Zum zweiten Mal den Feind geküsst - Janice Maynard - E-Book
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Zum zweiten Mal den Feind geküsst E-Book

Janice Maynard

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Beschreibung

So süß war damals sein Kuss - und so bitter die Enttäuschung, als er sie abwies! Nie hat Mazie dieses Gefühl vergessen. Dass J.B. Vaughan, der begehrteste Junggeselle in ganz Charleston, jetzt unbedingt ihr Elternhaus kaufen will, ist die perfekte Gelegenheit für Rache. Denn natürlich lautet Mazies Antwort Nein! Doch sie hätte es wissen müssen: Der arrogante J.B. setzt alles daran, sie umzustimmen. Und schreckt nicht mal davor zurück, zum Fest der Liebe ein vergessen geglaubtes Gefühl in ihr erneut zu wecken: heiße Leidenschaft für ihn, den Feind …

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Seitenzahl: 206

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IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2018 by Janice Maynard Originaltitel: „Blame It On Christmas“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 2107 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Maria Fuks

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 11/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733725471

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Nein! Die Antwort ist Nein.“

Mazie Tarleton beendete das Gespräch und wünschte, sie hätte einen altmodischen Telefonhörer, den sie auf die Gabel knallen könnte. Es war nicht annähernd so befriedigend, nur auf ein rotes Telefonhörersymbol zu tippen.

Gina, ihre Angestellte und beste Freundin, legte den angebissenen Bagel zurück auf den Teller. „Wer hat dich denn so auf die Palme gebracht?“ Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, um einen Klecks Frischkäse zu entfernen.

Die beiden jungen Frauen befanden sich in Mazies Büro, einem kleinen Zimmer, das hinter dem mit glitzernden Dingen gefüllten Verkaufsraum lag. Der Schmuck- und Geschenkeladen „All That Glitters“ zog insbesondere die weiblichen Touristen an, die Charlestons Altstadt besuchten.

Mazie ließ sich auf den Stuhl gegenüber ihrer Freundin fallen. „Das war schon wieder diese Maklerin, die J. B. auf mich gehetzt hat. Sie drängt mich immer noch, das Haus zu verkaufen.“

„Heißt das, dass J. B. dir jetzt einen noch höheren Preis für dieses Gebäude zahlen will, das praktisch über uns zusammenbricht?“

„Gina! Auf wessen Seite stehst du eigentlich?“

Mazie und Gina hatten sich in ihrem ersten Semester am Savannah College für Kunst und Design kennengelernt. Deshalb wusste Gina um die langjährige Feindschaft zwischen ihrer Chefin und Jackson Beauregard Vaughan, genannt J. B. Der reiche Junggeselle galt als unglaublich sexy.

Gina schnippte einen Krümel von ihrem Kaschmirpullover. „Die Heizung hier ist uralt, die Dachlatten sind halb verrottet. Und wenn du demnächst die neue Versicherung gegen Sturmschäden abschließt, wirst du mindestens drei Mal so viel zahlen müssen wie jetzt. Mir ist natürlich klar, dass du reich wie Krösus bist. Aber das ist doch kein Grund, ein wahnsinnig gutes Angebot abzulehnen.“

„Doch! Wenn es nämlich von J. B. kommt.“ Es war ihr zur Leidenschaft geworden, Jackson Beauregard Vaughan zu hassen. Schon mit sechzehn hatte sie ihn verabscheut. Damals hatte er sie zutiefst verletzt. Und sie hatte beschlossen, sich zu rächen. Sie wollte ihm wehtun, wann immer das möglich war.

„Womit, um Himmels willen, hat er dich so verärgert?“, wollte Gina wissen. Sie verstand ihre Freundin nicht. J. B. war ein ausgesprochen attraktiver Mann: groß, dunkelhaarig, sportlich. Mit einem leicht überheblichen Lachen. Mit unglaublich blauen Augen, extrem männlichen Gesichtszügen und breiten Schultern.

„Das lässt sich nicht so leicht erklären“, sagte Mazie verlegen, der plötzlich das Blut in die Wangen stieg. Das, was damals geschehen war, empfand sie auch heute noch als demütigend.

Bis dahin hatte J. B. zu ihrem Leben gehört. Er war beinahe wie ein Bruder für sie gewesen. Immer, solange sie sich erinnern konnte. Bis zu jenem Abend. Nun, um ehrlich zu sein, die erste Veränderung war ein paar Wochen zuvor eingetreten. Schuld daran waren die Hormone. Mazie hatte J. B. plötzlich in einem anderen Licht gesehen. Als dann in ihrer Schule der Frühlingsball bevorstand, hatte sie beschlossen, ein Experiment zu wagen. Sie kam sich sehr erwachsen vor. An Sex hatte sie allerdings nicht gedacht. Ihr war klar gewesen, dass J. B. über Erfahrungen verfügte, für die sie selbst sich noch zu jung fühlte.

Ihre Gedanken wanderten zurück zu jenem Nachmittag im April, als sie J. B. angerufen hatte. Ihr Herz hatte wie wild geklopft, als sie ihn fragte, ob er sie zum Frühlingsball begleiten wolle.

Seine Antwort fiel ungewohnt einsilbig aus. Dann, vier Stunden später, stand er plötzlich vor der Tür.

Mazies Vater hatte sich in sein Büro zurückgezogen, und ihre Brüder Jonathan und Hartley waren irgendwo in der Stadt unterwegs. Im ersten Moment wollte Mazie J. B. hereinbitten. Doch dann kam ihr das seltsam unpassend vor, obwohl sie es in den zurückliegenden Jahren x-mal getan hatte. Jedenfalls blieb sie diesmal mit ihm auf der Vorderveranda.

„Hallo“, sagte sie, „ich habe nicht damit gerechnet, dich heute noch zu sehen.“

Im Bemühen, selbstsicher zu wirken, lehnte er sich gegen das hölzerne Geländer. In wenigen Wochen würde er Geburtstag feiern. Dann war er auch vor dem Gesetz erwachsen.

„Ich wollte es dir persönlich sagen“, erklärte er.

Ihr Puls raste.

„Es ist nett von dir, mich zu eurem Ball einzuladen“, fuhr J. B. fort.

„Nett?“

Er nicke. „Ich fühle mich geschmeichelt.“

„Aber?“ Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Ihre Hände waren plötzlich eiskalt.

Nervös trat er von einem Fuß auf den anderen. „Du bist ein süßes Mädchen, Mazie. Ich bin froh, dass wir befreundet sind.“

„Aber?“, wiederholte sie.

Er schwieg.

„Was willst du mir sagen, J. B.?“

Sein mürrischer Gesichtsausdruck minderte zwar seinen Charme um einiges, nicht aber seine sexuelle Anziehungskraft.

„Verflixt, Mazie, ich kann nicht mit dir zum Frühlingsball gehen. Du hättest mich nicht darum bitten sollen. Du bist noch ein kleines Mädchen.“

Ein kalter Schauer überlief sie. Doch ihre Stimme klang ruhig, als sie erklärte: „Ich bin kein Kind mehr. Ich bin sechzehn. Du bist nur ein Jahr älter als ich.“

„Fast zwei Jahre“, korrigierte er.

Eigentlich erstaunlich, dass er das so genau wusste. Ob das ein gutes Zeichen war? Die meisten Jungen versuchten gar nicht, sich die Geburtstage anderer zu merken.

Sie trat auf ihn zu. „Es ist unnötig, Ausreden zu erfinden“, sagte sie. „Wenn du nicht mit mir gesehen werden willst, dann solltest du das offen zugeben.“

Er stieß einen Fluch aus. Dann senkte er den Kopf, sodass ihm sein etwas zu langes, dunkles Haar ins Gesicht fiel. „Du bist wie eine Schwester für mich“, flüsterte er.

Sie spürte, wie Zorn in ihr aufstieg. Er hätte sich wenigstens eine bessere Lüge einfallen lassen können. Aber sie war auch wütend auf sich selbst. Hatte sie die Situation wirklich so falsch eingeschätzt? Sie hatte angenommen, J. B. sei gekommen, weil er sie mochte und sie sehen wollte. Doch wie es schien, war er nur da, weil er es als echter Südstaaten-Gentleman unhöflich fand, jemandem am Telefon eine Absage zu erteilen.

Plötzlich war sie es leid, sich wie eine wohlerzogene junge Dame zu benehmen. Sie schlang die Arme um ihn und legte die Wange an seine Brust.

Als sie ihn berührte, versteifte sich sein Körper. Er rührte keinen Muskel. Dann allerdings spürte sie, dass sich doch etwas tat. Etwas sehr Überraschendes und ein wenig Beängstigendes …

Jackson Beauregard Vaughan war erregt. Seine Erektion ließ sich nicht verheimlichen. Sie standen so eng aneinandergeschmiegt, dass ihre Körper fast miteinander zu verschmelzen schienen.

Mutig zog sie J. B.s Kopf zu sich herab und presste ihre Lippen auf seine. Mit der ganzen Leidenschaft eines verliebten Teenagers küsste sie ihn.

Er schmeckte wundervoll. Besser noch als in ihren Träumen.

Einen Moment lang glaubte sie, gewonnen zu haben. Denn J. B. hielt sie fest und erwiderte ihren Kuss. Mit seiner Zunge teilte er ihre Lippen und begann das Innere ihres Mundes zu erforschen.

Ihre Knie wurden weich, und sie musste sich an seine Schulter klammern, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. „Oh“, hauchte sie.

Der kleine Laut genügte, um ihn zur Besinnung zu bringen. Er schob sie so abrupt von sich, dass sie gegen das Geländer der Veranda taumelte.

„Au!“

Er starrte sie an.

Sie starrte zurück. Wie von weither hörte sie all jene Geräusche, die so typisch waren für den Frühling am Stadtrand von Charleston.

Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen.

„Du bist noch ein Kind, Mazie“, stieß er hervor. „Du solltest dich unter deinesgleichen im Sandkasten umsehen..“

„Das ist gemein“, flüsterte sie. Sein Verhalten verwirrte und kränkte sie. Hatte er sie nicht eben noch voller Hingabe geküsst?

„Nein“, widersprach er. „Ich bin nicht gemein, sondern du bist naiv.“

Tränen traten ihr in die Augen. Doch sie riss sich zusammen. „Geh jetzt, bitte. Eins möchte ich dir allerdings noch sagen: Wenn du jemals in Schwierigkeiten stecken solltest, dann bitte nicht mich um Hilfe. Selbst wenn wir beide die letzten Menschen auf dieser Erde wären, ich würde dich fortschicken.“

„Mazie? Hallo, Mazie!“

Endlich drang Ginas Stimme in Mazies Bewusstsein.

„Entschuldige, ich war mit meinen Gedanken anderswo.“

„Zweifellos bei J. B. Ich verstehe einfach nicht, was du gegen ihn hast. Und selbst wenn du ihn verabscheust, könntest du ihm das Haus verkaufen. Schließlich will er dir drei Mal mehr zahlen, als es wert ist.“

Mazie schluckte. „Er hat mir das Herz gebrochen, als wir Teenager waren. Deshalb werde ich niemals etwas tun, was ihm hilft, seine Pläne zu verwirklichen.“

„Das ist Unsinn.“

Sie zuckte die Schultern.

„Außerdem hat er dir zwei wunderschöne Häuser in bester Lage angeboten. Dort würden wir bestimmt noch mehr Kunden haben.“

„Das ist mir egal.“ J. B. hatte in der Umgebung von „All That Glitters“ alle Grundstücke aufgekauft, weil er plante, dort Luxuswohnungen im historischen Stil zu errichten und neue Geschäfte anzusiedeln. Es würde den Stadtteil aufwerten und sowohl den Einheimischen als auch den Touristen gefallen. Ja, es war ein guter Plan. Mazie wollte die Umsetzung dennoch verhindern.

Gina stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich verstehe ja, dass du J. B. strafen willst. Aber irgendwann ist es genug. Du übertreibst wirklich.“

„Vielleicht hast du recht. Aber ich brauche noch etwas Zeit, ehe ich eine Entscheidung fällen kann. Ich bin noch nicht mit mir im Reinen.“

„Was willst du tun, wenn sich keiner von J. B.s Leuten mehr bei dir meldet?“

„Irgendwer wird sich melden. J. B. gibt nie auf. Das ist eine seiner Stärken. Für andere kann es natürlich sehr unangenehm sein.“

Gina seufzte.

J. B., der einen eleganten Anzug trug, ließ sich in der Nische nieder. Er hatte einen wichtigen Geschäftstermin hinter sich und war froh, sich jetzt ein wenig entspannen zu können. „Hallo Jonathan“, begrüßte er seinen Freund. Dann stutzte er. „Du siehst krank aus.“

„Es sind nur diese Kopfschmerzen.“

„Geh zum Arzt.“

„Da war ich schon.“

„Dann such dir einen besseren.“

„Können wir das Thema wechseln?“

„Ja, schon gut. Jonathan, deine Schwester treibt mich in den Wahnsinn.“ Ihm war klar, dass Mazie ihn hasste. Und er bemühte sich, so zu tun, als sei ihm das gleichgültig. „Könntest du nicht mit ihr reden?“

„Sie kann sehr halsstarrig sein. Das wissen wir alle.“

„Ja, halsstarrig wie alle Tarletons. Jedenfalls blockiert sie mein Projekt jetzt schon seit einer halben Ewigkeit.“

Ein kleines Lächeln huschte über Jonathans Gesicht. „Sie mag dich eben nicht.“

„Und was kann ich dagegen tun? Mein Geld will sie nicht. Die Häuser, die ich ihr im Tausch angeboten habe, lehnt sie auch ab. Und langsam drängt die Zeit. Ich kann den Beginn der Bauarbeiten nicht mehr lange aufschieben.“

„Sie mag Pralinen.“

„Du schlägst vor, dass ich sie mit Schokolade bestechen soll?“

„Oder mit Blumen. Meine Schwester ist eine recht schwierige Person. Sie ist klug und hat Humor. Aber es gibt auch eine dunkle Seite. Ich könnte mir vorstellen, dass sie dich auf den Knien sehen möchte.“

„Ha!“ Er hatte nicht vor, sich überhaupt bei ihr sehen zu lassen.

Der Kellner brachte die Getränke, und J. B. nahm einen tiefen Schluck, während er Jonathans Gesicht musterte.

Alle Tarletons sahen gut aus. Auch Mazies Mutter, an die er sich nur noch schwach erinnerte, war eine Schönheit gewesen. Jonathan und Hartley hatten den olivfarbenen Teint und die dunkelbraunen Augen geerbt. Mazies Gesichtszüge erinnerten ebenfalls an die ihrer Mutter. Allerdings war Mazies Haut heller und ihre Augen waren bernsteinfarben statt dunkelbraun. Alle drei Geschwister hatten das kastanienbraune Haar von ihrer Mutter. Im Sommer fasste Mazie das lockige Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Im Winter trug sie es offen – was bezaubernd aussah.

Jetzt im Dezember fällt es ihr in Wellen bis auf die Schultern, dachte J. B. Er musste ein Seufzen unterdrücken. Laut sagte er: „Ich werde deinen Rat befolgen.“

„Und ich“, versprach Jonathan, „werde noch einmal mit meiner Schwester reden. Aber erwarte dir nicht zu viel davon. Manchmal tut sie genau das Gegenteil von dem, worum man sie bittet. Das war schon in unserer Kindheit so.“

„Vermutlich, weil ihr sie immer wie ein Baby behandelt habt und sie euch beweisen wollte, dass ihr euch in ihr täuscht.“

„Hm … Vielleicht hätten wir netter zu ihr sein sollen … Nun, wie du weißt, war es für uns alle nicht leicht, besonders nachdem Mom nicht mehr da war. In unserem Haushalt gab es keine Frau, an der Mazie sich hätte orientieren können.“

J. B. nickte. „Ich brauche wohl nicht zu betonen, dass ich nichts unternehmen werde, was ihrem Geschäft schaden könnte.“

„Sei nicht albern! Mir ist klar, dass du ihr nicht schaden willst. Es muss jedem einleuchten, dass du ihr Haus brauchst, wenn du deinen Plan verwirklichen willst. Offensichtlich hat Mazie beschlossen, dir so viele Steine wie möglich in den Weg zu legen. Gott allein weiß, warum das so ist.“

J. B. wusste es ebenfalls. Zumindest nahm er das an. Er konnte jenen Abend im April nicht vergessen, auch wenn er es immer wieder versuchte. Es war nur ein Kuss gewesen. Doch die Erinnerung daran verfolgte ihn bis in den Schlaf.

„Ich werde mein Bestes tun, um Mazie umzustimmen“, erklärte er.

„Ich auch“, versicherte Jonathan.

2. KAPITEL

Während der Adventszeit liebte Mazie ihre Stadt am meisten. Das alte Charleston war nie schöner als im Dezember. Wenn die Sonne schien, war das Klima angenehmer als im gesamten restlichen Jahr. Festlich geschmückte Pferdekutschen fuhren durch die Straßen.

Balkone, Haustüren und sogar Brückengeländer waren mit den Zweigen immergrüner Pflanzen verziert. Überall leuchteten Lichtergirlanden.

Der Sommer in South Carolina konnte bedrückend sein. Die feuchte Hitze, die dann über der Stadt lag, machte allen das Leben schwer. Manchmal verirrten sich Kunden in Mazies Geschäft, nur um einen Moment lang die etwas kühlere Luft dort atmen zu können. Das war in Ordnung. Denn die meisten fühlten sich verpflichtet, dann zumindest eine Kleinigkeit – wie zum Beispiel ein silbernes Armband – zu kaufen.

Tatsächlich machte „All That Glitters“ den besten Umsatz im Sommer. Aber auch wenn sie im Herbst und Winter weniger verkaufte, liebte Mazie doch besonders die Wochen vor Weihnachten.

Eigentlich war das seltsam. Denn in ihrer Kindheit hatte sie niemals diese magische Atmosphäre vor dem Fest erlebt, die für andere Kinder so selbstverständlich war. Sie und ihre Brüder hatten nicht in Schlafanzügen auf dem Teppich vor dem offenen Kamin gesessen, um zuzuhören, wie ihnen die Eltern weihnachtliche Geschichten vorlasen. Die Tarletons waren wohlhabend genug, um allen Familienmitgliedern materielle Sicherheit zu garantieren. Dennoch hatten die Kinder kein Heim gehabt, in dem sie sich geborgen fühlten. Das allerdings hatte die erwachsene Mazie nicht davon abhalten können, die Adventszeit als eine Abfolge glücklicher Tage zu erleben, die von Freude, Harmonie und Frieden erfüllt waren.

Für J. B. allerdings sollte es ihrer Meinung nach weder Freude noch Harmonie noch Frieden geben. Seine Verfehlungen wogen einfach zu schwer. Sie wollte ihn leiden lassen. Allerdings so, dass sie, ihre Freunde und ihr Geschäft keine Nachteile dadurch hatten.

So kam es, dass Mazie nicht sofort auflegte, als die von J. B. beauftragte Maklerin am nächsten Tag erneut anrief. Aufmerksam lauschte sie der begeisterten Stimme, die ihr „ein unglaublich gutes Angebot“ unterbreitete. Dann, als die Frau eine Pause zum Atemholen brauchte, sagte Mazie ruhig: „Bitte, richten Sie Mr. Vaughan aus, dass er persönlich mit mir verhandeln muss, wenn er Geschäfte mit mir machen will. Er soll mich aufsuchen oder mich endlich in Frieden lassen.“

Gina, die damit beschäftigt war, eine wunderschöne silberne Kaffeekanne zu polieren, unterbrach ihre Arbeit, um festzustellen: „Vermutlich ist es als Fortschritt zu werten, dass du mehr als fünf Worte mit ihr gewechselt hast.“

„Mir kam es so vor, als wäre ich viel zu freundlich gewesen.“

„Die meisten Menschen halten Freundlichkeit für etwas Gutes.“

„Und fast immer haben sie recht. Aber es gibt Ausnahmen.“ Mazie begann, eine der gläsernen Ausstellungsvitrinen zu putzen. „Ich bin gespannt, ob J. B. tatsächlich hier auftaucht. Aber wahrscheinlich ist er zu feige.“

Gina wurde plötzlich blass.

„Was ist denn los?“, fragte Mazie.

Ihre Freundin gab einen erstickten Laut von sich.

„Gina?“

Wortlos wandte die sich zur Tür.

Und dann sah Mazie, was Gina so aus der Fassung gebracht hatte. Zusammen mit mehreren Frauen hatte J. B. Vaughan das Geschäft betreten.

Während Gina die Kundinnen begrüßte, schritt J. B. auf Mazie zu. „Wie geht es dir?“, erkundigte er sich freundlich und sah ihr tief in die Augen. „Es ist eine Weile her, dass wir uns gesehen haben.“

Sie schluckte. Sein Auftauchen war ein Schock. Endlich fand sie die Sprache wieder. „Hallo J. B. Hat diese Maklerin dich bereits informiert?“ Im Grunde wusste sie, dass er unmöglich so schnell hätte herkommen können, selbst wenn die Frau ihn umgehend angerufen hätte.

„Nein“, sagte er, wie nicht anders zu erwarten. „Ich komme gerade aus dem Fitness-Studio. Ich hoffe, ich störe nicht.“

Mazie zuckte die Schultern.

Im selben Moment meldete sich sein Handy.

Das muss die Maklerin sein, fuhr es Mazie durch den Kopf, als sie sah, wie J. B.s Gesichtsausruck sich veränderte. Dieses zufriedene Lächeln bedeutet bestimmt, dass er gerade von meiner Aufforderung, mich zu treffen, erfahren hat. Sie hatte ihn zwingen wollen, sie aufzusuchen. Dass er von allein auf die Idee gekommen war, passte ihr gar nicht. Zorn wallte in ihr auf. „Was willst du? Ich habe zu tun.“

„Ist es nicht ein bisschen unter deiner Würde, eine Vitrine zu säubern?“, gab er zurück und hob die Augenbrauen.

„Ich erledige gern alle Arbeiten, die in meinem Geschäft anfallen.“ Sie achtete darauf, die Worte „in meinem Geschäft“ besonders zu betonen. Darüber vergaß sie, J. B. und Gina miteinander bekannt zu machen. Aber Gina war sowieso beschäftigt. Sie führte ein Verkaufsgespräch mit einer der Touristinnen. Vermutlich war es ihr ganz recht, nicht zuhören zu müssen, wenn Mazie und J. B. stritten.

Doch J. B. schien gar nicht vorzuhaben, einen Streit zu beginnen. Er hielt ihr eine hübsch gemusterte Papiertasche hin. „Für dich, Mazie. Früher hast du so gern Pralinen gegessen.“

Sie starrte das Firmenlogo auf der Tüte an und fragte fassungslos: „Du hast mir Pralinen mitgebracht?“

„Ja, Madam.“

Sie machte keine Anstalten, das Geschenk entgegenzunehmen. „Ich bin durchaus in der Lage, mir selbst Pralinen zu kaufen“, erklärte sie.

„Zweifellos. Trotzdem könntest du Danke sagen.“ Seine blauen Augen blickten jetzt nicht mehr so freundlich. „Aber du warst ja schon als Kind eine verwöhnte Prinzessin.“

Der Angriff kam unerwartet und traf Mazie schmerzhafter, als sie gedacht hätte. „Du weißt, dass das nicht stimmt“, zischte sie.

„Entschuldige bitte. Das hätte ich nicht sagen sollen.“ Verlegen fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. „Komisch, dir gelingt es immer, meine schlechteste Seite zum Vorschein zu bringen. Dabei sollten die Pralinen ein Friedensangebot sein.“

Sie nahm die Tüte. „Danke.“ Rasch ließ sie den Blick über die Kundinnen gleiten. Alle schienen ganz zufrieden zu sein. Gut! „Sind die Pralinen der einzige Grund für deinen Besuch?“

„Natürlich nicht! Es ist nicht meine Art, wahllos Frauen mit Süßigkeiten zu beschenken?“

„Tatsächlich?“ Ihr Ton war provozierend. Sie genoss es zu beobachten, wie schwer es ihm fiel, seinen Ärger zu unterdrücken. Es gab ihr das Gefühl, in diesem Duell die Oberhand zu gewinnen.

J. B. atmete ein paarmal tief durch. „Ich würde dir gern eines meiner Häuser an der Queen Street zeigen. Wenn du dein Geschäft nach dort verlegst, hast du vermutlich doppelt so viel Laufkundschaft. Die Lagerräume sind sauber und trocken. Außerdem gibt es im ersten Stock ein geräumiges Appartement. Du könntest sofort einziehen, falls du jemals beschließt, die Casa Tarleton zu verlassen.“ Casa Tarleton, so hatten sie Mazies Elternhaus als Kinder scherzhaft genannt.

Die Vorstellung, in der Innenstadt zu wohnen, war verführerisch. Nur leider konnte Mazie ihren Vater nicht allein lassen. Sie fühlte sich für den alten Herrn, dessen Gesundheitszustand nicht der beste war, verantwortlich.

J. B. wartete. Und Mazie fasste einen Entschluss. Sie würde so tun, als ginge sie auf seinen Vorschlag ein. Dann, wenn er sich schon als Sieger sah, würde sie ihm eine Abfuhr erteilen.

„Okay“, sagte sie, „ich sehe mir das Haus an.“

„Wann?“

„Jetzt.“

„Was ist mit deinen Kunden?“

„Eine Zeit lang kommt Gina ohne mich zurecht.“

„Gut, dann lass uns aufbrechen. Ich habe im Halteverbot geparkt.“

„Fahr du voraus. Die Adresse kannst du mir auf mein Handy schicken. Ich muss noch meinen Mantel anziehen.“

„Mein Wagen …“

Sie unterbrach ihn. „Ich werde auf jeden Fall mein eigenes Auto nehmen.“

„Warum?“

„Darum. Hast du Angst, dass ich nicht komme? Himmel, ich stehe zu meinem Wort.“

Er wollte etwas Unfreundliches erwidern. Aber dann biss er sich auf die Unterlippe und griff nach seinem Handy. Rasch tippte er ein paar Worte. „Die Adresse“, erklärte er und verließ „All That Glitters“.

Er hätte zufrieden sein sollen. Schließlich hatte er die erste Hürde erfolgreich genommen. Allerdings war er sich keineswegs sicher, dass Mazie in der Queen Street auftauchen würde. Außerdem war es beunruhigend, wie heftig er sich noch immer zu ihr hingezogen fühlte. Dabei war es so wichtig, Distanz zu ihr zu wahren! Verflixt, warum bloß war alles, was mit ihr zu tun hatte, so schwierig?

In der Queen Street fand er problemlos einen Parkplatz. Nervös wartete er, bis Mazies roter Mazda in die Straße einbog. Ein Gefühl der Erleichterung überschwemmte ihn. Mazie wäre nicht gekommen, wenn sie nicht zumindest in Erwägung ziehen würde, sein Angebot anzunehmen.

Sie stellte ihren Wagen neben seinem ab und stieg aus. J. B. konnte nicht umhin, ihre anmutigen Bewegungen und ihre elegante Erscheinung zu bewundern. Er wusste, dass sie sich gern leger kleidete. Heute jedoch trug sie eine elfenbeinfarbene Seidenbluse und einen schwarzen Bleistiftrock, der ihre langen Beine vorteilhaft zur Geltung brachte.

Kühl lächelnd und sehr, sehr selbstbewusst ging sie auf ihn zu.

„Das Haus stammt aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert“, begann J. B. „Es wurde mehrfach renoviert, zuletzt von einer hier ansässigen Versicherung. Jetzt steht es seit drei Monaten leer. Ich denke, es entspricht genau deinen Bedürfnissen. Wenn du dich entscheidest, mit All That Glitters umzuziehen, lasse ich die Räume vorher noch professionell reinigen.“

„Ich möchte mir alles erst einmal ansehen.“

„Natürlich.“ Er hatte sich bereits vergewissert, dass es keinen abblätternden Putz und keine muffigen Gerüche gab. Tatsächlich befand sich das historische Gebäude in einem so guten Zustand, dass er es am liebsten für sich selbst behalten hätte. Doch leider brauchte er ja dringend ein architektonisches Schmuckstück, um Mazie dazu zu bringen, ihm ihr Haus zu verkaufen.

Jahrelang hatte er sich bemüht, den Fehler wiedergutzumachen, den er mit siebzehn begangen hatte. Vergeblich! Mazie hatte ihm nicht verzeihen wollen. Wie ärgerlich, dass es ihm nicht gelungen war, innerlich Abstand zu ihr zu gewinnen. Noch immer zog sie ihn sexuell an.

Umso wichtiger – sagte er sich – ist es, dass ich mich dadurch nicht von meinen geschäftlichen Zielen abbringen lasse.

„Komm, ich zeige dir alles“, sagte er und ging voraus zur Tür. Er schloss auf, und sie betraten einen großen Raum mit Marmorfußboden. „Vor der Versicherung hat eine Privatbank hier residiert.“

Langsam drehte Mazie sich um die eigene Achse. Dann holte sie ihr Handy aus der Tasche, um ein paar Fotos zu machen. „Beeindruckend“, murmelte sie.

„Ja, ich trenne mich nur ungern von dem Gebäude. Ich war so stolz darauf, dass ich es einem dynamischen Jungunternehmer vor der Nase wegschnappen konnte. Er wollte hier einen Indoor-Minigolf-Platz einrichten.“

„Du machst dich über mich lustig.“

„Keineswegs. Ich glaube zwar nicht, dass die Stadt seine Pläne genehmigt hätte. Aber ihm war es vollkommen ernst.“

„Du hast ein paar Nebenräume erwähnt.“

„Ja, lass uns zuerst nach hinten gehen. Anschließend zeige ich dir den Keller mit dem begehbaren Safe. Den kannst du bestimmt für die wertvollsten Schmuckstücke von All That Glitters gut gebrauchen.“

Natürlich wollte Mazie den Tresor-Raum begutachten. Er war etwa drei mal drei Meter groß und durch eine schwere Stahltür gesichert.

„Auch die kostbarsten Dinge, die ich verkaufe, sind relativ klein“, überlegte Mazie laut. „Einen so riesigen Safe brauche ich wahrhaftig nicht.“