Young Agents (Band 1) – Operation "Boss" - Andreas Schlüter - E-Book

Young Agents (Band 1) – Operation "Boss" E-Book

Andreas Schlüter

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Beschreibung

Offiziell gibt es sie gar nicht. Jeder würde ihre Existenz leugnen. Und doch leben sie unter uns: die Young Agents. Sie sind wenige, aber verteilt über ganz Europa: Scheinbar ganz gewöhnliche Kinder im Alter zwischen 11 und 14 Jahren. Sie leben bei ihren Familien und gehen ganz normal zur Schule. Doch in ihrer zweiten, geheimen Identität sind sie top ausgebildete Undercover-Agenten des Geheimdienstes, jederzeit bereit für brandgefährliche Aufträge. So wie der zwölfjährige Billy, der mit seinen Eltern im achten Stock einer Hochhaussiedlung in Berlin wohnt. Zusammen mit der erfahrenen Naomi, 13, aus Paris, und Charles, 12, aus London, der Denker und Stratege der Gruppe, nimmt Billy in seinem ersten Fall die Fährte von »Boss« auf, einem der meistgesuchten und mächtigsten Mafia-Bosse der Welt. Die Young Agents schmieden einen Plan. Doch der geht erst mal gründlich schief, als Billy und Naomi versehentlich nach Übersee verschifft werden ...

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Seitenzahl: 248

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Young Agents

Operation »Boss«

Band 1

eISBN 978-3-96129-137-3

Edel Kids Books

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

Copyright © Edel Germany GmbH,

Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Text: Andreas Schlüter

Projektkoordination: Nina Schnackenbeck

Lektorat: Nina Schnackenbeck

Coverillustration und Gestaltung: Max Meinzold

Covergestaltung: Antje Warnecke | www.nordendesign.de

unter Verwendung von Illustration und Gestaltung von © Max Meinzold

ePub-Konvertierung: Datagrafix GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

INHALT

Entwischt!

Ein neuer Auftrag

In der Höhle des Löwen

Erste Ermittlungen

Eine heiße Spur

Böse Überraschung

Jagd im Hafen

Schifffahrt nach Paris

Geheimnisvoller Stopp in der Nacht

Paris

Gefangen?

Unterirdische Flucht

Gefährlicher Unfall

Geheimnisvolle Entdeckung

In der Falle

Es geht um Minuten

ENTWISCHT!

Das darf nicht wahr sein! Ich bin so blöd! Hab nicht aufgepasst. Man kann es gar niemandem erzählen. Würde ohnehin keiner glauben. Und doch ist es wahr. Möglicherweise komme ich nicht einmal je in die Versuchung, es jemandem zu erzählen, weil ich die nächsten fünf Minuten nicht überlebe. Ein einziger Muckser oder Nieser genügt, und er hat mich. Totenstill und bewegungslos liege ich hier. Das sollte meine Lehrerin Frau Lornsen mal sehen, wie ruhig ich hier liege. Die würde staunen. »Unterlass bitte mal das ständige Zappeln!«, mahnt sie mich oft. Aber nur, weil Gonzo, der in der Schule hinter mir sitzt, mir mal wieder in den Rücken piekt. Hin und wieder fliege ich dann sogar aus dem Unterricht – statt Gonzo. Vom Geografieunterricht habe ich ein Drittel vor der Tür verbracht, schätze ich mal. Eigentlich wäre es egal. Denn alles, was ich über die Welt weiß, habe ich ohnehin nicht in der Schule gelernt. Also jedenfalls nicht in der normalen Schule, sondern bei einer Spezialausbildung in den Ferien, von der niemand etwas weiß. Bis auf meine Eltern, und selbst die kennen keine Details. Aber ich kann mir nicht so viel Unterrichtsausfall leisten, weil ich sowieso schon oft genug in der Schule fehle. Die Schule lässt sich eben nicht immer mit meinen Aufträgen vereinbaren.

Aufgepasst! Da ist er wieder, mein Verfolger. Ich bleibe absolut geräusch- und bewegungslos. Mein Rekord im Training liegt bei 32 Minuten.

Mein Verfolger sieht mich nicht. Und das wird er auch nicht, solange er nicht auf die Idee kommt, hinunterzuschauen, unter seine Füße. Wer schaut schon hinunter, wenn er jemanden sucht? Nach links schaut man, nach rechts, nach hinten oder vorn. Aber nie nach unten. Ist so eingebrannt in uns. Vermutlich seit ewigen Zeiten, weil schon bei den Urmenschen die Gefahr nie von unten drohte. Jedenfalls funktioniert es. Bei ihm auch. Hoffentlich. Er steht auf dem Gitterrost eines Lüftungsschachtes. In dem Lüftungsschacht darunter liege ich. Rücklings, das Rost dicht über meinem Gesicht, keine zehn Zentimeter bis zu meiner Nasenspitze. Sand rieselt aus den Rillen seiner Schuhsohlen durch den Rost direkt auf meine Augen, die ich schnell zukneife. Ich rege mich nicht, drehe den Kopf nicht zur Seite, schüttelte mich nicht, räuspere mich nicht. Nichts. Nur ein Zwinkern mit den Wimpern erlaube ich mir, um das eine oder andere Sandkorn abzuschütteln. Es gelingt nicht ganz. Eines der Sandkörner ist in meinem rechten Auge gelandet. Es brennt höllisch. Ich halte es aus, ohne mich zu bewegen. Lange wird er ja wohl nicht dort oben stehen. Er sucht mich, glaubt, mir dicht auf der Spur zu sein. Ist er ja auch. Dichter, als er ahnt. Aber er darf keine Zeit verlieren, muss sich entscheiden, in welche Richtung er mich weiterverfolgen will. Solange werde ich mich nicht rühren. Unter gar keinen Umständen. Ich halte es aus. Das Auge brennt, die Nase juckt, in meinem Rücken zwickt etwas. Mein Fuß kribbelt. Nicht daran denken. Ich halte das aus. Es kann nicht lange dauern. Rettung müsste unterwegs sein. Ich habe mich in der Zentrale gemeldet und mitgeteilt, wo sie meinen Verfolger finden können. Er ist einer der wichtigsten Größen der Organisierten Kriminalität, Chef eines international agierenden kriminellen Clans. Sie nennen ihn alle nur den »Boss«. Niemand – nicht einmal wir – kennt seinen richtigen Namen. Zehn verschiedene Namen hat die Zentrale registriert, unter denen er international bisher tätig war. Keiner davon stimmt natürlich. Aber wir wissen, was er alles getan hat. Nur: Wissen und beweisen sind zwei unterschiedliche Dinge. Sein mutmaßliches Strafregister ist unendlich. Seit zwei Jahren ist ihm der Geheimdienst auf den Fersen, aber ständig fehlt es an Beweisen, oder Zeugen verschwinden, oder der Boss taucht immer wieder in letzter Sekunde unter.

Deshalb wurde ich zu Beginn der Sommerferien kurzfristig auf ihn angesetzt. Ich hab mich dann als »Schülerreporter im Ferienprojekt« an eines seiner Unternehmen herangemacht: eine kleine Fabrik für Sportkleidung. Oder besser gesagt: Manufaktur. Alles Handarbeit. Tatsächlich produzieren sie hochwertige Sportschuhe. Trotzdem handelt es sich in Wahrheit wohl eher um eine Geldwaschanlage. Und ich hatte tatsächlich Erfolg, habe ihn aufgespürt; mich dabei leider aber erwischen lassen wie ein Amateur. Ich hatte gerade seinen Safe geöffnet, da betrat er sein Büro. Ich hab ihn einfach nicht kommen hören. Zu sehr war ich damit beschäftigt, seine geheimen Akten durchzusehen. Statt sie einfach einzustecken, abzuhauen und später zu lesen. Nein, ich fange an, dort vor dem geöffneten Safe erst mal alles in Ruhe durchzublättern. So etwas Dämliches.

In letzter Sekunde konnte ich dann noch durchs Fenster entwischen. Deshalb ist er nun hinter mir her. Aber er verfolgt ein Phantom. Denn er kennt mich nicht; nur als Schatten, dem er nun nachrennt. Er weiß nicht, wer ich bin, und vor allem nicht, dass ich erst zwölf Jahre alt bin.

Ja, ihr habt richtig gehört. Ihr wollt wissen, wieso ich im Alter von zwölf Jahren schon Geheimagent bin?

Oh, hatte ich das noch nicht erwähnt? Ja, ich bin Geheimagent.

So geheim, dass es mich praktisch gar nicht gibt. Denn niemand weiß von mir und den anderen. Außer einer äußerst kleinen, streng geheimen Unterabteilung des Geheimdienstes, die es offiziell auch gar nicht gibt. Dort gibt es einen Verantwortlichen für Agententätigkeiten, den alle nur den »Prof« nennen, wie »Professor«. Ein netter, schneidiger, freundlicher, aber strenger Herr, glattrasiert mit Kurzhaarschnitt, akkurat gescheitelt. Vielleicht so alt wie mein Vater, also vierzig. Dieser Prof also gewann eines Tages die Erkenntnis, dass Kinder als Agenten deutlich unauffälliger agieren könnten als Erwachsene; somit leichter irgendwo einzuschleusen wären und sich viel schneller Vertrauen erwerben könnten. Wer misstraut schon einem Kind?

Ehrlich: Wenn ich euch auf dem Schulhof begegne, wer von euch würde mir abnehmen, dass ich ein echter Geheimagent bin? Niemand. Eben! Und von den Erwachsenen erst recht keiner. Also hat der Prof recht: Kinderagenten können erheblich effektiver operieren als Erwachsene. Denn niemand würde je vermuten oder auch nur ansatzweise glauben, dass ein Staat wie Deutschland Kinder zu Agenten ausbildet. Jeder würde das abstreiten. Auch die Regierung. Aber es gibt uns trotzdem. Und niemand weiß von uns. Auch nicht, dass es uns Kinderagenten nicht nur in Deutschland gibt, sondern in vielen europäischen Staaten: Frankreich, England, Schweden, Italien … Eine kleine, geheime Elitetruppe. Zusammen gerade mal ein Dutzend Kinder, speziell und gründlich ausgebildet, jederzeit bereit für außerordentlich brisante Aufträge, um das Land zu schützen oder gar gleich ganz Europa oder die Welt zu retten.

Echt wahr.

Und genau deshalb liege ich jetzt hier im Lüftungsschacht und werde von einem der übelsten und gefährlichsten Verbrecher Europas verfolgt. Ich muss ausharren. Nur einen Moment noch. Um mich nicht zu bewegen, muss ich mich irgendwie ablenken, an etwas anderes denken. Zum Beispiel, euch etwas über mich erzählen. In Gedanken nur. Denn schreiben oder diktieren kann ich nicht hier im Lüftungsschacht.

Also weiter: Im wahren Leben heiße ich Billy Schneider. Ich bin so unscheinbar wie mein Name. Kurze, braune Haare, schlank, keine besonderen Merkmale. In Wahrheit durchtrainiert und athletisch, was ich aber meist zu verbergen versuche. Im Alltag trage ich gewöhnliche Kaufhausklamotten. Massentauglich eben, wie mein Name. Billy, ja, so wie das Ikea-Regal, weil meinen Eltern kein besserer Name eingefallen war. Ne, ist klar. Sie hatten ja auch nur neun Monate Zeit, sich einen Namen für mich auszudenken. Na ja, gut, wenn wir schon dabei sind: Genau deshalb konnte ich letztlich auch nur Agent werden. Meine Eltern sind – ich muss es leider so sagen – nicht die Hellsten. Ist ja nicht schlimm. Dafür sind sie echt nett und lieben mich. Aber sie sind eben nicht besonders klug oder gebildet. Auch nicht ausgesprochen fleißig, ehrlich gesagt. Aber nett und herzlich eben. Und dadurch, dass sie immer nur Hilfsjobs haben und immer wieder arbeitslos werden, sind sie leider auch hochverschuldet. Gewesen. Genau deshalb haben sie das Angebot vom Geheimdienst angenommen. Seit ich Agent bin, wird meinen Eltern alles von dem bezahlt: Miete, Heizung, Kleidung, Lebensmittel, Urlaubsreisen, einfach alles. Wie im Schlaraffenland.

Deshalb habe ich den »Job« auch sofort angenommen. Okay, vor allem auch, weil es mir riesigen Spaß macht. Ich liebe es gefährlich und wollte schon immer ein Superheld sein! Meine Eltern haben schließlich nach einigen Wochen Bedenkzeit auch zugestimmt. Anders wäre es nicht gegangen. Aber eigentlich wissen sie doch nichts so richtig, wie schon erwähnt. Nur, dass ich Agent bin, aber nicht, was ich eigentlich genau mache.

Billy Schneider also mein Name. Agentenname Liam. Codenummer 01-17-23. Unterstellt der Abteilung YAG – YOUNG AGENTS GERMANY – in Berlin, stationiert dort, wo ich wohne: in Hamburg. YOUNG AGENT des europäischen Projekts »Milestone«.

Mein Auge brennt noch immer, so wie meine Nase auch noch juckt und in meinem Rücken etwas zwickt und mein Fuß kribbelt. Einbildung. Ich weiß das. Alles Einbildung. Trotzdem brennt, juckt, zwickt und kribbelt es immer noch. Nicht daran denken. Ich halte es aus. Es kann nicht mehr lange dauern. Fünf Minuten steht er schon da oben, schätze ich. Direkt über mir.

Plötzlich funkt mir Glut ins Gesicht. Ich muss aufpassen, nicht laut aufzuschreien. Er hat einen Zigarettenstummel auf den Rost geworfen. Zum Glück verzichtet er darauf, die Kippe auszutreten. Beim Austreten schaut man hinunter. Hätte er hinuntergeschaut, hätte er mich gesehen. Er aber hat die Kippe nur achtlos auf den Rost geworfen und geht.

Und geht!

Einerseits gut, dann komme ich endlich hier raus.

Andererseits: Wo bleiben die Leute von der Zentrale? Zumindest einen Streifenwagen hätten sie schicken müssen. Besser aber gleich das Sondereinsatzkommando (SEK). Der Boss darf nicht entkommen! Sonst war alle Mühe vergebens. Meine ganzen Schulferien habe ich darangesetzt, ihn aufzuspüren, und serviere ihn jetzt auf dem Silbertablett, wie man so sagt. Okay, das silberne Tablett ist in Wahrheit ein Aluminiumgitterrost, unter dem ich liege. Aber bitte, was wollen die mehr? Nur: Wo bleiben sie, verdammt?

Trotzdem: Ich warte noch. Bin nicht so blöd, sofort aus meinem Versteck hervorzukriechen und ihm in die Arme zu laufen. Ich hätte zwar immer noch eine Chance zu fliehen. Aber dann könnte er mich erkennen, sehen, dass ich ein Kind bin. Damit würde ich nicht nur mich, sondern die gesamte geheime, internationale Abteilung von Kinderagenten gefährden. Denn unsere Stärke liegt darin, dass niemand von uns weiß.

Also bleibe ich noch liegen. Unentdeckt.

Plötzlich Schritte. Kommt der Boss zurück?

Ich halte den Atem an. Sehe wieder Schuhsohlen über mir. Aber dieses Mal andere. Ich erkenne das sofort am Profil. Nun sehe ich auch den ganzen Mann, der in den Schuhen steckt. Es ist der Prof!

Ist er allein? Jedenfalls unterhält er sich mit niemandem. Gerade will er wohl wieder gehen. Seine Füße setzen sich in Bewegung.

»Halt!«, rufe ich. »Hier bin ich!«

Die Füße halten still. Drehen sich. Der Prof sucht nach mir.

»Hier unten! Unter dem Rost!«

Der Prof sieht auf mich herab, geht einen Schritt zurück, vom Rost herunter, blickt sich vorsichtig zu allen Seiten um und hilft mir dann aus meinem Versteck heraus.

Ich erhebe mich wie ein Zombie aus dem Grab, schaue mich um.

»Wo ist er?«, frage ich.

»Wer?«, fragt der Prof.

»Na, der Boss!«, antworte ich. »Darum ging es doch. Sie sollten den doch festnehmen!«

»Hier war niemand, als ich kam«, sagt der Prof.

Etwas weiter entfernt sehe ich einen Mannschaftswagen des SEK. Um ihn herum stehen einige Beamte in voller Kampfmontur. Sie scheinen auf einen Einsatzbefehl zu warten. Aber sonst ist niemand zu sehen. Neben mir nur der einsame kleine Dorffrisörladen, der heute geschlossen hat und unter dessen Gitterrost vor dem Eingang ich mich versteckt hatte.

»Dort entlang«, sagt der Prof. Er breitet seinen Trenchcoat aus, damit ich vor den Blicken der SEK-Beamten geschützt bin. Auch sie sollen uns Kinderagenten nicht sehen.

»Das kann doch nicht sein!«, sage ich entsetzt. »Eben war er doch noch hier! Vor nicht einmal zwei Minuten. Der kann doch nicht spurlos verschwunden sein. Sie müssen ihn doch gesehen haben!«

Der Prof schüttelt bedauernd den Kopf. Dann sieht er sich besorgt um.

Ich weiß, was er denkt: Hoffentlich beobachtet uns der Boss nicht aus irgendeinem Versteck heraus. Er darf mich auf keinen Fall entdecken.

»Da vorn in den Wagen«, fordert der Prof mich auf.

Im Film fahren die Geheimdienstchefs ja immer fette, dunkle Limousinen. Irgend so ein teures Teil. Aber das wäre viel zu auffällig. Auffälliger als Schlapphut und Sonnenbrille, mit denen man sich Agenten immer so vorstellt.

Nein, der Prof ist mit einem einfachen alten Kombi gekommen. Es soll von außen aussehen, als hätte ein Vater seinen Sohn unterwegs eingesammelt. Wahrscheinlich sieht es wirklich so aus.

Ich steige ein. Innen allerdings hat der Wagen mit einem einfachen Familienauto fast nichts mehr gemein. Ich setze mich auf den Rücksitz, ziehe eine in der Rückenlehne des Beifahrersitzes verborgene Klappe herunter, auf der sich eine Tastatur befindet, und schaue auf einen Computerbildschirm, auf dem sich sofort ein virtueller Assistent meldet. Ich bin bereit, meinen Bericht zu diktieren, während der Prof sich ans Steuer setzt und mich als mein vermeintlicher Vater nach Hause kutschiert.

Der Kernsatz meines Berichts ist bitter und ernüchternd. Er lautet: »Wir haben den Bosswieder nicht erwischt.«

EIN NEUER AUFTRAG

Ich bin todmüde. Es war nicht nur äußerst anstrengend, gestern dem Boss gerade noch so entkommen zu sein, sondern insgesamt liegen sechs knallharte Wochen hinter mir. Heute ist der erste Schultag nach den Sommerferien, die die meisten sichtbar genossen haben. Ausgeruht, lärmend und voller Tatendrang sind sie heute alle in die Schule geströmt. Ich hab mich hierhergeschlichen, mich an meinen Platz gesetzt und gleich den Kopf auf die Tischplatte gelegt. Ich bin fix und fertig.

»Billy?«

Irgendwo aus der Ferne hab ich meinen Namen gehört. Hat da gerade jemand gerufen?

»Billy!«

Ich schrecke hoch. Oh, verdammt, ich bin wohl eingeschlafen! Meine Mitschüler grinsen mich an.

Frau Lornsen kommt einen Schritt auf mich zu. »Was habe ich gerade gesagt?«

Offenbar hat der Unterricht schon begonnen. Ich habe nicht mal bemerkt, dass Frau Lornsen den Raum betreten hat. Mein Blick huscht an ihr vorbei zum Whiteboard. Darauf ist eine Landkarte projiziert. Ohne Beschriftung. Aber die Form der Karte ist unverkennbar: Kontinent Afrika. Ein Land darauf ist farblich markiert: Nigeria. Also antworte ich mal auf gut Glück, indem ich die wichtigsten Daten des Landes herunterrattere: »Nigeria, amtlich Federal Republic of Nigeria, ist ein Bundesstaat in Westafrika, der an den Atlantik und die Länder Benin, Niger, Tschad und Kamerun grenzt. Es ist mit über 190 Millionen Einwohnern mit Abstand das bevölkerungsreichste Land Afrikas und weltweit das Land mit der siebtgrößten Bevölkerungsanzahl. Nigerias Hauptstadt ist Abuja, seine bei Weitem größte Stadt ist Lagos mit rund zehn Millionen Einwohnern.«

Frau Lornsen zieht ihre blassblonden Augenbrauen zu einem kritischen Blick zusammen.

»Glück gehabt«, sagt sie drohend. »Alles richtig.«

Sie dreht ab und widmet sich wieder dem Whiteboard, dem sie nun Beschriftungen auf der Karte hinzufügt.

»Nicht schlecht!«, kommentiert Gonzo hinter mir. Gonzo heißt natürlich nicht wirklich so, sondern in Wahrheit Walter. Aber mit seiner überlangen Nase und seinem wirren Haarschnitt hat er ziemliche Ähnlichkeit mit dieser Figur von den Muppets, sodass ihn irgendwann mal jemand so getauft hat. Gonzo ist der Arsch der Klasse. Zeigt irgendein Schüler mal eine Schwäche, ist Gonzo grundsätzlich als Erster zur Stelle, der das ausnutzt, mobbt, ärgert und sich auf Kosten des Schwachen vergnügt. Leider machen dann meist viele mit. Und leider bin ich es oft, den Gonzo sich zum Opfer auserkoren hat. Und so wiederholt Gonzo die Drohung der Lehrerin, indem er mir zuzischt: »Glück gehabt.«

Es wäre natürlich ein Kinderspiel für mich, Gonzo in einer Pause abzugreifen, ihm eine Tracht Prügel zu verpassen, die er nie wieder vergisst, und somit seinem Mobbing und seinen Sticheleien ein für allemal ein Ende zu setzen. Aber genau das darf ich nicht. Keiner darf von uns Kinderagenten erfahren. Und deshalb darf niemand auch nur ansatzweise meine besonderen Fähigkeiten erkennen, die ich mir in einem drei Jahre dauernden Spezialtraining angeeignet habe. In diesem Punkt also habe ich meinen Traum erfüllt, eine Art Superheld zu sein. Aber leider nur die negative Seite des Superhelden: den Clark Kent des Superman, den Peter Parker des Spiderman. Leider nicht den Bruce Wayne des Batman, denn der ist im Alltagsleben ja wenigstens ein reicher und smarter Geschäftsmann. Nein, ich spiele im Alltag den »Loser«, »die Flasche«, wie Gonzo es ausdrückt, weshalb er auch mit Vorliebe mich als sein Opfer auswählt.

Okay, besser mich, als wenn er sich andere, wirklich Schwächere ausgucken würde. Lieber mich, der sich nicht wehren darf, als einen, der sich nicht wehren kann. Trotzdem: Es nervt, und öfter als mir lieb ist, juckt es mir in den Fingern, Gonzo mal einen richtigen Denkzettel zu verpassen.

Im Moment habe ich ja angeblich »Glück gehabt«, sodass er mich zufriedenlässt.

Aber natürlich war das alles andere als Glück. Ich weiß über die Welt Bescheid. Ich hätte fast mal einen Einsatz gehabt gegen eine kriminelle Organisation in Europa, die in Verbindung stand mit dem Menschenhandel in Nigeria. Aber das hat dann doch Naomi übernehmen müssen. Sie hatte es mit ihrer dunklen Hautfarbe leichter, sich in den Clan einzuschleusen. Naomi ist natürlich auch nur ein Agentenname, so wie ich »Liam« genannt werde. Liam bedeutet übrigens soviel wie »entschlossener Beschützer« und kommt vom irischen Namen William, oder, wenn man so will, vom deutschen »Wilhelm«. Man könnte mich also ebenso gut Willi nennen.

Naomi kenne ich von der Agentenschule. Sie ist der YOUNG AGENT in Paris. Und ich muss gestehen: Mit ihr wäre ich sehr gern mal gemeinsam im Einsatz. So aber habe ich sie seit der Agentenschule nicht mehr gesehen. Über Smartphone-App oder Internet darf ich mit ihr auch nicht in Verbindung bleiben, wenn wir keinen Einsatz haben. Blöd. Ich würde sie wirklich gern mal wiedertreffen. Naja, jedenfalls hat sie wohl ihren Einsatz »Menschenhandel/Nigeria« erfolgreich beendet, soweit ich es mitbekommen habe.

»Hey, Bratzbirne!« Gonzo schlägt mir mit der flachen Hand auf den Hinterkopf.

Ich war schon wieder so sehr in meine Halbschlafgedanken verfallen, dass ich das Ende des Unterrichts gar nicht mitbekommen habe. Alle rennen raus in die Pause. Nur ich sitze noch auf meinem Platz und habe schon wieder Gonzo am Hals.

»Schläfst du, Bratzbirne?«, geifert er mich an. »Ist Pause! Raus hier!«

Er zieht mich am Kragen hoch. In Bruchteilen von Sekunden erkenne ich seine schwachen Stellen. Ein kurzer Schlag an seine ungedeckte Halsschlagader, und Gonzo würde umkippen wie eine getroffene Schießbudenfigur auf dem Jahrmarkt. Aber ich darf nicht. Also beuge ich mich seinem Befehl, stehe langsam auf und tue so, als würde er mich tatsächlich am Kragen hochziehen.

»Du bist doch auch noch hier drinnen, Gonzo!«, erwidere ich.

Gonzos breites Gesicht läuft sofort rot an. Er hasst es nämlich, Gonzo genannt zu werden.

»Wie hast du mich genannt?«, faucht er, holt aus und will mir eine schallende Ohrfeige verpassen. Das lasse ich dann doch nicht zu. Mit einer schnellen Bewegung ziehe ich meinen Kopf zurück, Gonzo schlägt ins Leere, verliert durch seinen eigenen Schwung das Gleichgewicht. Ich brauche nur einen Schritt beiseitezutreten, und Gonzo fällt über meine Stuhllehne, will sich daran noch festhalten, doch der Stuhl rutscht weg. Gut, ich gebe zu, ich habe dem Stuhl einen leichten Tritt versetzt. Gonzo schlittert jedenfalls mit dem Stuhl einen Meter weit, bis er völlig den Halt verliert und bäuchlings auf dem Boden landet.

»Hoppla!«, sage ich, steige über ihn hinweg und gehe zur Tür.

Während Gonzo sich wutschnaubend aufrappelt, drehe ich mich kurz um und rufe ihm zu: »Ist Pause! Raus hier!«

Gonzo schnaubt wie ein Stier, senkt wie ein solcher den Kopf und stampft auf mich zu. Ich hüpfe hinaus, knalle die Tür hinter mir zu und höre nur dumpf von außen, wie Gonzo innen dagegen donnert.

Zufrieden gehe ich Richtung Schulhof.

Als Gonzo aus dem Klassenraum gerast kommt, bin ich bereits in der Schülermenge verschwunden. Ich hole mir einen Kakao, setze mich auf die Bank auf dem Schulhof und blinzle in die Sonne. Ein herrlicher Sommertag. Viel zu schade, um an einem solchen Tag seinen Schlaf nachzuholen.

Ich höre, wie sich neben mir einige Mädchen aus meiner Klasse mit einigen Jungs für den Nachmittag im Schwimmbad verabreden.

»Hey, ich würde gern mitkommen!«, rufe ich ihnen zu.

Nelly, eines der nettesten Mädchen aus meiner Klasse, schaut zu mir rüber und runzelt die Stirn. »Du?«, fragt sie. »Ich hab dich in den ganzen Ferien nicht im Schwimmbad gesehen.«

»Ich war verreist«, antworte ich zu meiner Entschuldigung, die ja nicht einmal gelogen ist.

»Verreist?« Torben, einer der Jungs, die bei Nelly und ihren Freundinnen herumlungern, lacht. »Wo denn? In Grönland? Seht mal, wie blass der ist. Du hast doch die ganzen sechs Wochen keine Sonne gesehen!«

»In Grönland kann man auch einen Sonnenbrand kriegen!«, teile ich ihm mit, worauf Nelly mich noch verwunderter anschaut.

»Wie jetzt? Du warst echt in Grönland?«

Für einen Moment überlege ich, ob ich nicht einfach Ja sagen soll, denn das wäre doch eine feine Ausrede dafür, dass mich sechs Wochen lang niemand im Stadtteil gesehen hat.

Stattdessen grinse ich Nelly nur an und sage: »Beinahe hätte ich dir einen Schlittenhund mitgebracht.«

Nelly lächelt süß und sagt: »Du Spinner! Also, heute Nachmittag um vier am Eingang.«

Zack, ich habe eine Einladung zum Schwimmbad. Super!

Auch wenn Torben nörgelt. »Der Langweiler?«

Nelly schaut ihn mahnend an, und Torben gibt nach: »Von mir aus.«

Einige Stunden später suche ich zu Hause meine Badehose. Und kann sie ums Verrecken nicht finden. Die muss doch da sein! Ich zerre die oberste Schublade aus meiner Kommode, in der alle meine Unterhosen und Socken deponiert sind, und kippe sie auf dem Boden aus. Okay, ich stelle fest, in der Schublade befindet sich erheblich mehr als nur Socken und Slips. Auch eine Fliege, die ich Weihnachten hätte tragen sollen, aber nicht finden konnte; zwei alte, lang vermisste Mathehefte, drei Comics, ein abgenutztes und leider leeres Portemonnaie, ein Taschenmesser, das ich schon seit einiger Zeit suche und nun in meine Hosentasche stecke. Das ist auch so eine Sache. Als Geheimagent verdiene ich richtig viel Geld. Aber was hab ich davon? Nichts! Weil ich erst zwölf Jahre alt bin, und auch, weil es nicht auffallen soll, wird all mein Geld auf einem Sperrkonto des Geheimdienstes gebunkert, auf das ich frühestens mit Beginn meiner Volljährigkeit Zugang habe. Na toll!

Es blinkt. Das Trikot meines angeblichen Lieblingsfußballers Ronaldo auf dem eingerahmten und sogar signierten Poster ändert seine Farbe von Weiß (es ist ein altes Foto aus Madrid) in Rot (das Nationaltrikot von Portugal). Ich weiß, was das bedeutet: Der Prof ruft.

Oh nein. Ich hatte nicht einmal einen einzigen Nachmittag zum Verschnaufen. Vor weniger als 24 Stunden lag ich noch in dem Lüftungsschacht, bin gestern vor lauter Aufregung erst sehr spät in der Nacht eingeschlafen, dafür heute im Unterricht umso öfter und schneller, und jetzt, da ich nach sechs Wochen Ferien, die für mich keine waren, das erste Mal mit den anderen ins Schwimmbad gehen will, ruft mich der Prof! Scheiße.

Ich überlege, ob ich es einfach ignorieren soll. Haha. Geht natürlich nicht. Ich weiß, dass die Zentrale mich durch Ronaldos Augen hindurch sehen kann. Deshalb ist das Poster eingerahmt. Der Rahmen ist nichts anderes als ein vollständiger, getarnter Geheimcomputer mit Überwachungskamera.

»Ja«, murmle ich. »Bin schon unterwegs.«

Im selben Augenblick öffnet sich meine Zimmertür und mein Vater schaut herein.

»Hast du gerufen?«

»Nein, alles in Ordnung, Paps!«

Mein Vater schaut auf die Unterhosen und Socken auf dem Boden. »Räumst du auf?«

»Äh, nein. Ich will ins Schwimmbad und suche meine Badehose.«

»Auf dem Balkon, auf der Leine«, informiert mich mein Vater.

»Wieso das denn?«, frage ich. Ich hab die sechs Wochen lang nicht benutzt.

»Mama hat dir eine neue gekauft. Du weißt ja, neue Sachen wäscht sie immer erst einmal durch«, erläutert mein Vater.

»Und wo ist meine alte?«, frage ich nach.

Mein Vater zuckt mit den Schultern. »Wohl entsorgt. Mama meinte, die wäre dir inzwischen zu klein.«

Oh Mann! Nichts gegen liebevolle Fürsorge, aber manchmal … Meine alte Badehose war nämlich tipptopp.

Als ich meine neue Badehose von der Wäscheleine auf dem Balkon holen will, glaube ich, mich trifft der Schlag.

»Die ist rosa! Mit ’ner ›Hello Kitty‹-Fratze drauf!«, kreische ich entsetzt.

Plötzlich steht meine Mutter an der Balkontür. »Gefällt sie dir nicht? Die war teuer, weil, ist ja ein Markenartikel, und …«

»Mama! Das ist ’ne Mädchenhose!«, stelle ich klar.

Meine Mama winkt ab. »Ach, heutzutage unterscheidet man doch gar nicht mehr zwischen Jungs und Mädchen. Das ist doch ganz unmodern.«

»MAMA!« Fast werde ich hysterisch. »Ich unterscheide da sehr wohl! Und außerdem: Die Mädchen, die ich kenne, fänden die Hose auch schrecklich!«

»Du findest sie schrecklich?« Der beleidigte Ton meiner Mutter ist nicht zu überhören. »Dann tausche ich sie um.«

»Gib mir einfach meine alte zurück«, bitte ich und drücke meiner Mutter entschuldigend ein Küsschen auf die Wange.

»Die hab ich deinem Cousin geschenkt«, beichtet meine Mutter.

Himmel! Aber ich hab keine Zeit mehr. Dann muss ich mir eben in der Zentrale eine besorgen. Da bekomme ich natürlich nur eine Spezial-Badehose mit etlichen Geheimfunktionen, aber was soll’s …

»Okay. Ich besorg’ mir selbst eine. Ciao, Mama. Und nicht böse sein.« Ich drücke ihr ein weiteres Küsschen auf die Wange und düse aus der Wohnung.

Meine Eltern erfahren nichts von den Einsätzen, zumindest nichts Genaues. Am besten ist, wenn sie gar nichts wissen.

Als ich schon fast die erste Etage hinter mir habe, ruft mir mein Vater hinterher.

»Was gibt’s?«, frage ich die Treppe hinauf.

»Handtuch!«, ruft mein Vater und wirft mir ein Badetuch hinunter.

»Danke!«, rufe ich und renne die restlichen sieben Stockwerke hinunter.

Fahrstühle sind im Einsatz zu vermeiden!, hieß es in einer Lektion unserer Ausbildung. Es wäre einfach zu blöd, wenn man zu einem wichtigen Einsatz zu spät käme, weil man in einem Fahrstuhl stecken geblieben ist.

Also tipple ich alle acht Stockwerke zu Fuß die Treppen hinunter. Ist ja auch gleichzeitig ein gutes Training. Ehrlich gesagt finde ich, wenn der Geheimdienst meinen Eltern schon alles bezahlt, dann hätten sie uns auch ein kleines Häuschen mit Garten zur Verfügung stellen können. Schließlich riskiere ich ja auch einiges bei meiner Agententätigkeit, und meine Eltern hätten es sowieso verdient. Aber der Geheimdienst meint, eine Wohnung im achten Stock eines zwölfstöckigen Hochhauses mitten in einem sozialen Brennpunkt wäre unauffälliger. Wenn die wüssten! Hier im Stadtteil ist manches viel komplizierter, als es in einer ruhigen, beschaulichen Einzelhaussiedlung gewesen wäre.

Unten angekommen, trete ich aus der Haustür und gehe nur wenige Schritte, als sich plötzlich vor mir eines dieser Probleme des Stadtteils aufbaut, eine muskulöse Wand in Lederjacke: Murat. Och nö, ich hab’s doch gesagt! So jemand wie Murat begegnet einem in der Einzelhaussiedlung bestimmt nicht. Murat ist noch schlimmer als Gonzo, außerdem drei Jahre älter, also fünfzehn, und ein totaler Spinner. Murat prahlt gern damit, dass er Türke sei. Vermutlich hält er das in seiner Gang, mit der er normalerweise hier herumlungert, für wichtig. Das Lustige daran ist, dass Murat selbst in Wahrheit gar kein Türke ist, sondern Deutscher. Hier geboren, seine Eltern haben seit fast zwanzig Jahren deutsche Pässe, Murat spricht kaum ein Wort Türkisch und war auch noch nie in der Türkei. Im Gegensatz zu mir übrigens: Sowohl in Istanbul als auch in Ankara hatte ich schon kurze Trainingseinsätze. Und war sogar auch schon mal mit meinen Eltern am Iztuzu-Strand in Dalyan. Da war ich aber noch kleiner und noch kein YOUNG AGENT.

Im nächsten Abschnitt der Agentenakademie im Winter muss ich übrigens Türkisch und Arabisch lernen. Da wird Murat staunen, wenn ich ihm was auf Türkisch erzähle! Bisher kann ich einigermaßen gut Englisch, Spanisch und Französisch.

Murat ist auch der einzige Durchgeknallte in seiner Familie. Seine Eltern sind total in Ordnung, seine vier Geschwister auch: zwei Brüder und zwei Schwestern. Zwei sind älter, zwei jünger. Und alle deutlich klüger als Murat.

»Ey, Digger. Wohin?«, fragt Murat.

»Ich? Ins Einkaufszentrum. Da gibt’s ab vier Uhr eine Stunde lang Gratis-Eis. Wegen der Hitze. Wusstest du das nicht?«

»Echt, Digger?«, fragt Murat erstaunt.

Ich deute zwei Schritte Richtung Einkaufszentrum an.

Wie ich mir gedacht habe, stellt sich Murat mir in den Weg.

»Du nicht!«, befiehlt er.

»Wieso nicht?«

»Weil ich es sage!«, sagt Murat entschlossen. »Los, du gehst da lang!«

Er zeigt in die entgegengesetzte Richtung.