Ich behaupte, dass sich jeder Mann, der heute willentlich Vater wird, wünscht, auch Vater zu sein. Ein Vater, der für seine Kinder spürbar da ist, der eine gleichberechtigte Partnerschaft führt und der dennoch seinen Traum nicht aufgibt, sich beruflich und privat selbst zu verwirklichen. Und was passierte dann? Wir erleben die traditionelle Trennung der Rollen: in der Familie, in der Firma, im Job. Oder?
Nachdem ich vier Tage in Tokyo verbracht hatte, öffnete ich die Tür unserer Drei-Zimmer-Erdgeschoss-Wohnung und war das erste Mal … daheim. Ich hatte ein Zuhause mit meiner Familie, mit meinen Kindern. Das wollte ich nicht mehr aufgeben. Schwach anfangen und dann stark nachlassen, das war nie mein Motto. Ich wollte Vater sein. Ein Vater, der putzt, wickelt, spielt, der nachts aufsteht, vorliest und tröstet. Ein Vater, von dem die Kinder ins Bett gebracht werden wollen und zu dem sie kommen, wenn sie hingefallen sind, obwohl die Mama danebensteht (zumindest auch zu ihm). Ein richtiger, ein aktiver Vater.
Da gab es nur ein Problem: Meine Frau war super in ihrem Job und wollte nochmal studieren, um sich anschließend selbstständig zu machen. Aber ich wollte auch nicht Vollzeit-Papa werden. Ich machte gerade nebenberuflich einen MBA und wollte daraus noch mehr machen. Als schlechter Realschüler hatte ich nach zehn Jahren Schichtarbeit den Weg ins Management eines Fortune-500-Unternehmens geschafft. Das wollte ich nicht gleich wieder aufgeben. Das musste anders gehen. Und es ging auch anders.
Dennoch: Die perfekte Vereinbarkeit von Familie und Karriere wirst du in diesem Buch nicht finden, ich halte sie für eine Illusion. Was ich dir anbieten kann und möchte, sind Tools und Hacks aus meinen Erfahrungen als Vater und Führungskraft, die dir helfen werden, Karriere und Familie bestmöglich unter einen Hut zu bringen.
TEIL 1
Bei Gastvorträgen an Universitäten, aber auch in Vorstellungsgesprächen treffe ich immer wieder auf junge Menschen, die gerade dabei sind, den Grundstein für ihre berufliche Zukunft zu legen. Viele von ihnen sehen ihre Zukunft im Management, haben aber nur eine sehr vage Vorstellung davon, was das eigentlich bedeutet. Erst im Laufe des Berufslebens bekommt man eine Vorstellung davon, wie die Welt außerhalb der Universität, der Schule aussieht. Mit etwas Glück stellt man fest, dass es im Management hauptsächlich darauf ankommt, Menschen zu mögen und nicht fachlich der oder die Beste zu sein. Wenn man weniger Glück hat, dann ist man vielleicht sogar später auf einer Managementposition gelandet, obwohl man sich dort ganz und gar nicht wohl fühlt. Ich habe mich in den vergangenen Jahren immer wieder gefragt, warum das so ist, und habe für mich die folgende Antwort gefunden: Wir machen uns viel zu wenig Gedanken darüber, was wir uns eigentlich selbst für unser Leben wünschen. Wir folgen vermeintlich erfolgreichen Menschen und wollen sein wie Elon Musk oder Steve Jobs, ungeachtet dessen, was diese Menschen alles dafür tun mussten und ob wir bereit sind, dasselbe zu tun.
Weißt du, was du wirklich willst?
»Please wait, the meeting host will let you in soon!« Der Anzug sitzt, die Webcam ist startklar und die Internetverbindung funktioniert ausnahmsweise mal ruckelfrei. Der »Ich habe heute einen wichtigen Termin«-Joker ist gespielt, sodass die Zwillinge für die nächsten anderthalb Stunden mit Mama unterwegs sind und ich freie Bahn habe. Der Bildschirmausschnitt, den mir mein Monitor zeigt, erinnert an den Loft eines Start-ups. Im Hintergrund ist ein Whiteboard mit nichtssagenden Notizen zu sehen und eine antike Kommode mit einem Surfboard obendrauf. Die Lautsprecherbox hat einen nostalgischen Look, und der Roboterarm daneben verleiht dem Ganzen einen gewissen Tech-Touch. In Wirklichkeit sind dies die einzigen zwei Quadratmeter des Wohn-Ess-Bereichs, die nicht mit Spielzeug, Geschirr vom Mittagessen oder der Post bedeckt sind. Also, ich bin startklar für das Online-Meeting.
Wie aus dem Effeff erzähle ich die Geschichte meiner vergangenen 20 Jahre Berufsleben, die Höhepunkte, die dramatischen Tiefschläge und wie ich diese gemeistert habe. Ich beschreibe, woran ich gewachsen bin, meine Stärken und Schwächen und was mich qualifiziert, diesen unglaublichen Job zu machen. Es ist der komplette »Vom Maschinenbediener zum Top-Ten-Eliteuni-Abschluss«-Werdegang – Storytelling vom Feinsten, würde man heute wohl sagen. Der CFO, die HR-Leiterin und der CEO hören gebannt zu, und ich merke, dass es gut läuft. Am Ende meines Monologs stelle ich ein paar wohlüberlegte Fragen, und dann geht’s in die Details.
»Herr Gaida, Sie haben zu Beginn gesagt, dass Sie Zwillinge haben. Die sind ja noch recht klein. Sie werden bald zwei, sagten Sie?«
Da hat der CEO recht, aber ich weiß noch nicht so ganz, was das mit dem Job und meiner Qualifikation zu tun haben soll. Ich hole nochmal aus, erzähle, dass ich, als die beiden zur Welt kamen, Vollzeit gearbeitet, nebenberuflich meinen MBA gemacht und einen Umzug organisiert habe. Klar, das überzeuge natürlich und spräche für ein gutes Zeitmanagement, kommentiert die HR-Leiterin und fährt fort, dass diese Vice-President-Stelle natürlich eine internationale Topposition und auch mit weltweiten Reisen verbunden sei. »Selbstverständlich, das mache ich doch jetzt auch«, sage ich darauf. »Nur nicht überallhin, nicht immer und nicht, wenn es nicht sein muss.« Ich erkläre, dass ich auch bislang Teams in den USA, Korea und China geführt habe, ohne jede Woche dort zu sein. Dass der zwischenmenschliche Kontakt und die Beziehung zu Kolleg:innen wichtig seien, aber genauso Vertrauen und Empowerment. Hilfreiche Tools gibt es mittlerweile zur Genüge und sich selbst als Bottleneck zu sehen, zeichnet nun wirklich keine gute Führungskraft mehr aus.
»Und Ihre Frau, arbeitet sie auch?« Diese Frage kommt wieder von der HR-Leiterin. Ich bin etwas überrascht, dabei hätte ich sie wohl erwarten müssen. Oft genug hatten andere davon erzählt. Meine Antwort ist recht ausschweifend, denn ich bin sehr stolz darauf, was die Mutter unserer Zwillinge geschafft hat. Sie hat nebenberuflich Wirtschaftspsychologie studiert und das Studium während der Elternzeit abgeschlossen. Nun berät sie große Konzerne im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Sie ist super in ihrem Job und eine großartige Mutter.
»Ach ja, das kenne ich, Herr Gaida«, entgegnet der CEO. »Meine Frau hat das auch wirklich großartig gemacht, das mit den Kindern.« Ich denke in dem Moment: »Oh Mann, der arme Kerl hat seine Frau wohl schon verloren und ist Witwer? Und dann ist er in so einer Position – was für ein Vorbild!« Er fuhr fort: »Ich habe fünf Kinder.« Wow, jetzt imponiert er mir wirklich. »Von drei Frauen«, ergänzt er. Ähm, okay. Moment, nochmal zurück. Dann heißt das, er hatte drei Frauen und hat fünf Kinder. Das ist völlig okay, nicht alles in dieser Welt ist für jede:n und für die Ewigkeit gemacht. Er erzählt weiter: »Ja, das Reisen und der Job, das machen nicht alle mit. Aber ich bin halt der, der heimkommt und das Geld auf den Tisch legt.«
Muss man also persönliche Opfer bringen, wenn man Vice President in einem großen Unternehmen werden will? Muss man sich, falls nötig, trennen, scheiden lassen und neue Familien gründen? Kann man nicht mit der Familie zu Abend essen? Steigt man sonntags ins Flugzeug, statt mit den Kids auf dem Bolzplatz zu kicken oder über den Spielplatz zu turnen? In der Tat sind solche Szenarien in den Topetagen der Unternehmen keine Seltenheit.
Dies war schon mein drittes und finales Gespräch für diese Position. Nicht weniger als das Doppelte meines jetzigen Gehalts lagen auf dem Tisch, ich hätte nur zusagen müssen. Dennoch habe ich ein paar Tage später dankend abgesagt, mit der Begründung, dass ich mir sicher sei, die Aufgabe sehr gut zu erfüllen, jedoch Zweifel hätte, ob meine Vorstellung des Wie in die Firmenphilosophie passe. Zudem teilte ich meine Bedenken mit, dass die Unternehmensdynamiken, wie ich sie in den Gesprächen wahrgenommen habe, zu Friktionen führen könnten, wenn ich meine Rolle als Vater nach meinen Vorstellungen ausfülle. Ich hätte das Vertrauen in die Vereinbarkeit der Position mit meiner Vaterrolle, würde das aber nicht als selbstverständlich bei der Kultur des Unternehmens sehen.
Die Wahrheit ist: In Zeiten des Fachkräftemangels gibt es immer Gelegenheiten, als Fach- oder Führungskraft den Job zu wechseln. Das gilt heutzutage nicht nur für Manager:innen. In Zeiten von Xing und LinkedIn haben die (sogenannten) Headhunter leichtes Spiel mit wechselwilligen Arbeitnehmer:innen. Ein hohes Gehalt, ein tolles Auto, flexible Arbeitszeiten – das Gras auf der anderen Seite des Zauns ist immer grüner. Dafür haben wir das ja schließlich alles gemacht, oder? Die Ausbildung, die Weiterbildung, das Studium, fleißig Zertifikate und Arbeitszeugnisse gesammelt. Selbstverständlich fängt man dann an, zu grübeln und über einen Wechsel nachzudenken. Was könnte ich meiner Familie nicht alles bieten? Doch wir denken dabei oft in zu kurzen Zeitabständen und nehmen zu leichtfertig den Spatzen in der Hand, wenn die Taube auf dem Dach zu weit weg erscheint. Auch ich kann mich davon nicht freimachen, dennoch habe ich gelernt, mir das Berufsleben nicht als Sprint, sondern als einen Marathon vorzustellen – und zwar als einen, bei dem man sich nicht halb tot ins Ziel schleppt, sondern den man läuft und genießt, auch wenn es unterwegs mal anstrengend ist. Ich plädiere hier nicht dafür, Karrierepläne und Gehaltsvorstellungen ad acta zu legen, sondern lediglich dafür, ehrlich zu sich selbst zu sein und althergebrachte gesellschaftliche Normen von Karriere infrage zu stellen. Es gilt abzuwägen, was einem Karriere wert ist, und zwar nicht in den nächsten fünf Jahren, sondern bis zur Rente oder darüber hinaus.
Die Palliativpflegerin Bronnie Ware erzählt in ihrem Buch Fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen1 davon, dass Menschen am Ende ihres Lebens bedauern, nicht mehr Mut gehabt zu haben, ihr eigenes Leben zu leben. Vor allem wünschen sie sich, sie hätten weniger gearbeitet und die Zeit mit der Familie mehr geschätzt. Natürlich haben alle diese Menschen ihre Arbeit geliebt. »ALLE Männer, die ich gepflegt habe, haben das gesagt«, schreibt Bronnie. Aber sie hätten sich auch gefragt, weshalb sie so viel gearbeitet haben. Sie taten es, »weil sie Angst hatten, nicht genug zu verdienen, oder ihrer Karriere wegen«. Mir standen die Tränen in den Augen, als ich diese Zeilen las. Aber wir müssen diese Opfer ja bringen, oder? Was meinst du?
Was willst du im Leben erreichen? Wohin möchtest du dich privat und beruflich entwickeln? Es fällt niemandem leicht, das für sich zu beantworten. Aber es kann dir auch niemand abnehmen. Einen Anfang kannst du damit machen, dir darüber klar zu werden, was dir im Leben wichtig ist.
Ein Tool aus dem japanischen Kulturraum, das ich für mich entdeckt habe, ist das Ikigai2. Die beiden Worte ikigai
Leidenschaften: Wofür brenne ich? Was liebe ich?
Fähigkeiten: Was kann ich wirklich gut? Wo liegen meine Stärken?
Finanzen: Womit kann ich meinen Lebensunterhalt verdienen? Wofür bezahlt man mich?
Sinn: Womit kann ich einen Mehrwert schaffen? Was braucht die Welt?
Die Schnittmenge dieser vier Bereiche ist dein Ikigai – gewissermaßen der Sinn deines Lebens. Diese japanische Lebensphilosophie kann bei der Selbstreflexion helfen und visualisiert uns auf sehr einfache Weise, warum wir morgens aufstehen.
Mal dir ein leeres Ikigai auf und fang einfach an, die einzelnen Bereiche auszufüllen.
Abbildung 1: Ikigai – wofür es sich zu leben lohnt
Leidenschaften: Fangen wir mit einer leichten Fragestellung an. Worüber könntest du stundenlang sprechen, ohne müde zu werden? Womit hast du dich beschäftigt, als du mal wieder die Zeit vergessen hast? Frag deine Freund:innen oder deine:n Partner:in, bei welchem Thema dein Enthusiasmus so richtig spürbar wird. Das Ergebnis deiner Reflexion kann privater oder beruflicher Content sein. Wenn du Vater bist und deinen Job eben auch liebst, wirst du hier zwangsweise beides wiederfinden. Genauso werden dir Dinge einfallen, die nur für dich allein wichtig sind. Trage alles in die obere Hälfte des Ikigai ein. Je wichtiger dir ein Punkt ist, desto näher platzierst du ihn zur Mitte.
Fähigkeiten: Wenn ich etwas sehr gut kann, dann geht mir das meist leicht von der Hand. Die Frage nach den eigenen Fähigkeiten ist dennoch nicht einfach zu beantworten. Daher kann es hilfreich sein, ebenfalls Freund:innen, die/den Partner:in oder auch Kolleg:innen miteinzubeziehen.
Finanzen: Sinnstiftende Tätigkeiten sind schön und gut, aber wir müssen Miete und Kindergartenbeiträge zahlen, und sicherlich wollen wir uns auch den ein oder anderen Urlaub leisten. Also empfiehlt es sich, auch diesen Bereich im Ikigai möglichst objektiv auszufüllen. Mit welcher Tätigkeit verdienst du also deinen Lebensunterhalt? Im besten Fall ist das etwas, was du bereits tust. Mit welcher deiner Passionen könntest du Geld verdienen?
Sinn: An dieser Stelle deiner Lebensphilosophie stehen deine Überzeugungen, beispielsweise dein ehrenamtlicher Einsatz als Jugendtrainer, deine fleischlose Ernährung, dein Engagement in einer NGO für Geflüchtete, deine Überzeugung, nur noch Rad zu fahren, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Dein Glaube an die Vereinbarkeit von Karriere und Familie könnte hier ebenfalls stehen. All die manifestierten Überzeugungen, die unsere Erde zu einem besseren Ort im Universum machen, bekommen hier ihren Platz. Mit welcher Veränderung könntest du starten?
Dein Ikigai ist keinesfalls in Stein gemeißelt. Du kannst und solltest es immer wiederholen, wenn du vergessen hast, wohin du willst beziehungsweise was dir wirklich wichtig ist im Leben.
»Ein Mensch ist reich im Verhältnis zur Zahl der Dinge, auf die er verzichten kann.«
Henry David Thoreau
»Erfolgreicher Aufstieg im Beruf« – so beschreibt der Duden das Wort Karriere. Sicherlich haben sich viele Generationen haargenau an diese Definition gehalten und diesem höheren Ziel vieles geopfert: Freundschaften, Ehen und sicherlich auch viel Zeit mit ihren Kindern. Ungewöhnlich war und ist dies sicher nicht. Als normal empfindet man ein Verhalten, das in der Gesellschaft vorherrscht, allgemein üblich ist. In diesem Fall sieht das so aus: Man(n) geht arbeiten und kauft ein Haus, ein Auto, Aktien. Das Ziel lautet »höher, schneller, weiter«. Kinder und Familie kommen irgendwann dazu und laufen nebenher. Gewollt oder ungewollt passiert es dann doch, dass die normale Gesellschaft einen mit sich mitzieht und man irgendwann mitten in dieser Karriere steckt und sich fragt, wo die ganzen Jahre hin sind. Wenn der erfolgreiche Aufstieg im Job geschafft ist, die klassische Karriere gemacht ist, wenn die Kinder schon groß sind, dann kommt die Sinnkrise. Nun versucht man, Verlorenes wieder aufzuholen, mit dem Engagement in einer NGO oder einem Porsche. Per se spricht nichts dagegen.
Carrière kommt aus dem Französischen und bedeutet so viel wie Rennbahn oder Laufbahn. Und wenn wir ehrlich sind, trifft es das doch ganz gut. Wir laufen und laufen und laufen und vergessen zu leben. Ich kann hier nicht wirklich mitreden, denn in meiner Familie hatte Karriere keinen Stellenwert. Ich kannte bis zu meiner Ausbildung das Ziel »Karriere machen« ehrlich gesagt nicht einmal. Mein Vater arbeitete als Schichtarbeiter, und meine Mutter war Hausfrau. Auch im Bekannten- und Verwandtenkreis gab es diese Terminologie nicht. Im Nachhinein bin ich sehr froh darüber. Mir fehlte zwar eine Blaupause und das Netzwerk, dafür blieben mir allerdings viele vorgefertigte Wege erspart, und ich konnte meine eigene Definition von Karriere entwickeln. Auch ich bin nicht frei von dem Wunsch, beruflich erfolgreich zu sein, aber noch mehr möchte ich nichts bereuen. Ich will weder meine beruflichen Entscheidungen bereuen und schon gar nicht den Verlust der kostbaren Zeit, die mir mit meinen Kindern bleibt.
Vor allem für uns Väter ist es an der Zeit, Karriere neu zu definieren – weg von gesellschaftlichen Normen und vermeintlichen Selbstverständlichkeiten hin zu individuellen Lebensmodellen. Andere zu führen, ist etwas Schönes, wenn es einem Spaß macht. Es sollte aber nicht als einziges erstrebenswertes Ziel einer Karriere gesehen werden.
Was müssen wir Väter also tun, um Karriere für uns selbst und unsere Familie neu zu definieren?
Zuallererst müssen wir aufhören, uns gegenseitig etwas vorzumachen. Egal, wo ich auf der Welt unterwegs war – von Kapstadt bis New Orleans –, überall zeigen Geschäftsreisende stolz ihr schönes rotes Senator-Batch am Köfferchen. An diesem kleinen Lederetui erkennt man ihren Status als Vielflieger. Auf dem Fake Market in Shanghai wurden mir solche Kofferanhänger tatsächlich mit den Worten »You wanna have status?« angepriesen. Das sollte uns den Spiegel vorhalten. Wollen wir uns echt dadurch definieren?
Ich will damit nicht sagen, dass wir stattdessen unsere Koffer – auf durchaus auch nötigen Geschäftsreisen – mit Familienfotos bekleben sollten. Wenn wir aber die Zeit, die für unsere berufliche Karriere nötig ist, in dem Bewusstsein opfern, dass wir genauso wichtig für unsere Kinder sind wie die Mutter, dann wird jede Minute zu sehr teurer Handelsware. Wir sind nicht nur wichtig für unsere Kinder, sondern unsere Kinder sind auch wichtig für uns Väter.
Bevor du den nächsten Schritt deiner beruflichen Laufbahn tust, ist es wichtig, dass du dir vor Augen führst, was Erfolg und Karriere für dich ganz individuell bedeuten. Dazu kannst du dir die folgenden Tool-Fragen stellen – ganz bewusst nur dir selbst. Nimm weder Freund:innen noch Eltern und schon gar keine Social-Media-Persönlichkeiten als Referenz für deine Antworten. Am Ende bist nämlich du es, der dieses Leben führen muss, und niemand sonst.
Tool
Fragen, die du dir regelmäßig stellen solltest (schreib dir die Antworten am besten auf):
Was macht mich glücklicher: Arbeit oder Familie?
Arbeite ich in dem Beruf, den ich mir wirklich wünsche?
Lebe ich nach den Erwartungen anderer oder richte meine beruflichen Wünsche danach aus?
Wenn es nicht um das Gehalt gehen würde, würde ich etwas anderes tun?
Was bedeutet Erfolg im Job für mich?
Will ich die Beförderung überhaupt oder nur das vermeintlich höhere Gehalt?
Was reizt mich an Karriere wirklich?
Welche meiner Bedürfnisse bleiben in meinem Job unbefriedigt?
Glaube ich an die Ziele, die ich mir vorgenommen habe?
Was bedeutet die Erreichung der Ziele für meine Familie, für meine Kinder?
Was hindert mich daran, meine beruflichen Ziele zu erreichen?
Warum komme ich nicht vom Träumen ins Tun? Was hält mich auf?
Hacks
#1 Vergleiche dich nicht. Es gibt immer Menschen, bei denen es augenscheinlich besser läuft und die dir suggerieren, dass du nur diese eine Sache tun musst, um Karriere zu machen.
#2 Liebe, was du tust. Und mach, was du gut kannst. Der Erfolg stellt sich dann meist über kurz oder lang von selbst ein.
#3 Hör auf die Signale deiner Familie. Wenn du mal zu viel arbeitest oder schlecht gelaunt von der Arbeit kommst, wird dir das dein Umfeld spiegeln.
»Nicht die Geschwindigkeit ist wichtig, sondern die Richtung.«
Unbekannt
Ein Zug fuhr langsam und gemächlich in den kleinen Bahnhof in der württembergischen Provinz, ganz in der Nähe meines Heimatortes. Es gab nur zwei Gleise, auf denen alle 30 Minuten mal ein Zug hielt und mal einer durchfuhr. Während meines fünftägigen Schülerpraktikums lernte ich die Aufgaben im Stellwerk kennen: wie die Weichen gestellt werden, wie Signale gesetzt werden, wie all die Hebel, Leuchten und Anzeigetafeln funktionieren. Es muss kurz nach meinem 16. Geburtstag gewesen sein, denn ich kann mich noch gut daran erinnern kann, wie ich mich in diesem Sommer erleichtert auf meine PK 50 geschwungen habe, um an den See zu fahren. An diesem Tag wollte ich kein Fahrdienstleiter, kein Weichenwärter und auch kein Zugmelder werden. Die Begeisterung, die von Zügen ausgeht, kann ich zwar nachvollziehen, aber für mich war es nicht das Richtige.
Es war nur noch ein Jahr, bis ich aus der Obhut und der Fremdsteuerung des Schulsystems in die freie Wirtschaft entlassen werden würde. Also höchste Zeit, sich Gedanken zu machen, wohin die Reise gehen soll. Arzt? Ingenieur? Anwalt? Der Realschulabschluss und meine Noten schlossen damals diese Optionen definitiv aus. Eine Berufsausbildung sollte es sein. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob dies mein Wunsch war oder der meiner Eltern. Was ich jedoch noch weiß, ist, dass die Schule und ich keine Freunde waren. Im Zeugnis der ersten Klasse heißt es: »Roman ist ein sehr lebhafter und eigenwilliger Schüler, dem es überaus schwerfällt, sich einer Anweisung zu fügen.« Ins System zu passen, hatte nicht perfekt funktioniert. Ritalin blieb mir zum Glück erspart, auch wenn einige Grundschullehrer:innen diese Empfehlung mehr als nur einmal aussprachen.
Meine berufliche Laufbahn war mir keineswegs egal, aber ich hatte einfach keine Vorbilder, an denen ich mich hätte orientieren können. Fleißig und ehrlich zu sein, hatte ich gelernt, aber nicht, wie man Karriere macht oder herausfindet, was man wirklich beruflich tun möchte. Was ist der perfekte Job, den ich für immer machen möchte? Ja, damals vor der Jahrtausendwende gab es noch die romantische Vorstellung, seinen Beruf bis zur Rente auszuüben. Im Jahr 1999 war das also eine durchaus wichtige und lebensentscheidende Frage.
Heute mit 40 weiß ich, dass ich mit 17 gar nicht in der Lage gewesen bin, solch eine Entscheidung zu treffen. Weitreichende Entscheidungen, die so jung getroffen werden sollen, bieten auf jeden Fall genug Potenzial für spätere Sinnkrisen. Jetzt als Vater nehme ich mir fest vor, niemals Druck auf meine Kinder auszuüben und zu versuchen, sie in irgendeine Richtung zu schieben. Sie sollen die Möglichkeit haben, die ich erst viel später hatte – sie sollen sich selbst und ihre Fähigkeiten erst einmal besser kennen lernen. Ich möchte sie auf dem Weg des Erlebens und Ausprobierens unterstützen und da sein, wenn sie Orientierung brauchen oder einfach nur jemanden, der/die ihnen zuhört.
Wenn alles gut geht, haben wir ein Berufsleben von durchschnittlich 40,7 Jahren vor uns3. Je nachdem, ob man mit einer Ausbildung oder einem Studium in die angestrebte Karriere startet, ist das eine sehr lange Zeit bis zum durchschnittlichen Renteneintrittsalter von 64 Jahren4.
Nichtdestotrotz macht es natürlich Spaß, erfolgreich zu sein in dem, was man tut. Einmal auf dem Weg, kann es sich sogar schwierig gestalten, auch mal einen Gang zurückzuschalten. Eltern zu werden, ist da eine nicht zu unterschätzende Zusatzaufgabe. Ich selbst bin relativ naiv an diese Herausforderung herangegangen. Überglücklich machte ich mich fünf Minuten nachdem ich die schönste Nachricht des Lebens erhalten hatte, daran, nach Kinderwagen und Autositzen zu recherchieren, anstatt mir Gedanken über die Vereinbarkeit von Karriere und Kindern zu machen.
Die meisten Frauen und Männer empfinden die Zeit zwischen 25 und 40 als Rushhour des Lebens mit der höchsten gefühlten Belastung5. In diesem Lebensabschnitt kommt bei jungen Vätern und Müttern einfach alles zusammen. Ich möchte hier, um nicht zu weit auszuholen, explizit auf die Rushhour der Männer eingehen. Mit 30 Jahren haben wir die größte empfundene Stressbelastung, mit 33 den höchsten gefühlten Zeitaufwand für die Familie und mit 34 die gefühlt höchste berufliche Verantwortung6. Es kommt also alles zusammen in einem relativ kurzen Zeitraum, den Abbildung 2 deutlich zeigt. Wenn wir davon ausgehen, dass wir in dieser Zeit auch noch für unsere Kinder da sein wollen und deren prägendste Zeit nicht verpassen möchten, ist die Überforderung perfekt. In seinem Buch Babyjahre schreibt Remo H. Lago7, dass die ersten vier Lebensjahre zwar zeitlich nur ein Viertel der Kindheit ausmachen, unsere Kinder in dieser Zeit jedoch die Hälfte ihrer gesamten Entwicklung durchlaufen. Wenn wir also nicht bereits mit 20 oder erst mit 45 Jahren Eltern werden, fallen die Hälfte der für die Entwicklung wichtigsten Jahre in die Zeit, in der uns der meiste externe, berufliche Leistungsdruck belastet. In diesem Fall kann sicher auch bei Vätern von »Mental Load« gesprochen werden, zumindest, wenn wir wirklich beides wollen, aktiv Vater sein und beruflich erfolgreich.
Abbildung 2: Die Rushhour des Lebens
Es ist also ratsam, nicht erst nach dem Kinderwagen zu googeln, sondern darüber nachzudenken, wie du die nächsten Jahre hinbekommst, um in kleineren und familienverträglicheren Schritten trotzdem ans Ziel zu kommen. Das Ziel ist es, die Karriere mit Familie also als geplante Intervallphase zu betrachten und wirklich sensibel dafür zu sein, wenn es darum geht, die Zeit mit der Familie gegen beruflichen Aufstieg in genau dieser Phase einzutauschen. Vielmehr als in den Jahren ohne Kinder geht es darum, den Fokus auf Effizienz und Effektivität zu richten, um gerade in dieser so wichtigen Zeit die Entwicklung der Kinder nicht zu verpassen und um nicht einfach nur viel von allem zu tun, sondern das Richtige.
Im weiteren Verlauf entspannt und entzerrt sich unser Leben weitestgehend wieder8. Nach der Rushhour, in der gefühlt kein Stein auf dem anderen bleibt, kommen ruhigere Jahre. Dann haben sich Beruf und Familie eingespielt. Lediglich das durchschnittliche Scheidungsalter von 45 und der Ruhestand sind dann noch größere Einschnitte. Sicherlich können wir nicht alles steuern und beeinflussen, aber wäre es nicht eine gute Idee, unser Leben etwas mehr zu entzerren und uns mehr Zeit zu lassen? Wir könnten die immens wichtigen Jahre unserer Kinder als aktiver Vater mitbegleiten und einfach später oder in gewissen Abständen beruflich durchstarten. Weiterbildungsangebote und eine sich ständig ändernde Arbeitswelt bieten heute die Möglichkeiten dazu.
Vielleicht wendest du jetzt ein: »Aber je schneller wir Karriere machen und an der Spitze sind, umso besser.« Nehmen wir an, du willst trotzdem alles und sagst dir: »Nur noch ein paar Jahre, dann habe ich es geschafft und bin vor meinem 40. Geburtstag CEO.« Oder du bist Start-up-Gründer, schaffst vor 35 den Exit und hast ausgesorgt im Leben. Das wäre es doch: viel Zeit für sich selbst und die Familie haben. Im t3n-Interview mit Andreas Weck spricht Silicon-Valley-Millionär Leo Widrich darüber, wie es ist, keine Geldsorgen mehr zu haben9