18,99 €
Keine Angst vor der Zukunft: Ein Ingenieur zeigt, wie wir Nachhaltigkeit und Wohlstand in Einklang bringen Achim Kampker ist Professor, Forscher, verheirateter Vater von fünf Kindern und bekennender Katholik. Der visionäre Ingenieur arbeitet an der Stadt der Zukunft, die er Humanotop nennt. Er will uns allen Hoffnung machen und sagt: »Die Meldungen über Auswirkungen des Klimawandels treiben mich um. Schlechte Nachrichten und Zukunftsangst bestimmen das Leben von vielen. Dabei steht fest: Wir können nicht länger abwarten oder nur verhalten reagieren. Und wir können die Mammutaufgabe auch nicht allein an die Politik delegieren. Wir müssen alle mitmachen! Aber wie kann es gehen? In seinem Sachbuch gibt Prof. Dr. Achim Kampker Antworten auf viele der drängenden Fragen: - Was kann jede und jeder Einzelne gegen den Klimawandel tun? - Welche Technologien können uns heute schon helfen? - Wie bringen wir Wohlstand und Nachhaltigkeit in Einklang? - Wie kann die Stadt der Zukunft aussehen?Der erfahrene Ingenieur beschreibt eine umsetzbare Vision für ein nachhaltiges Leben und ermutigt: »Für viele Probleme gelingt eine pragmatische Lösung durch die Kombination vorhandener Technologien mit einem regionalen Masterplan. Überall auf der Welt arbeiten Forscherinnen und Forscher daran, die schwierige Lage in den Griff zu bekommen. Sie versöhnen technischen Fortschritt mit Umweltschutz. Dabei geht es auch um die Sicherung von Deutschland als attraktiven Wirtschaftsstandort mit nachhaltiger Ausrichtung. Hoffnung für die Zukunft: Umwelt- und Klimaschutz sind eine Marathon-Aufgabe. Doch im Grunde ist schon alles da, was wir brauchen, um ökologisch vernünftig zu leben. Wir müssen die einzelnen Bestandteile nur wie beim Puzzle zu einem Gesamtbild verbinden. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir keine Angst vor Veränderung haben, sondern sie als Chance begreifen. Lassen Sie uns den Aufbruch wagen!«
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 206
Prof. Dr. Achim Kampker
Woran wir heute forschen. Was wir längst über das Morgen wissen. Und weshalb wir Hoffnung haben können.
Knaur eBooks
»Im Grunde ist schon alles da, was wir brauchen, um ökologisch vernünftig zu leben. Aus Utopie kann Realität werden. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir keine Angst vor Veränderung haben. Wagen wir gemeinsam den Aufbruch. Auch als Vater von fünf Kindern sage ich: Schluss mit den Endzeitprophezeiungen!«
Prof. Dr. Achim Kampker
Vier von fünf Menschen weltweit sind laut einer aktuellen Umfrage dafür, dass endlich mehr für Umwelt- und Klimaschutz getan wird. Es braucht Lösungen mit Blick auf Themen wie Energie, Verkehr und Ernährung. Die gute Nachricht: Längst gibt es vielversprechende Entwicklungen! Darüber schreibt der engagierte Ingenieur und Visionär Prof. Dr. Achim Kampker und zeichnet ein positives Zukunftsbild: wie wir auch künftig ein gutes Leben führen können. Und was jede und jeder dazu beitragen kann.
Dieses Buch wird Ihre Sicht auf die Welt verändern!
Weitere Informationen finden Sie unter: www.www.bene-verlag.de
Motto
Rückblicke – Ausblicke – Einblicke
In einem Land vor unserer Zeit
Abstecher in die Gegenwart
Ausflug ins Übermorgen
Aufbruch nach Morgen
Wo wir herkommen – und wo wir hingehen
Über Gott und die Welt
Ingenieure retten die Erde
Mit Volldampf in die Konsumgesellschaft
Von Schwestern, Schauspielern und Ingenieuren
Mehr Verschwendung als Verwendung
Durchschnitts-Werte: Erkenntnisse im Nahrungs-Mittel
Am Boden zerstört?
Natur und Technik: Keine Bauernopfer
Futtermittel-Revolution: Siegeszug der Soldatenfliege?
Aufzucht im Container: Meer davon!
Woher kommt der Phosphor?
Strategien auf dem Schachfeld der Datenkönige
Smarte Maschinen: Rettung oder Untergang?
Das große Keinmalkeins
Innovation mal anders: Ge(h)hilfe auf dem deutschen Weg
Vom intelligenten Umgang mit künstlicher Intelligenz
All-seits gute Fahrt!
Wo Leben Stadt findet: Bauen nach Farben
Verkehrs-Wesen: Wie wir uns künftig fortbewegen
Gondeln mit Bodenhaftung und Parkhäuser mit Intelligenz
Zug-Kraft: Mit der Elektro-Ente durch die Stadt
Aller Laster Anfang? – Nutzfahrzeuge und die CO2-Bilanz
Auf Achse: Anhänger der Verkehrswende
Überwiegend unterirdisch: Wenn Logistik in die Röhre schaut
Gut für den Kreislauf: Beispiel Batterie-Recycling
Runde Sache: AKKUrater Zirkelschluss
Anteil-Name: Die Batterieverordnung regelt das
Neuer Job: Sesshaft im »zweiten Leben«
Anfang vom Ende: Wen wird’s denn gleich zerlegen?
Der Kunststoff, aus dem die Albträume sind
Das große Bild: Alles eine Frage der Zusammensetzung
Kreislaufwirtschaft: Die Geburt der Re-Generation
Nicht Dystopie, nicht Utopie: Perspektive mit System
Es kommt in Bewegung: Mit der Mobilität fängt alles an
Frisch vom Erzeuger: Mit neuer Energie zur Versorgungssicherheit
Mensch und Natur: Ende einer toxischen Trennung
Ein Fall für die Tonne: Weg mit der Waren-Wegwerf-Wirtschaft
Vom Niemandsland zum Zukunftsort
Auf zur Realisierung – Wege ins Humanotop
Den Zweiflern zum Trotz: Einfach mal machen
Praxis-Priorität: Freiräume bei Geld und Gesetz
Bestand erkannt – von Wirtschaft bis Wissenschaft
Reallabore und Ökosysteme: Von der Invention zur Innovation
Wir sind eh mobil – doch wie genau?
In sechs Phasen zum Mobilitäts-Hub Aachen
Stufe 1: Parkhaus mit System
Stufen 2 und 3: Ladesäulen und Energiespeicher
Stufen 4 und 5: Mobile Laderoboter und urbane Gärten
Stufe 6: Weg frei für Logistik und Mikromobilität
Päckchen ohne Reue
Intelligente Teilung: Ein Sharing-System für sämtliche Fahrten
Intelligente Verteilung: ULI liefert alle Güter
Energiegeladen: Mehr Kapazität und höhere Effizienz
Lebensmittel-Punkte: Biohöfe und Genossenschaften
Alternativ-Los: Stadt jeglicher Lebensqualität
Jetzt bist du dran!
Im Sinne der Gesamtlösung – Maximen für uns Einzelne
1. Beginne bei dir selbst und teile dein Wissen
2. Unterstütze die Ideen anderer Menschen
3. Würdige Altes und nutze Neues
4. Habe keine Angst vor dem Scheitern
Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, ist der, sie selbst zu gestalten.
Abraham Lincoln
Kapitel 1
70000 Jahre vor Christus // Nach verheerenden Vulkanausbrüchen hat sich das Klima dramatisch verändert. Es gibt nur noch wenige Tausend Menschen. Kälte und Dürren überziehen das Land. Ich bin Teil einer kleinen Horde, die nahe Aachen durch die Eifel streift. Wir gehören zu den Letzten unserer Art. Die Stimmung ist düster und depressiv. Eisige Temperaturen und Nässe machen uns schwer zu schaffen. Kaum jemand von uns hat noch Hoffnung, viele sehnen sich nach den guten alten Zeiten, an die sich die wenigen Alten noch erinnern. Ständig sind wir auf der Suche nach etwas Essbarem. Alles, was wir finden, und jedes Wild, das wir erlegen, muss sofort verzehrt werden, weil es ansonsten schnell verdirbt.
Wir kommen in ein schweres Gewitter. Ein gewaltiger Blitz schlägt in die alte Eiche ein, unter der einige von uns Schutz gesucht haben. Den Überlebenden sitzt der Schrecken in den Gliedern. Von nun an werden wir die Kraft des Feuers nutzen. Indem wir trockene Äste herbeischaffen, halten wir das Feuer am Leben. Mehr noch: Wir lernen, das Feuer nicht nur zum Wärmen zu nutzen, sondern auch, damit Speisen zu garen und sie haltbar zu machen. Was wir zu dieser Zeit noch nicht wissen: Einige Generationen später wird jemand entdecken, wie sich mit Feuerstein und Pyrit neues Feuer entzünden lässt. Eine der wichtigsten Entdeckungen der Menschheit, eine neue Entwicklung – nennen wir sie ruhig »Technologie«.
Das Wissen bringt den Wendepunkt. Die Menschheit breitet sich wieder aus, weil sie gelernt hat, sich in einer unwirtlichen Situation zu behaupten und Neues zu lernen, das das Überleben sichert. In einem Gebiet nahe der heutigen Stadt Aachen gibt es größere Vorkommen von Feuersteinen. Sie werden abgebaut, bearbeitet und mit Menschen anderer Herkunft getauscht. Das ist die Basis für die ersten Siedlungsansätze in dieser Region. Dabei standen die Siedlerinnen und Siedler der damaligen Zeit, glaubt man den Genanalysen einiger renommierter Wissenschaftler, kurz vor dem Aussterben – noch bevor die Menschheit sich überhaupt richtig entfaltet hatte.
1000 vor Christus // Arminius führt eine Gruppe von römischen Hilfstruppen durch die germanische Provinz, irgendwo zwischen Rhein und Maas. Die Gruppe, der ich angehöre, kommt nur langsam voran. Die Umgebung ist sumpfig und von Wäldern bedeckt. Die Vorhut ist darauf bedacht, das Fortschreiten unseres Hauptzugs zu sichern. In einem Talkessel angelangt, melden die Späher, dass heißes Wasser aus dem Boden dringt. Die Temperatur ist sehr einladend, aber in der Luft hängt ein dumpfer Gestank von faulen Eiern. Dennoch: Arminius’ Interesse ist geweckt. Er kennt solche heißen Quellen von seinen früheren Reisen – und entscheidet, dass unsere Legion hier ihr Lager aufschlägt. Eine Wohltat im ansonsten so nassen und ungemütlich kalten Germanien.
Die Natur hat Geduld. Veränderungen und Erträge bemessen sich in Jahreszeiten, Jahren, Jahrhunderten, immer in Kreisläufen. Seit jeher nutzen die Menschen die Gegebenheiten der Schöpfung. Was die Truppe zu dieser Zeit noch nicht wusste: Heiße Quellen werden es den römischen Besatzern später ermöglichen, Badeanstalten zu betreiben und das raue Leben erträglich zu machen. So entsteht nach und nach die römische Siedlung »Aquis Grana«. In den vielen Jahrzehnten deutscher Könige und Kaiser erhält Aachen das Münzrecht und andere wichtige Stadtrechte. Wohlstand entsteht – der durch die Grausamkeiten des 30-jährigen Krieges brutal vernichtet wird.
Die dunkle Seite des Menschen verlangt ihren Tribut: Krankheiten und Hungersnöte fordern Tausende von Todesopfern. Intoleranz ist es, die immer wieder großes Leid und Rückschritt mit sich bringt – manchmal lokal, häufig global, und in jedem Fall fatal. Eine florierende Gesellschaft lebt davon, dass Unterschiede akzeptiert werden und alle das Existenzrecht Andersdenkender achten. Wo dies gelebt wird, ist wirtschaftliche Blüte die Folge. Unterschiedliche Ansätze können miteinander im Wettbewerb stehen, aber auch voneinander lernen. Das zeigt und lehrt uns die Geschichte aller Epochen, seit es den Menschen gibt.
Zeitraffer // Nach zwölf Stunden harter Arbeit stehe ich vor dem Tor der Fabrik im Aachener Bezirk »Rothe Erde«. Ringsum rauchen die Schlote, der Rauch verdunkelt den Horizont. Aus England ist die Dampfmaschine über Lüttich nach Aachen gekommen, hier ist die erste Waggonfabrik Deutschlands entstanden.
Viele Jahre später wird dies für die Elektromobilität noch einmal eine besondere Rolle spielen. Die industrielle Revolution: Sie bedeutet vor allem für die Arbeiter auch viel Leid – für das es soziale Antworten braucht. Die Kur- und Kaiserstadt Aachen ist nicht nur so etwas wie Deutschlands Tor zur Industrialisierung, sie wird auch zum Vorreiter für die katholische Soziallehre. Obwohl die Domstadt zur Heimat bekannter Fahrzeugbauer geworden ist, misslingt ihr zwischen den beiden Weltkriegen der Sprung von der Manufaktur in die Massenproduktion. Der Automobilsektor floriert stattdessen in den Vereinigten Staaten von Amerika – mit Ford und Fließmontage, die dem Fortschritt durch Fertigung am Fließband den Weg bereitet. Es beginnt der industrielle Niedergang Aachens, der bis heute fortbesteht.
Für alle Zeiten gilt: Nichts hat auf Dauer Bestand, alles ist im Wandel. Erfolg ist nicht in Stein gemeißelt. Metropolen von anno dazumal sind heute oft bedeutungslos. Um unseren Status quo nicht zu verlieren, müssen wir uns immer wieder neu erfinden und dafür selbst Innovationen schaffen – oder schnell diejenigen aus anderen Regionen aufgreifen. Wenn wir das Morgen für uns gewinnen wollen, müssen wir die Zeit in allen ihren Dimensionen denken. Dazu gehört,
die Zustände in der Vergangenheit erklären zu können,
die Veränderungen im Jetzt zu verstehen,
die Ungewissheit der Zukunft durch Handeln beherrschbar zu machen.
Die Natur genau zu beobachten und unsere Erkenntnisse in nutzbare Technologien zu übersetzen, ist eine der wichtigsten Botschaften aus den vergangenen Epochen. Einfache Lösungen gibt es selten. Mut und Demut, Ausdauer und kollektiver Wille sind nötig. Kooperation in Form von Austausch und Handel gehören seit jeher zu den Erfolgsbausteinen der Menschheitsgeschichte. Existenzielle Bedrohungen sind uns nicht fremd, und wir haben Krisen immer wieder gemeistert.
Was ist aus Aachen nach all den Jahrzehnten, Jahrhunderten und Jahrtausenden geworden? Was hat Aachen heute zu bieten? Brunnen und Bäder, Kirchen und Parks, Museen und Denkmäler. Eine Heimat für weltoffene Menschen im Herzen Europas. Auf der Landkarte eine durchschnittliche deutsche Stadt mit 250000 Einwohnern, heute auch für ihre Technische Universität mit mehr als 50000 Studierenden bekannt. Neben der Ausbildung spielt an der Hochschule auch der Forschungsbetrieb eine wichtige Rolle, der durch eine an mehreren Stellen enge Verbindung zur Industrie großes Potenzial besitzt. Bloß wird es nicht immer gehoben.
In ganz Deutschland mangelt es nicht an Ideen. Es mangelt an ihrer Umsetzung. Aus der Vergangenheit können wir lernen, dass es nicht allein von den Rahmenbedingungen abhängt, wie sich alles entwickelt, sondern auch immer davon, was wir als Menschen aus den Chancen und Risiken machen. Es kommt auf uns, auf jedes Individuum an, wenn es darum geht, wie unsere Zukunft aussieht. Die gesellschaftliche Zukunft zu bestimmen ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Soziale Visionen funktionieren nicht im Alleingang.
Reisen wir am Beispiel Aachens in die Zukunft, ins Humanotop – eine menschliche Siedlung, die in der Lage ist, sich konstruktiv weiterzuentwickeln, und die damit allen als Magnet und Vorbild dienen kann, die auch für die kommenden Jahrzehnte auf ein menschenwürdiges Leben hoffen. Aachen und seine ländliche Umgebung stehen dabei sinnbildlich für zahlreiche deutsche Städteregionen: ein Oberzentrum mit vielen kleineren Kommunen im Umland. Was in Aachen funktioniert, hat gute Chancen, auch in vielen anderen deutschen Regionen Kraft und Wirkung zu entfalten.
Sommer 2050 // Ich reise im Air Taxi von Paris nach Aachen. Wir schweben über dichtem Wald und orientieren uns dabei an den Schneisen der alten Autobahnen unter uns. Die Trassen sind noch sichtbar, dienen heute aber als Standort für Solaranlagen, die als Energieadern die Gegend durchziehen. Bei unserem Flug überqueren wir immer wieder Areale der Landwirtschaft, die heute dezentral organisiert ist, aber in ihrer Produktivität massiv zugenommen hat. Ich blicke auf kleine, von Hecken abgetrennte Felder. Auf ihnen gibt es viel Bewegung: Vollautomatisierte und durch künstliche Intelligenz gesteuerte Roboter jäten Unkraut, bewässern und hegen die Nutzpflanzen. Die Vielfalt der Gewächse macht sie widerstandsfähiger gegen Schädlinge und Krankheiten. Altes Wissen über die ideale Kombination von Pflanzen vereint sich mit höchsten Ansprüchen an technologische Lösungen.
Mit mir sind vier weitere Menschen an Bord. Neben mir sitzt Marius, mit dem ich einst in Afrika gewesen bin, und ihm gegenüber Lilian, die ich seit zwei Jahren zum ersten Mal wiedersehe. Neben ihr befindet sich Heinz – ein befreundeter Unternehmer – und eine mir unbekannte Person. Mein Blick schweift wieder nach unten. In der Nähe der menschlichen Siedlungsgebiete ist das dichte Grün zu »essbaren Wäldern« umgewandelt worden. Dabei werden die drei natürlichen Ebenen des Waldes – Beere, Strauch und Baum – nutzbar gemacht und stetig optimiert. Die gesamte Landschaft ist von zahlreichen kleinen Teichen und Seen durchzogen, die dabei helfen, den Wasserbedarf für Pflanzen, Menschen und Tiere über das Jahr hinweg gut zu verteilen. Immer wieder blicken wir auch auf Gewächshäuser, die mit Solaranlagen bestückt sind. Lang gezogene Röhren in den Glasbauten geben mal rotes, mal grünes Licht von sich. »Was ist das denn?«, denke ich.
Mein Gegenüber schaut mich an und lacht. Erst da merke ich, dass ich in meiner Verwunderung halblaut vor mich hin gesprochen habe. Meinem alten Bekannten Heinz gehören viele dieser Gewächshäuser, und jetzt sprudelt es aus ihm heraus, was es damit auf sich hat. »Vor vielen Jahren war in mir der Gedanke gereift, dass Gewächshäuser ideal für Solaranlagen sind«, erklärt er. »Deshalb kaufe ich stillgelegte Gewächshäuser auf und bestückte sie mit Solarzellen. Danach hatte sich zufällig die Idee ergeben, sie für die Produktion von Algen zu nutzen. Aber nicht irgendwelche, sondern Algen, die rot werden, wenn man sie ärgert«, sagt er und lacht wieder. »Sie werden in langen Röhren gezüchtet. Wenn man sie unter Stress setzt, werden sie rot, lachsrot, und produzieren Astaxanthin, einen Stoff, der als Lebensmittel und als Zusatz genutzt wird.« Heinz weiß, wovon er spricht. Damals, im Jahr 2024, hatte er die Ostsee buchstäblich vor dem »Umkippen« gerettet – doch dazu später mehr.
Im Landeanflug auf Aachen kreuzen wir die gut ausgebaute Schnellzugverbindung. Eine dieser Bahnen, die im 15-Minuten-Takt vorbeirauschen, fährt gerade in einiger Entfernung. Ein Blick auf meinen Health Tracker zeigt mir, dass alles in Ordnung ist. Meine Kleidung beherbergt auf meinen Wunsch hin unterschiedliche Funktionen, die zahlreiche Gesundheitsparameter aufnehmen, diese mit Datenbanken und Risikofaktoren abgleichen und eventuell notwendige Maßnahmen anzeigen. Die Diagnose »Alles okay« deckt sich mit meinem morgendlichen Blick in den Spiegel, der meine Augen scannt und dadurch viele Krankheiten frühzeitig erkennen kann. Immerhin bin ich mittlerweile 74 Jahre alt und möchte noch eine ganze Zeit lang in verschiedenen Gremien mitwirken. Zum Beispiel in den lokalen Räten, die vor Ort die meisten Entscheidungen treffen, einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden und viel dazu beigetragen haben, dass wir als Gesellschaft hinter dem Wandel stehen, den wir in den vergangenen Jahren erfolgreich vorangetrieben haben.
Kurz bevor wir am Lousberg ankommen, einer Aachener Anhöhe, von der aus man gut die gesamte Stadt überblicken kann, laufen auf dem in meine Brille eingelassenen Prompter aktuelle Nachrichten – zum Beispiel über die erste deutsche Produktionsstätte im Orbit, in der Rohstoffe aus dem All verarbeitet und als Zwischenprodukte auf die Erde transportiert werden. In der Umlaufbahn gibt es pausenlos Solarstrom, weshalb Industriebetriebe einige ihrer energieintensiven Produktionsschritte dort oben absolvieren. Längst ist die kommerzielle Raumfahrt auf einem guten Weg, den sie in den 2020er-Jahren zaghaft eingeschlagen hatte. Damals ging es hauptsächlich noch um reine Erfahrungen, doch inzwischen ist aus dieser Pionierleistung ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden. Glücklicherweise ist Europa vorne mit dabei, nachdem wir verstanden hatten, dass sich enorme Chancen bieten, die vieles verändern werden – ähnlich wie die neuerliche Entdeckung Amerikas vor so langer Zeit. Den Anfang der Produktion im und für den Weltraum machte damals die Serienherstellung von Kleinsatelliten, und von dort aus ging es richtig los. Vergleichbar mit der einstigen Erforschung der irdischen Meere, war es gelungen, wieder Begeisterung für das Neue, das Unbekannte zu entfachen.
Wir landen auf dem Lousberg und begeben uns direkt zur Seilbahn, die uns zur Station »Aachen Marktplatz« bringt. Kai-Uwe steigt zu uns in die Gondel, ein Kollege an der RWTH Aachen und Erfinder ebenjenes heutigen Mechanismus, der Seilbahnen und Individualverkehr miteinander verknüpft. Ursprünglich für die Raumfahrt entwickelt, wird er jetzt auch genutzt, um in der Luft wie auf dem Boden selbstfahrende Gondeln automatisch an die Seilbahn und wieder von ihr abzukoppeln – ein Adapter, der vieles verändert hat. Auf dem Weg in die Stadt schweben wir über einer einzigartigen Landschaft. Unter der Vegetation verstecken sich begrünte Häuserfassaden, die von oben eher wie bewachsene Hügel und Berge aussehen. Dort, wo wir Teile von Wänden und Fassaden erblicken können, die nicht von Pflanzen oder Solaranlagen bedeckt sind, erkennen wir den Baustoff Holz.
Die alten Straßen wirken wie grüne Adern, die sich durch die Stadt schlängeln und auch den alten Bächen wieder als Fläche dienen, die aus dem Untergrund zurückgeholt wurden. Im Zuge der notwendigen Kanalsanierung hat die Rohrpost eine Renaissance erlebt. Dank einer modernen Version dieser alten Idee lassen sich zahlreiche Waren einfach per Luftdruck unterirdisch an sämtliche Punkte der Stadt verteilen. Auch sonst ist die Versorgung gelungen: Alle Stadtviertel haben die wichtigsten Dinge, die zum täglichen Leben notwendig sind, in ihre Struktur integriert. Die einstige Trennung zwischen Wohnen, Arbeiten und Einkaufen ist weitgehend aufgehoben – was den Stau verursachenden Mobilitätsbedarf minimiert hat. Mein Mitreisender, Marius, deutet auf die Container zwischen den Häusern. Dort leben zu Hunderttausenden unsere Larven der Schwarzen Soldatenfliege, die zehnmal effizienter als andere Nutztiere sämtliche Reststoffe unserer Nahrung verwerten und so auch das CO2 im Kreislauf halten.
Apropos »Zusammenhalt«: Der Gemeinsinn der Menschen in den Vierteln ist im Verlauf der Jahre deutlich gestiegen. Man kennt sich und hilft sich gegenseitig. Da viele Funktionen wieder im eigenen Stadtteil angesiedelt sind, gibt es deutlich mehr Kontaktmöglichkeiten und lokale Geschäftsbeziehungen. Auch sprachliche Barrieren sind aus dem Weg geräumt. Der einzige mir unbekannte Mitgereiste aus der Gondel kommt aus dem Fernen Osten und parliert munter im chinesischen Dialekt, der aus der Region um Shanghai stammt. Kein Problem für uns, denn durch die kleinen Mobilstecker in unseren Ohren, deren System heute weit verbreitet ist, verstehen wir sämtliche Sprachen.
Die reine Fokussierung auf CO2-Reduktion zählt für die Aachener Region längst zur Vergangenheit. Wir haben erkannt, dass wir viel mehr zum Überleben benötigen und die Lösung aus einem System von Kreisläufen und Artenvielfalt besteht. Etliche Spin-off-Betriebe der Hochschule sind zu etablierten, mittelständischen Unternehmen herangewachsen. Innovation wird massiv gefördert, und die Ideen werden in ausgewählten Stadtvierteln frühzeitig erprobt – was den Lernprozess beschleunigt. Die Verbindung von starker Gemeinschaft und hoher Innovationskraft hat Aachen im Dreiländereck zu einem Magneten für Menschen mit Ideen gemacht. Aus ganz Europa zieht es Erfinderinnen und Erfinder, Unternehmerinnen und Unternehmer, Künstlerinnen und Künstler in die Stadt. Genehmigungsprozesse und bürokratische Rahmenbedingungen sind auf ein Minimum reduziert worden. Kurzum: Aachen ist der »Place to be«.
Das Wichtigste aber ist: Der urbane Kolonialismus ist beendet. Städte sind wieder Teil des Kreislaufs und weitgehend autark in ihrer Versorgung mit Wasser, Energie und Lebensmitteln. Die Energiewirtschaft ist auf »Erneuerbare« umgestellt, die Mobilität steht auch durch Seilbahnen hoch im Kurs, die Landwirtschaft ist fest integriert und dem Teufelskreis von immer mehr Pestiziden und Dünger entkommen.
Rückkehr in die Gegenwart // Wir sind in die Vergangenheit und in die Zukunft gereist. Aber nicht allein um des Reisens willen. Von unseren kurzen Abstechern haben wir vier wichtige Souvenirs mitgenommen, vier entscheidende Erkenntnisse ergattert:
Die Natur ist der beste Lehrmeister. Wir dürfen nie aufhören, unsere natürliche Umgebung zu beobachten. Was wir daraus lernen können, müssen wir umsetzen – anstatt auf unserem Irrtum zu bestehen, klüger als die Natur zu sein.
Wir sind unseres Glückes Schmied. Frieden, Freiheit und Stabilität sind die Basis positiver Entwicklungen. Kriege und Alleingänge führen nie zu einem guten Ziel.
Geduld ist die Mutter aller Dinge. Veränderung braucht Zeit. Davon dürfen wir uns nicht entmutigen lassen. Unser Weg ist eine beständige Reise.
Sisyphos lässt grüßen. Nichts ist sicher. Vieles ist mühsam. Unsere Errungenschaften sind keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen uns ihren Erhalt jeden Tag neu verdienen. (Im Gegensatz zu der von Sisyphos ist unsere Arbeit allerdings weder ertraglos noch endlos – und daher keine Strafe.)
Als Junge habe ich das Waldsterben mit eigenen Augen gesehen und mich an der heftigen Diskussion über die Ursachen beteiligt. Obwohl es nicht zu dem befürchteten Niedergang kam, war die Debatte für mich der Anlass, intensiv über die Natur in meiner unmittelbaren Umgebung nachzudenken. Die Behauptung, es sei alles Panikmache gewesen, schließlich sei das Waldsterben einfach ausgeblieben, ist blanker Unsinn. Man hatte erkannt, dass »saurer Regen« durch Luftverschmutzung der Grund für die verheerenden Schäden an den Bäumen war. Durch eine deutliche Senkung der Verschmutzung konnten wir den Trend umkehren. Ähnliches gilt für die Wasserqualität unserer Seen und Flüsse. Berichte über die Verschmutzung des Rheins als größtem deutschen Fluss gaben damals Anlass zur Sorge um unser Trinkwasser. Auch hier haben wir schließlich Gegenmaßnahmen ergriffen.
Als Neunjähriger wollte ich Landwirt werden, um Ökologie und Ökonomie miteinander zu verbinden. Einen Biobauernhof profitabel zu betreiben war meine erste berufliche Vision. Ich nervte meine gesamte Verwandtschaft mit Detailfragen zu Preisen von Ferkeln, Traktoren, Ackerflächen. Die Antworten waren mir zu karg, sodass ich damit begann, mir Fachliteratur zu besorgen und selbst Wissen anzueignen. In Abwesenheit meiner Mutter hatte ich Hühner erworben und eine kleine Zucht aufgebaut. Die Eier verkaufte ich dann an meine Mutter, ebenso wie die Petersilie und die Handvoll Erdbeeren, die mein kleines Beet hergaben. Mit 16 Jahren und weiterem Wissen aus einem Praktikum auf dem Hof von Verwandten reifte in mir die Erkenntnis, dass ohne immenses Startkapital ein profitabler Betrieb nicht aufzubauen ist. Obwohl ich mich letztlich für ein Maschinenbaustudium entschied, verlor ich meinen Hang zur Landwirtschaft nie. Bald befasste ich mich ausgiebig mit der übergeordneten Frage: Wie kann man umweltschonend produzieren?
Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen, einem der größten Institute in Europa, war ich nahezu überall in der Welt unterwegs und lernte dabei andere Lebens- und Herangehensweisen kennen. Meine erste Reise nach Südafrika ist mir in besonderer Erinnerung geblieben. Aufgebrochen mit einem Gefühl der technischen Überlegenheit, war mir schnell klar geworden, dass wir vom zweitgrößten Kontinent vieles lernen können: Während wir hierzulande versuchen, unsere gewachsenen und teilweise verstaubten Strukturen weiterzuentwickeln, begegnen die Menschen in Afrika ihren Problemen mit großem Pragmatismus. Und siehe da: Viele Schritte, die wir hier machen mussten, können sie dort überspringen.
Auch mein Aufenthalt in China hat mich neue Perspektiven einnehmen lassen. Damals war ich Geschäftsführer eines kleinen mittelständischen Unternehmens. Nachdem mir der Einkäufer eines wichtigen Kunden eröffnet hatte, dass unsere Geschäftsbeziehung nur bestehen bleiben könne, wenn ich auch in China produziere, packte ich kurz entschlossen meinen Koffer. Im Reich der Mitte angekommen, hatte ich das Glück, einen altgedienten Mentor mit 30-jähriger China-Erfahrung an meiner Seite zu haben. Der erfolgreiche Aufbau eines Standorts samt Produktionslizenz in China war das eine. Das andere und viel Bedeutsamere waren die kulturellen Erfahrungen, an denen mich »der Alte« teilhaben ließ. In jeder freien Stunde und an den Wochenenden führte er mich in die Hinterhöfe – wo das wahre China zu finden ist. Meine viel zu lang gehegte Vorstellung vom »Plagiate-Produzenten« war innerhalb kürzester Zeit Geschichte. Auf dem Heimflug begleitete mich eine Mischung aus Hochachtung und gleichzeitiger Sorge darüber, was da im Wettbewerb zu Europa mit unglaublicher Energie und Geschwindigkeit aufgebaut wird. Seitdem betone ich bei jeder Gelegenheit, dass wir unsere Arroganz gegenüber China deutlich schneller abbauen sollten, als wir in der Lage sind, in unserem Land etwas aufzubauen.
Für neue Einsichten genügt aber häufig auch schon ein Blick zu den Nachbarn – etwa in die Schweiz. Damals absolvierte ich berufsbegleitend einen »Executive MBA«, abwechselnd war ich an der RWTH Aachen und der Universität St. Gallen. Die Arbeit mit realen Fallbeispielen verlieh mir einen betriebswirtschaftlichen Blick auf sämtliche Vorhaben und bekräftigte mich in meiner Ansicht, dass die Marktwirtschaft eine Säule aller möglichen Zukunftsbilder bleiben muss. Ich bekam Spaß am Verändern – und daran, Gewohnheiten zu hinterfragen. »Einfach machen!« entwickelte sich schnell zu meinem Motto. Auf der Basis meiner Erfahrungen habe ich inzwischen mehr als ein Dutzend Unternehmen gegründet und vielen Freunden und Kollegen beim Gründen geholfen. Das Zusammenspiel aus eigener wirtschaftlicher Tätigkeit, abhängiger Beschäftigung und Forschung hat meinen Blick für die Leitfrage »Was lässt sich auf welche Weise umsetzen?« geschärft. Als Wissenschaftler habe ich gelernt: In der Forschung können wir hervorragend Probleme lösen – Probleme, die niemand hat. Deshalb ist es ins Zentrum meines gesamten Handelns gerückt, zuerst Probleme und Chancen zu erkennen, die uns tatsächlich betreffen, und dann Ideen zu entwickeln und umzusetzen, die uns weiterbringen.
Es ist meine feste Überzeugung: Die Menschheit hat das Lernvermögen und die Kraft, Herausforderungen zu meistern, selbst wenn sie noch so schwierig sind. Dieser Forscher- und Unternehmergeist motiviert mich seit Jahrzehnten. Er treibt mich an und treibt mich um. So entwickelte ich mit meinem Team das Elektrofahrzeug StreetScooter,