Zweiter Aufschlag - Joerg Pfuhl - E-Book

Zweiter Aufschlag E-Book

Joerg Pfuhl

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Beschreibung

Kurz vor seinem 60. Geburtstag beschließt Joerg Pfuhl, erfolgreicher Verlagsmanager, sich dem zu widmen, wovon er immer geträumt hat: dem Tennissport. Er kündigt seinen Job, macht Trainingspläne und nimmt sich vor, so gut zu werden und so weit zu kommen wie nur irgend möglich. Mit jedem Tag seines neuen Lebens wächst seine Leidenschaft. Er engagiert einen Trainer, nimmt an ersten Wettkämpfen teil und reist bald um die ganz Welt, um Erfahrungen auf internationalen Turnieren zu sammeln. Sein Ziel: Ein Platz in der Top Ten seiner Altersklasse. Eine mitreißende wie motivierende Erzählung über das Älterwerden, über den Mut, zu neuen Ufern aufzubrechen, über das Setzen von Zielen und warum es sich immer lohnt, seinen Träumen zu folgen.

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Seitenzahl: 209

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„I submit that tennis is

the most beautiful sport there is,

and also the most demanding.“

David Foster Wallace

„Doing the things that we want to.“

Lou Reed

 

 

 

 

Für Marlene und Lucie,

die mir ermöglichen,

meinen Traum zu leben.

Stimmen zum Buch

Mischa Zverev (Tennisprofi): „Früher sprach man von ‚Seniorentennis‘, heute heißt es ‚World Tennis Masters Tour‘. Mein Vereinskollege Joerg Pfuhl beschreibt sehr lebendig, informativ und unterhaltsam, wie er sich mit fast 60 in die Senioren-Weltrangliste spielte. Mittlerweile mein Vorbild und auf dem Weg in die etwas andere Weltspitze. Wie man sieht, Profi-Tennis ist mehr als nur Profi-Tennis.“

Michael Stich (Wimbledonsieger): „Es begeistert mich, dass der Autor seine Leidenschaft für den Tennissport auch im fortgeschrittenen Alter auf ein neues Level gebracht hat und sie vollends auslebt. Dies zeigt, dass es nie zu spät ist für eine neue Leidenschaft oder auch dafür, eine bereits vorhandene zu intensivieren. So, wie ich es mit meiner Stiftung seit nunmehr 30 Jahren, seit Beendigung meiner aktiven Sportkarriere, tue. Das Buch kann Mut machen, etwas Neues auszuprobieren.“

Felix Hutt (Journalist und Autor von „Lucky Loser“): „Joergs Geschichte beweist, dass es nie zu spät für einen Neuanfang ist, um seinem Herzen zu folgen.“

Klaus-Peter Wolf (Bestsellerautor): „Tatort Wangerooge, doch in diesem Buch findet dort kein Mord statt, sondern ein Tennisturnier. Spannend und unterhaltsam erzählt Joerg Pfuhl, wie er auf Tennisplätzen auf der ganzen Welt sein Glück findet. Ansteckend!“

Otto Waalkes (Tennisfan): „Tennis fand ich schon immer toll. Jetzt auch als Buch, in dem sogar Elefanten vorkommen. Holdrio!“

Jörg Teepe (Trainingspartner): „Mein Tenniskumpel Joerg hat kurzweilig, ehrlich, uneitel und interessant geschrieben. Herausgekommen ist ein tolles Buch für alle Tennisspieler.“

Thorsten Schröder (Fernsehmoderator): „Das Leben schreibt viele Geschichten. Die von Joerg Pfuhl, der mit 60 Jahren den Sportler in sich entdeckt und eine Tenniskarriere startet, hat mir besonders gefallen. Als leidenschaftlicher Triathlet kann ich seine Geschichte gut nachempfinden.“

Dimitri Poliakov (Senioren-Tennis-Weltmeister): „Als Profispieler habe ich an allen Grand-Slam-Turnieren und am Davis Cup teilgenommen, aber der Gewinn des ITF-Weltmeistertitels als 50-Jähriger war einer meiner größten Erfolge. Ich habe großen Respekt vor Joerg Pfuhl, der als‚reifer Tennissenior‘ ernsthaft mit Tennis begonnen und darüber ein spannendes Buch geschrieben hat.“

Inhalt

Prolog

Abschied vom Berufsleben

Ich brauche einen Plan

„Big Elephants“: Wie alles begann

Vom Tegernsee an die Alster

Der „Grind“ – aller Anfang ist schwer

Turnierpremiere

Der kalte Coronawinter

Mein erster Turniersieg

Weltmeisterschaft?

Weltmeisterschaft!!

Überraschung im Mixed

Ohne Trainer geht es nicht

Unforced errors

Ausrüstungsfragen

Die zweite Saison

Weltmeisterschaft in Florida

Freudentränen beim Rasentennis

Der heilige Rasen von Wimbledon

Saisonende

Schottische Meisterschaften

Zurück auf die Schulbank

Just do it

Ausblick

Empfehlungen

Bücher

Filme

Websites & Podcasts

Dank

Literatur und Onlinequellen

Prolog

Ein belebter Tennisplatz an einem sommerlichen Septembermorgen. Es ist angenehm warm in Umag an der kroatischen Adriaküste, aber es geht ein böiger Wind, der einem Sandkörner in die Augen weht und die Flugbahn der Tennisbälle verändert. Durch den hohen Zaun sieht man den Strand, aber die Anlage hat den Charme eines Supermarktparkplatzes. Ringsherum Asphalt und Parkplätze für die Autos der Hotelgäste. Aber das scheint die verschwitzten Tennisspieler nicht zu stören.

Ich bin einer dieser Spieler, ein ehemaliger Verlagsmanager, der sich entschlossen hat, sich nach dem selbstgewählten Ende seiner Berufslaufbahn voll und ganz dem Tennissport zu widmen. Mein Doppelpartner neben mir ist Stefan, ehemaliger Weltranglistenerster bei den Senioren. Unsere Gegner auf der anderen Seite des Netzes sind aus Indien. Wir haben gegen sie gerade den zweiten Satz gewonnen, nun geht es in den entscheidenden Match-Tiebreak.

Das Match ist intensiv, wir kämpfen um jeden Punkt. Zu Beginn der Partie war ich schwer nervös, denn es ist die erste Runde bei der Tennisweltmeisterschaft der Senioren.

„Ruhig bleiben“, sagt Stefan, als ich erneut einen Return in die Plane donnere. Mir schwirren tausend Gedanken durch den Kopf.

Vor einem Jahr noch war ich Geschäftsführer einer großen Verlagsgruppe, Bücher waren mein Leben. Tennis aber war meine Leidenschaft seit Jugendtagen und immer mein Ventil, um Stress abzubauen. Ich spiele Tennis, seit ich zwölf Jahre alt bin, aber erfolgreich war ich dabei nie. Und nun stehe ich hier bei einer Weltmeisterschaft auf dem Platz! Stefan hat bereits zahlreiche WM-Turniere bestritten und viele davon sogar gewonnen. Unsere Gegner kommen von der Teamweltmeisterschaft, die in der Vorwoche ausgetragen wurde. Einer von ihnen hat in seiner Jugend an Profi-Turnieren teilgenommen.

Für mich war das alles wie ein Traum. Sport hat immer eine wichtige Rolle gespielt in meinem Leben. Aber ich war mehr Zuschauer als Beteiligter, Aktiver. Björn Borg, später dann Boris Becker und Steffi Graf haben mich begeistert, viele Stunden saß ich vor dem Fernseher, um mit ihnen mitzufiebern. Natürlich war Umag in Kroatien nicht mit Wimbledon zu vergleichen, und ich kein Björn Borg oder Boris Becker – aber dass ich mich hier, in Kroatien, mit den Besten meines Alters messen durfte, konnte ich kaum fassen …

Abschied vom Berufsleben

Wie weiß man, wann es reicht? Wann ist es Zeit, den Job an den Nagel zu hängen? Ist es das Erreichen der gesetzlichen „Regelaltersgrenze“? Gibt es Signale, auf die man hören sollte, die einem zeigen: Jetzt ist es genug?

Mit Ende fünfzig entschied ich mich auszusteigen. „Aussteigen“ mag nach aufhören klingen, aber es war eigentlich mehr eine Entscheidung, etwas Neues zu beginnen. Ich wollte nicht länger als angestellter Geschäftsführer in einem Korsett von Pflichten und Regeln gefangen sein, sondern mein Leben ab sofort nach meinen eigenen Vorstellungen gestalten.

Ich habe immer sehr gern und sehr viel gearbeitet. Ich war achtunddreißig Jahre alt, als ich die Verantwortung für Deutschlands größte Buchverlagsgruppe, heute Penguin Random House, mit mehr als tausend Mitarbeitern übernahm. Der Erfolgsdruck war groß, Siebzigstundenwochen die Regel. Aber ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als mit passionierten Büchermenschen im Team zu arbeiten. „Dienst nach Vorschrift“ gibt es in der Buchbranche nicht, die meisten empfinden ihre Arbeit als Lust, nicht als Last.

Keinerlei Routine, jeder Tag anders und überraschend. Begegnungen mit interessanten Autorinnen und Autoren, kurzweilige Lesungen und Diskussionen. Eine Begegnung ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Udo Jürgens hatte „Der Mann mit dem Fagott“ bei uns veröffentlicht, die Geschichte seines Großvaters und seiner Familie. Am Abend der Buchpremiere in München saß er auf der Bühne an einem einfachen Tisch, im Licht einer Schreibtischlampe. Er schaute in sein Buch und schwieg. Einige Minuten lang passierte nichts. Dann begann er langsam, mit leiser Stimme zu lesen, wobei er sich mehrfach verhaspelte. Das Publikum lauschte aufmerksam seinen Worten, und als er die Zuhörer mit einigen frei erzählten Anekdoten zum Lachen brachte, war das Eis endgültig gebrochen. Beim gemeinsamen Essen nach der Lesung gestand er, dass er noch nie in seinem Leben so nervös gewesen sei, und man merkte ihm an, wie erleichtert und glücklich er nun war. Obwohl er als Musiker gewohnt war, vor Tausenden von Menschen aufzutreten, hatte ihn die Lesung eingeschüchtert. Es war eine völlig neue Erfahrung für ihn, aus seinem Buch vorzulesen, eine gänzlich andere Herausforderung als seine Konzerte.

Unter den Autoren gibt es aber auch begnadete Entertainer. Sebastian Fitzek oder Frank Schätzing etwa sind wahre Vortragskünstler, die mit ihren Lesungen Hallen füllen und das Publikum begeistern. Oder Klaus-Peter Wolf, der die Premieren seiner Bücher traditionell mit einer Buchtaufe in Norden, Ostfriesland, feiert. Das sind Kultveranstaltungen.

Wieder ganz anders, aber nicht minder eindrucksvoll, waren die virtuellen Treffen mit Edward Snowden, dessen Buch „Permanent Record“ von uns weltweit zeitgleich veröffentlicht wurde. Dies erfolgte unter größter Geheimhaltung, da Snowden fürchtete, die amerikanische Regierung könnte das Buch stoppen. Er konnte sein Buch in Deutschland daher nicht persönlich vorstellen, doch auch online waren die Gespräche mit ihm beeindruckend. Ich habe großen Respekt vor seinem persönlichen Einsatz, um der Welt die Schattenseiten von Digitalisierung und politischer Macht vor Augen zu führen.

Und dann war da noch dieses heitere Abendessen mit zwei der weltweit erfolgreichsten Schriftsteller, John Grisham und Dan Brown. Zusammen haben sie fast 500 Millionen Bücher verkauft. Die beiden waren glänzend aufgelegt, als ich die Ehre hatte, mit ihnen anlässlich einer Preisverleihung für ihren gemeinsamen Verleger in New York an einem Tisch zu sitzen. John Grisham hatte Dan Brown zu Beginn seiner Schriftstellerkarriere einige wertvolle Tipps gegeben, und nun führten die beiden das Stück „Lehrmeister und Schüler“ auf, spielten sich die Bälle zu, dass es krachte, und unterhielten damit die gesamte Tafelrunde. Ein unvergesslicher Abend.

In drei Jahrzehnten in der Buchbranche kommen eine Menge interessanter, denkwürdiger Erlebnisse zusammen. Aber warum erwähne ich das?

Sein Hobby zum Beruf zu machen, hat nicht nur Vorteile. „Dienst nach Vorschrift“ (siehe oben) – Fehlanzeige. Immer voller Einsatz, die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben sind fließend. Lesen ist Leidenschaft, aber eben auch Verpflichtung, um sich auf Autorentermine vorzubereiten. Die Arbeitstage sind lang, häufig erst nach Lesungen nach Mitternacht beendet. Mir gelang es nie, Pausen einzulegen, immer standen wichtige Entscheidungen an, galt es, Krisen zu managen. „Work-Life-Balance“ war für mich ein Fremdwort, das Motto hieß „Job first“. Abendveranstaltungen, Dienstreisen, Konferenzen … Für die Familie blieb kaum Zeit.

Mit fünfzig ein erster Versuch, aus dem Hamsterrad auszusteigen. Mein befristeter Geschäftsführervertrag lief aus, und ich verlängerte ihn nicht, denn ich wollte ein „normales“, unabhängigeres Leben führen. Ich übernahm eine Professur und arbeitete als Berater und Aufsichtsrat, und in der Annahme, zukünftig mehr Zeit zu haben, übernahm ich weitere ehrenamtliche Aufgaben in der Gemeinde, dem Tennisverein, der Stiftung Lesen. So war der Terminkalender bald wieder gut gefüllt, bis ich nach vier Jahren rückfällig wurde und erneut eine Geschäftsführungsposition in der Buchbranche übernahm.

Aber nun, mit fast sechzig, spürte ich die Folgen meiner Verausgabung. Die Arbeit strengte mich zunehmend an, die vielen Reisen wurden zur Last, die Toleranz für unproduktive Routinetermine sank. Ich stellte mir immer häufiger die Frage, wie lange ich meinen Job weiter ausüben wollte. Und dann sendete mir mein Körper ein Warnsignal.

Es war mir zur Routine geworden, im Zwei-Jahres-Turnus einen Gesundheits-Check-up zu machen. Ich ging nie gern zum Arzt, aber meine Vorsorgetermine nahm ich ernst. Eines schönen Sommermorgens war es wieder so weit. Gut gelaunt stand ich in der Arztpraxis zum Belastungs-EKG. Obschon kein Fan von Ausdauertraining (dazu hatte ich in meiner Jugend zu viele Bahnen im Schwimmbecken gezogen, mehr Langeweile geht eigentlich nicht), freute ich mich auf diesen Test. Ich mochte es, bis an die Leistungsgrenze zu gehen, zu sehen, wie fit ich noch bin. Am Anfang lief alles leicht, aber mit zunehmender Wattzahl stieg mein Puls deutlich an, das Atmen unter der luftdichten Maske fiel immer schwerer. Nach einer Minute war plötzlich Schluss.

„Wir müssen die Untersuchung hier abbrechen“, sagte die erfahrene Assistentin, „die Ärztin wird gleich mit Ihnen sprechen.“

Ich war irritiert. Kurz darauf saß ich im Sprechzimmer.

„Ihr EKG gefällt mir nicht“, eröffnete mir die Ärztin. „Vorhofflimmern, es muss Sie nicht beunruhigen, aber Sie sollten das abklären lassen.“

Und so fand ich mich kurz darauf im Krankenhaus wieder, wo ich doch geplant hatte, mittags wieder im Büro zu sitzen. Hier das gleiche Ergebnis: unregelmäßiger Herzschlag, mit mehrsekündigen Aussetzern. Dabei fühlte ich mich wie immer. Ungläubig betrachtete ich das EKG. Ja, die Kurven waren eindeutig, auch für einen Laien deutlich erkennbar. Man legte mir nahe, gleich am nächsten Morgen eine Elektrokardioversion, also einen Elektroschock, vornehmen zu lassen, um den Herzschlag wieder zu synchronisieren und einen gleichmäßigen Puls zu bekommen. Die Nacht verbrachte ich direkt im Krankenhaus und hatte Zeit, über mein Leben nachzudenken.

Herzrhythmusstörungen, dazu zählte das bei mir diagnostizierte Vorhofflimmern, sind eine Volkskrankheit, an der circa zwei Millionen Menschen in Deutschland leiden. Ein Warnsignal. Ich hatte mir über die Jahre wohl zu viel zugemutet.

Ich brauche einen Plan

Es ist sicher nicht ungewöhnlich, dass man sich mit knapp sechzig Jahren Gedanken darüber macht, wie es weitergehen soll im Leben. Wir werden heute älter als jede Generation vor uns, sind gesund und unternehmungslustig. Das Leben bietet uns viele Optionen. Ich war immer vielseitig interessiert, Schach und Klavier spielen, Tennis, Lesen, Musik hören – während meiner Berufsjahre war all dies stets zu kurz gekommen. Und es ging ja nicht nur um mich, ich hatte Verantwortung für meine Familie. Wann, wenn nicht jetzt, war die Zeit gekommen, aus dem Hamsterrad auszusteigen und das Versäumte nachzuholen!

Das Gespräch mit einer mir unbekannten Sitznachbarin bei einer Autorenlesung gab mir den entscheidenden Impuls. Sie erzählte, sie habe im letzten Jahr ihr Berufsleben als Buchhändlerin beendet.

„Und was machen Sie jetzt?“, fragte ich neugierig.

„Seit einem halben Jahr nehme ich Klavierunterricht. Ich möchte einmal sämtliche Sonaten von Beethoven spielen können. Dafürübe ich so viel wie möglich und bin vollkommen glücklich.“

Ich war beeindruckt und fasziniert. Die Buchhändlerin hatte sich ein klares Ziel gesteckt. So hatte ich eigentlich mein gesamtes Berufsleben strukturiert. Es gab persönliche Ziele, wirtschaftliche Ziele für das Unternehmen, Entwicklungsziele für Mitarbeiter. Diese Ziele wurden nicht immer erreicht, aber die Tatsache, dass man ein Ziel anstrebte, gab Orientierung und half, nicht so schnell aufzustecken. Fortschritte und Entwicklung wurden messbar.

Das Beispiel der Buchhändlerin ging mir nicht aus dem Kopf. Ich kramte meine alten Klaviernoten hervor und übte wieder regelmäßig, ich fing an, Schachbücher zu lesen und Partien nachzuspielen. Und ich ging wieder häufiger auf den Tennisplatz.

Einen weiteren Anstoß erhielt ich von einem Buch. Das ist nicht wirklich überraschend, denn Bücher haben immer eine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt. Als Jugendlicher verbrachte ich einen Großteil meiner Freizeit mit Lesen, später wurden Bücher als Verlagsgeschäftsführer zu meinem Beruf.

Das Buch, das mir den entscheidenden Impuls gab, war „Lucky Loser“ von Felix Hutt. Kein Technik- oder Taktikratgeber, sondern die Geschichte eines Tennisverrückten, der sich mit Ende dreißig aufmacht, einen Platz in der Weltrangliste der Tennisprofis zu erkämpfen. Er zieht dabei um die halbe Welt und macht viele lustige und ungewöhnliche Erfahrungen. Ich bin 15 Jahre älter als Felix Hutt und hege keine Profiambitionen, aber er bestärkte mich in der Idee, Tennis zu einer Vollzeitbeschäftigung zu machen.

Bereits zwei Jahre vor der Lektüre von „Lucky Loser“ hatte ich bei einem Turnier in England Tomi kennengelernt, einen ungarischen Tennisspieler in meinem Alter, der sich weltweit bei Profiturnieren anmeldete, um dort in der Qualifikation mitzuspielen. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, als ältester Spieler in der Weltrangliste der Profis geführt zu werden. Dazu wäre es nötig, drei Spiele in der Qualifikation zu gewinnen und das Hauptfeld eines Challenger-Turniers, der niedrigsten Turnierkategorie für Profis, zu erreichen. Als er endlich in Quito, Ecuador, für die Qualifikationsrunde angenommen wurde, musste er allerdings feststellen, dass es ihm unmöglich war, von seinem Wohnort London aus bereits am nächsten Tag zu seinem Erstrundenspiel in Südamerika anzutreten. Dummerweise bekam er dann auch noch eine Strafe aufgebrummt, weil er nicht antreten konnte.

Ein Jahr später bekam Tomi eine Einladung für ein Turnier in Budapest. Dort verlor er in der ersten Runde der Qualifikation mit 0:6, 0:6 – Höchststrafe! Als ich ihn letztes Jahr erneut traf, hatte er seinen Traum aufgegeben. Meinen Respekt hatte er trotzdem gewonnen.

Eine ähnliche Geschichte wie Felix Hutt erzählt Gerald Marzorati, ehemaliger Chefredakteur des New York Times Magazine, in seinem Buch „Late to the Ball“. Mit Mitte fünfzig beschloss Marzorati, Tennis zu lernen, und ging dabei sehr systematisch vor. Sein Ziel war es, an den US-Senioren-Meisterschaften teilzunehmen. Ebenso wie für Felix Hutt war für ihn das Erreichen des Ziels eigentlich zweitrangig – und natürlich werde ich hier nicht verraten, ob die beiden ihre Ziele erreicht haben (lesen Sie ihre Bücher!).

„Big Elephants“: Wie alles begann

Ich war kein wirklich sportliches Kind. Beim Schulsport war ich immer einer der Letzten, die für die Mannschaften ausgewählt wurden. Egal ob Völkerball oder Fußball, ich stand immer auf der Resterampe. In der zehnten Klasse gründete ich aus Trotz eine zweite Fußball-Klassenmannschaft mit all jenen, die mein Schicksal teilten und die für die eigentliche Klassenauswahl nie berücksichtigt wurden. Die Spiele der Klassenmannschaften hatten eine enorme Bedeutung, die besten Spieler wurden bewundert, und natürlich wurmte es mich, dass ich nicht mitspielen durfte. Obwohl wir mit der „zweiten Mannschaft“ in den meisten Spielen mehr als zehn Tore kassierten und nur selten selbst ein Tor erzielten, waren die Spiele gegen uns für die anderen Mannschaften wichtig, da die Tordifferenz den Ausschlag über den Turniersieg geben konnte – verloren wir mit weniger als zehn Toren Differenz, fühlten wir uns wie die Sieger. Ich spielte aber eher aus Trotz, echte sportliche Leidenschaft entwickelte ich nicht.

Meine Eltern waren bestrebt, meinem Bruder und mir unterschiedliche Sportarten nahezubringen. Ich versuchte mich im Reiten, Turnen, Judo, Schwimmen und Tischtennis. Alles ohne sportlichen Erfolg. Auf der Suche nach einem Familiensport, den wir gemeinsam betreiben konnten, kamen wir irgendwann auf Tennis. Zusammen mit meiner Mutter und meinem Bruder bekam ich mit zwölf Jahren einige Trainerstunden. Besonders viel Talent wurde mir auch dabei nicht attestiert. Meine Freizeit verbrachte ich weiterhin lieber mit Büchern oder am Klavier, als schwitzend einem Ball hinterherzujagen.

Sportlicher Höhepunkt meiner jungen Sportlerkarriere war ein Qualifikationsspiel für unsere Tennisschulmannschaft. Das neu gegründete Team mit guten Vereinsspielern musste noch einen letzten Platz besetzen, um den sich mein Klassenkamerad Christian und ich duellierten. Ich war sehr aufgeregt vor meinem ersten Turnierspiel. Aus lauter Sorge, nicht genügend Energie für ein ganzes Match zu haben, verschlang ich während des Spiels eine ganze Tafel Schokolade. Christian war sportlich und durchtrainiert, hatte aber erst ein einziges Mal, im Urlaub, einen Tennisschläger in der Hand. Ich glaube mich zu erinnern, dieses Match knapp gewonnen zu haben. Aber da ich nie einen Einsatz für die Schulmannschaft hatte, bin ich mir da nicht mehr so sicher.

Meine Sportbegeisterung wurde erst erweckt, als ich mit sechzehn Jahren ein Jahr als Austauschschüler an einer amerikanischen Highschool verbrachte. Bei der Anmeldung hieß es, ich müsse mich für eine Mannschaft entscheiden, im Übrigen seien meine Vorgänger aus Deutschland allesamt sehr gute Sportler gewesen. Ich musste schlucken. Das Schuljahr war in Trimester unterteilt, nach dem sich auch die jeweiligen Sportarten richteten. Im Herbst standen die Nationalsportart Football sowie Golf und Geländelauf auf dem Programm. Deutsche Schüler wurden gerne als „Kicker“ in den Footballmannschaften eingesetzt, aber mit Fußball hatte ich nichts am Hut, Golf schied mangels Erfahrung ebenfalls aus, es blieb also nur der Geländelauf übrig, für den ich mich meldete.

Nach einer unruhigen Nacht begab ich mich am nächsten Tag erneut in das Schulbüro und zog meine Anmeldung zurück. Ich war noch nie in meinem Leben mehr als 400 Meter gelaufen, was hatte ich also beim Geländelauf verloren? Stattdessen schloss ich mich der Schulband an, die die Schulmannschaften vor den Wettkämpfen in der Sporthalle vor versammelter Schüler- und Lehrerschar anfeuerte.

Aber im Winter war es dann doch so weit, ich wurde Teil des Schwimmteams. Schwimmen hatte ich immerhin schon einmal im Verein ausprobiert. Und so kam ich zu meinem ersten ernsthaften Training: Wir trainierten täglich zweimal im eiskalten und stark gechlorten Wasser der Schwimmhalle, vor dem Unterricht zwei Stunden, nach der Schule wieder zwei Stunden. Am Wochenende fuhren wir zu Wettkämpfen gegen andere Schulen. Es gab eine klare Hierarchie: Die schnellen Schwimmer trainierten auf den ersten vier Bahnen, ich fand mich bei den langsamen Schwimmern auf Bahn 5 wieder. Aber das Trainingspensum war für alle gleich. Zum ersten Mal in meinem Leben ging ich an meine physische Leistungsgrenze.

Zu meiner großen Überraschung machte mir das alles viel Freude: das gemeinsame Training, das Zugehörigkeitsgefühl, die Aufregung vor den Wettkämpfen. Sogar das gemeinsame Rasieren der Haare an Armen und Beinen ertrug ich tapfer. Da jeder Punkt bei den Wettkämpfen zählte, machte es bei engen Auseinandersetzungen einen Unterschied, ob wir langsamen Schwimmer als Letzte oder Vorletzte ins Ziel kamen, sodass auch wir unseren kleinen Beitrag leisten konnten. Mit dem Mannschaftssieg bei der Landesmeisterschaft von Michigan ging dieser Winter erfolgreich zu Ende. Ich war fast zehn Zentimeter gewachsen und hatte etliche Kilogramm an Gewicht verloren. Dabei hatte ich permanent Hunger und futterte ohne Unterlass.

Das Frühjahr brachte eine neue Sportwahl: Baseball und Ringen kamen für mich nicht infrage, Tennis hingegen klang interessant. Wegen meines starken Wachstums und des intensiven Schwimmtrainings bekam ich beim Laufen zwar häufig Krämpfe, das legte sich aber nach einigen Wochen intensiven Tennistrainings. Unser Trainer, den alle respektvoll „Coach“ oder mit seinem offiziellen Spitznamen „Tiger“ nannten, legte den Schwerpunkt auf Fitness, und wir liefen beim Training, das täglich nachmittags für drei Stunden angesetzt war, von einer Ecke des Platzes zur anderen. Immer im Wettkampf gegeneinander. Die Verlierer bekamen zur zusätzlichen „Motivation“ Extraschichten aufgebrummt.

Nach einigen Wochen begannen wir mit der Turniervorbereitung. Bei den Wettbewerben gegen andere Schulen wurden sechs Einzel und drei Doppel gespielt, insgesamt kamen also zwölf Spieler zum Einsatz. Unser Coach konnte auf elf gute und erfahrene Spieler setzen, um den letzten Platz gab es ein Qualifikationsturnier mehrerer unerfahrener Spieler, aus dem ich als Sieger hervorging. Damit spielte ich in der Mannschaft das sechste Einzel. Ich weiß nicht mehr, ob ich in dieser Saison ein einziges Match gewinnen konnte. Ich erinnere mich allein an meinen Auftritt bei der Landesmeisterschaft: Unsere Nummer eins wurde drei Tage vor dem Wettkampf mit Marihuana erwischt und für das Turnier gesperrt. Damit nicht alle Spieler eine Position aufrücken mussten, beschloss unser Trainer, mich an eins zu setzen. Mein Match währte nicht lange. Die Aufschläge meines Gegners waren so schnell und so hart, dass ich nicht sah, ob sie im Feld aufschlugen oder im Aus, und ihn bat, selbst zu entscheiden. Eine interessante Erfahrung.

Die in Amerika gewonnene Sportbegeisterung nahm ich mit zurück nach Deutschland. Sowohl dem Schwimmsport als auch dem Tennis blieb ich treu. Zwar stand weiterhin nicht der Leistungsgedanke im Vordergrund, aber ich trainierte regelmäßig und fand im Tennisverein eine Gruppe Gleichgesinnter, bei denen der Spaß im Vordergrund stand.

Sportlicher Erfolg war mir weiterhin nicht beschieden. Bei einem internationalen Schwimmwettkampf mit dem Verein unserer französischen Partnerstadt Cergy-Pontoise – wir lebten damals in der Nähe von Düsseldorf – konnte ich zwar ein Rennen für mich entscheiden. Das lag allerdings daran, dass ich wegen eines Übersetzungsfehlers als einziger Kraulschwimmer unterwegs war, während alle Konkurrenten Brust schwammen.

Einmal brachte ich von einer Asienreise ein Dutzend übergroßer T-Shirts für die Herrenmannschaft unseres Tennisclubs mit, die ich wegen ihrer grauslichen Farbe, einem verwaschenen Schlammbraun, zum Sonderpreis von je einem Dollar ergattert hatte. Sie zeichneten sich durch die neongelbe Aufschrift „big elephant“ aus. Wir erkoren sie zu unserem Mannschaftstrikot und traten fortan als „big elephants“ auf. Tennis hat zwar inzwischen den Nimbus des weißen Sports verloren, aber damals war das noch anders. Unser Tennisvorstand war alles andere als glücklich über unser Auftreten, das eine weitere Nuance dadurch erhielt, dass wir alle Ohrringe trugen. Die Situation eskalierte, als wir vor einem Punktspiel ein Bierfrühstück inszenierten. Natürlich hatten wir an einem Sonntagmorgen um acht Uhr keine wilde Party gefeiert, doch das Bierfass auf dem Tisch und die leeren Gläser vor uns erweckten einen anderen Eindruck. Auch wenn es von sportlichen Erfolgen nichts zu berichten gibt, gurkten wir fröhlich in der Kreisklasse herum und hatten unseren Spaß.

Die Ära der „big elephants“ fand mit meinem Studienbeginn ihr Ende, nicht jedoch meine Freude am Tennis. Mein Studium der Betriebswirtschaft teilte sich auf in Sommersemester, die ich überwiegend auf dem Tennisplatz verbrachte, und Wintersemester, in denen ich durcharbeitete, um die verpassten Scheine nachzuholen. Im Probetraining bei meinem neuen Verein in Saarbrücken testete mich der Trainer und entschied nach einem schnellen 6:0 für ihn, dass ich in der zweiten Herrenmannschaft mitspielen dürfe, in der Kreisklasse. Was dann in den nächsten Jahren mein Los war.

Mein Lieblingstrainingspartner in Saarbrücken war Markus, ein fünfzehnjähriges Talent, der stundenlang fehlerfrei hohe Topspinbälle spielen konnte und die Rückhand beidhändig spielte, was ich bis dahin nur aus dem Fernsehen kannte. Ich hingegen pflegte einen offensiven Spielstil und versuchte, den Gegner vom Platz zu schießen. Aus Mangel an Geduld wollte ich immer so schnell wie möglich den Punkt erzielen und ging mit jedem Schlag ein hohes Risiko ein. Über Sieg oder Niederlage entschied dann meist meine Fehlerquote. Markus war genau das Gegenteil. Mit stoischer Ruhe spielte er jeden Ball hoch zurück und machte praktisch keine Fehler. Im Winter reichte das knapp bemessene Studentenbudget nur für die Hallenstunden ab 22 Uhr, und im Anschluss betätigte ich mich als Fahrer und brachte Markus nach Hause.

Nach dem Ende des Studiums stand ein erneuter Umzug an. Ich zog zu meiner Freundin, die heute meine Frau ist und die ihren ersten Job angetreten hatte. Unsere kleine Dachgeschosswohnung in Rheinberg am Niederrhein hatte den großen Vorteil, dass sie in Hörweite des Tennisclubs lag. In den Sommermonaten, in denen es unter dem Dach oft unerträglich heiß war, konnte ich hören, wer gerade auf dem Platz stand. Ich nutzte jede Ausrede, um meinen Schreibtisch zu verlassen, an dem ich an meiner Dissertation schrieb, und im Club vorbeizuschauen. Da auch die Schule nicht weit entfernt war, traf ich dort immer auf irgendeinen Lehrer, mit dem ich während einer Freistunde ein paar Bälle schlagen konnte.