Zerstückelung - Michael Key - E-Book

Zerstückelung E-Book

Michael Key

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Beschreibung

Der Täter entfernte seinem Opfer bei vollem Bewusstsein den linken Arm. Er hatte aus der Betäubung eine Kunst gemacht. Seinen Cocktail aus Muskelrelaxanzien, Dopaminen und Ketaminen hatte er in vorherigen Tests immer weiter verbessert. Für ihn war es die größte Freude, denn er nährte sich am Leid des Anderen. Am wichtigsten war es, Kontakt zu halten. Nur so konnte er die negativen Gefühle, die Angst und die Verzweiflung als heilige Energie in sich aufnehmen. Tauche ein in die düstere Welt des menschlichen Abgrunds! In diesem packenden Thriller werden die tiefsten Geheimnisse der Seele offenbart. Was treibt uns an? Was formt unsere Identität? Und was geschieht in der dunkelsten Kluft unseres Wesens, wenn wir uns entschließen, uns auf das gefährlichste Spiel einzulassen? Erlebe die guten und die schlechten Seiten. Erlebe, was es heißt, Macht auszuüben und aufrechtzuerhalten; und auch, wie es ist, wie es sich anfühlt, zu morden! Ein Psychokiller, SiSa, eine Droge, geschaffen um zu töten, die Russenmafia, eine Kirche und ein Heilsbringer, verweben sich zu einer Komposition aus niederen Trieben und bewusst herbeigeführten Abgründen. Harry Bachbauer und sein Team von der Mordermittlung Abteilung 6 des LKA stehen vor einem Dickicht aus Korruption, Verschwörungen, tödlichen Verstrickungen und mysteriösen Verwicklungen. Während sie den bedrohlichen Rätseln auf den Grund gehen, kommen sie den dunkelsten Geheimnissen der menschlichen Natur gefährlich nah.

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Danksagung:

Ich möchte Ute und Alina herzlich für ihre wertvolle Unterstützung und die hilfreichen Kommentare bei der Korrektur dieses Buches danken. Ein besonderer Dank geht an meinen geliebten Schatz Roswitha für ihre Geduld und Nachsicht, während ich ihr von meinen verrückten Ideen erzählt habe.

Inhaltsverzeichnis

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Epilog

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Etwas war nicht, wie er es seit einigen Tagen gewohnt war. Etwas zerrte ihn mit Macht aus seinen Träumen. Nein, er wollte nicht!

Es war schöner in dieser immer gleichen, herrlichen Utopie zu verweilen. Es war der Traum der Einheit, der Glückseligkeit, des Gleichklangs. Es war jedes Mal so beglückend und paradiesisch gewesen.

Aber dieser unbarmherzige Sog war so stark. Da war Unangenehmes, was diese schöne Erinnerung wegfegte und das Eine, zarte, göttliche, ersetzte durch die harte, eiserne Realität, die ihn zurückforderte. Mit Macht. Es sickerte ein. In ihn. Erfüllte ihn immer drängender.

Und es war hell!

‚Etwas stimmt nicht!‘, kam es ihm in den Sinn, ‚etwas stimmte hier absolut nicht!‘. Er konnte es nicht mehr verhindern, konnte sich dem Sog nicht standhaft genug entgegenstellen, es zog und zog an ihm.

Er wachte auf. Es war hell, obwohl seine Lider geschlossen waren. Es war gleißend und so von Licht erfüllt, dass der Schein seine Lider rot durchdrang. Er schlug die Augen auf. Er öffnete sie weit und schloss sie sofort wieder. Er konnte nichts sehen, war geblendet, von dieser unbarmherzigen Lichtstärke direkt über ihm. Wo war er? Er schloss die Augen wieder, weil es schmerzte. Er wollte sich abwenden. Es funktionierte nicht. Sein Kopf gehorchte ihm nicht.

Er musste sich erst daran gewöhnen, sich zuerst durch einen kleinen Schlitz orientieren. Er öffnete die Augen wieder. Nur ein wenig, aber auch durch die enge Blickfuge war es zu hell. Er konnte den Kopf nicht abwenden, konnte ihn nicht wegdrehen. Was war los? Er versuchte, sich anders zurechtzufinden. Er konnte sich nicht bewegen. „Verdammt“, wollte er sagen. Es wurden nur ein Gedanke und ein komisches Geräusch daraus. Was war das? Etwas steckte in seinem Mund. Er betastete es so gut es ging mit der Zunge. Er versuchte, zu registrieren, was ihm die Innenseiten seiner Wangen übermittelten. War das ein Ball? Etwas Rundes war tief in seinem Mund. Es zwang ihn, ihn offen zu halten, drückte die Zunge herunter. Da steckte was in dem Ball, das ihn tief hielt und von seinen Mundwinkeln an, über seine Backen nach außen verlief. Es war unangenehm. Scheiße und Verdammt konnte er wieder nur denken. Er konnte nicht sprechen. Fuck, Fuck, Fuck, er wollte sich loszureißen, seinen Kopf aus dieser SCHEIß Helligkeit raus bekommen.

Es gelang ihm nicht. Ein Ruck ging durch seinen ganzen Körper. Er versuchte, irgendetwas zu bewegen. Irgendwas! Er konnte sich nicht rühren und hörte diese unterdrückten Laute, wenn er sprechen wollte. Er spürte, wie Panik in ihm aufstieg. Nichts, absolut nichts funktionierte. Er konnte durch die Nase atmen. Aber der Mund war verstopft. Was steckt da in meinem Mund? Warum bekam er den Ball nicht heraus? Er verspürte, wie eine Welle der Panik in ihm aufstieg. Er musste ruhig bleiben. Er musste ruhig bleiben. Einfach schauen, was los war. Er durfte nicht in Panik verfallen. Damals, als der ganze Mist noch nicht passiert war, war er ein besonnener Mann gewesen. Und verantwortungsbewusst. Genau das musste er jetzt, hier sein. Erst einmal checken, was Sache ist, ganz ruhig. Er schloss die Augen, atmete tief durch.

Ruhig und besonnen. Ruhig und besonnen. Erst einmal feststellen, wo er war und was hier los war. Und dabei das Atmen nicht vergessen. Einatmen, ausatmen. Einatmen! Ausatmen! Er konzentrierte sich auf alles, was er in seiner Beschränkung wahrnehmen konnte. Er lag auf einer festen, kalten Unterlage und konnte sich nicht bewegen. In seinem Mund steckte ein Ball. „Ein verdammter scheiß Ball steckt in meinem Mund.“, wollte er herausschreien, aber es kam wieder nichts weiter als Stöhnen und Gurgeln hervor.

Überall an seinem Kopf waren Gurte. Er war wie eingespannt. Etwas drückte ihn nach unten und hielt ihn stramm und auf die Unterlage gepresst. Da war ein straffer Riemen auf seiner Stirn, direkt über den Augen und er drängte ihn herunter. Hinten an seinem Schädel war etwas Breites. Ein Leder oder Kunststoffriemen. Da lag sein Kopf drauf. Er konnte sich auch sonst nicht bewegen. Gar nicht. Scheiße. Scheiße. Panik stieg wieder in ihm auf, der Atem ging immer schneller, stoßweise. Einatmen, Ausatmen, beruhigte er sich mit jedem Atemzug.

Da waren Riemen über seinen ganzen Körper verteilt. Sie schmerzten. Aber nicht schlimm. Er wollte nachsehen. Fuck, er konnte seinen Kopf ja nicht bewegen. Warum kann ich das nicht akzeptieren?, fragte er sich, weil er immer wieder versuchte, die Lage seines Kopfes zu verändern. Er bemühte seine übrig gebliebenen Sinne, überprüfte seinen Körper. Bereich für Bereich. Da waren Riemen um seine Beine, seinen Torso, seine Schultern, seinen rechten Arm, seinen linken. ... Nein, da war nichts. Sein linker Arm war nicht.

Wie konnte das sein? Er musste sich zusammenreißen. Weiter forschen, seinen Körper spüren. Was war noch? Verdammt, es war hell. Er konnte einfach nichts sehen. Er hielt inne, bevor die Panik wieder Oberhand gewinnen konnte. Los, weitermachen! Was noch? Diese Fläche, auf der er lag, auf die er geschnallt war. Sie war kalt. Sie zog ihm die Wärme aus dem Leib. Das war Stahl oder Stein. Sie war glatt. Metall, war er sich sicher. War er in einem Krankenhaus? Ich bin zu früh aus einer OP aufgewacht. Das musste es sein. Aber wo waren dann die Leute? Wo war der Arzt, die Schwester? „Schwester, Schwester.“, wollte er rufen, und es kam nur „Hughhugh, Hughhugh.“, heraus.

Verdammt. Verdammt. Ihm fröstelte. Ihm war, als würde diese Fläche stetig und gnadenlos jegliche Wärme und alles Leben aus seinem Körper saugen. Es war sehr unangenehm. Er versuchte, Körperteile von dieser unbarmherzigen Fläche abzuheben, um diesem Sog zumindest teilweise zu entgehen. Aber er konnte sich einfach nicht bewegen. Er konzentrierte sich weiter darauf, was er wahrnehmen konnte. Er war in einem hellen Raum, lag auf einem kalten Tisch. Was war noch? Konnte er etwas hören? Da war ein Brummen, wie von einem Kühlschrank. Da war auch ein anderes Brummen. Wie von Neon-Röhren. Klar, deshalb war es so hell! Er horchte weiter. Eine Lüftung. Aber da war noch mehr. Er bemerkte Stimmen, viele Stimmen. Sie klangen blechern und ganz weit weg. Wie, wenn einer neben einem Hörbuch über diese Ohrstöpsel hört.

Er wurde ganz leise, lauschte weiter. Da war noch etwas. Da pfiff einer. Da war jemand. Er kannte dieses Lied. Das hatte er früher gehört, als er klein war. Was war denn mit dem los? Er musste ihn doch bemerken. Er konnte ihn doch befreien. Was war das bloß mit seinem linken Arm? Verdammt, er spürte ihn nicht. Es war so, als ob er nicht da wäre. Aber da war Hilfe und er schrie. „Hilfe. Hilfe. Hilfe.“, und zu hören war ein gedämpftes „Hughhe. Hughhe. Hughhe.“. Es war zum Verzweifeln. Er bekam mit diesem scheiß Ball einfach nichts Vernünftiges raus. Er riss mit aller Kraft an seinen Fesseln und es kam wieder nur „Hughhe.“, heraus.

Er lauschte. Da war ein Rascheln. So, als würde Stoff aneinanderreiben. Dann hörte er eine freundliche, seltsam verstellt klingende Stimme. „Ah, sehr schön, Du bist wach. Warte noch einen Augenblick.“

Er fand die Anrede befremdlich, war aber beruhigt. Vielleicht war das ja die Art, wie die Schwester mit den Patienten sprach. Ein Glück, gleich würde ihm geholfen werden, da war er sicher. Er hörte ein Nettes, irgendwie Feminines, singendes „Ich komme gleich.“ Das beruhigte ihn noch etwas mehr. Sein Puls verlangsamte sich, die Angst schwand. Alles würde gut werden, musste gut werden.

Im selben Maß, wie seine Panik zurückging und Ruhe eintrat, weil ihm gleich geholfen wurde, stieg sein Verlangen nach diesem neuen Zustand. Er hat ihn in so kurzer Zeit kennen, lieben und begehren gelernt. Nun waren seine Augen geschlossen, weil er sich wohlfühlte. Er genoss die Vorfreude auf das nächste Mal, während er sich zurückerinnerte an diese Tiefe, an diese gefühlte Einheit und diese alles umfassende Glückseligkeit. Das hier war ja bald vorbei und die Schwester erklärte ihm bestimmt, was vorgefallen war.

Er fühlte sich gut. Sicher war nichts Schlimmes passiert. Vielleicht nur irgendeine Routineuntersuchung. Natürlich, er bemerkte diese Schmerzen in der Nierengegend schon seit ein paar Tagen und sein Magen war ganz zusammengezogen. Dieser schmerzende Ausschlag war auch komisch gewesen. Aber war er zum Arzt gegangen? Er erinnerte sich nicht daran. Vielleicht war er im Vollrausch untersucht worden und erinnerte sich nicht. Vielleicht tauchte gleich sogar einfach die alte Woldorf auf und sie führten wieder ein entspanntes Gespräch über die Welt und das Leben und wie es dazu kommen konnte.

„Ich komme.“, vernahm er die überdrehte Stimme. „Ich komme jetzt, mein Schatz.“ Er hört tippelnde Schritte. Dann war sie da. Nur ein Schemen, den er als Schatten durch die geschlossenen Augenlider erkennen konnte. Er blinzelte, konnte nichts sehen, blinzelte erneut. Er bekam die Augen wegen der Helligkeit nicht geöffnet.

Er hörte leises Gemurmel: „Er ist der fruchtbare Acker, den ich sorgsam bestelle. Er ist die reife Frucht. Und ich werde ernten. Hundertfach oder sechzigfach oder dreißigfach. ... Er ist die üppige Ähre, und ich habe sie auf diesem guten Boden gedeihen lassen. ... Er ist das Wasser, aus dem ich schöpfe. Er ist die Nahrung, nach der es mich verlangt.“

Das machte ihm irgendwie Angst.

Die Schritte kamen immer näher. Dann hörte er die Stimme lauter. „Oh, ist es Dir zu hell? Das tut mir aber leid. Warte einen Moment, ich helfe Dir.“, sagte die komisch piepsende, verstellte Stimme und er hört wieder diese Tippelschritte. Dann gesellten sich Abroll- und Quietschgeräusche hinzu. Es hörte sich an, als würden billige, zu harte, schlecht gelagerte Rollen über Fliesen geschoben. Das waren Rollen für Teppich, nicht für harte Flächen, wusste er sofort. Er hörte das Rollen, Quietschen und die Tippelschritte und dann kam der Schatten. Seine Retterin hatte eine Art Schirm zwischen seinen Kopf und die Lampe an der Decke geschoben, die ihn geblendet hatte. Nun konnte er die Augen öffnen und war entsetzt. Was er sah, konnte er einfach nicht glauben.

Es beugte sich ein Kopf über ihn. Er konnte die Augen sehen, sie schauten ihn mit einem seltsamen Ausdruck an. Aber waren das die Augen einer Frau? Er wusste es nicht, konnte nicht feststellen, ob ihn da eine Frau oder ein Mann anstarrte. Sah er da Bartstoppeln? Er war sich nicht sicher.

Was er aber sagen konnte, war, dass diese Person vollkommen durchgedreht war. Neben dem Ausdruck in den Augen, sprach der grob mit Lippenstift bemalte Mund dafür, dass sie wahnsinnig war.

Er/sie fragte: „Wie geht es denn heute?“ An der Stimme erkannte er, dass es ein Mann war, er war sich nun sicher. Aber er war sich jetzt auch sicher, dass er ein riesengroßes Problem hatte.

„Hi, hi, hi.“, machte der abgedrehte Typ, als er bemerkte, dass der andere nicht antworten konnte. „Sollen wir uns nicht zuerst einmal vorstellen?“ Er packte ihn mit seinen behandschuhten Händen fest auf beiden Seiten seines Gesichts. „Ich kümmere mich ab jetzt um Dich.“ Er wackelte an ihm, schlug ihn leicht auf die Wangen. „Und wir beiden werden uns in der nächsten Zeit sehr gut kennenlernen, das verspreche ich Dir.“ Er beugte sich dicht über ihn. Er konnte den bemalten Mund des anderen genau erkennen. Er konnte seinen Atem spüren. Es roch süßlich. Pudrig? „Freust Du Dich auch so wie ich?“, wurde er gefragt und er konnte ausschließlich diese komischen Geräusche von sich geben. Er wollte wieder um Hilfe rufen und bekam erneut nur „Hughhe. Hughhe.“, heraus.

„Hi, hi, hi.“, sagte der andere, „Das ist aber lustig.“

Das Gesicht verschwand aus seinem Gesichtsfeld und er setzte sich neben ihn. Er konnte aus den Augenwinkeln erkennen, dass der andere an irgendetwas rumhantierte. Er setzte sich etwas auf den Kopf.

Als er danach wieder aufstand, konnte er ihn ein wenig näher mustern. Er war groß, schlank, recht breitschultrig und mit einem grünen OP-Kittel bekleidet. Die Hände und teilweise die Unterarme steckten in Latex-Handschuhen. Auf dem Kopf trug er eine Haube und sein unteres Gesicht hatte er jetzt mit einer grausigen OP-Maske verdeckt. Das war eine aus der Covid Zeit. Mit aufgedruckten Reißzähnen. Das fand der wohl lustig. Der Kerl ist wahnsinnig. Jetzt war da auch noch ein nach oben geklapptes Plexiglasvisier auf seinem Kopf.

Er bewegte sich um ihn herum. Er tanzte dabei fast, er konnte nicht anders, die Vorfreude war so groß. Ihm rutschte wieder sein „Hi, hi, hi.“, heraus. Denn er wusste, was folgen würde. Heute war der erste Tag, heute würde es sich bei diesem hier das erste Mal erfüllen. Er war schon sehr geübt darin. Er könnte das jeden Tag machen und es gab ihm alles. Seine Aufzeichnungen, die Überwachungsvideos, die er sich auf den Bildschirmen anschaute, waren nicht schlecht. Aber das hier war „Einfach großartig!“, rutschte es ihm heraus. Es machte, dass er sich so groß, so stark, beherrschend und unabhängig fühlte. Jetzt bekam er den Preis für seine Mühen. Aber er musste ihn auch umsorgen und auf ihn acht geben. Er wollte alles wirklich richtig gut machen. Sie waren Partner. Verbunden bis zum Ende? „Hi, hi, hi.“, rutschte es ihm heraus, als er gedanklich hinzufügte: „Sein Ende.“

Er fühlte sich erregt. Nicht in sexueller Sicht, vielmehr durchzog die Erregung, die Energie, seinen ganzen Körper und schenkte ihm eine Wachheit, Spannung und Interessiertheit, die einzigartig war. Er fühlte die Kraft, die Macht. Er wusste, dass die Ausübung der Technik natürlich und mühelos vonstattengehen würde. Er hatte die Kontrolle, er fühlte IHN, er fühlte sich, er fühlte das Leben.

Ja, er fühlte das Leben. Sein eigenes Leben und das Leben von IHM. Beides wogte auf einer singulären Frequenz, ergänzte sich gegenseitig, verstärkte sich, schwang das System und sich auf, erzeugte immer mehr Anspannung und damit Energie. Auf beiden Seiten, denn sie waren eins. Nichts trennte sie. Er fühlte die bodenlose Angst in ihm, er spürte, wie der andere sich zusammenriss, um nicht von der Furcht verzehrt zu werden. Er bemerkte und konsumierte seine Trauer. Er spürte die Verzweiflung und genoss die unfassbare, erstarrte Hilflosigkeit.

Er bemerkte voller innerer Gewissheit, dass das alles zum Leben dazugehörte. Ja genau, das war Leben und noch viel mehr. Leben PUR. Leben in seinen reinsten Facetten und seinen feinsten Nuancen. Das war Spüren, das war Fühlen, das war ehrliche Emotion. Das war Lebensenergie. E-Motion, E wie Energie und Motion wie Bewegung. Energie in Bewegung. E=mc2. Das war, woraus alles bestand. Energie und Bewegung. Energie und Geschwindigkeit. Das hatte Einstein erkannt. Es gab nicht mehr. Er tippelte vor lauter Aufregung mit seinen Füßen auf der Stelle.

Das zu genießen, das zu erfahren, alles zu erhaschen, das war das Größte für ihn. Es durchdrang ihn. Es belebte ihn. Es machte ihn ganz. Das alles bekam er durch diese bedingungslose Aufmerksamkeit, die er ihm gewähren würde.

Er spürte weiter, fühlte tief in den anderen hinein. Es elektrisierte, erhob und belebte ihn. Nichts stand mehr zwischen ihnen, das alles hier verband sie, erzeugte eine in der Situation verankerte, unsichtbare Brücke aus nehmen und geben, aus Macht und Hingabe. Zwei Seiten einer Münze, Yin und Yang. Sie waren vereint in dunkel und hell, in kalt und warm. Sie waren Feuer und Wasser, Nacht und Tag, Mond und Sonne, Hölle und Himmel. Mutter Erde und der Himmelsvater. Er musste sich hier nicht zurückhalten, mäßigen oder Mitleid zeigen, wie es sonst immer von ihm erwartet wurde. Ihm ging wieder ein Lachen ab. „Hi, hi, hi.“ Hier, diese Welt hatte er sich geschaffen. Es zählten keine gesellschaftliche Konvention oder Moral. Und nicht die Verhaltensmaßregeln seines Vaters oder die Moral seiner Mutter und alles hier diente nur dem einen Zweck. Das hier war ab jetzt das Schicksal des Anderen.

Er überlegte und sein Denken schenkte ihm einen erfrischend neuen Aspekt. Im Grunde musste dieses hier schon vor Äonen festgelegt und bestimmt worden sein. Anders konnte es gar nicht sein und das es jetzt geschah, war ihm Beweis genug. Alles, was bisher im Kosmos geschehen ist, bereitete diesen Moment vor. Entwickelte, lebte auf dieses hier hin. Seit Anbeginn der Zeiten rüstete sich alles für diesen einen Augenblick. Jedes Molekül, jedes Atom, jedes Quantum fieberte darauf, das sie es hier und jetzt erfüllen. Ihm fröstelte bei dieser enormen Einsicht. Er wusste nun, dass sich ein ganzes Universum stützend hinter ihm aufgestellt hatte. Und es war richtig so.

Denn wofür sollte das alles vorher geschehen sein? Er führte hier nun DEN WILLEN aus, der im Kosmos seit Ewigkeiten verborgen lag. Vollzog den nächsten, seit Anbeginn der Zeit vorbereiteten, Schritt.

Es war erreicht. Von nun an existierten sie ausschließlich in dieser ergänzenden Symbiose. ER war der Nährboden, auf dem sein Werk gedieh, ER war der Acker, der gute Boden, der sorgfältig bestellt wurde. Alles, was erforderlich war, wurde bereits eingebracht und hergebracht. ER gibt nun die Frucht, von der er sich laben und nähren kann, denn ihm wird gegeben werden. Und der andere war das volle, gedrückte, gerüttelte und überfließende Maß, das ihm in den Schoß geben wurde „denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messet, wird man euch wieder messen.“, sprach er aus. Der andere machte sein putziges „Hugh, hugh.“ Er ignorierte das. Die ganze Vorarbeit, die Mühen und Entbehrungen zahlten sich nun aus. Die Verbindung war unwiderruflich geschlossen und besiegelt.

So wie ER kamen wir auf die Welt. Nackt und ohne irgendeinen Besitz. Ohne Einsicht, Wissen oder eine Vorstellung, wie es weitergeht. Und so wie er würden wir werden können, reich und wissend, erkennend, besitzend annehmend und einbeziehend. Denn er kannte den Plan. Er wusste als Einziger, was passieren würde. Er hatte alles geplant und er war der Meister der Vorgänge, der Beherrscher des Prozesses, der Herr über Leben und Tod. Das gefiel ihm. Er wollte nicht vermessen sein, aber war er nicht jetzt und hier für den anderen das Einzige, das alles Beherrschende, das Absolute? War er nicht der unfehlbare Gott des anderen?

Nein, anders! Das hier war wirklich authentisch. Und diese Authentizität war das, woraus echtes Leben besteht. War das dann nicht Gott? War das Höchste nicht genau dieses Lebendige? Waren der Vater und der Heilige Geist und der Sohn nicht das, IN DEM ALLES IST? Der ganze Rest war doch nur Beiwerk. Das normale Leben ist nur eine leere Schale ohne Wirklichkeit. Nur wer ursprünglich ist, IST.

Wenn diese Natürlichkeit verloren geht, ist man nicht. Man löst sich auf in den angelernten Rollen, Gedanken, Identifikationen, Vorstellungen und Hoffnungen und verliert den Kontakt zu dem, was man wirklich war. Zu dem, was Leben wirklich ist.

Er hörte das verzweifelte Röcheln. Das inständige Bemühen, sich auszudrücken oder mitzuteilen. Der hilflose, hoffnungslose Versuch, ihn davon abzubringen. Er wusste ja, dass der nicht sprechen konnte. Er hörte sich lustig an, wie er versuchte, dieses Etwas kindisch und ungelenk herauszuschreien und ihn damit aufzuhalten. „Hugh, hughh, HUUGHHH.“

„Hi, hi, hi.“, rutschte es ihm heraus. Der andere war nicht im Geringsten in der Lage, irgendetwas Vernünftiges vorzutragen und versuchte es trotzdem. Der drängende Eifer und der flehende Nachdruck, mit dem er die verunstalteten Laute formte, war echt entzückend und erheiternd. „Hi, hi, hi.“ Er machte ihn nach „hugh, hugh, hugh“.... Er schmunzelte innerlich. Er lachte äußerlich. „Hi, hi, hi.“, das Vergnügen nahm ihn mit sich. Ihm kam ein Gedanke. Er lachte laut. Es bereitete ihm Freude. Er tippelte umher mit seinen kleinen Schritten, war aufgeregt. Da war etwas, da war etwas! Das brachte ihm eine Erinnerung. Und wieder „hugh, hughhhhh“. Er musste lachen, es hörte sich fast rhythmisch an und erinnerte ihn noch mehr an irgendwas von früher.

Er beruhigt sich, wendete an, was er gelernt hatte, fokussierte sich wieder. Dafür ist jetzt keine Zeit, er musste bei der Sache bleiben.

Er schaute sich den festgeschnallten Mann an. Er war um die 40, vielleicht auch 50 Jahre alt und ausgemergelt. Sein nackter Körper war nicht schön anzusehen, war ganz verbraucht, trotz des nicht sehr fortgeschrittenen Alters. Die Beine waren dünn wie Trommelstöcke. Sein Gesicht rundlich, oval, das Haupthaar war ungepflegt und licht. „Du hast kein gutes Leben gehabt.“, sagte er traurig und streichelte seine Wange. Sein Gesicht war kreidebleich und im Bereich der Augen eingefallen. Aber das war kein Wunder bei den Strapazen der letzten Tage und in dieser Situation. In seinem Mund befand sich der Knebelball, der von einem raffinierten Riemensystem gehalten wurde. Ein Riemen durchlief den roten Ball unmittig, wodurch immer mehr als die Hälfte im Mund und zwischen den Zähnen steckte. Er mündete rechts und links von den Mundwinkeln in einen Ring, von dem jeweils drei Riemen abgingen. Einer verband die beiden Ringe mit einer Kinnschale und verhinderte, dass das Kinn bewegt werden konnte, dass der Mund geöffnet werden konnte, wenn das mit dem Knebelball im Mund überhaupt in ausreichendem Maße möglich gewesen wäre. Jetzt fiel ihm auf, dass der Ball fast dieselbe Farbe hatte, wie der Lippenstift, den er auf die Lippen von seinem Opfer aufgetragen hatte. ROUGE COCO, Farbton 466. „Hi, hi, hi.“, entfuhr es ihm.

Zwei weitere Riemen verliefen über die Wangen und die Nase in einen Ring oberhalb der Nasenwurzel, von dem aus ein zentraler Gurt entlang von Stirn und Scheitel zum Hinterkopf führte. Dieser Riemen wurde im Nackenbereich mit den zwei letzten von den Ringen rechts und links neben dem Mund in einem Schnallensystem zusammengefügt. Über diese Verschlüsse konnte das Teil aus dem Bondagezubehör an den Schädel des Trägers angepasst und schön fest angegurtet werden. Genial war, dass sich die Schließen im Nackenbereich befanden und der Kopf des Geknebelten auf dem flachen Teil des zentral verlaufenden Riemens auflag und nicht auf der Schnalle. Der Ledergurt war in diesem Bereich breiter ausgeführt und leicht gepolstert, damit es keine Druckstellen gab. Echt durchdacht. Es war genial, was man in Sex- und Bondagefachgeschäften alles für bares Geld kaufen konnte.

Er betrat die Geschäfte immer mit Mundschutz und getönter Brille. Das war dort ganz normal. Und die ungelenken Erklärungen und Vorführungen der schlecht bezahlten Mitarbeiter in diesen Läden machten immer wieder Spaß. Er fragte jedes Mal, wofür das denn gut sei und ob sie erklären könnten, wie das funktionierte. „Hi, hi, hi.“

Der zusätzliche Riemen am Kopf und die Gurte um Hals, Unterbrust, Becken, den linken Oberarm und die Handschlaufe hatte er auch aus so einem Etablissement. Den rechten Arm musste er nicht fixieren, der war komplett betäubt und lag unbeweglich neben dem Rumpf auf dem Edelstahltisch. Zusätzlich verliefen zwei Riemen kreuzförmig über die Brust und ein weiterer schlaufenförmig rechts vom Hals und der Schulter nach außen. Die Bänder zwangen den Oberkörper und den Bereich der Brust zur Bewegungsunfähigkeit. Seine Beine wurden jeweils über drei Gurte fixiert.

Er tätschelte erneut liebevoll seine Wangen und sagte mit Liebe und Fürsorge in der Stimme, „Mach Dir keine Sorgen, ich weiß, was ich tue. Es wird alles ganz sauber und problemlos verlaufen.“

Der andere machte „hugh, hughhhhh“. Er fand es wieder lustig, „Hi, hi, hi.“ Er hatte denselben Rhythmus, wie eben. „Huuugh, huuuugh.“ Er erinnerte sich. Er war einmal mit seinen Eltern im Lokomotivmuseum gewesen. Da gab es diese alten Dampfloks. Das hier hörte sich fast so an, wie wenn die Pfeife gezogen wurde. Und wieder: „Huuugh, huuuugh“.

Er spürte die angenehme Wärme, die diese Erinnerung in ihm auslöste. Damals war alles in Ordnung. Er war mit Vater und Mutter da gewesen. Er fühlte die Heiterkeit über diese witzige Verbindung. Früher und heute. Vergangenheit und Gegenwart trafen hier zusammen in diesem kosmischen Witz aus Stöhnen und technischem Dampfgefährt.

Die Freude darüber überwältigte ihn, seine Füße tippelten nervös im Takt dieser Vorstellung einer anfahrenden Lokomotive. Er bewegte die Hüften, den Oberkörper und den Kopf.

Das war Leben, ER und er selbst waren Leben. Er spürte es und gab sich hinein, in den Wunsch zu tanzen und diese Freude zu hundert Prozent zu spüren, in ihr zu verweilen und ganz in sie aufzugehen. Hugh Hughhhh.. tutete er und dann Hug.. . ..Hug Hug. . .Hug Hug.Hug HugHug, machte er, wie die Lok, die anfährt. Er tanzte in diesen wilden, sich immer mehr beschleunigenden Takt. Bewegte sich in seinem ausgelassenen, freudigen Move, den ihm seine Füße vorgaben. Wie der Schamane in der Fernsehdoku. Er drehte sich, stampfte mit den Beinen, lachte, wirbelte. Immer mehr. Immer schneller. Es war wunderbar. Freude spüren, Freude sein. Fröhlichkeit, Tanz und Dankbarkeit. Das hatte er sich verdient. Das alles war für ihn, von IHM. Er war von Dank erfüllt.

Dies erleben zu dürfen, den Rausch, die schnelle Drehung. Liebe, für sich und IHN, der sich hier verschenkte. Er wusste, dass der andere ihn ebenso lieben musste. Er hatte keine Wahl. Einer gibt, einer nimmt. Der andere gibt sich. Und er nimmt es. Er genoss den wunderbaren Witz. „Das hört sich echt wie das Pfeifen einer Lok an.“ Er lachte, tanzte „Hi, hi, hi.“, dann „Ha, ha, ha, ha“ „Ha, ha, ha, ha!“ Sein Lachen hörte sich verrückt, ja wahnsinnig an.

Er stockte. Was ist das?, dachte er, verliere ich die Kontrolle? Nein, es ist Freude. Ein wunderbarer, göttlicher Witz. Und er fing an zu singen.

„I started a joke, which started the whole world crying.“ „Oh but I didn’t see that the joke was on me“ „Oh No.“ „And I started to cry, which started the whole world laughing.“ „Oh No.“ „Oh, if I’d only seen that the joke was on me.“ „Til I finally died, which started the whole world living.“ „Oh, if I’d only Seen that the joke was on me.“ „That the joke was on me... e...e...e...e.hhh.“, zog er das letzte Wort ebenso lang, wie Mike Patton von Faith No More. Er lachte aus vollem Herzen und in großer Lautstärke. Er tanzte, drehte sich immer schneller, war wie ein Derwisch, bis er ganz und gar der ausgelassene Schwindel war. Drehte sich. Drehte sich. Er setzte sich in seinem Schwung auf einen bereitstehenden Rollhocker, bevor er noch umfiel. Er drehte sich noch eine Weile auf diesem weiter und schaute sich schwindelig um, keuchend von dem wilden Tanz und voller Stolz, und immer noch lachend.

Alles drehte sich ein wenig zum verebbenden Drehimpuls des Tanzes. Wenn er jetzt aufstehen würde, würde er hinfallen. Also nutzte er die Zeit, bis der Taumel verschwunden war, um sich umzuschauen. Er drehte sich dabei langsam auf dem Stuhl in die andere Richtung, um den Schwindel auszugleichen.

Das hatte er sich geschaffen! Er war voller Stolz. Es war beeindruckend. Nichts ließ sich zu ihm zurückverfolgen. Die weißen Fliesen an den Wänden und am Boden waren Standardware, im Baumarkt mit Bargeld gekauft. So etwas und in so einer Menge kauft jeder, der ein größeres Badezimmer renoviert. Die Decke hatte er so gelassen und mit hellgrüner Latexfarbe angestrichen. Die Übergänge, Sprünge und Ritzen hatte er vorher mit Acryl verschlossen. Die vielen Neon-Deckenleuchten hatte er aus dem Müll mitgenommen, als sie ein komplettes Gebäude auf LED-Beleuchtung umgestellt hatten. Es sollten Ressourcen gespart werden und dafür wurden zig tausend Euro an Lampen und Leuchtmittel gekauft, neu verbaut und angeschlossen. Es war über eine Tonne Müll entstanden und die ausgebauten Geräte waren alle in einwandfreiem Zustand. Die Lampen waren abgedeckt und spritzwassergeschützt, was will man mehr. Außerdem hatte er dazu noch eine lebenslange Ladung Ersatzlampen im Hinterzimmer. Auch die weitere Einrichtung hatte er gebraucht und ohne Rechnung gekauft. Die Überwachungstechnik hatte er aus der Firma mitgebracht. Dort würde sie niemand vermissen, dafür hatte er gesorgt.

Den Tisch aus Edelstahl hatte er bei einem Bestatter, der seine Ausstattung modernisiert hatte, mit einem Transporter von ‚Bulut Leihauto‘ abgeholt. Er hätte das Teil sonst in den Schrott gegeben. Ein tolles Teil. Aus Edelstahl, mit Gefälle und Abfluss in der Mitte der Arbeitsfläche und einer seitlichen Rinne mit Ablaufstellen. So konnten Flüssigkeiten einfach abfließen. Echt erstaunlich, dass sich der Bestatter für das gute Stück von 450 auf 220 € runterhandeln ließ. Aber er brauchte den Platz für seinen neuen Tisch. Der sei über drei Motoren in allen Achsen verstellbar, sagte ihm der Bestatter damals voller Stolz und Vorfreude. Der neue Tisch stand schon in der Ecke und wartete darauf, angeschlossen zu werden. Ihm reichte dieser voll aus und er hätte ihm auch die 450 € gegeben, der war tausende wert. Aber bei Kleinanzeigen muss man verhandeln, das gehörte einfach dazu. Er hatte ihn einmal auf seine Körpergröße angepasst und war fertig damit. Der Tisch war sogar an die Kanalisation angeschlossen. So brauchte er, wenn er seine Arbeit verrichtet hatte, nur mit reichlich Wasser nachspülen und es war alles aufgeräumt und sauber.

Die Instrumente, die er verwendete, hatte er sich über Jahre besorgt oder selbst hergestellt. Zum Reinigen legte er die Gerätschaften in Desinfektionsmittel und bürstete sie ordentlich ab. Die antiseptische Lösung bekam man ja in jeder Drogerie und seit der allgemeinen Angst vor Viren und Infektionen, auch in großen Gebinden. Anschließend wurden sie getrocknet und dann in seinem Autoklav Matika aus dem Tattoozubehör sterilisiert. Da durften sich seine Partner nicht beschweren. Entzündungen gibt es bei mir nicht, dachte er. Er freute sich noch immer über seinen Witz, aber jetzt musste es weitergehen. Es wartete Arbeit auf ihn. Er atmete einmal tief durch, wischte sich den Schweiß von der Stirn und ganz vorsichtig unter den Augen weg, damit nichts davon in sie hinein kam.

Er stand auf, „Das war lustig. Nicht wahr?“ Er schaute den anderen an. Er war mit den ganzen Riemen gut festgeschnallt und konnte sich nicht bewegen. Er hatte lange daran herumexperimentiert. Diese Kombination aus Fixieren des Körpers und Regionalbetäubung. Er hatte nur die erforderlichen Gliedmaßen durch gezielte Injektion von Lokalanästhetika ruhiggestellt. Der Rest war wach und voll da! Er merkte zwar nichts von der Schulter an, aber sehen konnte er alles. „Und Faith No More ist fantastisch, oder?“, grinste er den anderen an.

Er holte ausgiebig Luft, baute sich rechts vom Tisch auf, machte sich groß und sagte in gespielt tiefer Stimme und ernstem Ton: „Nun denn, lass uns unser Tagwerk verrichten. Freust Du Dich auch so wie ich?“ Der auf dem Tisch hatte die Augen weit aufgerissen und begann zu schreien und es kam wieder nur dieses witzige ‚hugh‘ heraus, als er den Wagen mit den Instrumenten herankarrte. „Hi, hi, hi.“, machte er, als sich wegen des Anblicks bei seinem Partner alles aufbäumte. Er versuchte, jede Bewegungsmöglichkeit, die ihm geblieben war auszunutzen, wand sich, zappelte wie ein Fisch. Aber da war nichts zu bewegen. Es wurden Muskeln bis zum Äußersten angespannt und mit ganzer Kraft gegen die Riemen gestemmt.

Trotz alledem keinerlei Veränderung. Er war und blieb gefesselt. Er musste schon wieder lachen, als er diese fruchtlose Bemühung sah.

Sie waren immer so voll Hoffnung am Anfang. Das amüsierte ihn fast mehr als diese Stöhngeräusche. „Hi, hi, hi.“, rutschte es ihm heraus. Vergnügt sagte er zu ihm, „Schau mal, hier habe ich die verschiedenen Skalpelle und den Gelenkhebel und die Klemmen, um die Wunde offen zu halten und die Nadeln mit Fäden zum Vernähen und die Gefäßklemmen. Alles akkurat, sauber vorbereitet und desinfiziert. Du siehst. Alles professionell, da brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen. Ich verspreche Dir, ich verstehe meine Arbeit.“ Er zeigte ihm die Instrumente dabei nacheinander voller Stolz. Einer freute sich darüber, einer nicht. Leider bekam er in seiner bodenlosen Verzweiflung wieder nicht mehr als dieses „hugh, hughhhhh“ heraus. Der andere fand das schon wieder lustig. „Hi, hi, hi.“.

Er klappte das Visier mit einem Kopfnicken herunter und machte sich an der Schulter zu schaffen. Er setzte das Skalpell an und schnitt sauber entlang des Musculus deltoideus die Haut auf. „Man muss immer ein wenig Abstand halten beim Schneiden, sonst ist nachher zu wenig Haut da zum Vernähen.“, sagte er mit ernster, konzentrierter Miene.

Dann legte er mit geübten Unterschnitten den Muskel frei und durchtrennte den kleinen Sehnenansatz am Ende. Flupp... machte es, als er zurückschnellte.

Und der andere schrie. Sah mit aufgerissen Augen, was mit ihm passierte. Er versuchte, wild den Kopf zu schütteln. Vergeblich, er war ja festgeschnallt. Dann durchschnitt er sauber das Gewebe unter dem Muskel und legte das Gelenk frei. „Siehst Du, ich werde immer besser. Echt sehr schön gemacht.“, lobte er sich selbst. Er hatte alles, was hier zu tun war, intensiv geübt, bestens vorbereitet und jede Bewegung saß perfekt. Er war hochkonzentriert und zu hundert Prozent bei der Sache und ihm rutschte nicht ein einziges Hi, hi, hi. heraus.

Er ging hier und jetzt in seiner Arbeit auf. Es fühlte sich für ihn so an, als steige die Zeit selbst dabei auf die Bremse. Es war so, als würde der Lauf der Dinge von einer unsichtbaren Kraft festgehalten. Ein fast mystisches Gefühl. Ein allgemeines Innehalten der ganzen Welt um ihn herum, verursacht durch seine totale Hingabe an seine gesegnete Handlung. Sogar das permanente Stöhnen und Wimmern seines Partners nahm er nicht mehr wahr. Ihm kam es so vor, als würde sich die Luft und die Welt um ihn in eine zähe Masse verwandeln, so dass sich das ganze Dasein in einer langsameren, konzentrierteren und irgendwie energiegeladeneren, aber gedämpften Geschwindigkeit vollzog. Alles geriet ins Stocken, fror ein, nichts bewegte sich. Nicht einmal mehr Gedanken.

Der Mann auf dem Tisch war ohnmächtig geworden. „Mann, Du enttäuschst mich.“ Er schüttelte ihn. Leider war es bei den Gurten auch für ihn nicht möglich, irgendein Ergebnis dabei zu erzielen. „Hey, wach wieder auf. WACH AUF.“ Er rüttelte weiter und hörte nur ein leises Stöhnen. Dann nahm er ein Riechsalzstäbchen, dem der typische, scharfe Ammoniakgeruch entströmte, und hielt es ihm unter die Nase. „Hugh, hugh“ Er riss die Augen auf. „Da bist Du ja wieder.“, lächelte er ihn an. „Wir wollen ja nicht, dass Du das Beste verpasst.“

Er setzte den Hebel an und löste den Oberarm aus der Gelenkpfanne. Er war mit den Gelenkkapseln nicht zimperlich, der andere würde sie ja nie wieder gebrauchen können. Er entfernte das Gewebe unterhalb der Schulter und durchtrennte sauber den langen Muskelkopf des Trizeps und legte ihn sorgfältig unter den kleinen Strang des Schultermuskels. Dabei musste er auf die zu durchschneidenden Arterien und Venen achten, aber er drückte sie vor dem Schnitt mit den bereitliegenden Arterienklemmen ab und vernähte sie auf der Stelle fachmännisch. „Wir wollen doch nicht, dass sich davon eine zusammenzieht und uns davon flutscht. Und Du mir hier ausblutest.“, sagte er freundlich. Dabei lag eine Mischung aus Konzentration und Sorge in seiner Stimme. Das überraschte ihn sogar selbst und ihm rutschte wieder ein „Hi, hi, hi.“, heraus. Dann durchtrennte er noch den Schultermuskelstrang, der hinter dem Oberarmknochen verlief und vernähte ihn in der Falte zwischen Untergrätenmuskel und kleinem runden Schultermuskel.

Der Arm war jetzt frei. Er brauchte nur noch die Hautschicht im Achselbereich durchtrennen. Dann war es erledigt. Der Arm war gelöst und entfernt. Besser konnte man das nicht machen. Er hielt ihn ihm triumphierend von oben vor das Gesicht und sagte „Guuuteee Arbeit.“, und warf ihn, so, dass der andere nicht wegschauen konnte, achtlos in einen bereitstehenden weißen Kunststoffeimer. „Wie gewonnen, so zerronnen.“, sagt er dabei mit übertrieben traurigem Gesicht.

Dann grinste er übertrieben. „Hi, hi, hi.“, er war wieder bei ihm und schlug die Reste des Deltamuskels über die offene Stelle und verband sie mit dem Gewebe. „Das sind Fäden, die sich mit der Zeit auflösen“, sagte er wie nebenbei. Dann vernähte er die vorher ordentlich zurückgeschlagenen Hautlappen miteinander und verschloss so die Wunde sorgfältig. Er schaute sich sein Werk befriedigt an und fragt den anderen fast schon beiläufig: „Ich bin sehr zufrieden. Du auch?“

Er war nicht nur stolz über seine saubere Arbeit, sondern um so mehr, dass er es die ganze Zeit geschafft hatte, ihn bei Bewusstsein zu halten. Das war eine ebenso große Leistung, wenn nicht sogar eine größere. Er könnte eine Abhandlung über seine Arbeit schreiben. Er würde bestimmt einen Doktor dafür verliehen bekommen. Seinen Cocktail aus Muskelrelaxanzien, Dopaminen und Ketaminen müsste er sich patentieren lassen. „Gemisch zur Aufrechterhaltung des wachen Bewusstseinszustandes bei Zubringung von großem Schmerz und Pein.“, würde die sachlich geschriebene Arbeit heißen. Die Fachwelt wäre begeistert. Er fragte sich, wie viele ihm wohl nachfolgen würden. Es könnte ein ganz neuartiger Fachbereich mit eifrig forschender Professur entstehen. Und er würde die Erste innehaben. Er wäre dann Professor Pain. Er lachte innerlich.

„Gestatten, Professor Pain.“, sagte er zu ihm und dann wieder „Hi, hi, hi.“ Die Welt würde zu ihm aufschauen, dem Vordenker, dem großen Wegbereiter.

Er spürte schon die Vorfreude auf die nächsten Male. Wenn alle Gliedmaßen entfernt waren, das war am besten. Diese Hilflosigkeit ist so entzückend. Sie wurden in dieser letzten Phase zu den dankbarsten Objekten auf der ganzen Welt. Dankbar für jede Hilfe, für jede Ansprache, für jede Anteilnahme. Es würde einfach wunderbar werden. Wenn er über den selbsterschaffenen Prozess nachdachte, fühlte er sich übermenschlich, aber auch umsorgend. War es das, was er damals empfunden hatte? War es bei ihm, dem erhabenen Menschensohn, ebenso gewesen?

Nachdem er die Gedanken so hat abschweifen lassen, richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf den anderen. Was ER alles für mich opfert, bis hin zum ultimativen Opfer. Er fühlte sich wieder so von Dankbarkeit berührt, dass ihm die Tränen wie ein Dankfest in die Augen stiegen. „Ich bin Dir so dankbar, dass Du alles für mich gibst.“ Er streichelte ihm im Vorbeigehen sanft mit den gespreizten Fingern durch die Haare. Er bewunderte dabei, wie schön rot die Lippen im Vergleich zu seinem blassen Gesicht waren.

Er nahm den Arm wieder aus dem Eimer und knallte ihn auf einen Edelstahltisch. Dann drückte er auf einen Knopf an der Vorderseite der Arbeitsfläche und der Tisch fuhr mit summenden Elektromotoren langsam nach unten, bis der Tisch auf einer niedrigen Sitzhöhe war.

Er schaltete eine helle LED-Beleuchtung ein, setzte sich und entnahm dem Arm das, was für ihn noch von Wert war. Er platzierte die feinen Schnitte, um es vorsichtig freizulegen. Für die letzten zehntel Millimeter half ihm die bereitliegende Lupenbrille von SEE-more. Er genoss dabei seine Ehrfurcht gebietende Professionalität und Ruhe. Da war kein Zittern, da war kein Zurückschrecken vor der herausfordernden Tätigkeit. Da war nichts als diese Handlung. Nur dieses Tun. Hier, Jetzt, So. Er legte das Extrahierte vorsichtig in eine bereitstehende Schale und betrachtete sein Werk.

Sein Gesichtsausdruck wandelte sich von einer auf die nächste Sekunde in eine lachende Fratze. „Aber jetzt zeige ich Dir, wie ich das hier verschwinden lasse.“ Er hielt ihm den abgetrennt, der Länge nach aufgeschnittenen Arm erneut vor das Gesicht. Einige Blutstropfen fielen dabei auf die Stirn seines Opfers. Er hörte nur wieder dieses „Hugh, hughh“. Er schmunzelte leicht. „Hi, hi, hi.“, und sah zu, wie das Blut an seiner Stirn bis zu den Ohren herunterlief. Das konnte er auch noch später sauber machen. „Das Geheimnis liegt darin, das Material richtig aufzubereiten.“, er lachte wieder. „Und die Reste dann einfach in den Abfluss zu kippen.“, prustete er vergnügt heraus. „Hi, hi, hi! Das kriegt keiner mit, wenn man es nicht übertreibt.“

Jetzt sagte er im Ton eines Lehrers: „Dafür muss ich es natürlich zerkleinern.“ Er bemühte sich, ihn alles sehen zu lassen. Zuerst entfernte er Fleisch und Haut grob von den Knochen. Er verwendete dafür keines seiner Skalpelle, sondern ein handelsübliches Schlachtmesser. Beim Schärfen mit dem Wetzstein schaute er den anderen freudig an, verdrehte im Takt die Augen und pfiff dabei vergnügt ein altes Volkslied. „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus.“ Das hatte er schon eben gepfiffen, als er die Bilder der Überwachungskameras angeschaut hatte.

Er warf die Fleischfetzen in den Trichter von dem elektrischen Fleischwolf mit 1000 Watt Motor. Gebraucht gekauft ohne Rechnung bei Kleinanzeigen, dachte er triumphierend. Langsam und stetig drückte das Gerät das Fleisch heraus. Für ihn sah das wie ein vergnüglicher Ringelrein aus, er schaute gerne dabei zu. Es war so, als würden sich kleine, putzig zappelnde, rote Würmlein freudig tanzend aus den einzelnen Bohrungen der mittelfeinen Lochscheibe herauswinden.

Die Gebeine zerkleinerte er mit einer Knochenpresse, die an einer rechts von ihnen stehenden Säule montiert war. „Die verwendet man normalerweise, um Knochen zu zerkleinern, wenn man diese als Hühneroder Schweinefutter verwerten will. ... Schau mal, die funktioniert über Kniehebel. Mit diesem Hebel kann ich bis zu 3 Tonnen Kraft auf diese kleinen verzahnten Platten aufwenden. Die Platten fahren aneinander vorbei und zerdrücken alles, was sie zu fassen bekommen.“ Er musste lachen, „hi, hi, hi.“

„Da zerspringen die Knochen ganz mühelos in kleine Splitter. Da sind die Hühner vom Bauern ganz scharf drauf. Das gibt richtig schön dicke, kräftige Schalen und die Eier sind immer Handelsklasse 1A.“ Er musste wieder lachen. Seine Ausgelassenheit und sein Witz waren heute echt einzigartig. Er fühlte sich pudelwohl. Die Knochenreste fielen in den darunterhängenden Kunststoffeimer. „Das dauert jetzt natürlich was. Wenn Du willst, kannst du jetzt ruhig mal etwas wegtreten.“

Die Knochen zu zerkleinern dauerte 20 Minuten. Er kam dabei ganz schön ins Schwitzen. Danach war das Abkochen und Pürieren der feinen Fleischpampe an der Reihe. Dabei pfiff er wieder das lustige Lied. In Gedanken sang er mit.

„Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus, Städtele hinaus. Und du mein Schatz bleibst hier.

Wenn i komm, wenn i komm wenn i wiederum komm, wiederum komm, kehr ich ein mei Schatz bei dir.

Kann i auch nich allweil bei dir sein hab i doch mei Freud an dir.

Wenn i komm, wenn i komm wenn i wiederum komm, wiederum komm kehr i ein mei Schatz bei dir.

Wie du weißt, wie du weißt, dass ich wandern muss, wandern muss, wie wenn d’Liab jetzt wär vorbei.

Sind auch drauß, sind auch drauß der Mädele viel, Mädele vie, lieber Schatz, i bleib dir treu.

Denk du nett wenn i ne andre seh, no si mei Liab vorbei.

Sind auch drauß, sind auch drauß, der Mädele viel, Mädele viel, lieber Schatz, i bleib dir treu.

Übers Jahr, übers Jahr.......“, pfiff er vergnügt.

-- 2 --

Harry Bachbauer wachte vom Klingeln seines Weckers auf. Er fühlte sich wie gerädert, nur fünf Stunden Schlaf auf der auf dem Boden liegenden Matratze.

Gestern hatte er lange mit einem Kollegen in ihrer Lieblingskneipe Zum schwankenden Schutzmann, zwei Straßen neben der LKA-Zentrale zusammen gesessen. Zum Glück war kein Alkohol im Spiel gewesen, das Teufelszeug rührte er schon lange nicht mehr an.

Jochen Prokop, der alte Haudegen hatte schön was zu erzählen gehabt.

Und auch er hatte erzählt!

Es hatte gut getan, sich die Last von der Seele zu reden. Was war nur in den letzten Jahren und besonders in den vergangenen Wochen alles geschehen? Sein ganzes Leben war aus den Fugen geraten.

Er erinnerte sich, wenn er über das Thema ihres Gesprächs nachdachte.

In seiner erneuten Beschäftigung mit dem gestrigen Abend stiegen auch die zu dem Thema gehörenden Erinnerungen wieder in ihm auf. Wie er und seine Frau sich angeschrien hatten. „Wo warst Du?“, fragte sie ihn. „Spionierst Du mir nach?“, fragte er. „Was hast Du da gemacht?“, „Was ist das? Ein Singletreff?“ Er war rot geworden, bekam gar nichts sinnvolles heraus.

Ihm war die Situation immer noch unangenehm, wenn er daran zurückdachte. Er spürte die tiefe Scham und das sich ertappt fühlen, als seine Frau herausbekommen hatte, dass er den Kontakt zu leichten Mädchen gesucht hatte.

Das war einer der maßgebenden Anfänge vom Ende gewesen. Und letztendlich ein ausschlaggebender Grund für das endgültige Aus. Vorher hatten sie schon andere Schwierigkeiten gehabt. Wegen zu viel Alkohol, Ausrastern und seinen Problemen, sich auf die Beziehung wirklich einzulassen.

Ihre Eifersucht, Kontrolle und überspannte Angst vorm Verlassen werden, taten ihren Teil dazu.

Aber eigentlich war er froh, dass es damals herausgekommen war. Die Androhung, ihn vor die Tür zu setzen, das Ultimatum seiner Frau, waren der Beginn seines Wandels gewesen. Vorher hatte er es nicht bemerkt. In seiner beschränkten Sicht auf die Welt waren es immer die Anderen gewesen. Sie waren falsch, sie waren verkehrt.

Damals begann er zu begreifen, was er nun schon seit langem wusste. Jetzt wusste er, dass in Wirklichkeit nur er selbst es war.

Bachbauer stand auf und sah sich in der neuen Wohnung um.

Jetzt war es vollzogen. Er hatte einen Strich gezogen und für sich, so weit es nur geht, mit dem Kapitel abgeschlossen. Er hatte seine erste Unterschrift geleistet und damit auch von seiner Seite das Aus besiegelt und ratifiziert. Es gab natürlich die theoretische Möglichkeit des Zurück aber er glaubte nicht daran. Er wollte es auch nicht mehr wirklich. Zu viel war geschehen, zu viel Verletzung für beide, zu viel Scham, Leid und Vorwürfe.

Er hatte damals begonnen, das Rad der Entfremdung in Bewegung zu setzen. Aber seitdem hatte es sich immer weiter und weiter gedreht, auch ohne erneut durch ihn angetrieben zu werden.

Die Einrichtung der Wohnung war nicht wirklich fortgeschritten. Heute Abend erwartete er das Umzugsunternehmen. Sie sollten die zuvor eingelagerten Möbel anliefern. Dann konnte es hier endlich weitergehen.

Er suchte sein Diensttelefon. Wo hatte er es nochmal hingelegt?

Viele Stellen zum Suchen gab es ja nicht. Dort, auf einigen Koffern, in denen er seine Kleidung untergebracht hatte, lag sein Sakko, das er gestern Abend dort hingeworfen hatte und daneben sein Telefon. Er schaute auf das Display und sagte nur „Fuck.“ Drei Anrufe in Abwesenheit von Rainer Günther, dem Präsidenten des Landeskriminalamts NRW.

Er drückte schnell auf Rückruf. „Ja, Bachbauer hier.“, antwortete er, „Ja, sorry, bei mir ist noch ein bisschen Chaos. Der Umzug, wissen Sie.“, dann „Ja, aha, ja.“, und „Ist das denn wirklich nötig, ich habe heute frei.“, „Aha, ja, verstehe.“, kam als Nächstes aus ihm heraus und „Wie sie meinen. ... Natürlich, Chef.“, „Bin schon fast unterwegs.“, „Natürlich, Chef, Danke.“ Er legte auf, duschte schnell, zog einige Sachen, die er direkt aus den Koffern nahm, an und verließ die Wohnung.

Bachbauer war der Leiter der Abteilung sechs des Landeskriminalamts, Bereich Mordermittlung und wenn der Chef ihm den Fall persönlich zuteilte, durfte er nicht zögern.

Eine dreiviertel Stunde später kam er am Tatort an. Das dies der tatsächliche Tatort war, wagte er zu bezweifeln. Es war eher eine Ablage- oder Entsorgungsstelle. Die ursprüngliche Tat hatte hier auf keinen Fall stattgefunden.

Bachbauer erlebte, wie ihm die frische Morgenluft guttat, sein Atem war als Nebel sichtbar, wenn er ausatmete. Sie dürften so um die drei, vier Grad haben, an diesem sonnigen Maimorgen. ‚Kälte am Morgen bringt den schönen Tag‘, ging es ihm durch den Geist. Das hatte seine Mutter immer gesagt. Er bemerkte, wie die Sonnenstrahlen durch das frische Laubdach der angrenzenden Bäume stachen. Man konnte die Strahlen auf ihrem Weg verfolgen, da der Morgendunst noch nicht vertrieben war und freundlich aufleuchtende Lichtstreifen nachzeichnete.

Harry Bachbauer war 42 Jahre alt und gut 1,82 groß, dunkelblonde Haare, grüne Augen. Er war leicht untersetzt und kräftig dabei. Seine Haare wurden oben schon etwas dünn und die Geheimratsecken wanderten immer weiter. Deshalb hatte er sie sich einfach kurz geschnitten. Die Seiten und hinten 0 bis 3mm und nach oben hin auf 8mm übergehend.

Das Haar schnitt er sich immer selber, dazu hörte er dann den guten alten Alternative Rock seiner Jugend auf seinem kleinen Marshall-Bluetooth-Lautsprecher. Pearl Jam, Rollins Band, Rage against the Machine, Rancid, Weezer oder Nirvana. Manchmal auch Oasis, REM oder The Smith, wenn das keiner mitbekam.

Das war seine wilde Zeit gewesen. Das richtig harte Zeug von damals konnte er beim besten Willen nicht mehr anhören. Melodie, eventuelle sogar Harmonie, war ihm jetzt wichtiger als früher.

Er hatte sich in den letzten Monaten einen Spitzbart stehen lassen, bei dem sich die ersten grauen Haare sehen ließen. Seine Kleidung war relativ normal. Dunkle Jeanshose, am besten Dark Denim, solange es das Waschen zuließ. Bei gutem Wetter trug er Hemd oder Pullover, wenn es kälter wurde. Dazu meist ein hellbraunes oder kakifarbenes Cordsakko mit Aufnähern auf den Ellenbogen und derbe Schuhe. Am liebsten trug er Sicherheitsschuhe Deluxe Low EDS von Elten. Er hatte immer einen in Leder gefassten Notizblock dabei, in den er mit einem Druckbleistift Notizen machte.

Aber davon war nicht viel zu sehen. Jetzt trug er darüber einen Einweg-Overall mit zugezogener Kapuze und Schuhüberzüge, Latexhandschuhe und einen FFP2-Mundschutz. Der Anzug hatte groß auf dem Rücken und kleiner auf Höhe der linken Brust einen dunkelblauen Schriftzug. Als EKHK1 leitete er die Ermittlungen und sein Überzug trug deshalb die Aufschrift ‚LKA-Einsatzleitung‘.

Er hasste diese Anzüge!

Der Grund war ein bisschen trivial. Er steckte gerne mal seine Hände in die Hosentaschen und er erwischte sich immer wieder dabei, das auch bei dem Overall zu versuchen. Der hatte aber keine Taschen.

Dann kam er sich blöd vor und war peinlich berührt. Die anderen merkten das nicht. Aber er merkte es.

Er registrierte kurz, was das mit ihm machte, verurteilte es nicht, wurde sich seines Menschseins mit all seinen Stärken und Schwächen bewusst und atmete es weg.

Sie wurden meistens von den örtlichen Behörden gerufen, wenn eine außergewöhnlich brutale Straftat oder der Verdacht auf einen Serientatbestand vorlag. Und das war hier, wenn man dem ersten Bericht glauben konnte, beides der Fall.

In der Schule würde heute und an den nächsten Tagen sicherlich kein Unterricht stattfinden. Der ganze Bereich war abgesperrt und überall standen örtliche Polizisten.

Die Kollegen vom Dauerdienst hatten bereits einen Pavillon mit Seitenwänden aufgebaut, damit man den Fundort nicht von außen einsehen konnte. In und um die Überdachung herum, und auf dem Schulhof verteilt, waren elf Mitarbeiter der Spurensicherung bei der Arbeit. Sie waren ebenso gekleidet, wie er.

Er kam in das Zelt hinein und sah sich um. Eine Beton-Tischtennisplatte neben einer Kletterwand. Er fragt sich, wie man nur diese beiden Spielgeräte so dicht beieinander aufstellen konnte, das war ja mordsgefährlich.

‚Mordsgefährlich‘ amüsierte ihn. Er war versucht, diesen Gedanken auszusprechen, unterließ es aber. Es war besser so. Manchmal war sein Humor schon ziemlich strange.

Alles sah ordentlich und akkurat aus, war fast schon pedantisch platziert worden. Ein männlicher Rumpf, auf dem Rücken liegend. Kopf, Arme, Beine und Geschlechtsorgan waren entfernt und sämtliche Wunden waren vorbildlich versorgt worden.

Sogar der Bereich, wo sich früher mal Kopf und Hals befanden, war tadellos behandelt worden und wies sichtbare Operationsnähte auf. Dafür hatte der Unbekannte einen Hautlappen über die Amputationsstelle geschlagen und mit den Amputationsrändern vernäht. Der Täter (oder die Täterin, aber das bezweifelte er) hatte es so hinbekommen, dass der versorgte Bereich, wenn die Nähte nicht wären, sich übergangslos an die Nackenmuskulatur anschloss. Es machte fast den Eindruck, dass hier gar kein Kopf oder Hals hingehörte. Echt gute Arbeit, dachte Bachbauer, nickte dabei und zuckte erschrocken über seine eigene, respektlose Einschätzung zusammen.

Ebenso verhielt es sich mit den anderen Wunden. Arme, Beine und Geschlecht waren ebenso perfekt entfernt, versorgt und vernäht. Es sah fast so aus, als müsse es so sein und als wäre es immer schon so gewesen.

Was aber seltsam war.

Es erschien Bachbauer so, als wären einige Wunden schon verheilt. Bei dem linken Bein waren sogar die Fäden gezogen und der Bereich, wo früher das Rechte saß, sah so aus, als wäre das auch hier bald erfolgt. Die Wundversorgung der Arme waren jünger und die Wunden, wo früher mal der Kopf und das Geschlechtsteil gewesen waren, waren frisch vernäht.

Konnte es sein, dass diese Amputationen über einen längeren Zeitraum durchgeführt wurden und genug Zeit vergangen war, damit einzelne Verletzungen verheilen konnten?

Es musste so sein.

Er sagte laut: „Wir können davon ausgehen, dass der arme Kerl über einen Zeitraum von mindestens einem Monat brutal gequält und verstümmelt wurde.“

Dann sah er sich die restlichen Gegenstände an. Der Rumpf lag auf einer der steinernen Tischtennisplatten, die auf dem Schulhof einer Grundschule in Dortmund-Hörde standen. Er war mittig auf einer Tischhälfte platziert, mit der Seite, wo früher mal der Kopf gewesen war, Richtung Netz. Der Torso steckte in einer dicken Plastikfolie. Es sah so aus, als wäre sie vakuumiert worden.

Er schaute es sich genauer an. Da war etwas Reif auf der Folie, das Paket war kürzlich noch tiefgefroren gewesen. Er dachte direkt, dass eine Todeszeitbestimmung damit unmöglich geworden war. Der Tatzeitraum konnte schon lange Zeit zurückliegen.

Und was war das? Das Vakuumieren hatte den Inhalt zusammengedrückt und verzerrt. Aber er konnte an der Bauchfalte unten noch weitere Nähte sehen. Wurde ihm sogar das Bauchfett entfernt?

„Ist Euch die Naht hier aufgefallen? Lasst das hier alles vorsichtig im Labor auftauen. Ist die Spusi fertig?“, sprach er mehr zu sich selbst. Eine Antwort erwartete er nicht.

Er ging zur anderen Seite der Tischtennisplatte. Auch hier lag ein ‚Päckchen‘. Auch dieses war einvakuumiert. „Was ist das?“, fragte er seinen jungen Kollegen KHK2 Nowak.

Andreas Nowak war muskulös, das sah man auch durch den weißen Overall hindurch und mit seinen 1,80 von eher durchschnittlicher Größe. „Ach Harry, Du bist da.“, begrüßte er ihn freundlich. „Ich glaube, das sind Anziehsachen und persönliche Gegenstände. Kann man jetzt noch nicht zu hundert Prozent sagen, bevor wir es öffnen. Vielleicht ist das sogar vom Opfer.“.

„Was ist das hier oben? Ein Notizzettel mit einem Kussmund drauf?“, fragte Bachbauer und sein Kollege nickte nur und antwortete: „Wenn der Täter ganz blöd war, dann hat er mit dem Kussmund seine DNS hinterlassen.“, hoffte Andreas Nowak.

Bachbauer fragte sich, was das bedeuten konnte, persönliche Gegenstände? Das machte doch gar keinen Sinn. Der Täter hatte alles daran gesetzt, jedes Körperteil, das man zur Identifikation nutzen konnte, zu beseitigen. Oder war das nicht der Grund für das Entfernen der Extremitäten? Er war auf die Untersuchungsergebnisse gespannt.

Er schaute auf seine Uhr, es war gerade mal 8:30 Uhr. Er fragte noch einmal Nowak, „Sag mal, wer hat das hier gefunden?“

Der Kollege war einer der zwei festen Ermittler in Bachbauers Team. Sein Mitarbeiter war eher der dunkle Typ, hatte Vollbart und eine Hipsterfrisur. Er konnte den Jungen gut leiden. Der hat Potential und Wissen und redet nicht zu viel. Seine zusammenfassenden Berichte gefielen ihm fast immer.

Nowak antwortete: „Der Hausmeister. Er geht morgens nach einem Wochenende alles noch einmal ab. Heute war er zum Glück sehr früh dran, montags muss er recht zeitig die Heizungen einschalten, damit sich alles nach dem Wochenende noch vor dem Unterricht ausreichend aufheizt. Dabei ist er auf dem Weg zu dem Pavillon da“, er zeigte auf den benachbarten Trakt, „auch hier vorbei gekommen. Er sagt, das wäre so um 6:20 Uhr gewesen. Sein Anruf beim Polizeinotruf war dann um 6:26 Uhr. Er soll dabei verwirrt und verängstigt gewesen sein, steht im Telefonprotokoll.“

„Na, ist ja auch kein Wunder. Gibt es schon was über das Opfer? Passende Vermisstenanzeige oder so etwas? Oder hat die Datenbank was ausgespuckt wegen der Art, wie er hier abgelegt wurde?“

„Negativ.“, sagte Nowak knapp.

Bachbauer drehte sich in Richtung Schulhof um, gegenüber, in zirka zwanzig Meter Entfernung lag das Hauptgebäude. Auf der linken Seite sah er die Schulhofzufahrt und zu seiner Rechten ging es einige Stufen zu einer Mehrzweckhalle hinauf, man konnte die doppelte Eingangstür und die Oberlichter der Umkleidekabinen rechts und links erkennen. Die Halle war ebenfalls um die zwanzig Meter entfernt. Auf der rechten Seite grenzte ein großer Sandkasten mit den üblichen Kletter- und Hangelgeräten an den Schulhof.

‚Öffentliche Stadtplanung pur, ein Klotz neben dem anderen, alles rechtwinklig.‘, frotzelte er in Gedanken. Das Einzige, was den Eindruck etwas aufhellte, waren die bunten Schriftzüge, Bögen und Geometrien, die von irgendwelchen Sprayern auf die Hauswände gesprüht worden waren. Aber auch das war schäbig, die Typen haben alles, wo sie hinlangen konnten mit ihrem Mist besprüht. Die Graffitis machten auch nicht vor den Fenstern der Klassenzimmer halt.

Er konnte diese lieblosen, schlecht gemachten Quickpieces nicht mehr sehen. Das war keine Kunst, das war nur Halbstarken-Krickelkrakel. Das hatte nur etwas mit dem klitzekleinen Selbstwert des Writers zu tun. Irgendein Assi, der sein Zeichen überall hinschmieren musste und sich dann besser fühlte, und das nennen sie Bombing. ‚Gegen das System, gegen das Establishment, wir begehren auf.‘, und was blieb, war dieser plumpe Scheiß hier, den sich alle anderen dann anschauen mussten.

„Können die nicht mal was sprühen, was gut aussieht?“, sprach er seinen Frust laut aus. Er sah sich die Kolleginnen und Kollegen mit den weißen Anzügen an. Sie verteilten auf dem Schulhof Tatortmarkierungen, gelbe Pyramiden mit einem Zahlencode, und dokumentierten ihre Funde mit ihren Kameras, bevor sie sie in Standard-Beweisbeutel eintüteten. Er fragte sich, wo die ihre Beweise hinsteckten, ‚die hatten ja auch keine Taschen in ihren Anzügen‘. Er musste spontan lächeln, sein Sarkasmus war heute wieder in Höchstform.

Als er sich die Kolleginnen und Kollegen genauer ansah, sah er nur ratlose, ausdruckslose Gesichter. Er konnte es ihnen ansehen und wusste schon jetzt, dass sie nichts Verwertbares gefunden hatten. Er hatte so ein Gefühl, dass der Täter keinerlei unbeabsichtigte Spuren hinterlassen hatte. Und wenn sie etwas fanden, dann war es sicherlich älteren Datums oder durch den Hausmeister, Kinder, Jugendliche und Teenager am Wochenende verursacht. Dieses Monster hinterließ nur das, was er wollte. Nur das, was sie finden sollten.

Er ging über den Schulhof und sah unter den Kollegen eine zierliche Person, Melissa Inoue und grüßte Sie: „Na, Melissa, habt ihr schon irgendwas gefunden?“, sie drehte sich zu ihm um und er konnte an ihren strahlenden Augen oberhalb des Mundschutzes sehen, dass sie ihn anlächelte. Man sah ihr ihre asiatische Abstammung an. „Morgen Harry, leider nichts bisher. Das Einzige sind die beiden Pakete auf der Platte.“ Sie dachte kurz nach, lächelte dabei weiter. „... Unterhalt Dich mal mit dem Hausmeister. Bisher hat niemand was Hilfreiches aus dem herausbekommen, der ist voll geschockt.“, sie ging etwas dichter an ihn heran und fragte, „Was macht die Familie?“

Auch er reduzierte seine Lautstärke und antwortete, „Ach, frag nicht, ich bin früher ein riesen Idiot gewesen. Sie kann es mir nicht verzeihen. Und jetzt, wo ich auch von ihr Veränderung, Heilung und Annahme erbeten habe, ist alles wieder aufgebrochen und sie ist regelrecht exponiert. Alles ist wieder hochgekommen und hat eine unüberwindbare Barriere aufgeworfen. Ich hätte es ahnen müssen. Immerhin tue ich ja immer so, als würde ich die Menschen kennen. Aber in meinem engsten privaten Umfeld scheint das noch nicht zu klappen. Da versage ich und enttäusche immer wieder, ohne dass mir das vorher bewusst wird. Ich habe mittlerweile eine eigene Wohnung. Ganz frisch, in Hochdahl, Altbau, hohe Decken und so, drei Zimmer.“

Melissa schaute ihn traurig an, „Hört sich nicht gut an.“, sagte sie und tätschelte mitfühlend seinen Unterarm. „Kommst Du klar?“

Bachbauer nickte, freute sich über die Anteilnahme. „Die Jungs bleiben bei meiner Frau und ich kann den Kleinen jedes zweite Wochenende haben. Wir haben uns geeinigt, dass ich ihn am Wochenende immer zum Fußballspiel bringe, und dann bleibt er erst mal ein paar Stunden bei mir, Playstation und so weiter. Aber er ist ja auch schon groß, steckt mitten in der Pubertät und wächst wie Teufel. Ist schon fast so groß wie ich. Schauen wir mal, wie es sich entwickelt. Und mit den anderen beiden. ... Die sind schon erwachsen.“ Er stöhnte leicht. „Ich denke, es spielt sich ein. Sie hegen keinen besonders großen Groll gegen mich, obwohl meine Frau munter daran arbeitet“ Er sah ihr an, dass sie mitfühlte. Sie bemerkte, dass er wegen der Ereignisse bekümmert war und es ihm keine Freude bereitete, darüber zu sprechen. „Wir unterhalten uns mal in Ruhe über alles, jetzt müssen wir erst mal mit dem Tatort fertig werden.“

„Ja, vielleicht bei einem Bierchen.“, sagte sie vorsichtig.