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Manchmal nimmt die Liebe einen Umweg: „Zum Träumen schön“ von Barbara Gothe jetzt als eBook bei dotbooks. Charlene hat einen grandiosen Plan: Ihre beste Freundin Melissa würde perfekt zu Marius passen – und sie wird die beiden zusammenbringen! Blöd nur, dass Marius nur Augen für Charlene hat … Lara hingegen hat den Richtigen schon gefunden. Wenn er ihr nur endlich einen Heiratsantrag machen würde! Ein romantischer Urlaub in Irland soll alles in die rechten Bahnen lenken – doch dann begegnet Lara einem Unbekannten, der ihr Herz in Aufruhr versetzt … Auch Maximiliane von Rhodenhof kann es kaum glauben: Schon wieder soll sie mit einem reichen Adligen verkuppelt werden! Das weiß Maxi zu verhindern – nur dieses Mal hat ihre Schwester Geschmack bewiesen … Ob romantischer Sommerroman oder gefühlvolle Liebesgeschichte – lassen Sie sich verzaubern und zum Träumen verführen. Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Zum Träumen schön“ von Barbara Gothe. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 309
Über dieses Buch:
Charlene hat einen grandiosen Plan: Ihre beste Freundin Melissa würde perfekt zu Marius passen – und sie wird die beiden zusammenbringen! Blöd nur, dass Marius nur Augen für Charlene hat … Lara hingegen hat den Richtigen schon gefunden. Wenn er ihr nur endlich einen Heiratsantrag machen würde! Ein romantischer Urlaub in Irland soll alles in die rechten Bahnen lenken – doch dann begegnet Lara einem Unbekannten, der ihr Herz in Aufruhr versetzt … Auch Maximiliane von Rhodenhof kann es kaum glauben: Schon wieder soll sie mit einem reichen Adligen verkuppelt werden! Das weiß Maxi zu verhindern – nur dieses Mal hat ihre Schwester Geschmack bewiesen …
Ob romantischer Sommerroman oder gefühlvolle Liebesgeschichte – lassen Sie sich verzaubern und zum Träumen verführen.
Über die Autorin:
Barbara Gothe, Jahrgang 1960, lebt in Reinbek vor den Toren Hamburgs und arbeitet seit vielen Jahren als Redakteurin und Herausgeberin.
Bei dotbooks brachte sie bereits die Geschichtensammlung Sternenstaub und Weihnachtswunder. Zauberhafte Adventsgeschichten und zahlreiche Leselust-Bände heraus.
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Originalausgabe Mai 2017
Copyright © der Originalausgabe 2017 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Oksana Shufrych
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (sh)
ISBN 978-3-96148-016-6
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Barbara Gothe (Hrsg.)
Zum Träumen schön
Romantische Geschichten
dotbooks.
Claudia Winter
»Wir haben einen neuen Kollegen, sieht aus wie George Clooney in jung, ist beeindruckend und amüsant und nicht verheiratet!« Charlenes Augen funkelten begeistert, und sie biss in ihren Apfelkuchen, wie als wenn sie schon dabei wäre, diesen außergewöhnlichen Mann zu vernaschen.
»Aber Charlene, du hast doch deinen Christoph!« Kollegin Lara sah sie empört an. »Man tanzt nicht auf zwei Hochzeiten!« Sie saßen beide in der Kantine ihrer Firma bei der Nachmittagspause.
»Nein, nein, das will ich ja gar nicht! Ich habe an Melissa gedacht. Er trug nämlich gestern ein T-Shirt mit der Aufschrift: ›Auch Pfützen spiegeln sich die Sterne, vergiss das nicht‹. Er scheint romantisch zu sein. Und Melissa ist das auch, das passt doch wie der Deckel zum Topf, findest du nicht?«
»Na ja.« Lara schien sich langsam für diesen Gedanken zu erwärmen. »Und wie willst du es anstellen, die zwei zusammen zu bringen? Melissa ist schüchtern!«
»Ach, das wird nicht allzu schwierig.« Charlene war ziemlich optimistisch. »Ich werde ihn ein wenig umgarnen, zumindest möchte ich ihn so weit bekommen, dass er mit mir einmal abends ausgeht. Und dann wird ganz zufällig Melissa auftauchen und mir wird einfallen, dass ich etwas Wichtiges vergessen habe, und schon …«
Lara lachte. »Und du meinst, das funktioniert? Ich gehe jede Wette ein, dass das nicht funktioniert. Er wird Melissa neben dir überhaupt nicht sehen!«
»Wette angenommen, mein Gefühl trügt mich nie!«
Charlene und Lara waren in einer Firma für Druck und Graphik beschäftigt, und in eben dieser war der Traummann Marius mit seinem Shirt aufgetaucht, um den sich jetzt Charlenes Verkupplungspläne Pläne rankten. Ihre Freundin Melissa arbeitete in einer kleinen, aber gut gehenden Buchhandlung, in der zwar viele Kundinnen zu finden waren, aber wenig gut aussehende, allein stehende, romantisch veranlagte Männer. Und deshalb musste man da ein wenig nachhelfen.
Charlene ging gleich am nächsten Vormittag zum Angriff über. Sie hatte sich die dunkelblonden Locken im Nacken mit einer goldenen Spange festgesteckt, eine Strähne kringelte sich in die Stirn, ihre braunen Augen blitzten vor Unternehmungslust und rosa Lipgloss machte ihren Mund mehr als verführerisch. So wirbelte sie durch die Türe des Graphikraumes und eilte zu dem Tisch, an dem sich vier Männer, darunter der einmalige Marius, vor einem riesigen Monitor versammelt hatten.
»Guten Tag, die Herren«, rief sie fröhlich, »schon etwas geleistet heute?«
»Aber ja«, grinste der kleine blonde Johannes. »Sehen Sie sich das einmal an, Chefin, sieht gut aus, nicht wahr?«
Charlene warf einen Blick auf den Bildschirm. »Sehr schön«, meinte sie anerkennend. »Wirklich ausgezeichnet. Wer hatte die Idee mit dem Regenbogen?«
»Marius«, antwortete Johannes.
Charlene sah ihn erfreut an. »Gleich in der ersten Woche ein Erfolg«, sagte sie lächelnd. »Können wir uns nachher in der Kantine treffen? Ich habe Sie noch gar nicht richtig kennen gelernt.«
»Sicher, Chefin«, entgegnete Marius liebeswürdig.
»Ich bin nicht Ihre Chefin, das wissen Sie doch«, widersprach Charlene energisch. »Nur diese drei Typen hier, die müssen alles tun, was ich sage.«
Die drei Typen machten vereint eine tiefe Verbeugung vor ihr. »Jawohl, große Meisterin«, sagte Johannes würdevoll.
Charlene lachte. »Kindsköpfe!« Und schon war sie wieder draußen.
»Hast du ein Glück, Marius, kaum bist du da, schon darfst du mit Charlene in der Kantine am selben Tisch essen!«
»Sie scheint eine temperamentvolle Dame zu sein!«, entgegnete er und seine Augen funkelten anerkennend. »Und sie sieht hinreißend aus. Ich werde mein Bestes tun, um einen guten Eindruck zu machen.«
Das war gar nicht nötig. Charlene sah Marius mit eindeutig bewundernden Blicken über den Cafeteria-Tisch hinweg an, was ihr nicht schwer fiel, und Marius erfreute sich an ihrem zauberhaften Anblick und ihrer lebendigen Art.
»Haben Sie schon eine Wohnung hier gefunden?«, erkundigte sich Charlene, »das ist nämlich gar nicht so einfach.«
»Ich hatte Glück«, Marius nahm einen Schluck Wasser und machte sich daran, seinen Riesen-Salatteller langsam abzubauen. »In der Nordstadt, ganz am Rand, steht ein kleines altes Häuschen leer, ziemlich herunter gekommen, aber immerhin, das Dach ist dicht. Bisher wohne ich in der Küche auf einer Matratze, aber bis in ein paar Monaten ist es sicher gemütlicher. Ich werde jede freie Minute daran arbeiten. Wollen Sie es sich einmal anschauen?«
Charlene schauderte bei dem Gedanken an Mäuse und Spinnweben, dachte aber an ihre Pläne, Marius so weit zu bringen, dass er sie zum Ausgehen einlud. Also sagte sie mutig: »Gern, vielleicht am Wochenende?«
»Ausgezeichnet, kommen Sie doch gleich am frühen Samstagmorgen.«
»Ich muss gestehen, dass am Samstag der frühe Morgen bei mir nicht vor zwölf Uhr anfängt, aber ich denke, Sie werden auch dann noch da sein«, sagte Charlene mit entwaffnender Offenheit.
»Dann kommen Sie, wie es Ihnen passt«, gab Marius zurück. »Ich freue mich«.
Charlene erhob sich. »Ich muss los, na dann bis Samstag«, rief sie strahlend und entschwand zwischen den anderen Mitarbeitern.
Eine einzigartige Frau, dachte Marius. Himmel, ich habe doch gar keine Zeit, mich zu verlieben. Ich will mich zuerst einmal hier richtig einarbeiten und das Häuschen herrichten. Andererseits, wenn einem das Glück so in den Schoß fällt … er lächelte, aber dann spießte er energisch die Reste seiner Tomaten auf. Er musste jetzt an den Entwurf für eine Werbekampagne denken, und nicht an Charlene und ihre verheißungsvollen Augen.
Der Samstag kam mit strahlendem Sonnenschein, und Charlene schwang sich nach einem ausführlichen späten Frühstück in ihren schnellen kleinen Wagen, um Richtung Nordstadt zu kurven.
Eigentlich müsste ich jetzt traurig zu Hause herumsitzen und sehnsüchtig an Christoph denken, überlegte sie, als sie auf die große Allee einbog. Aber erstens ist es sehr praktisch, dass er dieses Wochenende noch in Spanien beim Ableger seiner Firma sitzt, und zweitens würde ich auch ohne das spannende Unternehmen Melissa-Marius niemals zu Hause sitzen und sehnsüchtig an ihn denken. Das ist nicht mein Stil. Heute Abend werden wir allerdings ein bisschen skypen, das macht die Trennung erträglicher.
Zwanzig Minuten später hatte sie die kleine Straße erreicht, in der sich das Häuschen von Marius befinden sollte, und da war er auch schon. Er kam gerade aus der Haustüre, völlig verstaubt und verdreckt, und trug zwei schwere Eimer voller Schutt in einen Container am Straßenrand.
»Fertig«, stöhnte er, und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Ich glaube, ich komme gerade recht«, rief Charlene winkend und stieg aus dem Wagen. »Wie wäre es mit einer kleinen Pause?«
Seine Augen leuchteten auf. »Ich hätte nie gedacht, dass Sie wirklich kommen«, antwortete er, »aber jetzt werde ich Ihnen alles zeigen. Bisher habe ich nur ausgeräumt und abgebaut, jetzt kommt der schönere Teil der Arbeit, alles wieder neu einzurichten. Bitte sehr, die Dame, zuerst ins Erdgeschoss!«
Charlene stieg vorsichtig über den Staub und trat in ein kleines Zimmer mit vier Fenstern, die Fensterflügel waren ausgehängt und standen im Garten. »Alte Sprossenfenster«, erklärte Marius, »ich werde das Holz frisch streichen, eine Heidenarbeit, aber es sieht nachher sehr gemütlich aus.«
Warum nur die meisten Leute immer von alten Dingen schwärmen, dachte Charlene und schüttelte innerlich den Kopf, solche Fenster zum Beispiel ließen viel zu wenig Licht in die Zimmer. Da waren ihr die riesigen hellen verglasten Außenwände in ihrer Penthousewohnung doch um einiges lieber. Aber sie ließ sich nichts anmerken und bestaunte pflichtbewusst die Dielenbretter, die Marius an der Wand gelagert hatte, und die einen warmen Holzboden ergeben sollten.
Der dann immer gewachst werden muss, dachte Charlene. »Warum nicht Teppichboden?«, schlug sie arglos vor.
»Um Gottes willen, doch nicht in einem so schönen alten Haus. Hier war immer Massivholz drin!«
Charlene verschluckte eine freche Bemerkung, warf Marius nur einen belustigten Blick zu, dann fragte sie: »Kann ich dir bei irgendetwas helfen?«
»Ich habe ein paar Tapetenbücher hier, für die zwei Zimmer oben«, erklärte Marius erfreut, »vielleicht findest du da etwas Passendes, ich werde inzwischen mit dem Bohren hier unten anfangen. Und schau dir die Holzbalken an, die Farbe der Tapeten sollte dazu passen!«
Er sah Charlene unternehmungslustig nach oben ziehen, mit den zwei schweren Büchern unterm Arm. Eine bezaubernde Frau, dachte er seufzend, in bezaubernden Designer-Jeans, mit einem bezaubernden Make-up und einer lässigen und doch eleganten Frisur. In einem leider ganz und gar nicht bezaubernden alten dreckigen Haus. Dann wandte er sich energisch ab und holte er sich seinen Bohrer.
Als er nach einer halben Stunde fertig war, stieg er die Treppe hoch, um nach Charlene zu schauen.
»Nun, was hast du ausgesucht?«, erkundigte er sich neugierig.
Charlene strahlte. »Hier, alles in Weiß, nur drei breite rote Streifen an jeder Wand vom Boden bis zur Decke, das macht die Räume höher«, erklärte sie begeistert, »und fürs andere Zimmer einfarbig türkis, nur ganz vereinzelte gelbe Dreiecke im Raum, das sind ganz neue Kreationen, der letzte Schrei.«
Marius holte tief Luft. »Ich hatte eigentlich an etwas – anders gedacht«, meinte er vorsichtig, »mehr zarte Töne, vielleicht pastellfarbige Ranken, weißt du, im Stil des Hauses, mehr bäuerlich!«
»Aber Marius!« Charlene protestierte lautstark, »diese ollen Holzbalken schreien doch geradezu nach einem Kontrast, du kannst doch im Ernst keine langweiligen Blumen oder Borten wollen!«
»Eigentlich schon«, meinte er unsicher. »Oder meinst du, ich liege mit meinem Geschmack völlig daneben?«
»Solange du in der Firma nicht mit Blümchen kommst, kannst du es hier haben, wie du willst«, lachte Charlene und klappte die Bücher zu, »und jetzt wird es Zeit für ein Picknick.«
»Du hast etwas zu Essen dabei? Mädchen, du bist ja wirklich die vollkommene Traumfrau!«
»Du wirst staunen«, rief Charlene und rannte die Treppe hinunter.
Und Marius staunte. Was Charlene aus ihrem niedrigen Zweisitzer zauberte, war unglaublich: Kaviar, einen halben Hummer, Sekt und einen exotischen Salat, und das alles breitete sie auf einer blütenweißen Tischdecke auf dem Boden aus.
Marius war gerührt, er genoss die Köstlichkeiten und sah immer wieder bewundernd Charlene an. Wie kam es nur, dass diese phantastische Frau jetzt hier neben ihm saß? Allerdings, so richtig satt wurde er nicht, eine dicke Klappstulle mit Leberwurst wäre zum Nachtisch gerade richtig gewesen, aber sie war einfach entzückend, man konnte schon vom Ansehen satt werden. Was brauchte man da noch ein Leberwurstbrot?
Nach einer Weile stand Charlene auf, nahm kurzerhand das Tischtuch an allen vier Zipfeln, knotete sie zusammen und legte das Picknick mit Schwung hinten ins Auto. »Meine Zugehfrau kommt heute, da kann sie gleich die Reste entsorgen«, meinte sie gut gelaunt. »Also dann, Marius, ich muss wieder gehen. Hast du heute Abend schon etwa vor?«
»Nein«, entgegnete er verblüfft.
»Dann können wir ja beim Griechen weiter über Blümchen diskutieren!«, sagte Charlene strahlend, setzte sich auf den Fahrersitz und zog ihre langen Beine mit den hohen Pumps nach. »Um acht Uhr, und zieh dich vorher noch um!«
Jetzt musste sie nur noch Melissa dazu bringen, sich mit ihr beim Griechen zu treffen, dann war alles wunderbar geregelt.
Marius stand da mit seinen Tapetenbüchern. Was für eine Frau!, dachte er. Für die muss ich mich aber mächtig ins Zeug legen, Mann, oh Mann!«
Pünktlich um acht Uhr saßen Charlene und Marius am Tisch in der Ecke beim Griechen. Marius trug seine einzige Bügelfalten-Hose und ein Seidenhemd, das er noch schnell erstanden hatte. Charlene war in einem knallroten Kleid aus feinstem Leder erschienen. Sie sah hinreißend aus.
Und pünktlich um halb neun Uhr erschien Melissa, stockte kurz, als sie Marius sah, setzte sich dann aber doch auf den dritten Stuhl.
»Das ist Marius«, stellte Charlene vor, »und das ist Melissa. Sie kennt alle guten Bücher und ist meine beste Freundin.«
Und bevor die beiden noch richtig wussten, was geschah, sah sie auf die Uhr, rief erschrocken: »Oh, ich muss ja noch … ach, ich erkläre es euch später!«, und weg war sie.
Marius und Melissa sahen sich etwas verlegen an, dann fingen beide an zu lachen.
»Immer überraschend, Ihre Freundin«, meinte Marius und blickte in Melissas freundliches Gesicht. Es war kein auffallendes Gesicht, aber wenn man sich die braunen Augen genau anschaute, entdeckte man darin lauter goldene Pünktchen, und wenn Melissa lachte erschien ein Grübchen in ihrer linken Wange. Sie trug ein einfaches, geblümtes Baumwollkleid das ihre schlanke Gestalt weich umfloss.
»Ja, was machen wir nun?«, fragte er.
»Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum will er was zu essen, bitte sehr«, antwortete Melissa.
»Berthold Brecht!«, rief Marius überrascht, »Sie mögen seine Gedichte?«
»Ja«, meinte Melissa, »und die Speisekarte«.
»Himmel ja, natürlich.« Marius sprang auf.
Nachdem Melissa gewählt hatte, sah er sie nachdenklich an. »Sind Sie mit Charlene gut befreundet?«
Sie nickte. »Ja, sehr gut.«
»Eine wunderbare, attraktive und zauberhafte Frau«, bemerkte er.
»Und fest verlobt«, entgegnete Melissa.
»Oh!« Marius verstummte und sah auf den Tisch.
Nach einer Weile hob er den Kopf wieder und seufzte. »Vielleicht ein wenig zu attraktiv, zu hinreißend, zu temperamentvoll für ein kleines, altes romantisches Häuschen.«
In Melissas Augen begann es zu funkeln. »Die Trauben sind sowieso viel zu sauer, sagte der Fuchs«, bemerkte sie amüsiert.
»Sie haben keinerlei Gefühle«, beklagte sich Marius, »dass mir gerade das Herz gebrochen wurde, scheint Sie nicht zu bekümmern.«
Melissa schwieg, erst nach einer Weile bemerkte sie: »Doch, aber ich denke, Sie werden darüber hinweg kommen. Mit Hilfe Ihres kleinen romantischen Häuschens.«
»Da haben Sie Recht, ich bin gerade dabei, den Dielenboden für das Wohnzimmer abzuschleifen.« Und schon war er in Fahrt und erzählte mit Begeisterung, was er alles vorhatte.
Melissa sah ihn ab und zu verstohlen an. Er gefiel ihr, nur das Seidenhemd und die Bügelfaltenhose, also, das passte eigentlich gar nicht so gut zu ihm. Ob er wohl immer so gestylt war? Sie hätte ihn lieber in Jeans und Shirt gehabt.
Währenddessen fuhr Charlene mit ihrem schnellen Flitzer nach Hause.
»Erst Lara anrufen, bevor ich den Computer anschmeiße«, sagte sie zu sich selbst. »Wette gewonnen, das habe ich sofort gespürt. Und dann ist Christoph dran!« Und nun fühlte sie doch Sehnsucht nach ihm, sogar ziemlich stark.
Eine Woche später saß Melissa neben Marius vor seinem Häuschen auf einer Bank und lehnte sich mit geschlossenen Augen an die warme Holzwand zurück.
»Mir tun alle Knochen weh«, bemerkte sie anklagend, aber sie lächelte dabei zufrieden.
»Du hast den ganzen Tag gehämmert wie ein Weltmeister«, erwiderte Marius warm und legte ihr den Arm um die Schultern. »Und weißt du was? Ich habe noch nie so eine wunderschöne, elegante Frau gesehen wie dich, mit Staub im Haar, Schmutz auf den Wangen und Blasen an den Fingern.«
Melissa lachte. »Danke gleichfalls«, versetzte sie. »Dein fleckiges Shirt und die zerrissene Jeans sind auch sehr anziehend.«
»Dann passen wir ja gut zusammen«, flüsterte er über ihrem Haar.
»Auch in Pfützen spiegeln sich die Sterne, vergiss das nicht«, sagte sie leise lachend.
»Bestimmt nicht«, erwiderte Marius, nahm Melissa fest in die Arme und küsste sie.
Rena Marlo
Simone Moser stand recht verloren in der Warteschlange vor dem Check-In Schalter. Die Tage auf Lanzarote hatten ihr eine frische Bräune verliehen, aber in ihr drin war alles trostlos und grau. Es hätten die wichtigsten Wochen des Jahres werden sollen. Sie und Gregor wollten endlich Zeit füreinander haben, sich aussprechen und ihrer kränkelnden Liebe neues Leben einhauchen. Stattdessen hatte Simone feststellen müssen, dass nichts mehr zu retten war. Und die Konsequenzen daraus gezogen. Nun blieb Gregor allein hier, und sie hatte den Urlaub abgebrochen und würde so schnell wie möglich aus seinem Leben gehen.
Die freundliche Stimme der Dame am Schalter riss sie in die Wirklichkeit zurück. Simone gab ihr Gepäck auf und machte sich auf den Weg zu den Ausgängen.
Es würde nicht so einfach werden. Die Wohnung gehörte Gregor, und auch die Kanzlei, in der sie beide als Rechtsanwälte arbeiteten, war seine. Um auf andere Gedanken zu kommen bestellte sie an der Bar einen Kaffee, als sie eine Stimme direkt neben sich aufblicken ließ.
»Ich glaube, das hier gehört Ihnen.«
Sie sah zwei klare graue Augen unter hellem Haar, und dann die Bordkarte, die der Mann ihr hinhielt. »Sie ist Ihnen gerade aus der Tasche gerutscht.«
»Danke«, murmelte Simone, und er bestellte sich ebenfalls einen Kaffee und sah sie von der Seite an.
»Wir waren übrigens im selben Hotel«, meinte er. »Aber Sie haben mich wohl nicht bemerkt.«
Simone musterte ihn prüfend. »Nein«, sagte sie schließlich. »Ich habe Sie nicht bemerkt.« Damit wandte sie ihre Aufmerksamkeit demonstrativ den Flaschen an der Wand zu.
»Und Ihr Begleiter fliegt nicht mit?«, fragte er beiläufig.
Simone riss den Kopf herum und starrte ihn an. Die klaren Augen lagen ruhig in ihren, und aus irgendeinem Grund schaffte sie es nicht, ihm seine Geradlinigkeit übel zu nehmen. »Nein«, antwortete sie langsam. »Wir haben uns gerade getrennt.« Dann leerte sie ihre Tasse und strebte dem Ausgang zu.
Im Flugzeug schloss sie die Augen und lehnte den Kopf gegen das Fenster. Fünf Stunden bis Frankfurt. Fünf Stunden allein mit ihren trüben Gedanken. Sie sah auf, als sie eine Bewegung neben sich fühlte, und blickte direkt in diese grauen Augen.
»Der Platz war frei«, meinte er mit einem gewinnenden Lächeln. »Ich darf Ihnen doch Gesellschaft leisten? Mein Name ist übrigens Max Eichkorn.«
»Was wollen Sie von mir?«, fragte Simone schroff.
Er sah sie einen Moment stumm an. »Zuhören«, erwiderte er dann schlicht.
Als sie Madrid überflogen kannte er bereits die ganze Geschichte mit Gregor. Bis zur Landung hatte ihm Simone so viel von sich erzählt wie kaum einem Menschen zuvor. Sie wusste nicht genau, wie es dazu gekommen war. Aber dieser Max Eichkorn hatte irgendetwas an sich, das es einem leicht machte, sich zu öffnen.
Es war noch früh am Abend, als sie in Frankfurt wieder festen Boden unter den Füssen hatten. Max half ihr mit ihrem Gepäck, und Simone hatte plötzlich Angst vor dem Moment, wenn er sich verabschieden würde und sie ihn vielleicht nie wieder sah. Doch er lächelte aufmunternd und ergriff ihren Arm.
»Was halten Sie davon, wenn wir noch etwas zusammen essen gehen? Ich glaube, wir haben noch viel zu besprechen.«
Sie gingen in eines der Lokale im Flughafengebäude. Simone war zwar nicht hungrig, aber auf diese Weise konnte sie den unvermeidlichen Abschied noch ein wenig hinauszögern. Später säße sie im Taxi zurück in ein Zuhause, das keines mehr war, allein mit ihren Problemen. Und ohne Max. Sie war noch nie einem Mann wie ihm begegnet, und sie registrierte verwirrt das Durcheinander der Gefühle, das er in ihr auslöste.
»Nun weiß ich so viel von Ihnen, und Sie wissen kaum etwas von mir«, begann er eine Unterhaltung. »Ich arbeite für ein großes Bauunternehmen hier in der Stadt, und zufällig weiß ich, dass unsere Rechtsabteilung gerade Verstärkung sucht. Wäre das nicht etwas für Sie?« Dabei sah er ihr geradewegs ins Gesicht, und unter seinem Blick konnte Simone keinen klaren Gedanken fassen.
»Ja«, murmelte sie endlich. »Vielleicht.«
Er lächelte. »Gut. Am besten schicken Sie gleich morgen Ihre Unterlagen. Und jetzt lassen Sie uns nicht mehr übers Geschäft reden.«
Auf dem Heimweg und noch bis tief in die Nacht befand sich Simone in einem seelischen Ausnahmezustand. Zuviel war an diesem Tag geschehen, der so hoffnungslos begonnen und sich dann plötzlich ins genaue Gegenteil gekehrt hatte. Immer noch wagte sie nicht, der Faszination einen Namen zu geben, die Max auf sie ausübte. Aber der Gedanke, ihn schon bald wieder zu sehen, ließ ihren Bauch kribbeln und zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht.
Gleich am nächsten Morgen stellte sie ihre Papiere zusammen und schickte sie an die Baufirma. Dann besorgte sie sich eine Tageszeitung und studierte den Wohnungsmarkt.
Der Anruf kam drei Tage später. Ein freundlicher Herr, der sich als Personalchef Müller vorstellte, zeigte sich an ihrer Bewerbung sehr interessiert, und sie verabredeten einen Termin für den Tag darauf.
Das Gebäude war ein Palast aus Stahl und Glas. Am Ende der riesigen Halle lag der Empfangstisch, wo sich Simone nach dem Weg ins Personalbüro erkundigte.
»Ist eigentlich Herr Eichkorn im Haus?«, fragte sie möglichst beiläufig, obwohl ihr Herz bei diesen Worten raste.
»Der Herr Direktor ist die ganze Woche unterwegs«, erklärte ihr die freundliche Dame. »Oder wollten Sie zu seinem Sohn? Haben Sie einen Termin?«
»Ich, äh, nein. Vielen Dank. Es ist nicht so wichtig«, brachte Simone hervor. Dann bestieg sie den Lift, und ihre Gedanken schossen durcheinander. Max war der Sohn vom Chef! Hatte sie deshalb so schnell einen Termin bekommen?
Personalchef Müller war genauso freundlich wie er geklungen hatte. Er blätterte in ihrer Mappe und plauderte dabei so ungezwungen, dass Simone schnell zu ihrer Professionalität zurück fand. Nach einer halben Stunde klappte er die Mappe zu und lächelte sie über den Tisch hinweg an. »Und wann könnten Sie anfangen?«
»Kurzfristig«, erklärte sie und räumte im Geist bereits ihren Schreibtisch in Gregors Kanzlei.
Draußen auf dem Flur atmete sie ein paar Mal tief durch. Ihr Leben verlief plötzlich in einem Tempo, mit dem sie kaum mithalten konnte. Was würde als nächstes kommen?
»Simone!«
Die Stimme in ihrem Rücken ließ sie herumfahren. Max kam mit langen Schritten und einem breiten Lächeln auf sie zu. »Darf man gratulieren?«, fragte er.
»Sieht ganz so aus«, antwortete sie und hatte Mühe, sich nicht in seinen Augen zu verlieren. »Aber für Sie kommt das vermutlich nicht wirklich überraschend.«
Er grinste unschuldig. »Müller hat das letzte Wort. Ich kann ihm nur Vorschläge unterbreiten.«
»Danke«, sagte sie leise, und sein langer Blick hinterließ eine prickelnde Spur auf ihrer Haut.
»Danken Sie mir nicht«, meinte er endlich. »Lassen Sie uns lieber heute Abend Ihren neuen Job feiern.«
Sie verabredeten sich in einem kleinen Lokal in der Stadt. Seit dem Abschlussball in der Tanzstunde, also mit sechzehn, war Simone nicht mehr so aufgeregt gewesen. Max erwartete sie schon, und aus seinen Augen strahlte Bewunderung und noch etwas anderes, das ihr ein Kribbeln am ganzen Körper verursachte. Sogleich erschien ein Kellner mit einer Flasche Sekt, die er entkorkte und ihnen beiden ein Glas reichte.
»Warum tun Sie das alles?«, fragte Simone und nippte an ihrem Sekt.
»Du«, korrigierte er lächelnd. »Schließlich sind wir jetzt Kollegen.«
»Warum tust du das alles?«, wiederholte sie und sah ihm in die Augen.
Er fing ihren Blick auf und hielt ihn fest. »Weil ich gerade den wichtigsten Urlaub meines Lebens hinter mir habe«, erklärte er ernst. »Weil mir dort die faszinierendste Frau begegnet ist, die ich je getroffen habe. Du warst nicht allein, aber ich habe mich auf der Stelle in dich verliebt. Und dann hast du dich um einen Rückflug bemüht, ohne ihn … es war fast zu schön, um wahr zu sein. Dafür habe ich den Urlaub nur zu gerne abgebrochen.«
Simone starrte ihn an. Sie konnte nicht glauben, was sie gerade gehört hatte. »Du hast meinetwegen deinen Urlaub abgebrochen?«, fragte sie.
»Ich wollte dich unbedingt kennen lernen«, entgegnete Max und lächelte in ihr fassungsloses Gesicht. »Und danach dein Herz erobern. Ich hoffe, du bereust unter diesen Umständen nicht, dass du den Job angenommen hast.«
Simone rang nach Worten. »Max«, begann sie, aber er fiel ihr lächelnd in Wort.
»Du musst jetzt nichts sagen. Ich kann gut warten. Gib mir einfach ein Zeichen, wenn du bereit bist. Der Seeteufel hier ist übrigens vorzüglich.«
Damit senkte er den Blick in die Karte, und Simone tat es ihm gleich, ohne wirklich etwas zu sehen. Später beim Essen war sie immer noch so durcheinander, dass sie kaum einen Bissen hinunter brachte. Max plauderte völlig zwanglos, als hätte er ihr nicht gerade seine Liebe erklärt. Die Situation war irgendwie unwirklich, und wieder hatte Simone das Gefühl, ihr Leben raste plötzlich mit dem schwindelerregenden Tempo einer Achterbahn dahin.
Später brachte er sie zu ihrem Wagen. Das schwache Licht einer Straßenlampe warf Schatten auf sein Gesicht, aber die Augen darin überstrahlten die Dunkelheit.
»Danke für diesen zauberhaften Abend«, sagte er. Dann hauchte er ihr einen Kuss auf die Wange, und bevor Simone reagieren konnte war er schon in der Nacht verschwunden.
Sie war zu aufgewühlt um gleich nach Hause zu fahren. Eine Weile lief sie ziellos durch die Straßen und landete schließlich am Fluss, wo sie lange Zeit in das schwarze Wasser mit den spiegelnden Lichtern starrte. Die Strömung erschien ihr träge im Vergleich zu der Geschwindigkeit, die sie plötzlich erfasst hatte. War es wirklich erst eine Woche her, dass sie allein und mutlos ein Flugzeug bestiegen hatte, einen Haufen Probleme und ungelöste Fragen im Gepäck? Nun hatte sie einen neuen Job, und ein faszinierender Mann umwarb sie ganz offen – das Glück schien auf einmal Siebenmeilenstiefel zu tragen, mit denen es schneller rannte, als sie denken konnte. Aber wo ging die Reise hin, was war richtig, was falsch? Sie musste dringend nachdenken. Zur Ruhe kommen. Und sich darüber klar werden, was sie eigentlich wollte.
Gleich als sie den Wohnungsschlüssel im Schloss drehte, fiel ihr Blick auf die Schuhe im Flur. Männerschuhe, die vorhin noch nicht da gewesen waren. Simone spürte einen Knoten im Magen. Gregor! Den hatte sie in all der Aufregung fast vergessen. Und er sollte auch erst in zwei Tagen zurückkommen. Da trat er auch schon aus dem Wohnzimmer und blieb im Türrahmen stehen.
»Hallo, Simone«, sagte er mit leiser Stimme. Unsicherheit schwang darin. Simone lächelte schwach.
»Was tust du denn schon hier?«
»Ist das eine Begrüßung?«, fragte er zurück.
Sie streifte Jacke und Schuhe ab und ging an ihm vorbei ins Wohnzimmer. Gregor folgte ihr zum Sofa.
»Ein Glas Wein?«
Sie nicke automatisch, beobachtete, wie er zwei Gläser füllte und ihr eines davon reichte. Stumm prosteten sie sich zu.
»Ich habe dich erst in zwei Tagen erwartet«, brach Simone das Schweigen.
Er lächelte schief. »Und ich wollte nicht so lange warten, um ein paar Dinge zu klären. Simone, unser letztes Gespräch … das war doch nicht dein Ernst, dass alles vorbei sein soll?« Und als sie nicht antwortete fuhr er beschwörend fort: »Ja, wir hatten unsere Probleme, wer hat die nicht. Aber uns verbindet doch auch so viel, da ist unsere Arbeit …«
»Ich kündige«, fiel sie ihm ins Wort. »Und ich habe auch schon einen neuen Job.«
Gregor zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Ach«, entfuhr es ihm. »Das ging ja schnell.«
Er sah ihr prüfend ins Gesicht. Simone hielt dem Blick fest stand. In diesem Moment klackerten in ihrem Kopf ein paar Puzzlesteinchen an ihren Platz.
»Außerdem ziehe ich aus«, hörte sie sich zu ihrer eigenen Überraschung sagen und wusste gleichzeitig, dass es so sein musste. Zumindest was sie nicht wollte, hatte sie eben erkannt. Gregor. Ihr altes Leben und eine halbherzige Beziehung.
Gregors Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Dann war wohl alles nur Theater«, fuhr er sie an. »Unsere Aussprache, der Versuch, einen neuen Anfang zu finden – du wusstest längst, dass du gehen würdest. Wahrscheinlich steckt ein anderer Mann dahinter.«
Simone schwieg. Was sollte sie auch sagen? Ja, es steckte ein Mann dahinter. Zwar hatte sie ihn letzte Woche noch gar nicht gekannt, aber mittlerweile arbeitete sie in seiner Firma, und er liebte sie … es ging alles so schnell, viel zu schnell für ihren Verstand. Nur ihr Herz flog ihm zu wie ein verirrter Vogel und hatte mit diesem Tempo gar kein Problem.
»Gib es ruhig zu«, platzte Gregor in ihre Gedanken. »Liebst du ihn?«
Simone antwortete nicht. Was hätte sie auch sagen sollen?
»Und wenn ich dich nun nicht gehen lasse?« Gregors Augen funkelten wild. Einen langen Moment maßen sie sich mit Blicken wie Gladiatoren in der Arena.
Dann schüttelte Simone langsam den Kopf. »Lass gut sein, Gregor«, sagte sie leise. »Es ist vorbei.« Wenigstens das wusste sie sicher.
Am nächsten Tag packte Simone ein paar Sachen und zog vorerst in ein Hotel. Endlich allein, endlich Zeit, aufmerksam in sich hinein zu horchen. Das alles lief so glatt. Es konnte nicht klappen. Oder doch?
Am Montag trat sie ihre neue Stelle an. Die Kollegen waren sehr freundlich, die Atmosphäre locker und angenehm. Simone fühlte sich sofort wohl. Nur der Gedanke, dass Max irgendwo in diesem Haus an einem Schreibtisch saß, ließ ihren Magen nervös flattern. Sie begegnete ihm nicht an ihrem ersten Arbeitstag, auch nicht am zweiten, und die Sehnsucht in ihrem Herzen nagte immer heftiger.
Am dritten Tag endlich traf sie ihn vor dem Lift. Allein. Prompt wurden Simone die Knie weich.
»Na, Frau Kollegin, läuft alles zur Zufriedenheit?«, fragte Max lächelnd. Sein Tonfall war freundlich, doch in seinen Augen las sie etwas ganz anderes als Freundlichkeit.
»Ja. Nur der Chef macht sich rar«, gab Simone kühn zurück. Max lachte leise. Dabei hielt er sie förmlich fest mit seinem Blick, bis die Spannung in der Luft fast mit Händen zu greifen war.
»Er verhält sich nur korrekt«, erwiderte er bedauernd, als ein feines Pling den Lift ankündigte und die Türe sich öffnete. Mit einer galanten Handbewegung ließ Max ihr den Vortritt. In der Enge der Kabine brannte seine Nähe auf ihrer Haut. Simones Herz schlug hart.
»Er muss das auch«, formulierte sie betont, und ganz von selbst schob sich ihr Körper vor ihn hin, bis sie meinte seinen Herzschlag zu fühlen und ihre Gesichter nur noch ein Zentimeter trennte. Wie gebannt fixierte sie seine Lippen, während in ihrem Bauch ein Feuerwerk losging und ihre Knie sie kaum mehr trugen. Einen quälend langen, süßen Moment standen sie so. Max atmete schwer.
»Eigentlich wollte ich dich erobern«, murmelte er endlich.
Da hob Simone den Blick und sah ihm in die Augen. Die Tiefe des Gefühls darin jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken und ließ ihre Zweifel verpuffen. Wer wusste schon, was die Zukunft bringen würde? Nur dieser Augenblick zählte. Und das irre Hämmern ihres Herzens, als wollte es ihr aus der Brust springen.
»Tu’s doch«, flüsterte sie rau und bemerkte aus dem Augenwinkel seine Hand nach dem roten Stoppknopf tasten, bevor er sich über sie beugte und sie in seiner Umarmung versank.
Christine Brand
»Papi, Papi. Auf dem Dach sitzt ein Löwe. Hörst du, wie er faucht?« Jule war nur noch ein bebendes Bündel Angst, als sie unter Johannes’ Bettdecke kroch und sich Schutz suchend an ihn presste.
Johannes hatte tief und fest geschlafen, so gut wie lange nicht mehr. Jule, ein fünfjähriger Temperamentsbolzen, hatte ihn am Tag zuvor ganz schön auf Trab gebracht. Und nun war sie schon wieder da. »Jule«, murmelte er schlaftrunken, »wir sind hier im Odenwald. Da sitzen keine Löwen auf Dächern.«
»Dann ist es ein Tiger!«, kam es zittrig unter der Bettdecke hervor.
»Unsinn«, wollte er sagen. Aber in diesem Moment hörte er es auch: Ein fürchterliches Fauchen direkt über seinem Schlafzimmer. »Ich sehe mal nach«, sagte Johannes und ärgerte sich, dass seine Stimme nicht sicherer klang. Was sollte Jule von ihm denken?
»Wenn du auch Angst hast, Papi, dann rufen wir lieber die Mami an«, piepste sie auch schon.
Das half. Schon war er auf den Beinen und zog die Vorhänge vor dem Fenster zurück. Das Bild, das sich ihm bot, war so irrational, dass er beschloss, es erst einmal für eine Sinnestäuschung zu halten. Über der riesigen Buche, deren weit ausladende Äste sich wie schützend über das kleine alte bäuerliche Haus senkten, schwebte ein riesiger Ballon in fantastischen Farben.
»Es ist nur ein Luftballon«, sagte Johannes.
»Luftballons fauchen nicht.«
»Dieser doch.« Er öffnete das Fenster. Genau in diesem Moment erklang das Geräusch wieder, und eine riesige gelbe Flamme schlug aus der Buche in den Ballon. In der Stille danach erklangen menschliche Stimmen.
Eine männliche: »Wir kommen nicht los. Verdammt!«
Und eine weibliche: »Du musst es noch einmal versuchen.«
Johannes begriff. Ein Heißluftballon war mit dem Passagierkorb in die Krone der Buche geraten und hing dort fest. Der Fahrer versuchte, ihn los zu bekommen, indem er immer wieder die riesige Gasflamme zündete, die dem Ballon Auftrieb geben sollte. Noch half es nicht.
»Entwarnung, Jule«, lachte Johannes. »Da hängen nur ein paar Leute in unserer Buche.«
Der Blick, den Jule ihm aus ihren dunklen Augen über die Kante der Bettdecke hinzu zuwarf, verriet, dass sie ihn erstens für verrückt hielt und ihm zweitens nicht glaubte. Dass sie sich an die Stirn tippte, unterstrich dies nur.
Johannes lachte. »Komm her! Ich zeig sie dir.«
Vorsichtig schwang Jule ihre Beinchen aus dem Bett.
In diesem Moment erklang laut und fordernd eine Stimme von draußen: »Hallo, ist da wer? Können Sie uns helfen? Hallo!«
Mit einem Satz war Jule am Fenster. »Du hast ja doch nicht geschwindelt«, sagte sie und rief aufgeregt. »Wir sind hier. Der Papi und ich.«
»Hallo«, rief Johannes.
»Besorgen Sie eine Leiter und holen uns hier herunter«, rief der Mann und obwohl ihn der Befehlston ärgerte, lief Johannes zum Schuppen, um eine Leiter zu holen.
Fünf Minuten später kletterte der erste Insasse vom Korb auf die Leiter, die bis tief ins Blattwerk reichte. In diesem Moment passierte es: Der Korb ruckte mächtig, die Gasflamme fauchte erneut, der Korb erhob sich in die Lüfte.
»Halt«, schrie die Frau auf der Leiter. »Halt!«
Aber die Buche hatte ihren Fang freigegeben. Fauchend schwebte der Ballon davon. Jetzt sah man es erst richtig: Er war in den Regenbogenfarben bemalt. Und an einer Seite stand ein Name: REGINES Regenbogen-Crew.
Die Leiter war bei dem plötzlichen Start gefährlich ins Schwanken geraten. Johannes musste alle Kräfte aufbieten, um sie festzuhalten. Und dazu gestikulierte die junge Frau in luftiger Höhe so heftig, dass Johannes fürchtete, sie würde stürzen. »Nun stehen Sie doch um Gotteswillen still«, rief er hinauf.
Sie begann mit dem Abstieg. »Tut mir leid«, sagte sie, als sie wieder festen Boden unter den Füßen und Johannes und Jule vor sich hatte. »Ich hab’ wohl ein bisschen die Nerven verloren. Übrigens: Ich heiße Regine Zander. Und danke für die Leiter.«
Johannes war dankbar, dass sie ihn mit einem solchen Wortschwall überfiel. Ihr Anblick hatte ihm die Sprache verschlagen. Mit ihrem energischen kleinen Kinn, den freundlichen grüngrauen Augen, dem mädchenhaften Lächeln und dem dunklen Lockenkopf entsprach sie so sehr seinem Idealtyp, dass er Zeit brauchte, um eine vernünftige Begrüßung hinzukriegen.
»Das ist Jule, meine Tochter«, sagte er. »Und ich bin Johannes Herbertz, Rechtsanwalt. Dies ist meine Ferien- und Wochenendbleibe. Sie haben Glück, dass wir hier sind. Normalerweise ist das nämlich …«
In diesem Moment brauste ein Jeep auf den kleinen Hof. »Ballon-Team« stand in riesigen Buchstaben auf einer seitwärts angebrachten Werbetafel. Zwei Männer sprangen heraus.
»Bist du okay, Regine? Was ist passiert?«
Sie nahmen von Jule und Johannes keine Notiz.
»Eine plötzliche Windböe hat uns in diesen Baum heruntergedrückt. Ich habe versucht, uns noch drüber wegzuziehen«, sagte sie. »Aber es ging rasend schnell. Wir hingen fest. Bis zu dem Moment, in dem ich ausstieg … Übrigens, sie wandte sich Johannes zu, »dies sind Johannes Herbertz und seine Tochter Jule. Ohne ihn hingen wir noch immer da oben. Danke für Ihre Hilfe, Herr Herbertz. Ich mach dann, dass ich mit meinen Freunden weiterkomme. Wir müssen den Rest wieder einfangen und einpacken.«
Die beiden Männer hatten Johannes und Jule keines Blickes gewürdigt. Sie saßen schon wieder im Wagen. Der Fahrer ließ den Motor nervös aufheulen. Regine stieg in den Jeep und warf noch einen letzten Blick auf den Mann und das Kind. »Danke«, rief sie.
Und Johannes erwiderte: »Kommen Sie ruhig wieder. Die Buche steht Ihnen jederzeit zur Verfügung.«
Jule kicherte. Und dann sagte sie im Brustton der Überzeugung:
»Die Frau war nett. Aber die Männer waren blöd. Und jetzt hab ich Hunger, Papi.«
Sie zog Johannes ins Haus. Die Wanduhr in der Küche schlug gerade sieben. Um diese Zeit schlief er normalerweise noch tief und fest. Aber dies war offenbar kein normaler Sonntag. Plötzlich fiel ihm ein, was er mal irgendwann gelesen hatte: Ballonfahrer starteten an heißen Sommertagen vor Sonnenaufgang bei niedrigen Temperaturen. Bei Hitze brachten sie ihre Ballons nicht hoch.
»Woran denkst du, Papi?« fragte Jule und begann, den Tisch zu decken.
»An den Ballon.«
»Und an die Frau, nicht Papi? Die war nett. Mami hat gesagt, wenn du so ein Schafsgesicht machst wie eben, findest du eine Frau nett. Und ich soll aufpassen, ob du ein Schafsgesicht machst.«