Zottelpuppe Kora - Heinz Georg Held - E-Book

Zottelpuppe Kora E-Book

Heinz Georg Held

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Beschreibung

Die Zottelpuppe Kora ist verloren gegangen - auf einem Parkplatz mitten im Wald ist sie dem 'Kleinen Mädchen' aus dem Rucksack gefallen. Nun sind alle davongefahren, und Kora muss allein nach Hause finden. Der lange Heimweg führt sie durch fremde Welten: Von Ruslan, dem Fuchs, wird sie durch den nächtlichen Wald getragen, Dachs Skaramuz versteckt sie in seinem unterirdischen Bau, und Eule Merva fliegt mit ihr über das Große Moor. Dabei fällt es Kora immer schwerer, sich von ihren neuen Freunden wieder zu trennen. Ob sie nicht lieber im Wald bleiben sollte? Oder am Flussufer bei den sprechenden Weiden? Wer weiß, ob das 'Kleine Mädchen' überhaupt noch an sie denkt? Vielleicht hat es seine Zottelpuppe längst vergessen? Im Stadtpark trifft Kora das kluge Eichhörnchen Beatrix, das ihr den richtigen Weg weist, und eine geheimnisvolle Melodie aus Blütendüften bringt sie schließlich an ihr Ziel.

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Heinz Georg Held

hat vergleichende Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte in Berlin und Venedig studiert und war anschließend Fremdsprachenlektor und Dozent für deutsche Literatur an der Universität Pavia. Er lebt heute als freier Schriftsteller und Übersetzer in Italien und schreibt neben Sachbüchern vor allem Kinder- und Tiergeschichten, Gedichte und Theaterstücke.

Inhaltsverzeichnis

1. Verloren

2. Im Dunkeln

3. Skaramuz

4. Am Fluss

5. Der Flug

6. Im Stadtpark

7. Beatrix

8. Heimkehr

Verloren

Aua! denkt die Zottelpuppe Kora, als sie aus dem Rucksack des Kleinen Mädchens auf die Erde fällt.

Dann hört sie Autotüren schlagen. Und ein Motorengeräusch, das sie kennt. Und wie das Auto wegfährt. Das Auto, in dem sie so oft gesessen hat. Zusammen mit dem Kleinen Mädchen.

Und dann weiß sie plötzlich gar nichts mehr.

Als sie wieder erwacht, ist es dunkel. Sie hört etwas rascheln und scharren. Und Stimmen.

Etwas Kühles, Weiches, Feuchtes stupst sie.

Was ist das? denkt Kora.

Mit einem Ruck setzt sie sich auf. Vor ihr steht eine große, massige Gestalt.

– Das ist lebendig! quiekt eine Stimme aufgeregt. Schaut doch! Das lebt!

Sofort ist Kora umringt von mehreren großen, massigen Gestalten, die sie verwundert ansehen und beschnüffeln.

– Wer bist du? fragt eine dunkel rollende Stimme.

Wer bin ich? denkt Kora.

Ich weiß es nicht! denkt sie.

Sie überlegt. Und dann sagt sie:

– Ich bin Kora.

Kora! Das ist der Name, den ihr das Kleine Mädchen gegeben hat. So hat das Kleine Mädchen sie immer gerufen: Kora!

Und während Kora daran denkt, wundert sie sich, dass sie mit einem Mal laut sprechen kann.

– Bist du ein Menschenkind? hört sie hinter sich eine tiefe, gurgelnde Stimme.

Ja, denkt Kora. Ein Menschenkind bin ich. Wie das Kleine Mädchen. Oder bin ich das nicht?

– Nein, antwortet sie. Ich bin kein Menschenkind.

Sie überlegt. Was hat das Kleine Mädchen immer gesagt?

– Ich bin eine Zottelpuppe, sagt Kora.

Das ist es. Eine Zottelpuppe.

Sie reckt und streckt ihre Arme und Beine und betrachtet sie. Ihre Glieder sind ein einziges buntes Flickenwerk. Ihr ganzer Körper ist aus Stoffresten zusammengesetzt.

Kora steht auf und macht einige kurze Schritte. Vom Liegen ist sie ganz steif und ungelenk geworden. Und dabei wundert sie sich, dass sie ganz allein gehen kann.

– Und wer seid ihr? fragt sie.

– Ich bin Thera, antwortet die dunkel rollende Stimme.

– Und ich bin Woldemar! Das ist die quiekende Stimme.

– Und ich Mori! Noch eine hohe Stimme.

– Borislaw! Drulof! Grusina! ertönt es nun von allen Seiten.

Kora sieht sich um. Jetzt erkennt sie die dicken, borstigen Gestalten. Sie hat sie früher schon in einem Bilderbuch des Kleinen Mädchens gesehen. Und einmal sogar von weitem auf einer großen Wiese, als das Kleine Mädchen sie im Arm hielt. Schau mal, Kora, hat es gesagt, das sind Wildschweine.

Wildschweine sind es also.

– Was machst du hier? fragt das Wildschwein, das eben „Borislaw“ gerufen hat.

Ja, denkt Kora. Was mache ich hier?

– Ich weiß nicht, antwortet sie.

Und mit einem Mal ist ihr ganz elend zumute.

Warum ist sie hier? Warum ist sie nicht bei dem Kleinen

Mädchen? Sie ist doch sonst immer mit dem Kleinen Mädchen zusammen. Oder doch ganz in seiner Nähe.

Mal an seiner Hand, mal in seinem Arm, mal unter seinem warmen Anorak. Oder neben ihm auf dem Fußboden des Kinderzimmers. So haben sie immer miteinander gespielt.

Und nachts haben sie im selben Bett gelegen.

Wo ist das Kleine Mädchen?

Plötzlich beginnt Kora zu weinen. Und dabei muss sie daran denken, wie seltsam es ist, dass sie jetzt weinen kann. Früher hat sie nie geweint.

– Die Zottelpuppe ist traurig, sagt die hohe Stimme von Mori.

– Die Zottelpuppe hat Heimweh! sagt Woldemar, das Wildschwein mit der quiekenden Stimme.

– Die Zottelpuppe muss zu ihrer Mama, erklärt das Wildschwein, das sich Thera genannt hat. Es ist das größte und dickste von allen.

Ich habe keine Mama, denkt Kora. Ich will zu meinem Kleinen Mädchen.

– Ja, sagt Kora. Bitte! Könnt ihr mich nach Hause bringen?

Zu meinem Kleinen Menschenmädchen.

Alle Wildschweine sehen Thera an. Einige grunzen leise.

– Wir können dich ein Stück begleiten, erwidert Thera. Wo wohnst du denn?

Wo wohne ich? denkt Kora. In einem Kinderzimmer. Mit einem Spieltisch und einem Schrank und einem Bett. Mit einer Tür und einem großen Fenster. Und das Kinderzimmer ist in einem Haus. Und vor dem Haus eine Hecke. Und duftende Büsche. Neben dem Haus ein Auto. Aber wo ist das alles?

– Ich weiß nicht, antwortet Kora.

– Das ist schlimm, sagt Thera. Sie scharrt mit den Vorderhufen.

– Die Menschenwohnungen sind weit von hier entfernt, fährt sie fort. Sehr weit. Und es gibt so viele davon. Wie sollen wir die richtige finden?

– Die Menschen, sagt das Wildschwein Drulof, die Menschen kommen hierher und steigen aus ihren Autos. Dann laufen sie durch den Wald. Und fahren wieder fort. Wohin, wissen wir nicht.

– Wir kennen keine Menschen, sagt Grusina mit der tiefen Stimme. Wir können dir nicht helfen.

Ratlos wiegen die Wildschweine ihre großen Köpfe.

– Aber wir kennen jemand, sagt schließlich Thera. Wir kennen jemand, der Menschen kennt.

Die anderen Wildschweine nicken zustimmend und grunzen.

– Ja, sagt Borislaw. Ruslan kennt Menschen. Er kann der Zottelpuppe helfen.

– Vielleicht, sagt Thera, vielleicht kann er helfen. Lauf, Borislaw, lauf zu Ruslan. Sag ihm: Jemand braucht deine Hilfe. Dann wird er kommen.

Borislaw nickt kurz. Mit seinem schweren Leib trabt er los und ist sogleich in der Dunkelheit verschwunden.

Nach und nach zerstreuen sich die Wildschweine, um den Waldparkplatz nach Essbarem abzusuchen. Nur Mori und Woldemar bleiben zurück.

Kora bemerkt jetzt, dass Mori und Woldemar gar nicht so groß sind wie die anderen Wildschweine. Auch ist ihr Fell etwas heller und hat überall Flecken. Sie sehen ein bisschen zottelig aus, so wie Kora auch.

– Magst du mit uns spielen? fragt Mori.

Spielen? Das Kleine Mädchen hat mit ihr Karten gespielt und Mensch–ärgere–dich–nicht. Es hat dann immer für Kora die Karten gezogen oder gewürfelt und gesetzt. Sie haben auch „Geburtstag“ oder „Schule“ oder „Ferien“ gespielt.

– Was spielt ihr denn? will Kora wissen.

– Wir spielen Stupsen. So lange, bis einer umfällt. Das macht Spaß. Und dann jagen wir uns. Am liebsten durch Schlamm und nasses Gras.

– Das kann ich nicht mit euch spielen, sagt Kora traurig. Ich bin zu klein.