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"Da draußen fressen sie sich gegenseitig auf." Abgeschnitten von der Außenwelt, isoliert, sich selbst überlassen. Es hatte ein TV-Spektakel sein sollen. Sieben Kandidaten, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, jeder von ihnen mit einem Geheimnis, in einem Container. Dutzende Kameras, die jede ihrer Bewegungen verfolgen und selbst die intimsten Momente festhalten. Erotik, Leidenschaft, Hinterhältigkeit und Intrigen. Die Einschaltquoten waren hoch, das Publikum begeistert. 68 Tage ging es gut, Zuschauer und Kandidaten fieberten dem großen Finale entgegen ... Doch dann brach alles zusammen. "Hier drinnen auch." Zombie Zone Germany: Unsere Städte wurden Höllen. Sie kamen über Nacht. Ihr Hunger war unstillbar. Sie fielen wie Heuschreckenschwärme über die Lebenden her. Zerrissen sie, fraßen, machten aus ihnen etwas Entsetzliches. In den Straßen herrscht verwestes Fleisch. Zwischen zerschossenen Häusern und Bombenkratern gibt es kaum noch sichere Verstecke.In Deutschland ist der Tod zu einer seltenen Gnade geworden. Hohe Stahlbetonwände sichern die Grenzen. Jagdflieger und Kampfhubschrauber dröhnen darüber. Es wird auf alles geschossen, was sich (noch) bewegt. Deutschland wurde isoliert – steht unter Quarantäne. Die wenigen Überlebenden haben sich zu Gruppen zusammengeschlossen, oder agieren auf eigene, verzweifelte Faust. Gefangen unter Feinden. Im eigenen Land. Doch ist der Mensch noch des Menschen Freund, wenn die Nahrung knapp wird und ein Pfad aus kaltem Blut in eine Zukunft ohne Hoffnung führt? Bisher in der Reihe erschienen: ZZG: Die Anthologie ZZG: Trümmer (Simona Turini) ZZG: Tag 78 (Vincent Voss) ZZG: Letzter Plan (Jenny Wood) ZZG: Zirkus (Carolin Gmyrek) ZZG: Blutzoll (Matthias Ramtke) ZZG: XOA (Lisanne Surborg) ZZG Anthologie: Der Beginn
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Zombie Zone Germany:
TAG 78
Vincent VOSS
Herausgegeben von Torsten Exter
© 2015 Amrûn Verlag Jürgen Eglseer, Traunstein
Herausgeber der Reihe: Torsten Exter
Lektorat: Torsten Exter Umschlaggestaltung: Christian Günther
Alle Rechte vorbehalten
ISBN – 978-3-95869-236-7
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar
Monitorraum Sendezentrale
Anfangs habe ich das nur aus Langeweile geschrieben. Ich weiß, das hört sich jetzt nicht nach dem ersten Satz an, der den Leser mit sich reißt. Dessen bin ich mir bewusst, ich kenne mich ein wenig aus damit. Nicht mit dem Schreiben, aber mit bewegten Bildern. Da muss einen auch der Anfang packen, die ersten 15 bis 20 Sekunden, denn der Zuschauer ist kritischer denn je und schießt schneller mit der Fernbedienung als Lucky Luke. Wenn ich also sage, dass ich nur aus Langeweile schreibe, könnten Sie annehmen, der Leser würde mich herzlich wenig interessieren. Das war aber niemals so. Bevor ich begonnen habe zu schreiben, wusste ich: Wenn, dann richtig. Auch wenn ich mir zu dem Zeitpunkt noch gar nicht sicher sein konnte, überhaupt ein Publikum zu finden. Oder auch nur einen anderen lebenden Menschen da draußen.
Warum also schreibt der Typ aus Langeweile, werden Sie sich vielleicht fragen. Stellen Sie sich mich als Regisseur vor. Als gutaussehenden Alfred Hitchcock vielleicht, der in seinem Sessel sitzt und auf 52 Monitoren rund um die Uhr Filmsequenzen sichtet. Er kann nicht wegsehen und auch nicht weghören. Na ja, das letzte vielleicht schon, aber er kann den Ton nicht abstellen. Stellen Sie sich weiter vor, der gutaussehende Alfred Hitchcock hat ausreichend Wasser und Unmengen Bier, ein Toilette, zahlreiche Fertiggerichte wie Huhn Malaysia und Boeuf Stroganoff, Tonnen an Knabbereien und Süßigkeiten, eine Spiegelausgabe, die sich mit der RAF beschäftigt, zwei Bedienungshandbücher für Schnittprogramme, aber … er kann nicht weg! Er ist eingesperrt mit diesen 52 Monitoren. Seit 5 Tagen, 9 Stunden, 43 Minuten und 14 Sekunden sieht und hört er ununterbrochen 7 Menschen beim Reden, Streiten, Versöhnen, Lachen, Weinen, Kochen, Essen, Masturbieren, Kacken und Ficken zu. Ununterbrochen, rund um die Uhr. Und dann hat er geschrieben, sich einen Notizblock und einen Stift genommen und alles zusammengetragen. Ein Zeugnis.
Ich nenne es Secrets & Suprises – Staffel Z.
Eigentlich hieß dieses Format vormals Big Brother. Bei Secrets & Suprises hat jeder Kandidat ein dunkles Geheimnis, das er mit in den Container nimmt. Wird dieses von jemanden erraten, bekommt derjenige 50.000€ und ist eine Runde weiter. Der andere muss durch das Publikum über seinen Verbleib abstimmen lassen. So viel zu den Secrets. Die Suprises sind Überraschungen, die entweder überall im Container verschlossen und versteckt waren oder aber Spontanbesuche von Prominenten, wie Costa Cordalis oder Carmen Uniati, besser vielleicht als Muschi Glanz bekannt.
Tag 74. Die Kandidaten sind seit 5 Tagen von der Außenwelt abgeschnitten. Es gibt Wasser und Strom, aber keine Regieanweisungen mehr. Diese vorprogrammierten Tools laufen im Autopilot. Wie das rote Licht über der Tür zum heißen Stuhl und die rückwärts gezählten Sekunden, bis sich die Tür zur Kabine öffnet. 9,8,7,…,3,2,1, START. Jeder Kandidat hat 30 Sekunden Zeit, sich vor dem Publikum zu präsentieren und jemanden für die Rauswahl vorzuschlagen.
Toto ist der erste, er stürmt in die Kabine. Tätowierter, muskulöser Glatzkopf aus Berlin. Sein Geheimnis: Er saß wegen Körperverletzung und räuberischer Erpressung im Knast. Er setzt sich auf den heißen Stuhl, fährt sich mit einer Hand über die Glatze.
»Scheiße, mann! Ich mach den Dreck nicht länger mit! Holt mich raus hier, sofort!« Er schlägt auf die Stuhllehne. »Ich schwör, das gibt sonst ein Unglück hier drin …« Er sieht in die Kamera, sieht auf dem Display, dass ihm noch Zeit bleibt. Er hat nichts weiter zu sagen, sitzt dennoch die restlichen Sekunden ab.
Als nächstes folgt Barbara, von allen nur Babsi genannt. Eine etwas verlebte Mitvierzigerin. Container-Mutti mit Herz. Ihr Geheimnis: Sie hat eine erwachsene Tochter und lebt in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung. Sie setzt sich, schlägt die Beine übereinander und atmet durch. Ihr Blick ist zur Kamera gerichtet.
»Ich finde das nicht mehr gut. Ich glaube, wir können alle nicht mehr, sind alle am Limit. Wir wünschen uns, dass sich jetzt jemand bei uns meldet. Und, dass die beiden Glühbirnen im Flur endlich gewechselt werden. Bitte!« Auch sie wartet die verbleibende Zeit ab.
Zippo kommt als nächster. Fahrradkurier aus Hamburg mit Dreadlocks. Bisheriger Favorit. Er setzt sich, sieht in die Kamera, schmunzelt.
»Yo, jetzt mal ehrlich, das ist doch n´Witz, oder? Echt krass. Ich muss sagen, gut fühle ich mich damit nicht mehr. Klar, man lernt auch draus, aber hätte ich das vorher gewusst. Ich weiß nicht.« Er beißt in einen Apfel, kaut und überlegt. »Wie immer schlage ich niemanden vor, den ihr raus wählen sollt.« Er steht auf und geht.
Konfusion an der Tür, Jenny will rein, aber Lilith ist dran. Lilith. Gruftie. Ihr Geheimnis: Sie ist praktizierende Okkultistin und trinkt gerne warmes Blut. Sie setzt sich, sieht in die Kamera und schweigt. Wie immer. Dann steht sie auf, geht.
Dominique, das Nesthäkchen. Der Jüngste und Schmächtigste. Sein Geheimnis: Er ist Millionärssohn. Er setzt sich. »Hallo.« Er nickt in die Kamera und lächelt. Dann zieht er die Stirn kraus und lauscht. »Oh, die Zeit ist ja schon …« Ein schriller Ton zeigt ihm an, dass die Zeit um ist. Er steht auf und geht.
Jenny kommt rein. Wasserstoffblonde Schönheit, häufig bauchfrei und hauteng. Ihr Geheimnis: Sie hatte Sex mit zwei Männern geleichzeitig. »Hi!« Sie lächelt, rückt unauffällig auffällig ihre Oberweite zurecht. »Also, dass ihr euch nicht meldet, finde ich nicht so gut, aber das gehört bestimmt zum Bizz. Also mecker´ ich auch gar nicht mit euch. Nur Zigaretten habe ich bald nicht mehr, dann wird es echt fies. Also, büdde! Wenn ihr weiter eine lustige Jenny wollt, bringt ihr Zigarettennachschub, ja?« Sie überlegt kurz, starrt links oben an die Decke. »Und zum Rauswählen schlage ich wieder mal Zippo vor. Ich mag die ungepflegten Haare gar nicht. So, Zeit ist um. Bis bald.« Sie steht auf, lächelt, winkt und geht.
Als letztes kommt Ben. Sportlicher, dunkelhaariger Sonnyboy. Sein Geheimnis: Er ist Rechtsanwalt. Ben setzt sich, orientiert sich zur Kamera und zum Display. Er holt einen Zettel hervor und beginnt, ihn vorzulesen. »Sehr geehrte Damen und Herren dieses Senders, ich bitte Sie hiermit nachdrücklich, meinem schon am Donnerstag den 27. September geäußerten Wunsch, die Sendung zu verlassen, Folge zu leisten. Sollten Sie diesem Gesuch nicht nachkommen, werde ich Sie verklagen. Der Umgang mit den Kandidaten ist menschenunwürdig, viele werden hier seit 5 Tagen gegen ihren Willen festgehalten.« Die Zeit ist um, Ben geht.
Aufenthaltsraum.
Direkt nach demHeißen Stuhl.
Die Kandidaten sitzen auf den Sesseln und Sofas um einen weißen Wohnzimmertisch herum. Toto, Babsi und Jenny auf dem Dreiersofa, Dominique und Ben auf einem Zweiersofa, Zippo auf dem anderen und Lilith sitzt seitwärts in einem Sessel.
»Ich fass es echt nicht«, schimpft Toto, ballt eine Hand zur Faust, hebt den Arm zum Schlag, beherrscht sich und lässt ihn wieder sinken.
»Das ist keine Show mehr«, schlussfolgert Ben aus der ausbleibenden Reaktion.
»Ach ja, dann lass dich doch rauswählen«, schlägt Jenny vor, öffnet ihre Zigarettenschachtel, schaut in die Packung und schließt sie wieder.
»Yo Jenny, jemand zuhause? Hat er doch versucht. Hat er doch Donnerstag schon gesagt«, erwidert Zippo.
»Und was ist es dann? Ein Experiment?«, will Babsi wissen. Sie schweigen.
»Es kann ja immer noch so eine verfickte Prüfung sein, weisste? Immerhin geht es um ne Million, mann«, überlegt Toto. »Aber mir ist der ganze Scheiß jetzt egal. Ich will nur noch raus hier«, ergänzt er. »HÖRT IHR? ICH WILL RAUS!« Babsi legt ihre Hand auf seinen Unterarm.
»Ich glaube, das gehört dazu. Das ist das Show-Bizz«, ist sich Jenny sicher und zündet sich jetzt eine Zigarette an.
»Genau das müssen wir herausbekommen«, plant Ben. »Wir müssen herausfinden, ob sich überhaupt noch jemand bei uns meldet.«
»Und wie?«, fragt Babsi.
»Wir müssen sie mit irgendetwas provozieren, sodass sie sich melden müssen. Wenn nicht, können wir davon ausgehen, dass irgendetwas passiert ist«, antwortet Ben.
»Na, das ist ja clever, das hier vor laufender Kamera zu besprechen, Herr Oberschlau«, geht Toto ihn an. Ben zuckt mit den Schultern, schiebt ein Notizbuch und einen Stift auf den Tisch.
»Wir können die Vorschläge hier aufschreiben. Verdeckt. Und dann auch in dem Buch darüber abstimmen. Falls alle lesen und schreiben können.« Toto lacht verächtlich, Zippo und Babsi nicken.
»Dominique?«
»Was? Ja. Ja, gute Idee.«
»Lilith?«
Alle sehen zu ihr.
»Ich bin dafür, wir bringen jemanden um. Und sehen dann, was passiert.« Sie steht auf und geht. Niemand schreibt etwas in das Buch.
Nachts. Container.
Ben und Zippo öffnen jeweils ihre Zimmertür, schleichen in das gemeinsame Wohnzimmer. Sie nicken sich zu, warten und lauschen.
»Yo, scheint alles okay zu sein«, flüstert Zippo. Ben nickt. »Hast du alles?« Zippo hält eine Dose Haarspray und ein Feuerzeug hoch. »Super. Dann mal los.« Ben zerrt eine Kiste mit Zeitungen und Zeitschriften unter einem Beistelltisch hervor, stemmt sie hoch. Beide schleichen den Flur entlang bis zu DER Tür. DIE Tür ist der Weg in die Freiheit. Durch SIE waren sie herein gekommen, durch SIE waren die rausgewählten Kandidaten gegangen, durch SIE waren die prominenten Gäste geschritten. DIE Tür ist aus Stahl, weiß lackiert, mit einem Tastenfeld an der Wand. Nur durch einen Zahlencode, den sie nicht kennen, lässt SIE sich von innen öffnen. Ben, Zippo, Babsi, Lilith, Toto, Jenny und Dominique hatten in der letzten Zeit immer häufiger vor DER Tür gestanden. Hatten Zahlencodes eingetippt, SIE geschlagen und getreten und in die Kamera geschimpft, die oben an der Decke hängt. Reflexartig drückt Zippo auf den Griff. Nichts.
»Verteil schon mal das Papier, ich hol die Stühle aus der Küche«, weist Ben ihn an. Zippo sieht Ben skeptisch an, dennoch reißt er Seiten aus Magazinen und Zeitungen, knüllt sie zusammen und häuft sie auf. Ben trägt zwei Holzstühle herbei, stellt sie über die ersten Papierknäuel und geht Zippo zur Hand.
»Wie löschen wir es?«
»Wir ersticken es mit Wolldecken. Ich habe zwei in meinem Zimmer. Ich hol sie kurz.« Der Papierhaufen wächst, Ben legt die Decken hinter ihnen bereit.
»Das sollte reichen«, beschließt Zippo, als der Haufen fast die Unterseite der Sitzflächen erreicht. Sie lauschen. Alle anderen schlafen, nur Dominique wälzt sich unruhig hin und her.
»Dann los!«, gibt Ben das Kommando. Zippo hält ihm Haarspray und Feuerzeug entgegen. »Deine Idee, Mann.« Ben hält die Haarspraydose auf das Papier, sprüht, hält das Feuerzeug darunter. Die Flamme erfasst den Papierhaufen, welcher erst spärlich Feuer fängt, dann aber auflodert. »Jetzt?«, fragt Zippo.
»Nein. Nein, noch nicht. Erst, wenn die Stühle brennen.« Ben sprüht ab und an Haarspray nach. Das Papier steht in Flammen, erfasst die Stühle, Qualm breitet sich aus.
Dominique wird wach, sieht sich um. Die Stühle beginnen zu brennen.
»Feuer!«, schreit Ben. »Feuer! Feuer!«, schreien beide. Die anderen Kandidaten schrecken hoch, Rauch kriecht durch den Flur in das Wohnzimmer und verteilt sich weiter im Container.
»Fuck, Alter! Was soll das?« Toto stürzt, nur in Boxershorts gekleidet, auf sie zu. Die Hände zu Fäusten geballt.
»Wir haben …«, beginnt Zippo.