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Der erste Fall für Simon Strasser Inmitten der flirrenden Augusthitze träumt der ehemalige Polizeireporter Simon Strasser von nichts weiter als einem erfrischenden Bad im Lago d'Orta und einem Regenschauer. Doch dann entdeckt er auf einer herrenlosen Yacht die Leiche eines einflussreichen Fabrikantensohns. Simons alte Instinkte sind geweckt, doch an diesem beschaulichen See scheint jeder ein Geheimnis zu haben – das um jeden Preis gewahrt werden muss.
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Seitenzahl: 23
Giulia Conti
Lago Mortale
Ein Piemont-Krimi
Leseprobe XXL
Atlantik
Der Lago d’Orta lag spiegelglatt in der Sonne, die zackige Bergkette im Norden des Sees verschwamm im Hitzedunst. Ein Schwan trieb langsam über das Wasser, reglos, wie von unsichtbarer Hand gezogen. In die Stille hinein begann eine Kirchturmglocke zu schlagen, zwölf lange, dunkle Töne, ein kurzer, heller. Halb eins.
Simon trank einen Cappuccino auf seiner Terrasse und sah auf den See hinaus, der in dem hellen Licht glänzte wie Weißblech. Er überlegte, ob er schwimmen gehen sollte. Sein Haus im kleinen Dorf Ronco, wo er seit einigen Jahren lebte, war früher ein Bootshaus aus Naturstein gewesen, das er zu einem großzügigen Wohnhaus ausgebaut hatte, und so waren es nur wenige Schritte ins Wasser.
Auf der Mauer vor ihm kauerten zwei Eidechsen in der Sonne, regungslos, wie winzige Krokodile. Er mochte die blitzschnellen Tiere mit den langen Schwänzen und verharrte unbeweglich auf seinem Stuhl, um sie nicht zu verjagen. Bei den Temperaturen vermied man ohnehin am besten jede Bewegung.
Noch nie hatte Simon eine solche Hitze an seinem See erlebt. Der August war immer sehr heiß, auch wenn man hier noch in Alpennähe war, der gewaltige Monte Rosa in Sichtweite. Aber dieser Sommer war ungewöhnlich. Seit Monaten hatte es nicht geregnet, und es wurde von Tag zu Tag heißer. Si muore di caldo, man stirbt vor Hitze, sagten die Leute im Dorf, die in Wetterdingen eigentlich nicht zimperlich waren, denn wer hier lebte, kannte eiskalte Wintertage, Regenfluten, wilde Stürme, Hochwasser und tropische Temperaturen. Manchmal bauten sich finstere Wolkenberge über den grünen Hügeln rund um den See auf, um jäh wieder zu verschwinden und der Sonne Platz zu machen; ganz plötzlich brachen Stürme aus, prasselten Regenschauer oder Hagel nieder.
Simon schaute über das silbrig glitzernde Wasser nach Süden, wo sich eine kleine, rundum dicht bebaute Insel wie ein Schiff aus dem See erhob. In der Ferne war schemenhaft ein Segelboot zu erkennen, sehr groß und sehr weiß. Es schien stillzustehen, aber Simon war klar, dass das täuschte. Denn das Wasser dort im Süden war dunkler, fast schwarz und leicht gekräuselt, und diese wellige Fläche trieb langsam nach Norden auf Ronco zu. Simon hatte mit den Jahren gelernt, den See zu lesen, und wusste: Das war der Mittagswind. Er kam immer von Süden, trieb die Yacht bestimmt schon vor sich her und würde die Hitze in Kürze auch in Ronco erträglicher machen.