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Zahlen, obwohl auf den ersten Blick höchst abstrakte Gebilde, haben eine Geschichte. Man sieht das etwa an der Null, die in Indien erfunden wurde, von wo aus sie im Mittelalter ihren Siegeszug antrat, der sie über Arabien nach Europa führte. Zahlen halten sich aber auch an Gesetze und - sie haben ihre Geheimnisse. So fundamental wie rätselhaft für die Mathematik sind bis heute etwa die Primzahlen: 2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19, 23, ...
Der bekannte Mathematiker Albrecht Beutelspacher legt mit diesem Band eine kleine, unterhaltsame Zahlenkunde für Nichtmathematiker vor.
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Albrecht Beutelspacher
Geschichte, Gesetze, Geheimnisse
C.H.Beck
Der bekannte Mathematiker Albrecht Beutelspacher legt mit diesem Band eine kleine Zahlenkunde für Mathematiker und Nichtmathematiker vor. Er zeigt,
– welchen Reichtum an Erfahrungsmöglichkeiten die Zahlen bieten,
– was man alles mit Zahlen beschreiben kann,
– welche erstaunlichen Anwendungen Zahlen haben,
– welche Zahlen besonders faszinierend sind und
– welche Geheimnisse die Zahlen immer noch in sich bergen.
Darüber hinaus gibt er Antworten auf jene Frage, mit der man bis heute jeden Mathematiker leicht in Verlegenheit bringen kann: «Was ist eigentlich eine Zahl?»
Albrecht Beutelspacher war bis 2018 Professor für Mathematik an der Universität Gießen. Das von ihm gegründete Mathematikum ist das erste mathematische Mitmachmuseum der Welt. Beutelspacher erhielt mehrere renommierte Auszeichnungen und ist bekannt dafür, Mathematik unterhaltsam und spannend zu präsentieren. Im Verlag C. H. Beck sind von ihm lieferbar: Albrecht Beutelspachers Kleines Mathematikum (32010), Geheimsprachen (Beck Wissen, 52012), Wie man in eine Seifenblase schlüpft. Die Welt der Mathematik in 100 Experimenten (2015) sowie Null, unendlich und die wilde 13. Die wichtigsten Zahlen und ihre Geschichten (42020).
Vorwort
1. Natürliche Zahlen
1.1 Zählen
1.2 Eigenschaften von Zahlen
1.3 Magische Quadrate
1.4 Primzahlen
1.5 Von Pythagoras zu Fermat
1.6 Was sind natürliche Zahlen?
1.7 Anwendung: Kryptographie
2. Zahlendarstellungen
2.1 Wie hat man früher Zahlen geschrieben?
2.2 Abakus und Rechentisch
2.3 Das Dezimalsystem
2.4 Teilbarkeitsregeln
2.5 Binärzahlen
2.6 Anwendung: Strichcodes
3. Rational und irrational
3.1 Gebrochene Zahlen
3.2 Verhältnisse
3.3 Rationale Zahlen
3.4 Irrationale Zahlen – die erste Krise der Mathematik
3.5 Dezimalbrüche
4. Transzendente Zahlen
4.1 Die geheimnisvollste Zahl
4.2 Grenzwerte
4.3 Wie viele transzendente Zahlen gibt es?
5. Imaginär und komplex
5.1 Lineare Gleichungen
5.2 Quadratische Gleichungen
5.3 Das Drama um die Gleichung dritten Grades
5.4 Die Tragödie um die Gleichung fünften Grades
5.5 Alle Gleichungen sind lösbar!
Literatur
«Was ist eigentlich eine Zahl?» Es gibt kaum etwas, womit man einen Mathematiker so leicht in Verlegenheit bringen kann, wie mit dieser simplen Frage.
Man denkt: Wenn die Mathematiker etwas wissen müssen, dann zumindest, was eine Zahl ist. Denn sie beschäftigen sich doch die ganze Zeit mit Zahlen!
Aber jede Mathematikerin und jeder Mathematiker wird bei dieser Frage zunächst leicht verlegen werden, dann so etwas murmeln wie «Das ist nicht so einfach, wie Sie denken» und eigentlich am liebsten die Antwort verweigern. Nach einiger Zeit wird sie bzw. er aber zugeben müssen, keine wirkliche Antwort zu wissen.
Skandalös: Die einfachste Frage an die Mathematik bleibt ohne Antwort!
Das liegt daran, dass diese Frage keine Antwort hat. Jedenfalls keine einfache. Und auch nicht nur eine. Das vorliegende Büchlein versucht nicht nur zu erklären, was eine Zahl ist, sondern gibt dabei auch eine Antwort auf die Frage, warum es keine einfache Antwort auf die Frage «Was ist eine Zahl?» gibt.
Natürlich wurde in der Geschichte der Mathematik immer wieder versucht zu sagen, was eine Zahl ist.
– Die griechischen Mathematiker der Antike sagten: Zahlen sind die natürlichen Zahlen 1, 2, 3, 4, 5, … Immerhin wussten sie schon: Zahlen gibt es ohne Ende.
– Bald merkte man, dass man auch gebrochene Zahlen benötigt. Man musste Objekte halbieren oder in drei gleich große Teile teilen; also entstand der Bedarf nach Zahlen wie ½ und Die Kaufleute des Mittelalters waren durch den täglichen Gebrauch von Brüchen der Überzeugung, dass auch Brüche Zahlen sind.
– Viel länger brauchten die Menschen, bis sie auch negative Zahlen, also −1 und −5, als Zahlen anerkannten.
– Schon die griechischen Mathematiker waren über Zahlen wie und gestolpert. Manche dieser Zahlen «existieren», weil man sie geometrisch als Länge einer Strecke realisieren kann, aber «als Zahlen» boten die Wurzeln zunächst Verständnisschwierigkeiten.
– Dann tauchten auch so geheimnisvolle Objekte auf wie die Kreiszahl p oder die Euler’sche Zahl e. Diese waren wie erkaltete Meteore, die man auf der Erde fand. Man konnte sie betrachten und zu verstehen versuchen, aber man spürte auch, dass diese Zahlen Boten waren, die von fernen Welten kündeten und Repräsentanten einer riesigen Anzahl damals noch geheimnisvoller reeller Zahlen waren.
– Bei der «imaginären Einheit» i, die als Wurzel aus −1 definiert ist, hörte auch für viele Mathematiker der Spaß auf.
Es kann einem schwindlig werden. So viele verschiedene Zahlen! So viele unterschiedliche Sorten von Zahlen! Man reibt sich die Augen und fragt verwundert:
– Hört das eigentlich nie auf?
– Braucht man all diese Zahlen?
– Ist die Definition einer Zahl abhängig von der Zeit, in der sie gemacht wird?
Neben einigen Antworten auf die Eingangsfrage zeigt dieses Buch auch,
– welchen Reichtum an Erfahrungsmöglichkeiten die Zahlen bieten,
– was man alles mit Zahlen beschreiben kann,
– welche erstaunlichen Anwendungen Zahlen haben,
– welche Zahlen besonders faszinierend sind und
– welche Geheimnisse die Zahlen immer noch in sich bergen.
Die Zahlen sind freie Schöpfungen
des menschlichen Geistes,
sie dienen als Mittel,
um die Verschiedenheit der Dinge
leichter und schärfer aufzufassen.
Richard Dedekind, Was sind
und was sollen Zahlen? (1888)
Der Zahlensinn ist uns Menschen angeboren. Allerdings ist das nichts spezifisch Menschliches, auch Tiere haben einen Zahlensinn. Bei vielen höher entwickelten Tieren ließ sich nachweisen, dass diese mit Zahlen umgehen können: Sie können gleiche Anzahlen erkennen und größere Mengen von kleineren unterscheiden. Offenbar ist es ein Vorteil im Überlebenskampf, wenn man Mengen ihrer Größe nach unterscheiden kann.
Tiere haben einen Zahlensinn, aber sie können nicht zählen. Diese Aktivität ist an eine differenzierte Sprache gekoppelt und deshalb dem Menschen vorbehalten. Aber sie ist ihm nicht angeboren. Jeder Mensch muss das Zählen lernen. Das Zahlenverständnis eines Neugeborenen unterscheidet sich nicht wesentlich von dem eines Huhns. Wir kommen mit einer Fähigkeit, gewisse Mengen der Größe nach abschätzen zu können, auf die Welt. Alles andere müssen wir mühsam erlernen.
Wenn wir das nicht lernen, bleiben wir bei dem «eins, zwei, viele» stehen. Immer wieder wird von «primitiven» Völkern berichtet, die nur für die Zahlen Eins und Zwei Wörter haben.
Kleine Anzahlen können wir auf einen Blick erfassen. Bei fünf oder weniger Gegenständen gelingt es uns, die Anzahl zu bestimmen, ohne zu zählen. Bei größeren Anzahlen ist das nur möglich, wenn die Objekte als Muster angeordnet sind.
Spätestens als die Menschen sesshaft wurden, wurde es wichtig, größere Anzahlen exakt festhalten zu können. Es gibt einige spärliche Hinweise auf Zahlendarstellungen, die 20 000 bis 30 000 Jahre alt sind: Man hat Knochen gefunden, auf denen Zahlen in Form von zahlreichen Einkerbungen festgehalten wurden. Die ersten brauchbaren Systeme, mit denen man auch große Zahlen sinnvoll erfassen konnte, stammen von den Babyloniern (ca. 2000 v. Chr.; siehe Kapitel 2).