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Diese XXL-Leseprobe zu "Blutiger Winter" enthält neben einer längeren Passage des Buches ein exklusives Interview mit dem Autor. "Seit 'Kind 44' habe ich nichts mehr so Eindringliches gelesen. Dieser Thriller ist gnadenlos, atmosphärisch stark und unglaublich spannend. Callaghan weiß, genau, wovon er schreibt!" Sebastian Fitzek Tote Augen, kalter Wodka, roter Schnee. Der erste Fall für Akyl Borubaew Ein klirrender Wintermorgen in Bischkek. Leblos im Schnee eine junge Frau, in deren aufgeschlitztem Leib Inspektor Borubaew eine grauenvolle Entdeckung macht. Das Werk eines Perversen? Borubaews Ermittlungen führen ihn durch die unglaublichen Landschaften Kirgisistans und in Kreise, deren einzige Sprache die Gewalt ist. Weitere Titel der Reihe: Band 2 - Tödlicher Frühling Band 3 - Mörderischer Sommer Band 4 - Erbarmungsloser Herbst
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Seitenzahl: 27
Tom Callaghan
Blutiger Winter
Thriller
XXL-Leseprobe
Atlantik
Frisches Blut hebt sich besonders lebhaft von Schnee ab. Sogar in einer ganz und gar mond- und sternenlosen Nacht wie dieser. Zäh und dunkelrot tropft es wie Öl aus dem rostigen Motor eines Moskowitsch. Aber Öl dampft nicht. Öl spritzt nicht rot auf weiß, zieht keine Spur zu einer halb unter Weißbirken verborgenen Leiche. Und Öl tröpfelt nicht aus einer Wunde, deren Ränder vor Kälte schon blau und steif sind.
Im anbrechenden Morgen hängt weiterer Schnee drohend in der Luft wie Asche. Schon hüllen ein paar vereinzelte Flocken das himmelwärts gerichtete Gesicht der Frau ein, ein Hauch von Spitze über der Stirn wie der Schleier einer Braut. Falls kein Betrunkener auf dem Nachhauseweg von der Kneipe dringend pissen muss und sie entdeckt, wird sie sich in ein paar Stunden in eine Schneeverwehung verwandelt haben, unbemerkt und umgangen, anonym bis zur Schneeschmelze im Frühling. Nur wenn ein einzelner Fuß in einem Stiefel oder eine gefleckte Hand aus dem schmutzigen Schnee ragt und auf sich aufmerksam macht, werden sich die Leute fragen, warum niemand etwas gehört hat …
»Privjet, Inspektor Borubaew, wie geht’s?«
»Kalt hier. Was meinen Sie?«
Ich lehnte die angebotene Zigarette ab und registrierte den Streifen aus Kippen um die Füße des Uniformierten, den widerlichen Gestank von billigem Tabak in der Nachtluft. Ein typischer Uniformierter, überdimensionierte grüne Paradeschirmmütze und darunter kein Hirn. Ich beobachtete, wie er sich an der Glut seiner Kippe eine neue Classic anzündete, und überlegte, ob ich ihm wegen Verunreinigung des Tatorts den Arsch aufreißen sollte. Aber dies ist Kirgisistan. Das forensische Labor der Polizei des Bezirks Sverdlowsk besteht aus einem Schrank mit einer Sammlung gesprungener Reagenzgläser, ein paar medizinischen Lehrbüchern aus der Zeit vor der Unabhängigkeit und einem Karton Lackmuspapier mit abgelaufenem Verfallsdatum. Auf das Elektronenmikroskop warten wir immer noch.
Ich hatte es lange genug aufgeschoben. Es war an der Zeit, die Handvoll Som zu verdienen, die man mir jeden Monat bezahlt. Früher oder später würde ein ramponierter Krankenwagen kommen, um die Tote ins Leichenschauhaus zu transportieren. Dort würde es ein ganzes Stück wärmer sein als hier draußen. Aber keine Eile.
Wir waren auf der Ibraimowa-Straße, ein Stück hinter der Blonder-Bar, auf dem von Birken gesäumten und unbeleuchteten Weg oberhalb der Fahrbahn, wo im Sommer bei der Fußgängerbrücke die mursilki, die billigsten Bahnhofshuren, herumlungerten. Unförmige mürrische kettenrauchende Frauen mit dicken Bäuchen, die Baltika-Bier aus der Dose tranken, in deprimierendem Outfit: formlose T-Shirts und Trainingshosen, die man für den leichten Zugang schnell herunterlassen und für eine hastige Flucht schnell wieder hochziehen konnte. Aber heute waren keine Damen des Gewerbes unterwegs, nicht bei minus zwanzig Grad und angekündigtem weiteren Schneefall.
Kein guter Ort zum Sterben, falls es den überhaupt gibt.
Ich erklärte dem Uniformierten, er solle zurückbleiben, und folgte den Blutspuren zu der Leiche. Sie erinnerten mich an den Sauerkirschsirup, den man im Panfilow-Park auf die Eiswaffeln bekommt, üppig und appetitlich. Ich schlug den Kragen hoch, um mich gegen den Wind zu schützen, doch gegen einen kirgisischen Winter kann man nichts ausrichten. Meine Füße fühlten sich an wie die eines Fremden, doch ich tröstete mich damit,