Römische Vergeltung - Bianca Palma - E-Book
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Römische Vergeltung E-Book

Bianca Palma

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Beschreibung

Commissario Casellis persönlichster Fall!

Es ist Frühsommer in Rom, die Nächte sind lau und sternenklar, die römische Gesellschaft feiert auf den Dachterrassen der Palazzi. Und Commissario Caselli fühlt sich wie ein neuer Mensch. Denn er ist verliebt. Die hinreißende Französin Chantal hat ihm ordentlich den Kopf verdreht. Sie eröffnet Caselli die Welt der Reichen und Schönen, nimmt ihn mit zu den Soireen des Saudischen Prinzen Kabir im luxuriösen Hotel de Russie und bringt ihn mit den femminielli in Kontakt. Doch schon bald ziehen dunkle Wolken auf. Sergente Scurzi muss den Mord an einer Prostituierten aufklären, und Caselli erhält bedrohliche Botschaften von einem alten Feind, dem vorzeitig aus der Haft entlassenen Mafiakiller Enzo Calduzzo. Und als Chantal plötzlich verschwindet, tappt der Commissario in eine tödliche Falle ...

Commissario Alessandro Caselli ermittelt in Rom - ein eleganter Kriminalbeamter mit guten Manieren und Geschmack. Für Krimifans, Italienliebhaber, Romreisende und Leser von Andrea Camilleri.

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!


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Seitenzahl: 261

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressum12345678910111213141516171819202122232425AnhangVorschau

Über dieses Buch

Commissario Casellis persönlichster Fall!

Es ist Frühsommer in Rom, die Nächte sind lau und sternenklar, die römische Gesellschaft feiert auf den Dachterrassen der Palazzi. Und Commissario Caselli fühlt sich wie ein neuer Mensch. Denn er ist verliebt. Die hinreißende Französin Chantal hat ihm ordentlich den Kopf verdreht. Sie eröffnet Caselli die Welt der Reichen und Schönen, nimmt ihn mit zu den Soireen des Saudischen Prinzen Kabir im luxuriösen Hotel de Russie und bringt ihn mit den femminielli in Kontakt. Doch schon bald ziehen dunkle Wolken auf. Sergente Scurzi muss den Mord an einer Prostituierten aufklären, und Caselli erhält bedrohliche Botschaften von einem alten Feind, dem vorzeitig aus der Haft entlassenen Mafiakiller Enzo Calduzzo. Und als Chantal plötzlich verschwindet, tappt der Commissario in eine tödliche Falle …

Commissario Alessandro Caselli ermittelt in Rom – ein eleganter Kriminalbeamter mit guten Manieren und Geschmack.

Bisher sind in der Reihe erschienen:

Römische Ermittlungen

Römische Verwicklungen

Römische Verdächtigungen

Römisches Vermächtnis

Über die Autorin

Bianca Palma studierte Musik und arbeitete als Dolmetscherin in Rom. Zeitweise lebte sie auch in Sizilien und einem sturmumwehten Bergdorf in Umbrien. Heute verbringt sie die Sommermonate in Italien, den Rest des Jahres lebt sie mit ihrem Jack Russel in Deutschland. Sie liebt Verdi, Wagner und die internationale Filmszene.

BIANCA PALMA

Römische

Vergeltung

Ein Fall für Commissario Caselli

Kriminalroman

beTHRILLED

Digitale Originalausgabe

 

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

 

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

 

Textredaktion: Beke Ritgen

Lektorat/Projektmanagement: Stephan Trinius

Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von Motiven von © shutterstock: gyn9037 | ilolab

eBook-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde

 

ISBN 978-3-7325-5775-2

 

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

1

Der starke Stahl der Dusche traf auf Casellis Schultern. Das heiße Wasser tat gut. Er legte den Kopf in den Nacken. Abertausende Wassertropfen rannen über sein Gesicht. Er blieb eine Weile unter dem Strahl stehen, dann griff er nach dem vom Hotel zur Verfügung gestellten Duschgel. Während er es großzügig auf dem Körper verteilte, spürte er, dass seine Brustmuskeln an Umfang gewonnen hatten. Das Gerätetraining fruchtete. Der Spa-Bereich des Hotels ließ keine Wünsche offen, und er hatte ihn in den letzten Wochen genutzt, sehr oft, beinahe öfter als er in der Questura gewesen war.

»Brauchst du noch lange, Chéri?«, hörte er Chantal aus dem Zimmer rufen. »Schwarzes Hemd? Ich lege es dir raus, ca va bien?«

»Ja …!«, rief Caselli durch den Dampf. Er hörte das Wasser im Abfluss gurgeln, sah den feinen Schaum von den edlen Schieferfliesen rinnen, auf denen er stand. Er öffnete die Glastür der luxuriösen Dusche und griff nach dem großen, weißen Badetuch. Er trocknete sich zügig ab, schlang es sich um die Hüften und sah in den Spiegel über dem Waschbecken. Sein Haar war kürzer, stile imperatore romano. Der ultraperfekte Haarschnitt eines Star-Coiffeurs, der Chantals uneingeschränktes Vertrauen besaß. Einmal mit dem Kamm darüber, fertig. Ein letzter Blick. Caselli spannte die Kiefermuskeln an. Bin ich das? Der Zweifel währte nicht, denn er hörte Chantals Lachen am Telefon. Ihr Lachen, das er liebte. Und in diesem Moment wurde ihm richtig bewusst, dass er nun eine Frau an seiner Seite hatte - und was für eine. Er brauchte das Lächeln nicht zu unterdrücken. Ja, da war Stolz, tiefe Befriedigung und ein Glücksgefühl, das er lange vermisst hatte. Chantal … eine Frau, die jeder begehrte, jeder haben wollte, mit Stil, Klasse und Eleganz, liebenswert, klug und bildschön. Er hatte sie. Doch … zu welchem Preis? Caselli sog tief Luft ein und atmete angestrengt durch. Dann griff er nach einem der Flacons, die die Hausdame für ihn auf dem Silbertablett arrangierte, eine Auswahl Düfte, zugeschnitten auf seine Wünsche. Caselli sprühte seinen Oberkörper ein. Chantal mochte das. Die Stunden mit ihr, der Nachmittag im Hotel, die Hitze der Mittagssonne, ausgesperrt hinter den venezianischen Fensterläden, durch deren schmale Schlitze gleißend helle Lichtstreifen blitzten. Gegen vier Uhr dann die kühle Brise, die den Vorhang bewegte. Caselli wandte sich um und öffnete die Badezimmertür. Sein erster Blick fiel auf die zerwühlten weißen Laken, das Bett, auf dem sie sich geliebt hatten … und auf Chantal. Sie war vor ihm im Bad gewesen und nun ausgehfertig. Noch ein Handgriff an den Valentino Rockstuds und das Riemchen, das sich atemberaubend um ihre Fußknöchel schlang, saß. Caselli blieb in der Tür stehen, um das Bild ganz in sich aufzunehmen. Chantals feminine Figur, das kleine Schwarze, die langen Beine, der graziöse Schwung, mit dem sie von der Bettkante aufstand, das Haar zurückschüttelte und lächelte. Casellis Augen blitzten auf. Zwei Schritte, und er war bei ihr.

»Oh, Alessandro …«, flüsterte sie, als er sie aufs Bett warf und küsste. Jede andere hätte gesagt, er solle aufpassen, dass er ihr Kleid nicht zerdrückte oder das Make-up nur ja nicht litt. Doch sie sagte nur: »Oh, Alessandro …«, erwiderte seinen Kuss und drängte sich hingebungsvoll an ihn. Caselli ließ die Hand über ihre nackte Haut gleiten, die der tiefe Rückenausschnitt freigab, spürte die aufgestickten Pailletten auf dem Stoff, der über ihren Rundungen spannte, und verlor sich erneut in Chantals Armen. Das Läuten des Hotelapparats unterbrach sie.

»Das ist Kabir …« Chantal stemmte überraschend entschlossen eine Hand gegen Casellis Brust. »Er hat vorhin schon mal angerufen … wir dürfen ihn nicht länger warten lassen.« Sie machte sich los, stand auf und zog das Cocktailkleid zurecht. Caselli nickte.

»Deine Sachen liegen auf dem Stuhl. Ich gehe ins Bad und frische den Lippenstift auf.« Ein Lächeln, ein Blick und eine Drehung des Kopfes, die Caselli wie in Zeitlupe auskostete. La femme. Er schnaufte. Sie war hinreißend. Ja, das war sie.

Caselli kleidete sich an. Als er sich bückte, um nach den Lackschuhen zu greifen, die er zum Smoking tragen würde, spürte er leichten Schwindel. Das ging schon eine Weile, sicher nur die Liebe. Die mache einen Mann schwach, sagte man in Sizilien. Far l’amore indebolisce.

Caselli zog gerade das Hemd über die Schultern, als Chantal aus dem Bad trat. Er schloss die Manschette. Chantal hauchte einen Kuss in seine Handfläche. »Komm, ich helfe dir!« Sie stellte sich vor ihn, und Caselli straffte die Schultern.

»Das machst du doch extra!«, lachte sie, als das Hemd über seiner Brust spannte und sie Mühe hatte, die verdeckten Knöpfe zu schließen. »Die Größe passt. Alberto misst exakt. Ausatmen! Los!«

Caselli lachte.

»Also, ich hätte ja plissiert genommen …«, meinte sie, hörte beim Knopf in der Mitte auf und strich über die Blende.

»Nie im Leben. Plissee tragen schwule saudische Prinzen wie dein Kabir.«

»So kann man das nicht sagen. Wir verkaufen im Laden viele davon. Und Kabir ist weder schwul noch ein Prinz. Er ist ein sehr, sehr reicher Geschäftsmann und Diplomat seines Landes. So, fertig.«

Sie trat einen Schritt zurück, und Caselli sah sich gemustert. »Ach, du sieht einfach fantastisch aus …«, flüsterte sie angetan, drückte sich an ihn und schob ihre Hand unter sein halb offenes Hemd. Während sie an seiner Kinnpartie schnupperte, glitt die Hand ein wenig tiefer. Chantals Seufzen ließ Caselli schmunzeln. Dann ließ sie von ihm ab, nahm das Jackett und reichte es ihm. »Schwarz steht dir unglaublich gut, Alessandro.«

»Danke«, Caselli zog es über. »Das Kompliment kann ich nur zurückgeben.« Er stippte einen Fusel von der Seide des Schalkragens, dann schloss er zwei der drei Knöpfe, die Chantal offen gelassen hatte. »Gehen wir?«

»Oui.« Chantal griff nach ihrem bestickten, schwarzen D&G-Abendtäschchen. »Das habe ich gesehen. Lass sie doch offen!«

»So laufe ich nicht herum.«

»Aber das machen jetzt alle so.«

»Ich nicht.«

»Aber es ist sexy und en vogue.«

»Tut mir leid. Es muss dir der sexy Rest genügen. Meinen Solarplexus kannst du dir ansehen, wenn wir allein sind. In der Öffentlichkeit trage ich ein Hemd nicht bis zum Magen offen. Das macht man nicht.«

»Ach, Chéri!«, seufzte sie. »Na, wie du willst. Also dann … dans de combat!«

Caselli sah sie kurz von der Seite an. Sie gingen auf eine Party, um sich zu amüsieren. Sie zogen nicht in einen Kampf. Oder empfand sie das etwa so?

Chantal zog Blicke auf sich, als Caselli mit ihr die Hotelhalle durchquerte. Das Publikum im de Russie an der Piazza del Popolo war geldschwer. Eigentlich nicht seine Welt. Chantal hatte das zu seiner Welt gemacht, und Caselli wusste sich in dieser neuen, faszinierenden Umgebung durchaus zu bewegen. Nur, wo sollte das hinführen? Er gab viel Geld aus, weit mehr, als er sich leisten konnte, und seine Arbeitsmoral hatte gelitten, euphemistisch ausgedrückt. Er merkte das, und es war ihm ganz und gar nicht gleichgültig. Vor dem Privat-Lift, der sie in die Nijinski-Suite bringen würde, zog Caselli Chantal an sich und küsste ihren Hals. Sie trug den klassischen Duft von Balenciaga, den er so an ihr mochte. Sie umschloss fest seine Hand, und sie warteten eng beieinander, dass der Aufzug sich mit einem leisen Klingelton öffnen würde.

Der Gastgeber, ein saudischer Geschäftsmann, residierte in der Loft. Die Dachterrasse bot einen atemberaubenden Blick über Rom. Die Entourage des Saudis hatte für drei Monate die ganze obere Etage in Beschlag genommen.

Als sich der Lift öffnete, bot sich das gewohnte Bild. Im Entree kontrollierten zwei bullige, mehr US-amerikanisch als arabisch wirkende Bodyguards die Gäste. Sie grüßten. Caselli nickte. Man kannte sich inzwischen. Er ließ Chantal den Vortritt. Eine lange Partynacht als Gäste von Kabir Abdul Ben Salem erwartete sie.

2

»Ach, endlich ist die Rasselbande im Bett!« Marcella ließ sich in T-Shirt und Jogginghose, die zwar ausgeleiert war, aber eben deshalb so richtig bequem, neben ihren Mann auf die Couch fallen.

Sergente Scurzi, der sich ein Bier aufgemacht hatte, zog den Kopf ein. Gleich würde er zu hören bekommen, er solle sich ein Glas holen. Er nahm einen hastigen Schluck aus der Flasche, um den Schaum abzutrinken, und wollte dann aufstehen.

»Bleib doch sitzen. Du magst es doch lieber so«, sagte Marcella sanft. Sie rückte nah zu ihrem Mann, um ihm den Nacken zu kraulen. »Du hast momentan so viel um die Ohren in der Questura. Entspann dich.«

»Ahh …«, machte Scurzi. Das tat gut. Er nahm noch einen Zug, dann lehnte er sich zurück, legte die Füße auf den flachen Couchtisch und behielt das Bier in der Linken. Mit der Rechten streichelte er seine Frau, die sich an ihn schmiegte.

»Entschuldige …« Marcella ließ von ihm ab und öffnete den Plastikzwicker, mit dem sie ihr kräftiges, braunes Haar hochklippte. Die Kunstblumen-Chrysantheme, die ihn zierte, war schon leicht zerfleddert. Marcella drehte das Haar mit routinierten Handgriffen zusammen und klippte es wieder hoch. »Ich sehe furchtbar aus, ich weiß.«

Scurzi blickte sie liebevoll an. »Ach, Amore, du bist wunderhübsch!« Erst traf sein Blick ihre schönen braunen Augen, die ihn immer sehr direkt ansahen. Dann glitt er eine Etage tiefer auf den Ausschnitt des verwaschenen Tank-Tops und den schwarzen BH-Träger, der hervorblitzte, und blieb schließlich in Marcellas üppigem Dekolleté hängen, auf dem das goldene Kettchen mit dem Medaillon der Heiligen Jungfrau Maria mehr auflag, als baumelte.

»Heute ist doch unser Paarabend. Das haben wir ja so vereinbart, dass wir zwei Abende in der Woche für uns haben. Ich wollte mich umziehen, bevor du kommst, aber dann hat Giacomino mich vollgesabbert, und Amelina war schlecht von den Marshmallows, die deine Mutter ihr erlaubt hat. Die Kleine weiß noch nicht, wie viel ihr guttut. Sie futtert die ganze Packung in sich rein, wenn man sie lässt. Und zum Haarewaschen bin ich auch nicht mehr gekommen, weil in der Pförtnerloge dermaßen viel los war, dass ich nicht früher wegkonnte.« Marcella seufzte tief.

»Aber du musst dich doch nicht entschuldigen. Du gefällst mir auch so, und das weißt du.« Scurzi stellte die Bierflasche auf das Tischchen neben der Couch und griff zur Fernbedienung. »Es kommt Ballando, die Tanz-Show mit Milly Carlucci. Die siehst du doch gern.« Er streckte den Arm aus und drückte auf die Starttaste der Fernbedienung.

»Ja, aber auf RAI DUE läuft Champions League. Die schaue ich natürlich mit dir an.«

»Echt?« Scurzi verzichtete darauf, zu widersprechen. Anstaltshalber hätte sich das gehört. Aber so war es sicherer. Das Spiel wollte er wirklich gern sehen. Doch heute war ja Paarabend, und da musste er nett sein und auf Marcella eingehen, hatte die Frau bei der Eheberatungsstelle gesagt, als es vor ein paar Monaten in ihrer Ehe richtig gekriselt hatte. »Du bist einfach die Beste!« Er suchte den richtigen Kanal und legte dann den Arm auf die Sofalehne.

Marcella rutschte zu ihm und legte ihre Füße in rosa Schweinchen-Puschel-Pantoffeln ebenfalls auf den Couchtisch.

»Ich bin wirklich total erledigt. Ah, es läuft noch das Telegiornale. Das Spiel geht in fünf Minuten los. Ich glaube, ich hol mir noch ein Bier.«

»Dann bring auch den Teller mit dem Tramezzini aus der Küche mit. Hab ich schon vorbereitet. Steht alles im Kühlschrank.«

»Ja, mach ich«, erwiderte Scurzi, hielt aber Marcella weiterhin im Arm. Es war gerade so schön mit ihr. Er mochte jetzt nicht sofort aufstehen. »Der Commissario lässt in letzter Zeit alles mich machen«, begann er. »Eigentlich ganz gut, mehr Verantwortung und so. Ich leite die Ermittlungen seit drei Wochen quasi allein. Wenn er sich blicken lässt, dann nur im Büro. Auf Außendienst geht er gar nicht mehr. Ich bin da ganz auf mich gestellt. Er kommt kaum noch in die Questura. Ich möchte bloß wissen, was da läuft.«

»Aber Commissario Caselli ist doch sonst immer ein Ausbund an Korrektheit? Was ist denn los?« In Marcellas Stimme schwang bares Erstaunen. Sie hob den Kopf und sah Raffaele mit großen Augen an.

»Ich habe keine Ahnung, Marcella. Na ja, oder sagen wir, so halb …«

»Na los, mir kannst du es doch sagen! Ist eine Frau im Spiel?«

»Wieso kommst du denn sofort darauf?«

»Was soll es sonst sein. Hat er sich verliebt? Ach, ich gönne es ihm. Er war so lange allein. Das ist nicht gut für das Herz und so weiter, wenn ein Mann zu lange allein lebt.«

»Schon, aber jetzt übertreibt er es. Hat sich ziemlich verändert, der Commissario. Ich mache mir echt Sorgen.«

»Jetzt erzähl doch mal!« Marcella rückte von ihm ab, und griff nach der offenen Chipstüte auf dem Tisch. Dann stopfte sie sich ein Kissen hinter den Rücken, winkelte die Knie an und sah Raffaele auffordernd an. Sie schob ein paar Paprika-Chips in den Mund und kaute. »Nun sag schon!«

***

Die Einladungen des saudischen Prinzen seien in Rom sehr beliebt, sozusagen Kult, hatte Caselli sich sagen lassen. Und nicht nur wegen des exzellentes Essens und des teuren Champagners, der in Strömen floss. Hier traf man einflussreiche Vertreter der römischen Gesellschaft und konnte Kontakte knüpfen. Alles Namen, die Caselli bis vor vier Wochen, als er Chantal zum ersten Mal begleitet hatte, nur aus der Presse gekannt hatte. Es hieß, der Gastgeber verfüge über unbegrenzte Mittel. Seine Großzügigkeit war legendär. An diesem Abend war die Atmosphäre aufgeladen. Angeregtes Stimmengewirr summte in den Salons. Während man sich sonst bei Lounge-Musik ohne die Stimme zu erheben unterhalten konnte, heizte heute der Song Meravigliosamente von Sal Da Vinci die Stimmung an. Non potrai resistermi lo so!, schmetterte Sal emotional voll da. Die ganze Suite vibrierte schon. Der Neapolitaner feierte momentan Erfolge. Ein Star der älteren Generation, Renato Zero, hatte diesen Titel für Sal geschrieben. Bis vor Kurzem hätte Caselli das nicht gewusst, aber auf den Partys bekam er einiges mit, wofür er sich früher nie interessiert hätte. Chantal hatte erwähnt, Kabir lege die CD ein, wenn er bei Laune sei, wie sie es ausdrückte. Man konnte nur mutmaßen, was das heißen sollte. Chantal dachte wohl dasselbe wie er, denn sie wandte sich um und machte eine eindeutig zweideutige Handbewegung. Caselli lachte. Das konnte sie schon recht gut, für eine Französin. Er neigte sich zu ihr, um zu verstehen, was sie ihm sagen wollte. »Heute kommt noch ein besonderer Gast. Kabir hat sich wieder mal ein Spielzeug aus Neapel einfliegen lassen!«

Casellis Mundwinkel zuckten. Er mochte es nicht, wenn Chantal den Ton, der in Roms Gesellschaft gern mitschwang, aufgriff. An die Süffisanz in jedem Satz würde er sich wohl nie gewöhnen. Er ließ den Blick über die Gäste wandern. Man kannte sich vom Sehen. Bestimmte Grüppchen standen immer zusammen und blieben unter sich. Es sprach nicht jeder mit jedem. Doch mittlerweile hatte Caselli hier einige gute Bekannte. Alles war entspannt. Und … Chantal war hier sicher.

Casellis Miene verdüsterte sich. Damit musste er leben. Seit dem Anruf aus Ragusa, der die höheren Chargen im Präsidium aus ihrer römisch-bequemen Geruhsamkeit aufgeschreckt hatte, lag ein Schatten über dem unbeschwerten Glück. Im Moment bestand keine akute Gefahr. Also würde er sich die Stimmung nicht verleiden lassen. Er war wachsam, mehr nicht. Dass er nervös wurde und sich daran aufrieb, war doch genau das, was man in Sizilien erreichen wollte. Während Caselli sich hinter Chantal durch die Menge launiger Partygäste schob, wurde er von links und rechts begrüßt. Monsignore Bertram, in Anzug mit Collar, nickte ihm zu. Caselli hob die Hand und grüßte. Dottore Gardoni, der Diätologe, war da, und an der Tür zum Blauen Salon standen Professor Torri und seine Gattin Carla, beide Dozenten der LUISS, Roms Nobeluniversität in der Nähe der Villa Ada. Caselli mochte diese Abende. Und er schätzte Kabir. Seine Bildung, die zuvorkommende Freundlichkeit. Es gab aber auch Kritik. Dass der Saudi seine Ehefrauen, dem Titel nach Prinzessinnen, von den Soireen ausschloss, wurde ab und an offen angesprochen. Kabir antwortet dann mit ausgesuchter Höflichkeit, doch seine Autorität duldete keinen Widerspruch, und das Thema erlosch. Der Kopfputz eines Transvestiten ragte aus der Menge der Köpfe. Rosa Straußenfedern mit Strass à la Folies Bergères wippten im Takt. Das war Goliarda. Der Name passte zu dem Hünen wie die Faust aufs Auge. Seine bühnenreifen Outfits brachten Farbe ins uniforme Schwarz der Männer im Smoking. Gays und Transsexuelle, alles geladene Gäste Kabirs, mischten die bourgeoise, römische Gesellschaft konsequent auf. Später ginge Chantal eine Stunde hinüber in die Nebensuite, um den Prinzessinnen Gesellschaft zu leisten. Das gehörte zu ihrem Job. Caselli hatte dann Zeit für sich, Muße, die Vorfreude auf die Liebesnacht zu genießen. Nach Jahren, in denen er sich fast nur dem Polizeidienst gewidmet und sein Privatleben vollkommen ruiniert hatte, gönnte er sich den Luxus, bei Chantal im Hotel zu übernachten. In die Via dei Cappellari kam Chantal nicht, und wenn er sie noch so bat. Daher ging er seit Ende April im de Russie ein und aus. Chantal war vor Kabirs Eintreffen nach Rom gekommen, um alles vorzubereiten. Die Abendgesellschaften in der Suite wurden also von einem ebenso elitären wie schillernden, für seine Offenheit geschätzten Kreis von Menschen frequentiert. Und er, Caselli, gehörte seit dem Frühjahr dazu.

Chantal entdeckte eine Freundin und sagte, sie gehe kurz zu ihr. Weiter weg an der Schiebetür zum Blauen Salon sah Caselli Jacques. Jacques … man konnte mit ihm reden wie mit einem Mann. Man merkte nicht auf Anhieb, dass er homosexuell war. Kurze, dunkle Locken, Schnurrbart. Gertenschlank. Caselli hatte sehr wohl mitbekommen, dass sich Jacques für ihn interessierte. Es kam durch, wenn sie redeten. Avancen gab es nicht, dennoch vermied Caselli die Toilette aufzusuchen, wenn Jacques in der Nähe herumstand. Er hatte öfter knapp vor der Toilettentür seine Meinung geändert, wenn der Soundtrack eindeutige Hinweise geliefert hatte. Jacques hatte ihn noch nicht entdeckt und plauderte mit seinen Gay-Freunden. Der Bankier war auch da. Caselli sah ihn geradewegs auf sich zukommen.

»Buona sera, Alessandro.«

»Pierluigi, auch mal wieder hier?«

Crasso stellte sich neben ihn. »Chantal sieht ja heute wieder bezaubernd aus.«

Einem Moment verfolgten sie gemeinsam, wie Chantal auf ihre Freundin zuging. Nun küsste sie sie auf die Wangen.

»Tutto bene?« Caselli nahm ein Glas vom Tablett eines Kellners. Er hatte den Bankier im Zuge von Ermittlungen kennengelernt und kürzlich hier im Hotel wiedergetroffen. Der Hemdkragen saß zu eng. Crasso hatte ordentlich zugelegt. Aus Kummer, nahm Caselli an und trank einen Schluck Champagner. Die Contessa Lante della Quercia hatte sich von ihm getrennt und nicht nur sie … Caselli lächelte still. Alessia schwirrte immer mal wieder in seinem Kopf herum. Sie war bezaubernd.

»Ein Moët, großartig, aber ich verzichte. Bin auf Diät. Neuer Versuch«, seufzte Crasso. »Alkohol ist das Allerschlimmste, davon nimmt man zu wie nichts, sagte Dottore Gardoni. Ich bin ja jetzt in seiner Praxis an der Piazza Mazzini. Wimmelt da nur so vor Prominenten, sage ich Ihnen. Sein Buch ist ein Bestseller. Na, er zeigt es ja auch in jeder Fernsehshow herum.«

»Hmhm«, machte Caselli. Seine Kiefermuskeln spannten sich an. Im hinteren Bereich geschah gerade, worüber er zwangsläufig schwieg. Jacques tat, was er immer tat: Er verschob Tütchen weißen Pulvers … diesmal an einen TV-Moderator. Daneben wartete ein Minister der aktuellen Regierungskoalition, dass er an die Reihe käme. Caselli nahm noch einen Schluck und sah weg. Crasso legte ihm sacht die Hand auf die Schulter. »Ich sage Ihnen das im Vertrauen, Alessandro … auch ich bin manchmal am Limit dessen, was ich verantworten kann, wenn ich gewisse Transaktionen für den Prinzen abwickle. Lassen Sie es gut sein. Sie sind ja privat hier.«

»Ja«, knurrte Caselli, »aber ich bin immer noch Polizist.«

»Dann sagen wir doch einfach, es ist nicht Ihr Ressort.«

Caselli kippte den Champagner hinunter. Er sah wieder zu Jacques. Dreißig, elegant, kultiviert. Seit er erwähnt hatte, die Parsifal-Einspielung, Bayreuth 1962, mache ihn wahnsinnig, weil Knappertsbusch so schleppe, nahm Caselli ihn ernst. Er war nicht im klassischen Sinn gut aussehend, aber man kam nicht umhin zuzugeben: Jacques besaß Charme. Wie immer trug er Schwarz. Das Hemd nach dem momentanen Modespleen in Rom ultratief aufgeknöpft. Nicht easy-rider-mäßig mit ausgestelltem Kragen wie in den Siebzigern, sondern so, dass man erst auf den zweiten Blick den klaffenden Spalt und dann die ganze Brustpartie sah, was seine eklatante Wirkung nicht verfehlte und Ladys wie Homosexuelle anscheinend gleichermaßen aus dem Häuschen brachte.

»Würde man nicht glauben, dass er homosexuell ist, was?«, kommentierte Crasso, der Casellis Blick gefolgt war.

»Wer … Jacques?«, fragte Caselli, es war als rhetorische Frage gedacht, sonst nichts.

»Nun, eigentlich heißt er ja Giacomo Grignani, der Gute.«

»Ach?«

»Ja. Er eifert Jacques de Bascher nach, deshalb auch der Schnurrbart.« Crasso strich sich mit zwei Fingern über seinen eigenen.

Casellis verständnisloser Blick, veranlasste den Bankier auszuholen. »De Bascher, YSL, Lagerfeld … die Achtzigerjahre in Paris. De Bascher war der Liebhaber von allen … und hat YSL mit Drogen reingeritten.«

Caselli fragte sich, woher der Bankier das alles wusste.

»Meine Frau liest Gente«, beeilte sich Crasso zu versichern, wohl besorgt keinen falschen Eindruck zu erwecken. »Und hier bekommt man ja auch so einiges an Klatsch mit …«

»Hmhm. Wo ist er denn, unser Gastgeber?« Suchend ließ Caselli den Blick durch den großen Salon schweifen. Zweisitzer und Sessel, Tische zum Abstellen der Gläser dazwischen, arrangiert nach Lust und Laune der Gäste, die locker ins Gespräch kamen.

»Der Prinz? Da drüben!« Mit einer Kopfbewegung wies Crasso zum kleinen Blauen Salon.

Chantal, eine Sektschale in der Hand, saß überaus dekorativ auf der Lehne eines exquisiten Sessels, der mit einem blauen Jacquard bezogen war, daher der Name Blauer Salon. Hinter ihr stand eine Konsole. Darauf befanden sich eine Bronzeuhr mit Glassturz und eine Amphore aus Porzellan in der ausladende, große Mandelblütenzweige arrangiert waren. An der Wand ein Stich von Piranesi. Vedute der Piazza Rotonda, um siebzehnhundertfünfzig. Caselli sah es an den Glockentürmen, die Papst Urban VIII. dem klassischen Säulenportikus hatte hinzufügen lassen, damit das Pantheon wenigstens einigermaßen nach Kirchenbau aussah. Um achtzehnhundertachtzig kamen die Eselsohren, wie die Römer sie spottend genannt hatten, wieder weg. Er dachte an seinen Vater, der ihn oft nach Rom mitgenommen hatte. Tempi passati. Casellis Blick ruhte auf Chantal. Dort unter dem Piranesi, wo Chantal gerade saß, war sein Lieblingsplatz. Am späteren Abend, wenn sie in der Nebensuite war, setzte er sich gern auf den Sessel, legte sein Zigarettenetui und das Feuerzeug auf der porphyrgrünen Marmorplatte ab und machte es sich mit einem Glas Whisky in der Hand gemütlich. Von hier aus hatte er den mittleren Salon im Blick, bekam mit, was sich tat, ohne dass man ihn beachtete. Und dabei konnte Caselli sich dann endlich mal so richtig entspannen.

Chantal fing seinen Blick auf. Der Prinz beugte sich tief zu ihr. Eifersucht keimte nicht auf. Auf Chantal konnte er sich verlassen. Gleich würde sie zu ihm kommen. In der Tat stellte Chantal ihr Glas ab und durchmaß die Suite in seine Richtung. Ihr Gang war eine Sensation, weich, feminin, elegant, keineswegs ordinär.

Chantal nickte dem Bankier zu und hakte sich bei Caselli unter. Er erwiderte ihren Kuss, flüchtig, denn der Prinz hatte sie erreicht.

»Alessandro, ich freue mich, Sie zu sehen. Wir rauchen später eine Zigarre zusammen, nicht wahr? Ich habe gehört, Ihr schönes Anwesen in der Nähe von Modica steht zum Verkauf?«

»Woher wissen Sie das?«, fragte Caselli verblüfft.

»Ich habe meine Quellen, und ich habe Interesse daran, großes Interesse. Die Nächte in Sizilien, der Duft des arabischen Jasmins, das Rauschen des Meeres, all das ist mir teuer und erfreut mein Herz. Und ist nicht so weit entfernt wie mein Land, mit dem Learjet ja kaum eine Stunde.« Sein Lächeln legte zwei perfekte, weiße Zahnreihen frei und alles in allem wirkte er eher wie ein amerikanischer Filmheld der Fünfzigerjahre denn wie ein Araber. Er war groß, breitschultrig, von sportlicher Figur. Man hätte ihn für einen Europäer halten können, wäre da nicht die dunklere Hautfarbe gewesen. Das lag sicher daran, dass seine Mutter Engländerin war, wie Chantal erzählt hatte. Kabir hatte zwei Jahre in Cambridge studiert und auf seiner Grand Tour seine Liebe zu Italien entdeckt.

»Lassen Sie uns später bei einem Drink über Ihre wundervolle Insel plaudern, Alessandro, machen Sie mir die Freude!« Kabir sah zum Aufzug, und seine Pupillen weiteten sich. »Ah! Mein Ehrengast ist eingetroffen! Pardon, wenn Sie mich entschuldigen!«

Caselli nickte verbindlich. »Sicher, gern. Aber ich kann Ihnen gleich sagen …«

Eine angedeutete Verbeugung, die rechte Hand auf dem Herzen: Der Prinz empfahl sich. Caselli, mitten im Satz unterbrochen, bemerkte, dass Chantal Kabir unauffällig nachsah. Verständlich. Ein Prachtexemplar von einem Mann. Er trug einen teuer aussehenden Smoking von Tom Ford mit weißem Hemd, der Mode nach ultratief offen, was seiner autoritären Seriosität aber keinen Abbruch tat. Nichts an ihm war protzig. Abgesehen davon, dass der breite Pavé-Ring aus schwarzen Diamanten an seiner Rechten sämtliche Jahresgehälter eines italienischen Staatsdieners bis zur Pensionierung um ein Vielfaches überstieg. Einen ähnlichen hatte Caselli bei BULGARI gesehen, als Chantal dort etwas abholte. Sie stand nun dicht neben ihm. Caselli spürte ihre Hand, die seine umfasste, während Chantal mit dem Bankier plauderte. Um dessen Krawattenauswahl kümmerte sie sich neuerdings auch.

Wie lange war das jetzt her, dass er Chantal bei seinem Herrenausstatter in der Via del Gambero zum ersten Mal gesehen hatte? Dezember. Es war im Dezember gewesen. Sie hatte es ihm wirklich nicht leicht gemacht, aber nun waren sie ein Paar. Caselli drückte ihre Hand. Ja, das waren sie.

»Da, schau …«, sagte Chantal, fasste Caselli am Arm und wies mit einer Kopfbewegung zum Eingang der Suite. »Das ist er, der spezielle Gast!«

»Ein femminiello!«, rief der Bankier aus, und es klang ebenso überrascht wie ehrfurchtsvoll. Den Eindruck wollte er wohl gleich wieder revidieren, denn er fügte gehässig hinzu: »Die Edel-Transvestiten an der Piazza della Repubblica sind ihm wohl nicht mehr exotisch genug. Jetzt setzt er noch eins drauf!«

Caselli sah Goliarda und Jacques durch die Menge zum Entree drängen. Sie hatten es eilig, den Gast zu begrüßen.

»Es ist Carminiello! Ich kenne ihn«, sagte Chantal.

Der Kopfputz des Transvestiten schob sich ins Bild, rosa Straußenfedern, die wippten.

Caselli reckte den Hals, um zu sehen, was da vorn los war. Er hatte von den neapolitanischen femminielli gehört. Sie waren eine Kategorie für sich, wenn man das blasphemisch sagen wollte.

»Carmine war auf Kabirs Jacht, als sie Ostern im Golf von Neapel ankerte«, erklärte Chantal. »Ich war zwei Tage dabei. Wir werden viel Spaß haben mit ihm!«

Irgendwie zweifelte Caselli daran.

***

»Mamma! Ich kann nicht schlafen. Ich habe was ganz Schlimmes geträumt!« Amelina stand im Pyjama, mit ihrem Stoffhasen im Arm, der schon bessere Tage gesehen hatte, in der Tür. »Kann ich bei euch bleiben … ich bin auch ganz brav!« Sie tappte barfuß zur Couch und war dabei, entschlossen auf den Schoß ihres Vaters zu klettern. Scurzi hob sie hoch, und sein Töchterchen kuschelte sich gleich in seine Arme.

»Jetzt sag schon!«, wiederholte Marcella. »Was ist denn nun mit dem Commissario?«

»Na, alles fing vor drei Wochen an, da kam ein Anruf aus Sizilien …«

»Amelia, nicht! Du sollst doch nicht immer an dem Hasenschlappohr herumnuckeln! Der Stoff ist schon ganz kaputt, und außerdem ist das schlecht für die Milchzähne! Raffaele, nimm ihn ihr weg!«

»Uaahhhhh!«

»Ja, ist ja schon gut. Wie kann ein kleines Mädchen nur dermaßen laut brüllen. Komm, hier hast du deinen Hasen wieder … sei schön … brav jetzt.«

»Raffaele!«

»Ach komm, lass sie doch. Sie ist doch erst vier.«

»So gewöhnt sie sich das nie ab.« Marcella atmete tief durch. »Na gut … komm, erzähl weiter. Du warst bei dem Anruf …«

»Ja … vom Polizei-Präfekten von Ragusa. Caselli hat danach sehr betroffen gewirkt, hat Flavia gesagt. Tags darauf hat dann der Generalstaatsanwalt den Vice-Questore kontaktiert. Flavia hat das Gespräch verbunden, also ihn durchgestellt. Pertoni, das ist der Generalstaatsanwalt, kam zu uns in die Questura. Allein schon das. Ich war da nicht da. Flavia hat berichtet, die hätten alle lange Gesichter gemacht und geschlagene zwei Stunden in Di Verdacchianos Büro geredet.«

»Papa, der Drache, von dem ich geträumt habe, der war ganz groß!« Amelia schüttelte ihr Kuscheltier. »Liest du mir eine Geschichte vor?«

»Es sei auch laut geworden. Als sie Erfrischungen reinbrachte, herrschte dicke Duft. Der Vice-Questore war ganz rot im Gesicht, hat Flavia gemeint. Der Generalstaatsanwalt habe aalglatt auf seinem Stuhl gesessen und gesagt: ‚Die Arbeit im Staatsdienst birgt nun mal persönliche Risiken. Wir können nicht jeden schützen, wie stellen Sie sich das denn vor!‘ Und der Commissario sei vor dem Fenster gestanden mit düsterer Miene und habe die ganze Zeit geschwiegen.« Scurzi griff zur Fernbedienung und stellte den Ton an. Die Nachrichten waren vorbei. Das Spielfeld wurde eingeblendet. »Da läuft was hinter meinem Rücken. Die sagen mir nichts. Caselli auch nicht. Es trifft mich, dass er mich außen vor lässt. Ich dachte, unsere Zusammenarbeit sei gut, und dass er mir vertraut. Aber offenbar ist dem nicht so.«

»Papa …« Amelina fasste nach Scurzis Kinn.

Marcella nickte beipflichtend und schob noch eine Handvoll Chips in den Mund.

»Er verheimlicht mir was«, fuhr Scurzi fort. »Ich bin doch nicht blöd, ich merke das.« Er legte die Fernbedienung wieder weg.

»Dann stell eigene Nachforschungen an, Raffaele. Du bist doch Polizist. Du ermittelst jeden Tag. Krieg selbst raus, was da los ist.«

»Ich weiß nicht. Das käme mir nicht loyal vor. Ich kann nicht hinter ihm her spionieren, schließlich ist Caselli mein direkter Vorgesetzter.«

»Offenbar will er etwas allein durchziehen. Wenn ja, dann ist das was echt Brisantes. Könnte sein, dass er in Schwierigkeiten kommt und er gerade deshalb deine Hilfe braucht. Ich würde versuchen rauszukriegen, worum es sich handelt. Scheint eine größere Sache zu sein«, meinte Marcella. »Schrecklich, die Chips. Die tun da was rein. Das macht einen total süchtig. Es ist jedes Mal das Gleiche. Wenn man mal anfängt, kann man nicht mehr aufhören!« Sie seufzte, sah in die Tüte und griff noch einmal hinein.