Xenia - Xenia von Sachsen - E-Book

Xenia E-Book

Xenia von Sachsen

3,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Xenia Prinzessin von Sachsen hat mit 24 Jahren schon mehr erlebt als so mancher Hochbetagte. Sie reiste um die ganze Welt, lebte drei Jahre auf Mallorca, sang sich durch die Castingshow Popstars, zog für die Reality-Sendung Die Burg in eine Mittelalter-WG und machte sich mit dem britischen TV-Sender BBC 3 als 'Undercover Princess' auf die Suche nach ihrem Traumprinzen. Doch auch das Leben einer Prinzessin ist nicht immer rosarot. So wurde bei Xenia im Alter von zehn Jahren ein Gehirntumor diagnostiziert, der erst Jahre später in einer riskanten OP entfernt werden konnte. In ihrer Biografie spricht Xenia offen und eindringlich über traumatische Kindheitserfahrungen und erzählt von ihrem modernen Prinzessinnendasein zwischen gelebtem Mädchentraum und der Sehnsucht nach Normalität. Wie wird eine Prinzessin erzogen? Wie geht es zu auf einem prunkvollen Adelsball? Und: Wie viele Frösche muss man küssen, bis man endlich einen Prinzen erwischt? Dieses Selbstporträt überrascht und berührt, denn es zeigt Xenia, wie sie dem Boulevard bisher fremd war: als mutige junge Frau mit einem Herzen aus Gold. Prinzessinnen sind wunderschön, unermesslich reich, wohnen in Schlössern, haben Diener, die ihnen jeden Wunsch von den Lippen ablesen, und geben sich ganz dem Müßiggang hin - jeder weiß, das sind Klischees. Und doch erfüllen Prinzessinnen offenbar ein stetes Bedürfnis nach Glamour: Wenn die Bürgerliche Kate Middleton im Frühjahr endlich an Prinz Williams Seite zur Prinzessin wird, beschert dies - wie schon die Hochzeit von Victoria Kronprinzessin von Schweden - den TV-Sendern Rekordeinschaltquoten. Noch immer faszinieren Prinzessinnen - auch wenn sich die wenigsten Menschen vorstellen können, wie es wirklich ist, eine Prinzessin im 21. Jahrhundert zu sein. 'Als ich in die Schule kam, ließ meine Mutter bei meiner Anmeldung den Namenszusatz ›Prinzessin‹ weg. Eine wirklich gute Idee, wie sich herausstellen sollte: Ich hatte eine glückliche und harmlose Grundschulzeit. Im verflixten siebten Schuljahr war es jedoch mit der Tarnung vorbei. Meine Klasse hatte gerade Projektwoche und es gab einen Aushang, auf dem zu lesen war, wer in welche Gruppe eingeteilt worden war. Nichts Weltbewegendes, würde man meinen, doch dort stand schwarz auf weiß: ›Xenia Prinzessin von Sachsen, Gruppe A.‹ Bingo! Das war's dann wohl mit der Normalität. Die Neuigkeit verbreitete sich rasend schnell. In der Pause wurde ich mit allen möglichen Fragen bombardiert: ›Wieso bist du denn eine Prinzessin? Sieht man dir gar nicht an!‹ - ›Wo ist denn deine Krone?‹ - ›Lebst du in einem Schloss?‹ - ›Hast du Diener?‹ - ›Kämmst du dir selbst die Haare?‹ Ich stand wie angewurzelt da und wusste nicht, wie mir geschah. Als die Lehrerin von diesem Verhör Wind bekam, nahm sie mich mit ins Lehrerzimmer. Puh, endlich keine Fragen mehr zu Schloss, Schatz, Krone oder Erbsen. Dafür war ich ihr erst einmal dankbar.' Xenia Prinzessin von Sachsen Wenn Prinz William seine Kate am 29. April 2011 endlich zur Prinzessin macht, werden Millionen dieses royale Großereignis im Fernsehen verfolgen.Prinzessinnen haben einfach etwas Faszinierendes an sich - ob Lillifee oder von Monaco, auf der Erbse oder im Buckingham Palace. In Xenia erzählt eine waschechte Prinzessin bezaubernde Anekdoten aus einem turbulenten, nicht immer märchenhaften Leben. Charmant und unkonventionell kommentiert sie rauschende Adelsbälle, berichtet von gescheiterten Dates mit garstigen Fröschen und der Hoffnung, eines Tages doch noch ihrem Märchenprinzen zu begegnen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 364

Bewertungen
3,0 (16 Bewertungen)
1
1
12
1
1
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Xenia Prinzessin von Sachsen

XENIA

Aus dem Leben einer Prinzessin im 21. Jahrhundert

Schwarzkopf & Schwarzkopf

Für Max

Liebe Leserin, lieber Leser,

glauben Sie an das Schicksal? Dass alles, was im Leben passiert, einen tieferen Sinn hat? Ich tue das. Mich fasziniert vor allem die Idee, dass der Punkt im Leben, an dem sich uns unser Schicksal das erste Mal zeigt, die eigene Geburt ist.

Bei mir war das der 20. August 1986, als ich in eine Familie geboren wurde, von deren historischer Bedeutung ich als klitzekleines Frühchen noch keinen blassen Schimmer hatte. Der Moment, in dem ich die Wahrheit über meine Herkunft erfuhr, sollte noch ein paar Jahre auf sich warten lassen. Das Schicksal hat ja bekanntlich etwas übrig für Ironie und so kam es, dass ich gerade in meinem Lieblingsprinzessinnenkostüm steckte, ein Plastikkrönchen auf meinem Kopf zurechtgerückt hatte und bereit für meinen großen Auftritt bei einer Karnevalsparty war, als meine Mutter auf die Idee kam, mich über meinen royalen Background aufzuklären. Ja, so ist sie, meine Mutter: immer stilecht.

Ich erfuhr, dass mein voller Name Xenia Gabriela Florence Sophie Iris Prinzessin von Sachsen Herzogin zu Sachsen ist. Die historisch Interessierten unter Ihnen kennen vielleicht meinen Ururururururururgroßvater, August den Starken, er und seine Nachkommen ließen so wichtige Kulturdenkmäler wie den Dresdner Zwinger und die Dresdner Frauenkirche erbauen. Doch auch wenn er und ich durch Blutsbande verbunden sind, könnten unsere Leben wohl kaum unterschiedlicher sein. Und das sage ich nicht nur, weil ich nicht sächseln kann. Nein, ein Leben als Prinzessin im Deutschland des 21. Jahrhunderts ist doch schon ein Widerspruch in sich: Wir leben nicht mehr in einer Monarchie und die Vorrechte des Adels sind abgeschafft – jeder weiß das. Und trotzdem sind die ersten Fragen, die ich zu hören bekomme, wenn ich jemanden kennenlerne, immer wieder dieselben: Wo ist denn deine Krone? Hast du Diener? Und: Wo steht dein Schloss?

Womit soll ich anfangen? Ich bin nicht in einem Schloss in Sachsen aufgewachsen, sondern auf dem Land in Nordrhein-Westfalen, zum Mittagessen gab es bei uns eher Pommes rot-weiß als Gänsestopfleber. Die würde ich, nebenbei bemerkt, sowieso nicht essen, weil ich mit Leib und Seele Tierschützerin bin. Ich habe keine Bediensteten (Ich lebe in einer WG: Bevor ich einen Diener beschäftige, würde ich das Geld lieber in eine Spülmaschine investieren!) und auch ein Traumprinz auf einem weißen Pferd hat sich bisher in meiner Nachbarschaft noch nicht blicken lassen. Das ist aber auch gar nicht nötig, denn mein Traummann muss weder standesgemäß sein, noch ein weißes Pferd besitzen. Solange er mich einfach so liebt, wie ich bin, braucht er noch nicht mal ein Auto zu haben – ich kann ihn gern auf meinem weißen Motorroller mitnehmen.

Es gibt jede Menge kuriose Vorstellungen darüber, wie eine Prinzessin in der heutigen Zeit lebt. Also habe ich eines Tages einfach zu Tinte und Feder, äh, ich meine zum Laptop, gegriffen und angefangen, all die Geschichten aufzuschreiben, die zeigen, wie es wirklich ist, so ein Leben als Prinzessin im 21. Jahrhundert. Und eines kann ich Ihnen versprechen: Was hollywoodreife Stoffe angeht, kann mein Leben locker mit dem meiner Vorfahren mithalten.

Wie gesagt: Ich glaube an das Schicksal, aber es ist wichtig, ihm nicht alles durchgehen zu lassen. Hin und wieder kann es nämlich ein riesengroßes A… sein – das weiß ich aus eigener Erfahrung. Wenn ich vom Schicksal überhaupt irgendetwas gelernt habe, dann, dass man sich ihm stellen und es sogar manchmal herausfordern muss. Dies ist unser Leben und wir können alles erreichen, tun oder sein, was wir wollen – da bin ich mir sicher. »Im Laufe des Lebens erschafft man sich sein eigenes Univer­sum«, sagte der große Winston Churchill. In diesem Sinne: Willkommen in meinem Universum! Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.

Alles Liebe, Ihre Xenia

Prinzessin von Zahnspange

Meine Kindheit

Es war einmal …

Prinzessin Xenia betritt die Bühne des Lebens

Es war einmal eine Prinzessin mit langem blonden Haar, sie war die schönste Frau im ganzen Land und wo sie auch hinkam, jubelten die Menschen ihr zu. In ihrem Schloss wurden rauschende Feste gefeiert und die hübschesten Prinzen der Welt standen bei solchen Anlässen den ganzen Abend lang Schlange, nur um ein einziges Mal mit ihr reden zu dürfen.

Pardon, wenn ich an dieser Stelle gleich mal einhaken dürfte: Glauben Sie wirklich, dass mein Leben so aussieht? Also bitte, Sie haben eindeutig zu viele Disney-Filme gesehen! Auch Prinzessinnen haben es nicht immer leicht im Leben, lassen Sie sich das von einer waschechten Prinzessin gesagt sein. Aber, ach, wo sind meine Manieren geblieben? Gestatten, mein Name ist Xenia Gabriela Florence Sophie Iris Prinzessin von Sachsen Herzogin zu Sachsen. Manche sagen, ich sei ein bisschen zu temperamentvoll – das mag sein, wahrscheinlich ist es einfach Ausdruck meiner Freude darüber, dass ich es überhaupt bis hierhin geschafft habe. Denn schon mein Start in die Welt war wirklich alles andere als märchenhaft.

Vier Monate hatte meine Mami mit mir bereits im Krankenhausbett gelegen, weil es während der Schwangerschaft Komplikationen gegeben hatte. Aber ich ersparte ihr weiteres Stillliegen und verlegte meinen großen Auftritt einfach acht Wochen vor. Und wie das mit Frühchen immer so ist, war ich eigentlich noch viel zu klein, um überleben zu können. Aber das hielt mich nicht davon ab, selbstbewusst die Bühne des Lebens zu betreten. Ich war so weit, es konnte losgehen: Achtung Welt, ich komme!

Ich hatte einen roten Teppich erwartet und bekam … ein blutrotes Massaker. Vielleicht war es der royale Besuch im Kreißsaal, der die Ärzte so nervös gemacht hatte, jedenfalls leistete sich einer dieser Götter in Weiß einen buchstäblichen Fauxpas über ein herumliegendes Kabel und riss mir armen Würmchen dabei die Nabelschnur ab. Meine Mami fiel vor Schreck beinahe in Ohnmacht, das Blut spritzte wie in einem Splatterfilm und die Schwestern rannten panisch durcheinander.

Wie ich schon sagte, es war kein märchenhafter Start in die Welt, aber dafür ein spektakulärer – eben genau so, wie ich es mag …

Der 24. Buchstabe

Prinzessin Xenia verrät eine seltsame Familientradition und freut sich, dass sie nicht »Simion« heißt

Meine Mutter hat eine etwas merkwürdige Vorliebe. Manche Leute mögen Blumen, andere sammeln Briefmarken, meine Mutter liebt den Buchstaben X.

Es begann, als sie mit mir schwanger war. Zuerst war Mami fest davon überzeugt, ich würde ein Junge werden. Also nannte sie mich in den ersten Monaten der Schwangerschaft Simion. Ich bitte Sie: Wäre ich ein Junge geworden, hätte ich in der Schule als Prinz Simion von Sachsen Herzog zu Sachsen zu 99,9 Prozent eine echt miese Schulzeit gehabt. Als Xenia ist es ja schon nicht immer leicht gewesen, aber als Junge, Prinz und mit so einem Namen in den 90er-Jahren hätte ich nun wirklich nichts zu lachen gehabt.

Irgendwann war sie sich nicht mehr so sicher, dass ich ein Junge würde, und überlegte sich Alternativen zu Simion. Als Erstes hatte sie die Idee, mich Sarah zu nennen. Doch schon in den vier Monaten, die sie bis dahin im Krankenhaus verbracht hatte, sollte jedes zweite Mädchen, das auf die Welt kam, Sarah heißen. Dicht gefolgt von Julia. Das war ihr dann doch zu wenig Raum für Individualität. Also wälzte sie ein paar Namensbücher und ließ sich bei ihrer Suche nach dem perfekten Namen von ihrer Mutter inspirieren: Meine Oma hatte meine Mami Iris genannt, das bedeutet Regenbogen auf Altgriechisch. Ein wundervoller Name, nicht wahr?

Jedenfalls sollte nun, gewissermaßen in Familientradition, ein griechischer Name her. Meine Mami forschte nach und verliebte sich in den Namen Xenia. Es war beschlossene Sache: Falls ich doch ein Mädchen werden würde, dann sollte ich Xenia heißen. Und so kam es dann auch. (An dieser Stelle muss ich eine Danksagung loswerden: Danke, Gott, dass du mir kein XY-Chromosom gegeben hast und ich kein Junge geworden bin. Danke!)

Vom Tag meiner Geburt an hatte meine Mami den X-Faktor für sich entdeckt. Ich bin in Xanten zur Schule gegangen. Ein Auto musste her, der Xantia. Als dieses Auto kaputtging, bekamen wir bald ein neues – wie hätte es anders sein können? Den Xsara. Und wenn ich zickig war, nannte meine Mutter mich Xanthippe.

Ich bin gespannt, welche Formen der X-Wahn meiner Mami noch annimmt. Vielleicht legt sie sich einen Hund namens Xund zu oder schreibt ein Selbsthilfe-Buch für Menschen mit X-Beinen. Oder stellt einen Gärtner mit Namen Xaver ein. Ihr ist alles zuzutrauen. Zum Glück hatten wir Kinder Gitarren- und keinen Xylofonunterricht. Sonst würde ich heute wahrscheinlich keine Popsongs singen, sondern wäre Mitglied in einem Spielmannszug.

Puppenspiele

Prinzessin Xenia entdeckt, dass Barbie und Ken auch nur Menschen sind

Wie viele kleine Mädchen, spielte auch ich wahnsinnig gern mit Barbiepuppen. Einmal bekam ich zu Weihnachten ein prächtiges selbst gebautes Barbie-Puppenhaus: Es hatte zwei Etagen, die Wände waren tapeziert und es gab sogar Teppich in den Zimmern. Ich veranstaltete ein kleines Barbie-Casting. Wer würden die beiden Glücklichen sein, die in das Haus einziehen dürften? Ich entschied mich für die Barbie, die meiner Mami am ähnlichsten sah, und für den stattlichen Ken. Es gab ja damals eh nur einen einzigen Mann in Barbies Welt, also mussten die beiden wohl oder übel zusammenziehen.

Der Alltag in meinem Puppenhaus und das echte Leben schienen auf wundersame Weise parallel zu laufen. Denn kurze Zeit später heiratete Mami einen Mann und wurde schwanger. Meine Schwester war unterwegs und ich bekam eine Barbie geschenkt, die ebenfalls schwanger war. Also tauschte ich meine Mami-Barbie kurzzeitig gegen Pregnant-Barbie und wartete ungeduldig auf die Geburt ihres Babys. Oh Wunder: Meine Schwester und Barbies Baby kamen gleichzeitig zur Welt.

Das Leben in meiner Puppenstube war weiß Gott keine Weichspülversion des wahren Lebens, sondern ziemlich authentisch: voller Liebe, Konflikte und manchmal eben auch ohne Happy End. Als sich Mami und mein Stiefvater immer häufiger stritten, hing auch der Haussegen im Barbie-Haus schief. Ken war aggressiv, brüllte und verstand Barbies Bedürfnisse nicht mehr. Das machte mich ziemlich sauer auf ihn. Also fasste ich einen Entschluss: Ken musste sterben. Oft waren die beiden in ihrem rosa Wohnmobil in den Urlaub gefahren (also in unser Esszimmer oder in die Küche). Es hatte alles so romantisch in dem rollenden Zuhause angefangen und dort sollte es auch enden. Eines Tages war es dann so weit: Ken wollte dieses Mal allein in den Urlaub fahren und ließ Barbie und das Baby einfach im Barbie-Haus zurück. Was er nicht wusste: Barbie hatte nachts die Bremsschläuche des Wohnmobils durchgeschnitten.

Als er kurz vor dem Esszimmer halten wollte, versagten die Bremsen und das Wohnmobil stürzte den Abhang (die Treppe) hinunter. Jede Hilfe kam zu spät, der Notarzt konnte nur noch Kens Tod feststellen. Das Wohnmobil landete dann im Mülleimer. Ich wollte es nicht mehr. Und Barbie und ihr Baby lebten glücklich allein im Haus.

Die Würfel waren gefallen. Kurze Zeit später trennte sich Mami von ihrem Mann. Vielleicht war die Trennung nicht so dramatisch wie Barbies und Kens, aber von da an lebten auch wir als Familie wieder glücklicher zusammen …

Schnipp, schnapp, Haare ab!

Prinzessin Xenia hat Läuse und ein großes Mitteilungsbedürfnis

Auch Prinzessinnen werden nicht von Krabbeltierchen verschont und so kam es, dass ich mit vier Jahren kurz vor unserem Umzug in Richtung Nordrhein-Westfalen aus dem Kindergarten nach Hause geschickt wurde. Diagnose: Läuse. Verstanden hab ich die ganze Aufregung der Kindergärtnerinnen nicht. Ich freute mich nur, früher nach Hause gehen zu dürfen. Mami war gerade im Umzugsstress und holte mich total abgehetzt ab. Aus unerfindlichen Gründen wollte sie mich nicht auf den Arm nehmen. »Ach Mami, das sind doch nur Läuse«, sagte ich. Schon bei dem Wort schüttelte sie sich. Ich fand es einfach witzig, dass sich alle so aufregten. Zu Hause angekommen, standen wir in einem Meer aus Umzugskartons. Ich wollte gleich meine Barbies holen und spielen gehen. Da schrie Mami: »Finger weg! Die haben Haare!« Na gut, dann eben nicht.

»Mami, ich geh jetzt rüber zu Isabell, ja?«

»Nein! Du kannst nirgendwohin Schatz, du hast L-ä-u-s-e!« Sie zog das Wort so lustig in die Länge und musste sich danach schon wieder schütteln. Dann ging sie vor sich hin murmelnd in die Küche und kam wenig später mit einer großen alten Schere in der Hand zurück. Schnipp, schnapp fuhr sie mir damit durchs Haar – das tat ganz schön weh.

»Tut mir leid, mein Sonnenschein, aber die andere Schere ist in irgendeinem der vielen Umzugskartons versteckt.« Wow! Meine Mutter konnte offenbar Gedanken lesen. Aber das half mir in diesem Fall leider nicht weiter. Mechanisch arbeitete sie sich mit der Schere vor und die Strähnen fielen zentimeterweise. Ich schaute zu Boden und versuchte, so stillzustehen, wie es nur ging. Wenigstens wusste meine Mutter, was sie tat – sie ist ja schließlich ausgebildete Friseurin.

Wenige Minuten später war ich ein anderer Mensch. Ich sah in den Spiegel: Auf meinem Kopf prangte ein klassischer Topfschnitt. Damit sah ich eher aus wie Prinz Eisenherz als wie eine Prinzessin. Ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten und weinte um meine geliebten langen Haare. Und Mami bläute mir ein, ich sollte bloß niemandem erzählen, dass ich Läuse hätte. Das wäre ganz, ganz, ganz doll peinlich. Danach telefonierte sie mit Tante Gaby und ich bekam mit, dass die beiden über etwas sprachen, das man in der Apotheke kaufen konnte: Es hieß Goldgeist. Wie dieser Goldgeist wohl aussehen mochte? Wahrscheinlich wie eine kleine glitzernde Fee, die mit ihrem Zauberstab meinen Kopf berühren und alle Läuse einfach verschwinden lassen würde. Gerade als Mami zur Apotheke losgehen wollte, sah ich meine beste Freundin auf der Straße. Mami hatte sich nur eine Sekunde umgedreht, da hatte ich auch schon das Fenster geöffnet und rief nach draußen: »Hallo Isabell … nein, ich kann nicht kommen … ich hab Läuse.«

»Was hast du?« – »L-ä-u-s-e!« – »Waaas?« – »I-C-H    H-A-B L-Ä-U-S-E!«

Ich brüllte, sodass mich die komplette Nachbarschaft gehört haben musste. Unsere Nachbarin von gegenüber stand gerade am offenen Fenster, als ich sagte: »Bitte sag es niemandem weiter, sonst ist Mami böse auf mich.«

Meine Mutter erzählte mir später einmal, dass sie sich in diesem Moment am liebsten in eine Ecke gesetzt und geweint hätte. Doch sie kam ganz ruhig zu mir herüber, hob mich von der Fensterbank, lächelte den Nachbarn nett zu und schloss das Fenster. Meine Mutter – immer eine Lady! Trotzdem war sie bestimmt erleichtert, dass sie die Nachbarn nicht wiedersehen würde – denn wir steckten ja mitten im Umzug. Als meine Mutter von der Apotheke zurückkam, stellte sich heraus, dass der »Goldgeist« gar keine Fee war, sondern nur ein Mittel gegen Läuse. Sie wusch mir damit die Haare und stylte meinen Topfschnitt zu einer frechen Kurz-Kurz-Kurzhaarfrisur um. Noch am selben Nachmittag verließen wir die Stadt.

*

Dass meine »Läusefrisur« und unser Umzug auf denselben Tag fielen, war für mich sehr prägend: Noch heute beginne ich fast jeden neuen Lebensabschnitt mit einer neuen Frisur oder Haarfarbe. Wenn kurz, dann radikal kurz. Wenn farbig, dann wild kombiniert. Das unfreiwillige Umstyling von damals hat mich wohl einfach auf den Geschmack gebracht.

Der Tag der Wahrheit

Prinzessin Xenia erfährt, dass für sie jeden Tag Karneval ist – und spielt dann doch lieber mit ihren Barbies

Jedes Jahr gibt es eine Zeit, in der die Menschen aus ihrem Alltag ausbrechen, um vorübergehend jemand anders zu sein: Ich spreche natürlich vom Karneval. Und jedes Jahr steht man vor der Frage: Als was verkleide ich mich? Das Kostüm hilft einem dabei, in eine andere Rolle zu schlüpfen, und es hat den großen Vorteil, dass einen nicht jeder sofort erkennt. Denn die Karnevalszeit ist vor allem deshalb so schön, weil man ein paar Tage lang Dinge tun darf, die den Rest des Jahres verboten sind.

Und das gilt auch für kleine Mädchen: Schminke ist erlaubt, man darf sich verrückte Kleider anziehen und wie von Geisterhand fallen Süßigkeiten vom Himmel. Schon Wochen vorher war ich immer aufgeregt und freute mich auf den großen bunten Umzug. Was mein Kostüm anging, hatte ich für einen Dreikäsehoch schon ziemlich genaue Vorstellungen: Seitdem ich drei Jahre alt war, wollte ich mich einzig und allein als Prinzessin verkleiden. Es gab für mich keine Alternative – bis nach dem sagenumwobenen Karneval im Jahr 1992.

Dieses Jahr war ein ganz besonderes, auch weil meine kleine Schwester mich das erste Mal zum Karneval begleiten würde. Ich bekam ein wunderschönes neues Kostüm: Es war ein hellblaues Prinzessinnenkleid und dazu gehörte ein kleines goldenes Plastikkrönchen – mein ganzer Stolz. Als ich fertig angezogen war, stürmte ich vor den Spiegel, um zu schauen, wie ich aussah. Ich stand minutenlang da, um das Kleid in seiner ganzen Pracht zu begutachten. Und dann fing ich an zu tanzen, ich machte ein paar Pirouetten, dabei raschelte der Stoff und der Rock des Kleides breitete sich aus wie eine Glocke. Ich schritt vor dem Spiegel vornehm auf und ab und stellte mir vor, ich sei eine Prinzessin auf einem Ball und viele Prinzen aus aller Herren Länder ständen Schlange, um mit mir zu tanzen. Also machte ich einen Knicks, ließ mir einen Handkuss geben und wirbelte dann mit meinem imaginären Tanzpartner ins Kinderzimmer.

Da bemerkte ich plötzlich, dass meine Mami am Türrahmen lehnte und mich lächelnd ansah. Sie kam auf mich zu, kniete sich neben mich und blickte mir tief in die Augen.

»Du möchtest doch eine Prinzessin sein, oder?«

Ich nickte.

»Mein Sonnenschein, ich möchte dir heute etwas Wichtiges über unsere Familie erzählen. Dein Ururgroßvater war ein echter König. Er herrschte über das Königreich Sachsen und wohnte in einem großen Schloss. Und du, mein Schatz, bist eine echte kleine Prinzessin.«

Als sie diese Worte sprach, lag so ein ganz geheimnisvoller Ton in ihrer Stimme und ich wusste gleich, dass sie mir die Wahrheit sagte.

Ich war also wirklich eine Prinzessin …

Irgendwie fand ich nach dieser Offenbarung nicht so recht in mein Spiel zurück, so sehr ich es auch versuchte. Ich stellte mir einen wunderschönen Prinzen vor, der mit mir tanzen wollte, aber der stellte sich dann furchtbar dumm an und trat mir beim Walzer ständig auf die Füße.

Die Begeisterung für mein Prinzessinnenspiel war wie weggeblasen. Wer kennt das nicht? Manchmal, wenn man etwas unbedingt möchte und es dann bekommt, ist es plötzlich nicht mehr so interessant.

»Und, mein Schatz?«, fragte meine Mutter. »Bist du froh darüber, eine Prinzessin zu sein?«

»Das ist schon okay, Mami«, war meine Reaktion. Mehr nicht. Ein Okay und ich spielte lieber wieder mit meinen Puppen.

Für einen Tag wären das eigentlich schon genug Neuigkeiten für ein kleines Mädchen gewesen, doch meine Mutter eröffnete mir bei dieser Gelegenheit auch noch, dass mein Name nicht nur Xenia, sondern Xenia Gabriela Florence Sophie Iris Prinzessin von Sachsen Herzogin zu Sachsen sei.

Uiuiui … das war aber ein ganz schön langer Name! Ungläubig sah ich meine Mami an. Den Namen Iris kannte ich ja – so hieß meine Mami –, aber all die anderen Namen kamen mir merkwürdig und fremd vor. Ich hatte gerade erst gelernt, wie man Xenia schreibt, und war nach langem Üben so stolz, dass ich die fünf Druckbuchstaben, die meinen Namen ergaben, endlich ohne Hilfe zu Papier bringen konnte. All diese neuen Namen schreiben zu lernen, würde bestimmt nicht einfach werden. Ob ich die überhaupt auf ein einziges Blatt Papier bekommen würde?

*

Am Aschermittwoch ist die Zeit des Verkleidens vorbei, die Leute legen ihre Kostüme und die damit verbundenen Rollen ab, kehren zurück in den Alltag und freuen sich darauf, ein Jahr später wieder Karneval zu feiern.

Mein hellblaues Prinzessinnenkleid hätte mir noch die nächsten drei Jahre gepasst. Mami hatte es extra groß gekauft und den Saum nach innen geschlagen, sodass sie ihn jedes Jahr bis auf Knielänge auslassen konnte. Doch in den Jahren darauf wollte ich lieber als Cowgirl oder Fee zum Karneval gehen. Denn eins war mir klar geworden: Mein hellblaues Prinzessinnenkleid konnte ich einfach ausziehen, aber ich würde auch ohne dieses Kleidungsstück mein Leben lang Prinzessin bleiben.

Aufgeflogen

Prinzessin Xenia lernt, dass Namen nicht immer nur Schall und Rauch sind

Als ich in die Schule kam, entschied meine Mutter, dass ich lieber nicht erzählen sollte, dass ich eine Prinzessin bin. Also ließ sie bei meiner Anmeldung den Namenszusatz »Prinzessin und Herzogin« weg. Das war eine wirklich sinnvolle Entscheidung, wie sich herausstellen sollte.

Denn in der ersten Klasse lief noch alles super, wie bei einem ganz normalen Mädchen eben. Vor allem mein erster Schultag ist mir sehr genau in Erinnerung geblieben. Meine Schultüte war rosa und mit Herzchen und Clowns verziert. In liebevoller und wahrscheinlich mühsamer Handarbeit hatte meine Mutter sie für mich gebastelt. In der Mitte prangte mein Name: Xenia. Sogar mein Schulrucksack passte farblich dazu. Abgerundet wurde mein »Look« von einem sogenannten »Pottschnitt«, wie ihn jedes Kind damals hatte, und einer riesigen Zahnlücke. Ich bekam einen Sitzplatz direkt neben einem netten Mädchen und hörte der Lehrerin interessiert zu. Wie gesagt, es lief alles vollkommen normal: In der ersten Klasse fand ich ein paar Freunde, lernte schreiben und rechnen, tobte auf dem Schulhof und in der zweiten Klasse verliebte ich mich in einen Klassenkameraden und danach in seinen Zwillingsbruder. Ich hatte eine glückliche und harmlose Grundschulzeit.

Im vierten Schuljahr sollte sich das jedoch ändern. Wir hatten gerade Projektunterricht, also hatte sich jeder Schüler vorher für verschiedene Arbeitsgruppen beworben. Und nun gab es einen Aushang, auf dem zu lesen war, wer in welche Gruppe eingeteilt worden war. Nichts Weltbewegendes, würde man meinen, doch mit diesem Aushang sollte sich für mich alles ändern. Dort stand schwarz auf weiß: Xenia Prinzessin von Sachsen, Gruppe A.

Diese paar Worte besiegelten das Ende meines bisher normalen Schulalltags. Die Neuigkeit verbreitete sich rasend schnell. In der Pause wurde ich sofort mit allen möglichen Fragen bombardiert. Manche waren interessiert, andere einfach nur gemein:

»Du siehst gar nicht aus wie eine Prinzessin!«

»Wo ist denn deine Krone?«

»Lebst du in einem Schloss?«

»Hast du Diener?«

»Kämmt dir eine Zofe die Haare? Wieso sind die denn dann trotzdem so verfilzt?«

Ich stand wie angewurzelt da und wusste nicht, wie mir geschah. Als die Lehrerin von diesem Verhör Wind bekam, nahm sie mich mit ins Lehrerzimmer. Dort war für mich erst einmal Schonzeit – und dafür war ich ihr wirklich dankbar.

Ich stand unter Schock. Wie konnte das passieren? Was würden meine Freunde dazu sagen? Würden sie mich immer noch mögen? All das schoss mir durch den Kopf. Es fühlte sich an, als hätte jemand meinen Hals zugeschnürt. Ich weinte, schluchzte und konnte nur noch vor mich hin stammeln. Meine Lehrer waren ratlos, weil sie mich kaum beruhigen konnten. Irgendwann musste mich meine Mutter abholen, weil ich einfach nicht aufhörte zu weinen. Für mich stand fest: Ich könnte nie wieder in meine Klasse zurückkehren.

Sag niemals nie. Meine Mutter und ich sprachen lange darüber, was passiert war, und letztendlich konnte sie mich überzeugen, am nächsten Tag an die Schulbank zurückzukehren. Es gab ein kurzes klärendes Gespräch mit meiner Klassenlehrerin, die meinen Mitschülern sagte, dass sie – auch wenn ich eine Prinzessin sei – ganz normal mit mir umgehen sollten. Natürlich hatte sich die Angelegenheit damit nicht auf einen Schlag erledigt, aber mit der Zeit kamen immer seltener Fragen. Alle schienen sich mit meinem Exotenstatus abgefunden zu haben. Der Schulalltag ging weiter. Bald gab es schon den nächsten »Skandal« und mein adliger Hintergrund war offenbar vergessen. Ich war erleichtert.

Doch in der siebten Klasse wurde mein Prinzessinnenstatus wieder zum Thema. Vielleicht lag es an der Pubertät – schwer zu sagen –, jedenfalls war ich für viele plötzlich wieder interessant, im positiven wie im negativen Sinne:

»Wenn ich dich heirate, werde ich dann ein Prinz?«

»Du denkst wohl, du wärst was Besseres, weil du eine Prinzessin bist?«

Die Schonzeit war vorbei und die nächste Fragerunde eröffnet. Mädchen und Jungs, die ich nicht kannte, kamen auf mich zu und sprachen mich an. Manche hatten Vorurteile, andere machten mir kitschige Heiratsanträge.

Ich wusste nicht, wie ich mit dieser Aufmerksamkeit umgehen sollte. Viele wildfremde Leute wollten plötzlich meine Freunde sein, ihre Pausenbrote mit mir teilen oder ihre Freizeit mit mir verbringen. Und meine echten Freunde? Die fanden den ganzen Rummel nervig und wandten sich mit der Zeit von mir ab. Es war eine sehr verwirrende und auch schmerzhafte Zeit für mich.

In dieser Zeit lernte ich, dass die meisten Menschen anders auf mich reagieren, sobald sie meinen vollen Namen kennen. Meine Freunde schauten mich an, als hätte ich sie jahrelang belogen. Dabei war ich doch immer noch dieselbe. Was spielte ein Name schon für eine Rolle? Ich verstand ihre Reaktion nicht, wusste aber auch nicht, was ich machen konnte, damit alles wieder gut würde.

Wie aus heiterem Himmel waren so viele Leute nett zu mir. Aber wie sollte ich herausfinden, wer es wirklich ehrlich mit mir meinte? Wem konnte ich trauen und wer wollte sich bloß mit mir schmücken? Diese Frage stelle ich mir auch heute immer mal wieder. Doch damals war es besonders schwierig, damit klarzukommen, dass sich plötzlich alle mir gegenüber ganz anders verhielten als zuvor.

Natürlich schmeichelte mir auch die Aufmerksamkeit, die ich von vielen Leuten bekam, aber mir wurde schnell klar, dass die unzähligen Komplimente nicht mehr waren als falsche Höflichkeit. Schließlich war ich schon Xenia gewesen, bevor alle wussten, dass es da noch einen Namenszusatz gab. Und auch nachdem es alle wussten, war ich doch noch immer dieselbe. Aber der Name hatte mich wohl in den Augen der Schüler, meiner Freunde und meiner Mitmenschen im Handumdrehen zu einer anderen Person gemacht.

Beauty-Tipps aus dem Bio-Unterricht

Prinzessin Xenia passt in der Schule genau auf und lernt, dass sogar Ratschläge, die von ganz oben kommen, manchmal mit Vorsicht zu genießen sind

Nach der vierten Klasse wechselte ich auf eine katholische Mädchenschule. Hier sollte ich bald zu spüren bekommen, dass eine ganze Menge Wahres an dem Vorurteil dran ist, dass die meisten weiblichen Wesen im tiefsten Inneren ihres Herzens Megazicken sind.

Jungs versuchen immer, sich mit ihrer körperlichen Kraft in den Vordergrund zu spielen, da ist es nicht selten, dass in der Pause schon mal die Fäuste fliegen. Mädchen fechten das eher auf psychologische Art und Weise aus, sie reden sehr gern und vor allem viel. (Ich nehme mich da selbst gar nicht raus.) Wenn jemand anderer Meinung ist als sie, wird er einfach mit Psychotricks, sagen wir mal »umgestimmt«. Es wird gemobbt, gedisst und gezetert. Bis sie bekommen, was sie wollen.

Wer ist die Schönste, wer bekommt als Erste die Periode? Das waren die bestimmenden Themen. Und die nervten mich so sehr, dass ich lieber den Lehrerinnen lauschte.

Meine Lieblingslehrerin war Schwester Angelina. Eine kleine Frau, um die 1,55 Meter groß, mit einem langen Gewand in Schwarz-Weiß. Gern hätte ich gewusst, was sie für eine Haarfarbe hatte, aber ihr Haar war unter dieser unvorteilhaften Kopfbedeckung unmöglich zu erkennen. Sie strahlte immer eine innere Ruhe aus, die den gesamten Raum zu erfüllen schien, war immer gut gelaunt und fair in ihrem Urteil. Ein Traum von einer Lehrerin! Irgendwie musste ich bei ihr immer an Mutter Theresa denken, denn Schwester Angelina hatte eine fast schon heilige Aura.

Aber nicht alle Lehrerinnen an meiner neuen Schule verdienten so ein Lob. Die Direktorin zum Beispiel war eine ernste Frau um die sechzig, die immer ein »Wer hat hier gefurzt«-Gesicht machte. Jeden Morgen kam sie um acht Uhr ins Klassenzimmer. Wir standen brav auf und sagten: »Guten Morgen, Frau Direktorin.« Dann folgte das Gebet. »Vater unser im Himmel« und so weiter und der Gang zur hauseigenen Kirche folgte direkt danach. Nachdem wir Gott dann elendig lange eineinhalb Stunden lobgepriesen hatten, ging der Unterricht los.

Mathe (gähn), Englisch (juhu) und nach den wohlverdienten 15 Minuten Pause mein heiß ersehnter Biologieunterricht mit Schwester Angelina. Leider erfuhren wir darin nichts über die Sexualität oder unsere leidenschaftlichen Gefühle, doch dafür bekamen wir andere nützliche Informationen aus dem weiten Feld der Flora und Fauna.

Einmal waren unsere Zähne und die Mundflora das Thema. Hochinteressant! Ich hatte schon im Alter von sieben Jahren einen Tick entwickelt, der mich dazu zwang, mir mindestens viermal täglich die Zähne zu putzen. Dazu muss ich sagen, meine angeborene Zahnfarbe ist mehr Sonnengelb oder Butterblumencremefarben als Schneeweiß. Nicht wirklich schön eben.

Schwester Angelina sortierte ihre Notizen und begann die erste Lektion in Sachen Mundhygiene: »Meine Lieben, wenn ihr am Abend Hunger auf einen Apfel habt und ihn dann auch esst, dann dürft ihr euch nicht die Zähne putzen. Die Apfelsäure weicht den Zahnschmelz auf und durch das Reiben der Zahnbürste macht ihr euch die Zähne kaputt.«

Dann sprach sie über Bakterien im Mund und wie lange sie bei einem Kuss noch im Mund des anderen bleiben. Igitt, ich glaube, sie wollte uns alle vor ungezügeltem Speichelaustausch bewahren. Hat natürlich nicht geklappt, es war eben alles viel zu aufregend. Mein erster Kuss war übrigens mit einem Mitschüler in der neunten Klasse. Wir hatten denselben Nachhauseweg und bei einem Gewitter mit Prasselregen küssten wir uns. Echt eklig, der erste Kuss, oder? So nass und ungewohnt. Es heißt, dass das Küssen von einem Instinkt zum Füttern mit dem Mund kommt. So ähnlich wie bei den Vögeln. Na ja, mit den Jahren wurde es besser, aber nach dieser glitschigen Erfahrung beschlossen wir, das erst mal lieber nicht mehr zu tun.

Aber zurück zum Bio-Unterricht. Mit dem Knutschen hatte Schwester Angelina recht behalten: Keine Ahnung, wozu das gut sein sollte. Doch an dem Tag war es die Zahnsache, die mich auf meinem Nachhauseweg verfolgte. Für irgendetwas musste diese Information doch zu gebrauchen sein …

Zu Hause angekommen, ließ ich Schwester Angelinas Worte in Ruhe bei einem Glas Eistee Revue passieren. Apfelsäure weicht den Zahnschmelz auf. Moment … Irgendwo hatte ich mal gehört, dass Backpulver einen bleichenden Effekt auf die Zähne hat. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Sofort mussten ein Apfel und Backpulver her. Ich entwickelte einen teuflischen Zahnplan. Die Apfelsäure und das Backpulver müssten mir eigentlich ein strahlend weißes Zahnarztfrauenlächeln bescheren. Probieren geht über Studieren, wie man so schön sagt. Ich besorgte mir einen Apfel aus der Küche und durchforstete die Speisekammer nach Backpulver. Dann schlich ich in mein Zimmer und schloss mich mit meinen Utensilien ein, nahm den säurehaltigen Apfel und biss hinein. Nun hatte ich einen Abdruck meiner Zähne, also streute ich vorsichtig das weiße Backpulver darauf. Mann, wie das sprudelte! Ich nahm all meinen Mut zusammen und hielt meine Zähne an den Abdruck …

Ein Jucken wurde zu einem Kratzen und dann zu fürchterlichen Schmerzen, aber ich hielt durch. Nach ewig erscheinenden zehn Minuten spülte ich endlich meinen Mund aus. Meine Zähne waren tatsächlich deutlich weißer, mein Zahnfleisch dafür aber völlig ruiniert. Wie sollte ich das nur meiner Mami erklären?

Schon ein paar Minuten später bereute ich die Aktion total. Man sollte Zahnfleisch nicht unterschätzen, ist schon ’ne tolle Sache. Wie bei so vielen anderen Dingen im Leben auch, weiß man das aber erst zu schätzen, wenn man es weggeätzt hat. Jetzt gebe ich mal einen Tipp: Bitte nicht nachmachen, wirklich nicht!

Im Kelly-Family-Fieber

Prinzessin Xenia ist das erste Mal verknallt und wundert sich, dass sie nicht in Ohnmacht fällt

Kreischende Fans mit handbemalten Plakaten, meterlange Liebesbriefe für die angebeteten Stars und geduldige Mütter, denen nichts weiter übrig bleibt, als hin und wieder mit dem Kopf zu schütteln – das übliche Bild vor den Toren einer Konzerthalle, kurz bevor die gerade angesagteste Teenieband spielt. Gäbe es keine jungen Mädchen, würde ein kompletter Zweig der Musik­industrie zugrunde gehen. Denn nur die immer nachwachsende Masse an hysterischen und schwärmenden Teenies garantiert, dass jedes Jahr neue Stars aus dem Hut gezaubert werden, denen die Mädchen ihre erste Liebe schenken.

Ich weiß das so genau, weil ich auch eins von diesen Mädchen war. Nur hieß mein Schwarm nicht Justin Bieber, sondern Angelo Kelly. Man sagt, dass sich junge Mädchen meistens als Erstes in einen Star und nicht in den Jungen von nebenan verlieben, damit sie gewissermaßen die Liebe üben können. Der Sänger einer Band ist für seine Fans eine Traumfigur, er ist nicht so real wie der Banknachbar aus dem Biounterricht, das hat Vorteile. Ein persönliches Treffen ist – wenigstens in den meisten Fällen – von vornherein ausgeschlossen. Also muss man auch keine Angst haben, dass die ganzen tollen Vorstellungen, die man sich von seinem Star macht, der Realität nicht standhalten können. Perfekt: Man kann alles in den Jungen hineinprojizieren und wird nicht enttäuscht.

Angelo war mein Traumboy: Als ich ihn 1994 das erste Mal im Fernsehen sah und er voller Inbrunst An Angel sang, schmolz ich nur so dahin. Von Stund an musste ich einfach alles haben, das den Schriftzug »Kelly Family« trug: CDs, Poster, Aufkleber, Käppis und Kissen. Ich war in einem absoluten Kelly-Family-Wahn. Meine Gedanken drehten sich nur noch um Angelo. Das ging so weit, dass ich sogar von ihm träumte: In meinem Traum machte ich einen Spaziergang am Strand und trug ein weißes, wallendes Kleid. Dann sah ich plötzlich Angelo, er lief direkt auf mich zu. Es kam, wie es kommen musste: Er spitzte die Lippen und küsste mich auf den Mund. Und ich erwachte am nächsten Morgen mit einem Lächeln auf den Lippen.

Nach dem Aufstehen rannte ich zu meiner Mutter und verkündete: »Mami, ich heirate Angelo von der Kelly Family.« Sie nickte stumm und lächelte mich an, als wollte sie mir damit sagen: So soll es sein, mein Schatz. Angelo Kelly war einfach mein Traumprinz und nach diesem Traum war für mich klar, dass ich ihn eines Tages heiraten würde. Dass es da noch einige andere Mädchen gab, die denselben Plan hatten, kam mir gar nicht in den Sinn. Ich war verliebt und bereit, mein Leben mit ihm zu verbringen – Angelo würde schon einsehen, dass ich die Richtige für ihn war.

Und schon bald bekam ich die Gelegenheit, ihn auf mich aufmerksam zu machen, denn in Essen sollte ein großes Konzert der Kellys stattfinden. Ich durfte hingehen – natürlich nur in Begleitung meiner Mutter, die hatte sich meiner Kelly-Hysterie nicht entziehen können und durch mein Rauf-und-runter-Hören mittlerweile so viel Kelly Family intus, dass auch sie schon zum Fan geworden war.

Als dann der große Tag des Konzerts kam, war ich unglaublich aufgeregt. Endlich würde ich meinen Angebeteten treffen. Wir betraten das Stadion und ich musterte neugierig die anderen Kelly-Fans. Die Sanitäter mussten ständig ausrücken, weil reihenweise Mädchen in Ohnmacht fielen – und das schon vor dem Konzert. So ging es damals vielen: eine vollkommen normale Reaktion, wenn man ein echter Fan war. Und so war auch ich darauf gefasst, dass es mich als Nächstes treffen würde. Schließlich war ich ein riesiger Kelly-Fan und ich wollte den anderen Mädchen in nichts nachstehen.

Ich sah mich um und versuchte, den Überblick über die Situation zu behalten. All die Fans, das Gedränge und diese wahnsinnige Vorfreude! Mir war klar: Ich würde bestimmt gleich vor Aufregung kollabieren und deswegen sagte ich immer wieder zu Mami: »Pass bitte auf, ich falle gleich in Ohnmacht. Ganz bestimmt!« Doch die Ohnmacht ließ auf sich warten.

»Mami, bist du denn auf jeden Fall da, wenn ich gleich umfalle?«

Immer noch nichts.

Meine Mutter sah mich mit einem ratlosen Blick an. Sie muss wirklich gedacht haben, dass ich den Verstand verloren hatte. Aber für mich war es wirklich unbegreiflich, dass ich nicht in Ohnmacht fiel. Gehörte das nicht dazu? Schließlich war ich doch ein Riesenfan und so was von aufgeregt!

Endlich hatten wir in dem Getümmel im Stadion unsere Sitzplätze gefunden. Wir wollten uns gerade niederlassen, da merkte ich, dass ich unbedingt für kleine Prinzessinnen musste, und nervte meine Mutter, dass wir schnell eine Toilette finden sollten, damit wir rechtzeitig zurück wären, um den Anfang des Konzerts nicht zu verpassen. Meine Mutter seufzte kurz und machte sich dann mit mir auf den Weg zu den kleinen blauen Klohäuschen. Wir kämpften uns durch die Menge: Überall wimmelte es von Mädchen. Ein paar Jungs waren auch dabei, aber die waren wahrscheinlich nur im Schlepptau der Mädels ... Für mich war klar: Kein Junge würde Angelo jemals das Wasser reichen können. Und so malte ich mir Angelos und meine gemeinsame Zukunft in den schillerndsten Farben aus, während ich in der Schlange vor den Klos stand. Vielleicht waren meine Gefühle für Angelo einfach viel ernsthafter als die der anderen Mädchen. Anders konnte ich mir nicht erklären, warum ich nicht in Ohnmacht fiel.

Wenig später bahnten wir uns den Weg zurück zu unseren Plätzen. Und dann ging das Konzert auch schon los. Ich sah Angelo auf der Bühne stehen, leider nur von der Seite, aber nun gut, dann musste ich ihn einfach auf mich aufmerksam machen. Ich war gut vorbereitet und faltete ein selbst gemaltes buntes Transparent auseinander. Darauf hatte ich in Druckschrift geschrieben:

ANGELO, ICH LIEBE DICH! DEINE XENIA

Ich schrie seinen Namen und sang alle Lieder aus Leibeskräften mit – all das, ohne in Ohnmacht zu fallen. Dann kam der Höhepunkt des Konzerts: Angelo sang An Angel, unser Lied. Ich war wie weggetreten, hob meine Arme und schwenkte sie gedankenverloren im Takt des Liedes hin und her. In dem Moment war es, als gäbe es nur Angelo und mich.

Ich war überglücklich, während des ganzen Konzerts befand ich mich in einer Art Liebestaumel, aber, wie gesagt, wirklich ohnmächtig bin ich nicht geworden.

Angelo hatte ich zwar nur aus der Ferne gesehen und mein Plakat war ihm offenbar auch nicht aufgefallen, doch auch nach dem Konzert rückte ich nicht von dem Plan ab, mit ihm den Rest meines Lebens zu verbringen. Obwohl ich mittlerweile Zweifel hatte, die Richtige für ihn zu sein. Denn ein Kelly-Fan fällt doch um, wenn er seinen Traummann sieht. Oder nicht?

Die Kelly-Hysterie hielt bei mir an, bis ich zwölf Jahre alt war, die »echten« Jungs einfach interessanter wurden und ich die weit entfernten Kelly-Boys langsam ausblendete. Ich glaube, irgendwann hatte ich einfach begriffen, dass ich Angelo immer mit jemandem hätte teilen müssen. Er hatte einfach so viele Fans, dass ich für ihn wohl nie die Einzige geworden wäre, und so verebbte meine Schwärmerei irgendwann. Inzwischen hatte ich die Mädchenschule wieder verlassen und begann, die Jungs in meiner neuen Schule wahrzunehmen. Die hatten wenigstens nicht zehn Fans an jedem Finger, sondern konnten sich vollkommen auf mich konzentrieren.

*

Vor ein paar Jahren war ich einmal zu einem Event in Stuttgart eingeladen und lernte auf dem Weg dorthin Patricia Kelly kennen. Eine supersympathische Frau. Wir wurden mit demselben Auto abgeholt und auf der Fahrt verriet ich ihr, dass ich mal unsterblich in ihren Bruder Angelo verliebt war. Patricia erzählte mir dann, dass er glücklich verheiratet sei und mittlerweile drei niedliche Kinder habe.

Ich dachte kurz darüber nach, wie mein Leben wohl aussehen würde, wenn Angelo und ich damals doch zusammengekommen wären. Dann hätte ich heute vielleicht schon einen Stall voller Kinder und wäre eine treusorgende Hausfrau. Nein, das würde nun wirklich nicht zu mir passen. Ich freute mich für Angelo, dass er sein Glück gefunden hatte. Aber insgeheim war ich auch froh, dass sich mein Jugendtraum von damals nicht erfüllt hatte.

Eine Frage der Ehre

Prinzessin Xenia riskiert eine dicke Lippe

In der Schule war ich eines dieser Kinder, die ständig neue Spitznamen bekamen. Ich hatte schon vieles gehört, was mich wahnsinnig machte, erst mal natürlich die Schimpfwort-Klassiker, die bei Kindern immer zum Repertoire gehören, wie zum Beispiel »blöde Kuh«, aber auch persönlichere Beleidigungen, wie »Blondi« oder »Prinzesschen«. Ganz ehrlich, Prinzesschen klingt in meinen Ohren abwertend und nach einem verzweifelten Versuch, irgendwie das Wort »Prinzessin« schlechtzumachen. Und Blondi? Herrgott, ich bin nun einmal blond geboren worden. Ich nenne ja auch niemanden wegen seiner Haarfarbe »Brünetti«, »Roti« oder »Schwarzi«.

Ich hatte mir jedenfalls schon einiges anhören müssen und war solche Attacken gewohnt. Doch als mir ein Mädchen beim Reitunterricht ernsthaft mit »Xenia von Sachsen hat krumme Hachsen« kam, verlor ich nicht nur die Nerven, sondern auch meine angeborene Höflichkeit.

»Spinnst du? Wo hab ich denn bitte krumme Hachsen? Ich sag zu dir ja auch nichts Böses, also lass das!«

Sie hat es nicht gelassen. Jede Woche begannen sie und ihr Anhang (zwei Mädels, die an ihr klebten, als hätte sie Schokolade am Hintern) aufs Neue, mich mit diesem beknackten Reim zu ärgern. Nach drei Wochen hatte ich genug – das musste aufhören. Ich nahm meinen Mut zusammen und sagte: »Los, wir gehen jetzt nach draußen und klären das allein.«

Prinzessin gegen blöde Kuh, so war der simple Plan. Ich hatte bei der ganzen Sache nicht nur vergessen, dass sie ungefähr zehn Kilo mehr wog als ich, nein, ich hatte auch keine Ahnung, wie man sich eigentlich prügelt. Also steckte ich kräftig ein. Ich werde an dieser Stelle nicht auf die Details eingehen – nur so viel: In diesem Kampf habe ich nicht gerade eine gute Figur gemacht. Dabei war es alles andere als ein Kleinmädchenkampf: Ich trug ein blaues Auge, einige Kratzer und blaue Flecken davon.

Meine persönliche Moral von der Geschichte? Überleg dir dreimal, mit wem und warum du dich prügelst.

Nabellos

Prinzessin Xenia will nicht wie ein Alien aussehen und geht zum Psychologen

Ein Bauchnabel ist ein Bauchnabel. Wenn man ihn hat, hat man ihn, aber genau genommen, ist er zu nichts zu gebrauchen. Dass aber ein fehlender Bauchnabel zu einem riesigen Problem werden kann, musste ich als Kind am eigenen Leib erfahren. Bei meiner dramatischen Geburt war meine Nabelschnur gerissen und seither hatte ich da, wo andere einen Bauchnabel hatten, einfach nur einen geraden Strich.

Als Kind hatte mich das nicht weiter interessiert, bis meine Klassenkameraden anfingen, über meinen nicht vorhandenen Bauchnabel zu lästern.

»Kommst du aus einem Ufo?«, fragten sie mich und kicherten. »Du siehst aus wie ein Alien!« Erwachsene, die mich im Freibad im Bikini sahen, sagten Sätze wie »Das arme Mädchen!« oder »Was ist da wohl passiert?«. Ich war am Ende. Was sollte das? Ich hatte gelernt, dass der Charakter eines Menschen zählt und nicht sein Aussehen. Warum dann bitte all diese Aufmerksamkeit für so ein unwichtiges Ding wie meinen Bauchnabel?

Meine Mami sah, dass ich in solchen Momenten traurig war, und sagte mir: »Irgendwann kommt ein Scheich und macht dir dort einen Brillanten rein.« Damit gab ich mich anfangs noch zufrieden. Bis ich in Biologie lernte, dass Babys durch den Bauchnabel der Mutter ernährt werden: Von da an hatte ich eine riesige Angst, dass ich niemals Kinder bekommen könnte.

Meine einfache Überlegung war: kein Bauchnabel, keine Schwangerschaft möglich. Für mich war das ein riesiger Schock! Ich wusste schon als Kind, dass ich, wenn ich einmal groß wäre, unbedingt Mutter sein wollte.

Also weinte ich mich Abend für Abend in den Schlaf, traute mich aber auch nicht, mit meiner Mami darüber zu sprechen. Sie musste gemerkt haben, was in mir vorging, denn eines Tages kam sie von sich aus zu mir und sprach mich auf das Thema an. Ich sagte ihr, dass ich mich ausgeschlossen fühlte und wirklich, wirklich, wirklich einfach dazugehören wolle, nicht mehr anders sein, sondern genau so wie all die sein wolle, die über mich redeten. Ich erzählte, dass ich auch irgendwann mal ein Baby bekommen und einfach glücklich sein möchte. Sie hörte mir lange zu, überlegte, weinte und sah mich traurig an. Dann sagte sie: »Du kannst irgendwann ein Baby bekommen, das geht auch so. Aber du hast recht, wegen deines Nabels müssen wir etwas tun.«

Bald darauf saß ich zum ersten Mal einem Psychologen gegenüber. Der wollte unglaublich viel von mir wissen: wie ich mich fühlte, so ganz ohne Nabel, und warum es mich störte, keinen zu haben. Zwei Gutachten später stand fest: Einer Operation würde auch in meinen jungen Jahren nichts im Wege stehen. Endlich würde ich einen Bauchnabel bekommen und so aussehen wie alle anderen! Juhu!

Der Tag der Operation rückte näher und ich konnte an nichts anderes mehr denken, als dass ich bald einen Bauchnabel haben und endlich normal aussehen würde. Dann war es so weit. Im OP-Hemdchen wurde ich an meiner Mami vorbeigeschoben. Sie sah mir sorgenvoll hinterher.

Als ich nach der Operation erwachte, konnte ich es kaum erwarten, das Resultat zu bewundern. Ich wollte endlich meinen wunderschönen Nabel sehen. Der Arzt hatte gesagt, ich dürfte das Pflaster erst drei Tage nach der Operation abmachen, aber so lange konnte ich nicht warten, auf gar keinen Fall! Ungeduldig pulte ich eine Hälfte des Pflasters ab, immer ein Stückchen weiter, bis ich endlich freien Blick auf das Ergebnis der Operation hatte.