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Rührend, spritzig und immer ohne Umschweife erzählt Bestsellerautorin Susanne von Loessel von wunderschönen Anekdoten, die nur zum gemütlichsten aller Feste passieren können: zu Weihnachten. In ihren Geschichten knüpfen kleine Strolche mit großem Herz ungewöhnliche Freundschaften, Workaholics und alleinstehende Nikoläuse finden neue Familien, schicksalhafte Begegnungen sorgen für zarte Liebesbande. Die Xmas Shorties erhellen die dunklen Wintertage mit einem Weihnachtskonfekt voll Herzlichkeit und Nächstenliebe, voll Leidenschaft und Courage. Susanne von Loessel erzählt mit ihrem Spürsinn für die kleinen Details im Alltag von ganz großen Gesten und lädt den Leser ein, sich von den Wundern der Feiertage verzaubern zu lassen.
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Seitenzahl: 90
Susanne von Loessl
Kurzgeschichten
Copyright der E-Book-Originalausgabe © 2016 bei hey! publishing, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
E-Book-Herstellung: Open Publishing GmbH
Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Umschlagabbildung: FinePic®, München
ISBN 978-3-95607-130-0
www.heypublishing.com
Inhalt
X-Mas Shorties
Justus knackt einen Banker oder Das Weihnachtsfest des Bodo Störhase
Anna und der Weihnachtsmann
Die Stimme – Traumhaft
Nur det janz normale Leben
Alles Liebe zum Advent
More or Less – But Ageless
Merlin und Gustav
Nikolausburger
Der rosarote Panther!
Hirschgraben 39
Neues Jahr neues Glück
Schneetreiben seit eineinhalb Stunden, Störhase sah aus seinem Büro, alles Mahagoni und very brithish – man ist Hanseat – auf die Straße.
Gedankenverloren putzte er seine Brille, als ob dadurch die Sicht besser würde. Tzz … Na denn wird die Fahrt aus der Innenstadt bestimmt doppelt so lange dauern. Herrjeh! Und sein Magen, Übersäuerung, meldete sich auch.
Sitzungen, Netzkonferenzen, Kundentermine, Stress, unruhiger Schlaf, Magenpiepen und jeden Morgen ein hastiges, langweiliges Schonkost-Frühstück. Das war der vierundzwanzig Stundenablauf des Bodo Störhase. Die Bank war sein Alltag, sein Leben. Mit Kursgewinnen und -verlusten angefüllt, fast wie im richtigen Leben.
Frauen? Wozu und warum. Die Bank war sein Leben, sein Alltag.
Sonntage? Feiertage? Wozu und warum.
Bodo legte noch einige Vorgänge, die keinerlei Aufschub duldeten, in seinen Aktenkoffer – Sattelleder, Hermés, strapazierfähig – ging aus seinem Office, verabschiedete sich von Frau Claasen mit zwei „a“, in jeder Hinsicht eine Vorzimmerdame, mit Betonung auf der vierten Silbe.
Sie schirmte ab, machte zugänglich, vermittelte. Und das schon seit einem Vierteljahrhundert. Sie war der Chanel gewordene Zerberus des Bodo Störhase.
„Auf Morgen, Herr Direktor.“
Wenn es in Hamburg schneit, dann massenweise im Voraus, oder massenweise im Nachhinein.
Bodo fuhr mit seinem Mercedes aus der Tiefgarage. Der Wagen sah fabrikneu aus.
Alles bei Bodo sah so aus. Bodo schonte.
,Sauwetter, mistiges‘, stand auf dem Regenschirm einer vorbei eilenden Dame.
Die Menschen, die durch das Schneetreiben hasteten, machten Bodo nervös.
Und überall Lichterketten, Weihnachtsbäume mit Glitzer und Glitter, was soll das?! Allenfalls für Kinder … wenn überhaupt, oder …?
Sein Magen fing auch schon wieder an zu piepen und fiepen.
Er bog nach kurzem Ampelstopp links ab auf die Brücke, die über die Alster führte … rumms … bumms …
Die Fußgängerampel strahlte leuchtend rot für Bodo. Halb unter seinem rechten Vorderreifen krümmte sich das Vorderrad eines Fahrrades.
Ach Du liebe Zeit!!! Aussteigen!!!
Bodos Schuhe krallten sich in den frischen Schnee, die Brille wurde blickdicht und Schneeflocken setzten sich zwischen Nacken und Cashmereschal.
Neben dem Rad rappelte sich etwas Rotes hoch.
Bodos Magen zog sich auf Zweieurogröße zusammen.
„Keine Panik. Es ist nichts passiert, nur das Vorderrad ist vereiert … Noch mal Schwein gehabt, junger Mann …“, hörte Störhase jemanden sagen.
Wie redet der denn mit … ach so … Bodos Magen dehnte sich auf Entenei.
Da stand ein Kind: Roter Wollschal. Rote Pudelmütze. Rote Fäustlinge. Rote Gummistiefel.
„Was? Nix passiert? Wenn DIE Zuhause rauskriegen, dass ich nich da war und mein Rad ’ne Acht iss … nix passiert … Nur weil der Iteot nich richtig Ampeln gucken kann, mannoh …“, schimpfte es unter der Pudelmütze weiter. „Ich krieg’ den dicksten Ärger … Und das zu Weihnachten … Nix passiert …“
Hupkonzert. Die Ampel hatte auf Grün geschaltet.
Bodos Magen meldete sich umgehend.
„Tja nun denn, wollen Sie hier Wurzeln schlagen oder einschneien?“ Nebenbei richtete er das Rad auf und versuchte Schiefes zu begradigen.
„Typisch“, tönte es zusammenhanglos aus einem Pelz. „Typisch!“
Was und wieso?
Bodo sah auf 145 Zentimeter Unglück mit roter, voll geschneiter Pudelmütze.
Er räusperte sich leicht verlegen.
„So, zack, zack! Kofferraum auf, Rad rein und weg von der Ampel“, sagte der junge Mann.
Bodo zögerte.
„Sie werden das Kind doch wohl Zuhause abliefern, das ist ja wohl das Mindeste“, kam es spitz und wohl artikuliert unter einem Regenschirm hervor.
Bodo bekam Magenkrämpfe. Sein schöner Kofferraum!!! Und das nasse Kind auf dem ledernen Vordersitz. Eine fürchterliche Vorstellung für Bodo Störhase, dennoch unterdrückte er jeglichen in ihm aufwallenden Protest, um der Lynchjustiz der Masse zu entgehen.
Ach du liebe Zeit!
Die Leute verfrachteten Kind und Fahrrad in Windeseile, schnell und professionell, so als ob sie täglich vierundzwanzig Stunden nichts anderes machen würden.
Bodo rang nach Luft.
Während er auf die nächste Grünphase der Ampel wartete, putzte er seine Brille und saß nun auch feucht und angeschneit auf dem Sitz.
Oh mein Gott, warum das mir?
„Ganz schön mistiges Wetter, was? “, sagte das Kind neben ihm.
„Ja“, hörte Bodo sich sagen. „Sauwetter, mistiges!“… Bodo!!!
Das Kind zog die Mütze vom Kopf und schüttelte tropfengewordene Schneeflocken aus der Pudelmütze auf das AHORNAMATURENBRETT.
Bodo bekam einen Starkstromstoß.
„Ach, ich hab’s noch gar nicht gesagt, Entschuldigung, ich bin Justus von Gherden.“ Er zog seinen Fäustling aus und reichte ihm die feuchtwarme Kinderhand.
„Wo wohnst du denn nun“, fragte Bodo irritiert und etwas zu barsch.
„Nicht weit von hier, die hoch und dann rechts in der Sackgasse.“
Gott sei Dank, das war nicht weit und in fünf Minuten hatte er das Abenteuer hinter sich. Den Rest sollte Frau Claasen erledigen.
Justus holte ihn aus seinen Gedanken.
„Wie heißt du?“
„Störhase“, knödelte Bodo.
Justus kicherte. „Und vorne?“
Seit ungefähr zehn Minuten kam Bodo aus den Irritationen nicht heraus. Schrecklich. Er hasste Konversation mit Kindern.
„Sag deinen Vornamen.“
„Bodo“, entfuhr es Störhase kurz und knapp. Und wie er meinte endgültig.
Er kannte Justus nicht.
„Du Bodo, jetzt wo wir uns bekannt gemacht haben, Bodo kann ich dich um etwas bitten? Kannst du mir helfen, Bodo?“
Er, Bodo Störhase, sollte einem Kind helfen … Justus' braune Knopfaugen fixierten Bodo.
„Hast du Kinder, Bodo? Dass ich vorhin Iteot gesagt habe, Bodo, das war nicht so gemeint, T’schuldigung. Das war der Schreck Bodo, weißt du.“
Die letzten 365 Tage hatte kein Mensch so oft Bodo zu ihm gesagt, wie das Kind in nicht einmal fünf Minuten.
„Weißt du, Bodo, Omi ist Zuhause und denkt, ich bin es auch, aber ich bin es nicht, weil ich bei Jochen war, Jochen ist mein Freund und Horsti hatte nix zu fressen …“
Bodo schwirrte der Kopf.
„Ich hab’ Jochen für Horsti Hamsterfutter gebracht. Verstehst du? … Jochen ist nämlich krank, Grippe, ziemlich schlimm.“
Auch das noch! Bazillen. Ein Bazillenträger in seinem Auto …
„Da hab’ ich ihm von mir, also nicht von mir, von Ernie, das ist mein Hamsterweibchen, schnell Futter gebracht …“
Bodo atmete laut durch die Nase.
„Huch, Bodo, wir sind an der Abbiege vorbei gefahren, kannst du zurücksetzen?“
„Nein“, sagte Bodo. „Ich parke hier und wir laufen.“ Er war am Ende seiner Kraft.
„Iss vielleicht auch besser so, sonst hätte Omi geguckt, wer da kommt. Bodo, ich glaub’ du bist ganz schön schlau, glaub’ ich.“
Das Schneetreiben war noch. Es schneite stärker, es schneite Bodo kräftig auf den schönen Velour im Kofferraum, während er das Fahrrad umständlich herausholte.
„Bodo, kannst du es bitte tragen, es kann ja sein, dass es mit einem Mal nicht mehr schneit und dann: Spuren!“, stellte er wichtig fest.
„Und noch was, Bodo: Leise hinter das Haus gehen und das Rad hinter die grüne Schuppentür stellen, und dann Bodo gehst du rückwärts zurück, in denselben Spuren, Bodo, und ich gehe auf deinen Spuren ins Haus rein. Omi denkt dann, die sind vom Hausmeister. Und Bodo, wenn wir Glück haben, sind die Fußspuren in ’ner halben Stunde sowieso zugeschneit … Du Bodo, das mit dem Rad kriege ich schon wieder hin, alles klar?“ Justus lächelte.
Bodos Mundwinkel zuckten, sollte sich ein Lächeln in ihnen verirrt haben?
Bodo ging in die Hocke und sagte Justus, wenn noch irgend etwas sei, solle er sich bei Frau Claasen in der Hamburger Bank am Ballindamm melden.
„Geht klar, Bodo.“ Justus klopfte ihm freundschaftlich auf den Oberarm.
In den nächsten Minuten war Bankdirektor Dr. Bodo Störhase per pedes auf Indianerfährte mit einem leicht verbeulten Kinderfahrrad unter dem Arm unterwegs. Vorwärts und dann, man glaubt es kaum, rückwärts!
Gott sei Dank hat das und ihn niemand gesehen!
An der Gartenpforte drehte er sich noch einmal um, da stand Justus im Schneetreiben, tippte sich an seine Pudelmütze und stellte seinen roten Fäustlingsdaumen hoch.
„Tschüss, Bodo. Und vielen Dank“, flüsterte er.
Zehn Minuten später betätigte Bodo den elektronischen Garagenöffner.
Endlich Zuhause!
In seiner Wohnung auch englisches, hanseatisches Männlichkeitsambiente.
Bodo schlüpfte in seine bequemen Morlands Lammfellpantoffeln, seine Füße und er atmeten aus. Endlich Ruhe.
Frau Tiemann, der gute Geist seines Hauses, hatte alles gerichtet, das Licht gedämpft, den Tee auf dem Stövchen, den Imbiss unter einer Silber Cloche, daneben eine frische Leinenserviette.
Sie hielt es auch schon zwanzig Jahre mit Dr. Bodo Störhase aus, wahrscheinlich, weil sie ging, bevor er kam.
Der Rest des Abends verlief wie immer, nur dass Bodo heute keine Magenschmerzen hatte, aber das hatte er noch gar nicht bemerkt.
Der nächste Morgen bescherte Alpenpanorama. Frau Holle schien eine Schneeorgie gefeiert zu haben.
„Großartig“, dachte Bodo, „dann hat es keine Spuren gegeben.“
Herr Direktor Dr. Störhase, ist bei Ihnen alles in Ordnung???
Acht Tage später. Im Marmorentree des Bankhauses blitzte eine rote Pudelmütze auf.
Wohlerzogen zog Justus sie vom Kopf und hielt sie in der Hand, verlor dabei einen Fäustling, der nun herrlich rot und einsam auf den Marmorquadern lag – wie vom Nikolaus verloren.
Justus reckte sich zur Portiersloge hoch.
„Ich möchte bitte zu Frau Claasen, ich bin angemeldet.“
Gewiss einer der Neffen, schlussfolgerte Portier Hinrichs und erklärte Justus den Weg in die Direktionsetage.
Justus' rechte Hand umklammerte einen Zellophanbeutel, aus dem ein Tannenzweig herausragte, festgezurrt mit einer roten, nicht mehr ganz glatten Schleife.
Auf der Treppe machte Justus noch einmal kehrt, um Mütze und Handschuh bei Herrn Hinrichs zu deponieren, es war zu viel Masse für seine kleinen Hände. Bei dieser Gelegenheit sammelte er auch den verloren gegangenen Handschuh wieder ein.
„Das einzig Doofe am Winter ist nur, dass man so viel anziehen muss“, sagte er und schob Überflüssiges in Richtung Hinrichs.
Oben angekommen, klopfte er an die Eichentür des Vorzimmers, sein Klopfen wurde aber nicht gehört, denn erstens war die Tür viel zu dick und zweitens sein Klopffinger viel zu klein.
Nach kurzer Zeit öffnete er, so zaghaft es für ihn möglich war, die Tür, grüßte Frau Claasen und fragte: „Iss Bodo da?“
Frau Claasen zog die linke Augenbraue leicht, ganz leicht in die Höhe und sah den kleinen Kerl an.
„Bodo?“
„Ja, Bodo Störhase, mein Freund!“
„Wenn das so ist, dann werde ich dich gleich anmelden, gedulde dich noch einen Augenblick.“ „Bodo“, flüsterte sie, „telefoniert gerade, nimm doch drüben einen Augenblick Platz.“
„Warten will ich gerne, aber sitzen lieber nicht, die Sessel sind zu groß für mich, ich häng' dann immer so auf dem glitschigen Leder.“
Frau Claasen lächelte.