Zwei Husaren - Lew Tolstoi - E-Book

Zwei Husaren E-Book

Lew Tolstoi

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Beschreibung

In einer packenden Novelle erzählt der Meister der russischen Literatur von dem Abenteuerleben der Hussaren: Spielsucht, Duelle und die Liebe... Zwei alte Freunde treffen sich unversehens in einer Kleinstadt und stellen fest, dass sie beide riesige Spielschulden angehäuft haben. Um sich nicht vor Ehrverlust das Leben nehmen zu müssen, schmieden sie Pläne, wie sie doch noch an das Geld kommen könnten. Als die schöne und reiche Erbin Anna ihnen das Geld anbietet, fühlen sie sich in ihrer Ehre verletzt, aber eine Frau kann man leider nicht zum Duell herausfordern. Hier muss die Liebe zur Waffe werden...-

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Lew Tolstoi

Zwei Husaren

Übersezt von Raphael Löwenfeld

Saga

Zwei Husaren

 

Übersezt von Raphael Löwenfeld

 

Titel der Originalausgabe: Два гусара

 

Originalsprache: Russischen

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1856, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728017524

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Ums Jahr 1800, zu jenen Zeiten, wo es noch keine Eisenbahnen und keine Chausseen gab, kein Gas und kein Stearinlicht, keine niedrigen Sprungfedersofas und keine unlakkierten Möbel, keine blasierten Jünglinge mit Augengläsern, keine liberalen Philosophinnen und keine liebenswürdigen Kameliendamen, deren es zu unserer Zeit so viele gibt —, in jenen harmlosen Zeiten, in welchen man auf eine Reise von Moskau nach Petersburg in der Postkutsche oder im Wagen eine ganze Hausküche mitnahm, wo man acht Tage über die weiche, staubige und schmutzige Straße fuhr, wo man noch an die Hühnerkoteletts und die waldaischen Glöckchen und Glockenspiele glaubte —, wo an langen Herbstabenden die Talglichter kohlend brannten und einen Familienkreis von zwanzig und dreißig Menschen beleuchteten, wo man auf Bällen in Kandelabern Wachsund Spermazetkerzen aufsteckte, wo man die Möbel symmetrisch aufstellte, — wo unsere Väter noch jung waren, nicht bloß weil sie keine Runzeln und grauen Haare hatten, sondern weil sie um Weiber Kugeln wechselten und aus dem äußersten Winkel der Stube hervorstürzten, um ein zufällig oder auch nicht zufällig herabgefallenes Taschentuch aufzuheben, wo unsere Mütter kurze Taillen und ungeheure Ärmel trugen und Familienangelegenheiten durch Losziehen entschieden, — wo die reizenden Kameliendamen das Tageslicht mieden, — in den harmlosen Zeiten der Freimaurerlogen, der Martinisten, des Tugendbundes, in den Tagen der Miloradowitsch, der Dawidows und der Puschkins — fand in der Gouvernementshauptstadt K. eine Versammlung der Gutsbesitzer statt und gingen eben die Wahlen der Adelsstände zu Ende.

I

Nun, meinetwegen, sei es im Saal — sagte ein junger Offizier in Pelz und Husarenmütze, der eben aus dem Reiseschlitten gestiegen war und in das vornehmste Gasthaus der Stadt K. eintrat.

Eine große Versammlung, Väterchen, Ew. Erlaucht, eine ungeheure, sagte der Kellner, der von dem Burschen schon erfahren hatte, daß der Husar Graf Turbin heiße, und der ihn deshalb hoch titulierte: Ew. Erlaucht. — Die Gutsherrin von Afremowka und ihre Töchter wollen heute abend abreisen, Sie können dann, wenn’s beliebt, Nummer elf nehmen, sobald sie leer wird, sagte er und ging leisen Schrittes vor dem Grafen den Flur entlang und sah sich immer nach ihm um.

Im großen Speisesaal saßen an einem kleinen Tisch unter einem lebensgroßen Bilde Kaiser Alexanders, das schon schwarz geworden war, einige Edelleute, offenbar aus der Gegend, beim Champagner und ein wenig abseits durchreisende Kaufleute in blauen Pelzen.

Der Graf trat in das Zimmer, rief „Blücher“, einen ungeheuren Bullenbeißer, der mit ihm gekommen war, ins Zimmer, warf seinen am Kragen noch mit Schnee bedeckten Mantel ab, forderte Schnaps, setzte sich in seinem blauen Atlasröckchen an den Tisch und begann mit den Herren, die hier saßen, ein Gespräch. Sie waren bald durch das schöne, offene Äußere des neu Angekommenen eingenommen und boten ihm einen Becher Champagner an. Der Graf trank erst ein Gläschen Schnaps, dann bestellte auch er eine Flasche, um die neuen Bekannten zu bewirten. Da trat der Postknecht ein und bat um Trinkgeld.

Saschka, rief der Graf, gib ihm was.

Der Postknecht ging mit Saschka hinaus, kam aber wieder zurück mit dem Gelde in der Hand.

Wie, Väterchen Erlaucht, ich glaube, ich habe mir mit Ew. Gnaden alle Mühe gegeben, einen halben Rubel haben Sie mir versprochen, und Sie geben mir nur einen viertel.

Saschka, gib ihm einen ganzen Rubel.

Saschka sah verlegen auf die Füße des Postknechts, Es wird ausreichen, sagte er mit tiefer Stimme. Ich habe auch kein Geld mehr.

Der Graf nahm aus seiner Brusttasche die einzigen zwei blauen Scheine, die darin waren, und gab sie dem Postknecht; dieser küßte ihm die Hand und ging hinaus.

Weit gekommen, sagte der Graf, die letzten fünf Rubel.

Das ist Husarenbrauch, Graf, sagte lächelnd einer der Edelleute, der nach seinem Schnurrbart, seiner Stimme, einer gewissen energischen Schwungkraft in den Beinen für einen ausgedienten Kavalleristen gehalten werden konnte. — Gedenken Sie lange hier zu bleiben, Graf?

Ich muß erst Geld bekommen, sonst wäre ich nicht hier geblieben. Es gibt auch keine Zimmer in dieser verfluchten Schenke, hol’s der Teufel ...

Verzeihen Sie, Graf, — erwiderte der Kavallerist, — aber würden Sie mir nicht die Ehre erweisen, ich wohne hier in Nummer sieben ... Wenn Sie es nicht verschmähen, inzwischen bei mir zu übernachten. Oh, Sie bleiben schon noch so drei Tage bei uns! Heute ist Ball beim Adelsmarschall. Wie würde er sich freuen!

Wahrhaftig, Graf, bleiben Sie, fiel ein anderer von der Tafelrunde, ein hübscher, junger Mann, ein. Was haben Sie für Eile. Wahlen sind doch in drei Jahren nur einmal; Sie würden wenigstens unsere Damenwelt kennenlernen, Graf!

Saschka, bring die Wäsche, ich will baden gehen, sagte der Graf und erhob sich. Und dann wollen wir sehen, vielleicht mache ich mich wirklich auf zum Adelsmarschall.

Dann rief er den Kellner, sprach mit ihm ein paar Worte, und der Kellner antwortete lächelnd, alles sei das Werk von Menschenhänden, und ging hinaus.

Ich lasse also meinen Koffer auf Ihr Zimmer bringen, Väterchen, rief der Graf in der Tür.

Bitte sehr, machen Sie mir die Freude, antwortete der Kavallerist und eilte zur Tür. — Nummer sieben, vergessen Sie nicht!

Als man seine Schritte nicht mehr hören konnte, ging der Kavallerist auf seinen Platz zurück, rückte näher zu dem Beamten heran, sah diesem lächelnd ins Gesicht und sagte:

Das ist ja der.

Hm?

Ich sage dir, es ist derselbe Raufbold — Turbin, der berühmte Turbin, er hat mich erkannt, ich wette, er hat mich wiedererkannt. Natürlich, ich habe doch mit ihm in Lebedjan drei Wochen hindurch ein lustiges Leben geführt. Keine Nacht haben wir geschlafen, als ich die Pferde fürs Regiment kaufte. Wir haben dort einen Streich ausgeführt, wir beide zusammen ... ein schneidiger Kerl, he?

Ja, ein schneidiger Mensch. Und wie angenehm ist er im Verkehr, so ganz ungezwungen, antwortete der hübsche, junge Mann. — Wie schnell wir uns näher getreten sind ... er mag wohl fünfundzwanzig Jahre alt sein, nicht älter?

Nein, er sieht nur so aus, aber er ist älter. Man muß nur wissen, was das für ein Kerl ist. Wer hat die Migunowa entführt? — Er. Sablin hat er niedergeschossen, Matnjew hat er an den Beinen zum Fenster hinausgehängt, dem Fürsten Nesterow hat er dreihunderttausend im Spiel abgeknöpft. Er ist ein verflixter Bursche, mußt du wissen, ein Spieler, ein Raufer, ein Weiberheld; aber eine Seele von Husar, eine wahre Seele. Wir haben ja den Ruf, aber wenn die Leute wüßten, was es heißt, ein echter Husar ... ach, es war eine schöne Zeit.

Und der Kavallerist erzählte seinen Tischgenossen von den lustigen Tagen, die er mit dem Grafen in Lebedjan erlebt, eine Geschichte, die nie geschehen war und nie hätte geschehen können, erstens nicht, weil er den Grafen nie vorher gesehen und seine Entlassung zwei Jahre vor dem Eintritt des Grafen genommen hatte, und zweitens nicht, weil der Kavallerist eigentlich nie in der Kavallerie gedient hatte, sondern nur vier Jahre als ganz bescheidener Junker im Belewskijschen Regiment gestanden und gleich, nachdem er zum Fähnrich befördert war, seinen Abschied genommen hatte. Aber vor zehn Jahren war er wirklich, nachdem er eine Erbschaft gemacht, in Lebedjan gewesen, hatte dort mit den Remonte-Offizieren siebenhundert Rubel verjubelt und sich auch schon eine Ulanenuniform mit gelben Aufschlägen machen lassen, um zu den Ulanen einzutreten. Der Wunsch, zur Kavallerie einzutreten, und die drei Wochen, die er in Lebedjan mit den Remonte-Offizieren verlebt hatte, waren für ihn die glänzendste, glücklichste Zeit seines Lebens, so daß er den Wunsch anfänglich in die Wirklichkeit übertrug, dann in die Erinnerung, und so allmählich fast selbst an seine kavalleristische Vergangenheit glaubte, was gar nicht verhinderte, daß er in bezug auf Herzensgüte und Ehrenhaftigkeit ein durchaus achtungswerter Mensch war.

Ja, wer nicht Kavallerist gewesen ist, der kann unsereinen nicht begreifen. — Er setzte sich rittlings auf einen Stuhl, streckte den Unterkiefer hervor und sprach mit tiefer Stimme: — Man reitet zum Beispiel vor der Schwadron einher, unter sich ein Teufel von Pferd, das beständig lanziert, man sitzt selbst drauf wie der Teufel, da kommt der Eskadronchef zur Musterung heran: Leutnant, sagt er, wollen Sie nicht so gut sein, ohne Sie wird’s nichts, führen Sie die Schwadron im Parademarsch vor. Schön, man ist sofort zur Stelle, sieht sich um und donnert seine Schnauzbärte an ... Ach, hol’s der Teufel, es war eine schöne Zeit!

Der Graf kam ganz gerötet und mit feuchtem Haar aus dem Badezimmer und ging geradewegs nach Nummer sieben, wo schon der Kavallerist im Schlafrock, das Pfeifchen im Munde, dasaß und entzückt, zugleich aber etwas ängstlich, über das Glück nachdachte, das ihm zuteil geworden — mit dem berühmten Turbin in einem Zimmer zu wohnen. Wie aber, fiel es ihm nun plötzlich ein, wenn er mich auszieht, mich nackt vor den Schlagbaum hinausträgt und in den Schnee setzt, oder ... wenn er mich mit Teer einschmiert, oder einfach ... nein, einem Kameraden tut er das nicht, tröstete er sich selbst.

Blücher füttern, Saschka! schrie der Graf.

Saschka kam; er hatte nach der Reise ein Glas Schnaps getrunken und war tüchtig angeheitert.

Du hast’s nicht mehr aushalten können, hast dich betrunken, Kanaille!— Blücher füttern!

Der krepiert auch so nicht, schau, wie hübsch rund er ist, antwortete Saschka, indem er den Hund streichelte.

Schwatz nicht! ... mach’, füttere ihn.

Wenn der Hund nur satt ist! Aber wenn der Mensch ein Gläschen trinkt, dann schimpfen Sie gleich.

Du, es setzt was, schrie der Graf mit einer Stimme, daß die Scheiben in den Fenstern klirrten und dem Kavalleristen angst und bange wurde.

Sie sollten lieber fragen, ob Saschka heute schon was im Munde gehabt hat. Schön, hauen Sie nur, wenn Ihnen der Hund lieber ist als ein Mensch, sagte Saschka. Aber da bekam er einen kräftigen Faustschlag ins Gesicht, daß er umfiel und mit dem Kopf an die spanische Wand schlug; er griff mit der Hand nach der Nase, rannte zur Tür hinaus und warf sich im Flur auf den Kasten.

Er hat mir die Zähne ausgeschlagen, knurrte Saschka, indem er mit der einen Hand die blutige Nase wischte und mit der anderen Blücher kämmte, der sich dabei den Rücken leckte — er hat mir die Zähne ausgeschlagen, Blücher, und doch, er ist mein Graf, durchs Feuer gehe ich für ihn, ja, er ist mein Graf, verstehst du, Blücher? .... Hast du Hunger?

Er lag noch eine Weile, dann stand er auf, gab dem Hunde zu fressen und ging fast nüchtern zu seinem Grafen, um ihm Tee anzubieten.

Sie beleidigen mich einfach, sagte der Kavallerist, der aufrecht vor dem Grafen stand, schüchtern. Der Graf lag, die Füße über die spanische Wand gestreckt, auf seinem Bette. — Ich bin ja doch auch ein alter Soldat und Kamerad, darf ich wohl sagen. Warum wollten Sie bei einem anderen Geld leihen! Ich stehe Ihnen mit Vergnügen mit zweihundert Rubeln zu Diensten. Ich habe sie zwar im Augenblick nicht, ich habe nur hundert, aber ich schaffe sie heute noch. Sie beleidigen mich einfach, Graf.

Ich danke, Väterchen, sagte der Graf. Er begriff sofort, welche Art von Beziehungen sich zwischen ihnen herausbilden würden, und klopfte dem Kavalleristen auf die Schulter. Ich danke! So, dann wollen wir auch den Ball besuchen, wenn es so steht. Aber was beginnen wir jetzt? Erzähle, was bei euch in der Stadt los ist, wo es hübsche Weiber gibt, wo flott gelebt wird, wo man Karten spielt.

Der Kavallerist erklärte ihm, hübsche Weiber würde es eine Menge auf dem Balle geben, der flotteste Lebemann sei der neugewählte Polizeichef Kolkow; er habe zwar nicht den rechten Husarenschneid, aber er sei doch so, so ... ein netter Kerl; daß seit Beginn der Wahlen Jljuschkas Zigeunerchor in der Stadt sänge, die Vorsängerin sei Stjoschka, und daß heute abend vom Adelsmarschall „alle“ zu ihnen hingehen wollten. Ein nettes Spielchen, erzählte er, gebe es auch; Luchnow, ein Fremder, habe die Bank, und Jljin, der Ulanenkornett, der in Nummer acht wohne, verspiele eine Menge Geld. Es habe bei ihm schon begonnen. Jeden Abend werde gespielt. Und was für ein prächtiger Junge, sage ich Ihnen, Graf, ist dieser Jljin, keine Spur von Geiz, sein letztes Hemd gibt er weg.

Gehen wir zu ihm, sehen wir einmal, was da für Leute sind, sagte der Graf.

Gehen wir, gehen wir, die werden sich ungeheuer freuen.

II

Der Ulanenkornett Jljin war eben aufgewacht. Am vergangenen Abend hatte er sich um acht Uhr zum Spiel gesetzt und hatte fünfzehn Stunden hintereinander bis elf Uhr morgens gespielt.

Er hatte tüchtig verspielt, aber wieviel, wußte er nicht, denn er hatte dreitausend Rubel eigenes Geld und fünfzehntausend Staatsgelder besessen, die er längst mit dem eigenen zusammengetan hatte, und er fürchtete sich, die Rechnung zu machen, um sich nicht von dem zu überzeugen, was er ahnte, daß nämlich auch schon von den Staatsgeldern etwas fehlte.