13 SHADOWS, Band 39: DIE ANDERE SEITE - Robert Bloch - E-Book

13 SHADOWS, Band 39: DIE ANDERE SEITE E-Book

Robert Bloch

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Beschreibung

Ich drehte das Ruderrad um neunzig Grad und stach in See. Vor mir flackerten viele kleine Lichter. Es waren die mit Kerosin getränkten Fackeln der Fischer, die damit ihre Beute anlockten.

Es waren ein halbes Dutzend Boote. Ich kannte die verschiedenen Methoden des Fischfangs und es war mir einigermaßen unverständlich, dass sich alle Boote auf einem Fleck versammelt hatten.

In einer Entfernung von zehn Yards fuhr ich an ihnen vorbei. Im goldenen Lichtschein der Fackeln erkannte ich die Gestalt eines Mannes, der sich aus dem Boot beugte, ins Wasser griff und etwas an die Oberfläche zog.

Es war ein menschlicher Körper. Ein lebloser Körper. War es Maria? Oder glaubte ich ihr Gesicht im Schein der Fackeln nur deshalb so deutlich zu erkennen, weil ich die ganze Zeit an sie gedacht hatte? Ich weiß es bis heute nicht, und ich will es nicht wissen.

(aus: Die Höllenkatze von Kay Stiller)

Die Anthologie DIE ANDERE SEITE, herausgegeben von Christian Dörge, enthält zwölf ausgewählte Erzählungen von Kay Stiller, Robert Bloch, H. P. Lovecraft, Carl Jacobi, Christian Dörge u. a. und erscheint in der Horror-Reihe 13 SHADOWS aus dem Apex-Verlag, die ganz in der Tradition legendärer Heftroman-Reihen wie GESPENSTERKRIMI und VAMPIR-HORROR-ROMAN steht.

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CHRISTIAN DÖRGE (Hrsg.)

DIE ANDERE SEITE

- 13 SHADOWS, Band 39 -

Erzählungen

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DIE HÖLLENKATZE von Kay Stiller 

MORD IN DER PARK AVENUE von Edgar Franklin 

DER ALLGEGENWÄRTIGE PROFESSOR KARR von Stanton A. Coblentz 

DER ACHTE GRÜNE MANN von G. G. Pendarves 

DER TAG DER RACHE von Daniel Monroe 

DIE ANDERE SEITE von Ernst Heyda 

RACHE MACHT BLIND von Seabury Quinn 

SABBATWEIN von Robert Bloch 

DIE BLAUE BRILLE von Stephen Grendon 

RACHE IN DER GRUFT von H. P. Lovecraft 

MATTHEW SOUTH UND CO. von Carl Jacobi 

DER NEON-TRAUM von Christian Dörge 

 

Das Buch

Ich drehte das Ruderrad um neunzig Grad und stach in See. Vor mir flackerten viele kleine Lichter. Es waren die mit Kerosin getränkten Fackeln der Fischer, die damit ihre Beute anlockten.

Es waren ein halbes Dutzend Boote. Ich kannte die verschiedenen Methoden des Fischfangs und es war mir einigermaßen unverständlich, dass sich alle Boote auf einem Fleck versammelt hatten.

In einer Entfernung von zehn Yards fuhr ich an ihnen vorbei. Im goldenen Lichtschein der Fackeln erkannte ich die Gestalt eines Mannes, der sich aus dem Boot beugte, ins Wasser griff und etwas an die Oberfläche zog.

Es war ein menschlicher Körper. Ein lebloser Körper. War es Maria? Oder glaubte ich ihr Gesicht im Schein der Fackeln nur deshalb so deutlich zu erkennen, weil ich die ganze Zeit an sie gedacht hatte? Ich weiß es bis heute nicht, und ich will es nicht wissen.

(aus: Die Höllenkatze von Kay Stiller)

Die Anthologie DIE ANDERE SEITE, herausgegeben von Christian Dörge, enthält zwölf ausgewählte Erzählungen von Kay Stiller, Robert Bloch, H. P. Lovecraft, Carl Jacobi, Christian Dörge u. a. und erscheint in der Horror-Reihe 13 SHADOWS aus dem Apex-Verlag, die ganz in der Tradition legendärer Heftroman-Reihen wie GESPENSTERKRIMI und VAMPIR-HORROR-ROMAN steht.

  DIE HÖLLENKATZE von Kay Stiller

 

 

 

Viele hübsche Mädchen an der Ostküste Afrikas werden von ihren Angehörigen systematisch auf weiße Männer dressiert!

Es sind die Töchter reicher Europäer, die in diesem geheimnisvollen Teil der Welt eingeborene Frauen geheiratet haben.

Doch für die weißen Männer ist dieses Land kein Paradies. Die Heirat mit solch einer Höllenkatze kommt fast immer einer Versklavung gleich. Nur selten gelingt es ihnen, sich aus ihren Krallen zu befreien - und eine Flucht kann den Tod zur Folge haben...

 

Entlang der Ostküste Afrikas liegen sie auf verzweifelter Lauer - prächtig aussehende, reiche und ledige Mädchen. Sie wandeln stets auf Freiersfüßen und sind geübte Schülerinnen in den Künsten der Liebe.

Aber sie sind Mischlinge.

Obwohl sehr viele von ihnen weiß aussehen, wissen sie und ihre Eltern, dass es in diesem rassebewussten Teil der Welt gar nicht so einfach ist, einen weißen Gatten zu fangen.

Und die meisten dieser Mädchen haben mit einer Erbschaft zu rechnen, um die sie ihre europäischen Schwestern beneiden würden!

Ich schreibe dies aus Erfahrung. Vor gar nicht langer Zeit erlebte ich auf einer jener tropischen Inseln eine - wenn man so will - romantische Tragödie. Dort wimmelte es nur so von diesen schönen eurasischen Höllenkatzen.

All ihr Fühlen, Denken und Hoffen gilt dem weißen Mann. Sie hassen ihre dunkle Hautfarbe - oder ihr dunkles Blut. Daher ihre Vorliebe für weiße Männer. Sie denken dabei an die Zukunft ihrer Kinder und legen Wert darauf, dass auch sie wieder weiße Männer heiraten. Im Laufe der Generationen wird ihre dunkle Hautfarbe immer heller werden...

 

Exotisches Leben!

 

Weiße Männer, die sich in den Netzen dieser hübschen Spinnen verfangen, werden sich nur selten wieder befreien können. Ihr Schicksal hat mit dem einer echten Fliege viel gemeinsam.

Sie führen ein Leben im Luxus, genießen aber sonst weder Vertrauen noch Freiheit. Demütigungen sind unvermeidlich und der Tod ist die scharfe Antwort für alle, die aus der Reihe tanzen...

Mein Abenteuer begann in einer Seemannsbar des Kanals, der den Hafen von Alexandria mit dem Nil verbindet. Ich bin Rhodesier mit einer Portion Abenteuerlust im Blut. Mit einer englischen Jacht war ich durch das Rote Meer und den Suez-Kanal gesegelt. In der Bar kam ich mit einem Mann ins Gespräch und es stellte sich rasch heraus, dass wir beide aus dem gleichen Holz geschnitzt waren.

Nach mehreren Flaschen angenehm nach Harz schmeckenden griechischen Weines erzählte mir Wilfried Leith, ein großer hagerer Schotte, dass er die letzten zwei Monate damit verbracht hatte, eine Segeljolle von vierzig Tonnen zu überholen. Er hatte die Jolle billig von einem französischen Piloten gekauft, als die Ägypter die Herrschaft über den Suez-Kanal übernahmen.

Die Phoenix, so hieß die Jolle, hatte einen neuen

Motor bekommen und war zum Auslaufen bereit. Mein Plan war, um die Welt zu segeln und gelegentlich Ladung aufzunehmen.

»Ich bin zwar ganz gut bei Kasse«, gestand er, »aber ich brauche einen Partner. Alleine macht mir die Sache keinen Spaß.«

Ich sah in diesem Angebot eine große Chance, und als wir die Bar verließen, schüttelten wir uns beim Abschied kräftig die Hände. Wir hatten keinen Vertrag unterzeichnet. Jeder wusste, was er vom andern zu halten hatte, und das war mehr als nur ein Name auf dem Papier.

Die Mannschaft war ein Somali namens Banana Joe.

Bei gutem Wind erreichten wir Port Said, dann segelten wir durch den Suez-Kanal und ins Rote Meer. Das war kein reines Vergnügen - nur Hitze, eine kahle Küstenlinie mit einem Dunstschleier davor und den zahllosen Öltankern, die uns viel Geduld stahlen, weil wir ihnen dauernd ausweichen mussten. Es waren so viele Schiffe unterwegs wie Autos im Zentrum einer Großstadt.

»Noch drei Tage«, grinste Leith fröhlich, »dann stechen wir in den Ozean.« Er hatte das Steuerrad in der Hand, während ich schwitzend auf dem Vorderdeck lag und die tieffliegenden Flugzeuge beobachtete, die zur Landung in Aden ansetzten.

»Wenn ich bis dahin keinen Sonnenstich bekomme«, seufzte ich.

»Bald wird uns eine frische Brise um die Nase wehen, vermischt mit den würzigen Wohlgerüchen Arabiens.«

Tatsächlich schnupperten wir an einem Oktoberabend die würzige Luft. Sie kam wie eine Welle mit der von der Küste wehenden Brise auf uns zu.

 

Sicherer Ankergrund

 

Im Glanz der Abendsonne bot die Küste jetzt einen malerischen Anblick. Das trostlose Gelbgrau des Strandes war einem frischen Grün gewichen. Ich ging in das kleine Kartenhaus und stellte unsere genaue Position fest. Wir kreuzten vor der Küste von Pemba, einer der größten Inseln des Sultanats von Zanzibar und zugleich das Gewürzlager der Welt.

»Ein guter Ankerplatz für die Nacht«, meinte Leith und ließ spielerisch die Ruderspeichen durch die Finger gleiten.

»Es riecht genauso gut wie es aussieht«, sagte ich zufrieden. »Ich könnte eine Woche bleiben.«

Leith schüttelte den Kopf. »Eine Nacht an Bord und einen Morgen an Land, um unsere Vorräte aufzufrischen; länger brauchen wir nicht. Pemba soll kein angenehmer Erholungsort sein, jedenfalls nicht für weiße Männer zwischen sechzehn und sechzig. Schuld daran sind die Frauen, übrigens ausnehmend hübsche Frauen.«

»Umso besser kann ich mich erholen«, sagte ich. »Wenn die Frauen es auf weiße Männer abgesehen haben, werde ich ihnen nicht davonlaufen.«

»Das gilt nicht für diese Frauen.« Leiths Gesicht wurde so düster wie die dunkelgrüne Küste. Da müsstest du dich mit drei Dingen abfinden: erstens mit einem Leben in Sklaverei, zweitens, dass du ermordet wirst, wenn du dich sang- und klanglos verabschieden willst, und drittens, dass sie dich verfolgen, sobald du einen Fuß an Land gesetzt hast.«

Ich, der eine Schwäche für hübsche Frauen hatte, konnte über seine Worte nur lächeln.

 

Ihre Ausbildung

 

Auf allen Handelshäfen entlang der Ostküste Afrikas braucht man nicht lange zu suchen, um ein im wahrsten Sinne des Wortes bezauberndes weibliches Wesen zu entdecken.

Wie ich schon anfangs sagte, haben diese alarmierend schönen Frauen nur ein Ziel im Auge - und das ist der weiße Mann.

Ihre Jagdmethode ist die älteste der Welt und in dem simplen Wort Sex zusammengefasst. Aber sie verlassen sich nicht nur auf ihren Sexappeal und haben die Kunst, einem weißen Mann zu imponieren, zur Wissenschaft erhoben.

Die Ausbildung beginnt schon im Alter von zehn Jahren. Die Großmütter übermitteln ihren Enkelinnen den reichen Schatz ihrer diesbezüglichen Erfahrungen. Sie bringen den wissbegierigen jungen Mädchen bei, wie man seinen Charm zur vollen Entfaltung bringen kann und auch die härtesten Männerherzen zerbricht als wären sie aus Glas. Sie verkörpern den Charm in seinem ursprünglichen und primitiven Zustand. Sie umschmeicheln ihr Opfer mit katzenhafter Grazie, schmiegen sich an, schnurren behaglich und spreizen plötzlich unerwartet die Krallen. Die Hohe Schule des Sex - jede Hollywood-Diva könnte bei diesen Mädchen in die Lehre gehen.

In besonders schwierigen und sturen Fällen verstehen sie sich auf die Zubereitung von Liebestränken und betörender Parfümsorten, die einen echten Mann an den Rand des Wahnsinns bringen.

 

Reiche Mitgift!

 

Am Ende dieses Unterrichts in Liebe probiert jedes Mädchen diese Mixturen zunächst an sich selber aus, um auch ihrerseits das Verlangen nach einem Mann zu steigern.

Die Mädchen sind Töchter reicher Eltern und ihre Väter Kaufleute, Schiffseigentümer, Großhändler, Schmuggler und korrupte Verwaltungsbeamte. Außer ihrer Schönheit haben sie eine stattliche Mitgift vorzuweisen, die nicht allein aus Schmuck, sondern auch aus harten Dollars besteht. Alle sind sie Mischlinge und weder Europäer, Araber, Inder noch Afrikaner. In einigen fließt das Blut von vier verschiedenen Rassen. Doch das Blut der meisten setzt sich aus zwei Rassen zusammen.

Schönheit und Reichtum sichern diesen Mädchen ein Los in der großen Heiratslotterie.

Ein Mann, der Afrika nicht kennt, wird nur schwer glauben können, dass so viele dieser Mädchen unter der Bezeichnung »Farbige« laufen.

In einem Restaurant in Kismayu sah ich ein Mädchen, das ein fabelhaft teures Dior-Kleid trug. Sie hatte naturblonde Haare und die blauen Augen einer nordischen Schönheit.

Aber sie aß in einem indischen Restaurant, indem sich keine Weißen aufhalten. Man hätte sie für eine nordische Göttin halten können, doch die braunen Nagelmonde ihrer schlanken Finger deuteten einwandfrei darauf hin, dass sie Negerblut in den Adern hatte...

Ein Mädchen, dem es trotz seiner Schönheit versagt war, in die sogenannten respektablen Kreise der weißen Familien einzuheiraten.

Ich unterhielt mich mit Leith über die »Höllenkatzen« und meinte großspurig: »Anscheinend kennst du mich noch nicht, mein Lieber. Ich kann mich Hals über Kopf in sie verlieben, wenn ich will. Ich kann es aber auch bequem bleiben lassen, wenn ich will.«

 

Gesetze des Islam

 

»In Pemba ist das etwas anderes«, entgegnete Leith. »Irgendwo auf dieser verdammten Insel sitzen zwei gute Freunde von mir. Nichts in der Welt hätte sie davon abhalten können, eines dieser Mädchen zu heiraten. Heute sind sie praktisch tot. Sie dürfen nirgendwo hin, dürfen nicht einmal Briefe schreiben.« Er deutete mit dem Stiel seiner Tabakspfeife auf die entfernten Berge. »Glaube mir, Martin, Pemba kannst du nicht mit anderen Landstrichen der ostafrikanischen Küste vergleichen. Obwohl es zu Zanzibar gehört und ein Protektorat ist, wird es von einem Sultan beherrscht wie vor tausend Jahren. Hier zählen nur die Gesetze des Islam. Wie dem auch sei, die Heiraten werden als durchaus legal betrachtet. Wenn sie dich gekapert haben, mein Junge, wird dir dein Schwiegervater ein kleines Traumschloss schenken und eine Kompanie eingeborener Dienstboten dazu. Ab sofort brauchst du keinen Finger mehr zu krümmen und nur mit den Augen zu zwinkern, wenn du einen Wunsch hast.«

»Hab’ schon davon gehört«, unterbrach ich, »aber wer sagt denn, dass die Männer mit ihrem Schicksal unzufrieden sind?«

»Hunderte haben schon dasselbe gedacht«, sagte Leith. »Sie suchten sich das schönste und reichste Mädchen aus und glaubten, sich auf die Reise ins Paradies zu begeben. Leider hält dieses Glück nicht lange vor. Denn er wird bewacht und, wenn er einmal einen Spaziergang durch die Stadt macht, von sämtlichen Schwägern begleitet. Für einen echten Mann ist dieses Paradies ein Zuchthaus. Es gibt einige Fälle, in denen sich die weißen Männer mit den Juwelen ihrer Frauen aus dem Staub machen wollten - keiner von ihnen ist weit gekommen. Man fragt nicht lange nach der Todesursache in Pemba. Das Meer ist voller Haifische und die Leichen müssen schon allein wegen der Hitze so rasch wie möglich begraben werden.«

»Okay, ich habe mir deine Lektion zu Herzen genommen«, sagte ich. »Wir werden die Mädchen bewundern, uns einen Drink genehmigen und dann wieder die Segel setzen.«

Wenig später legten wir an. Es lagen allerlei Schiffe im Hafen, unter anderem auch arabische Dschunken, deren Bauart sich seit der Zeit des wildesten Piratentums kaum verändert hatte. Dann sah man verrostete Trampschiffe, die unter der südamerikanischen Flagge fuhren, und eine Menge Fischerboote.

Ferner fielen mir zwei umgebaute Torpedoboote auf, die wahrscheinlich einem reichen Schmuggler gehörten.

 

»Sie ist zauberhaft!«

 

Wir gingen an Land. Eine Stange englischer Zigaretten räumte alle Formalitäten aus dem Weg.

Dann kehrten wir wieder in das Boot zurück, um uns erst einmal gründlich auszuschlafen.

Am nächsten Morgen frühstückten wir noch vor Sonnenaufgang. Leith stieg wieder kurz an Land, um Vorräte einzukaufen. Ich befahl Banana Joe, das Deck zu schrubben, und überprüfte die Maschine. Gegen Mittag sah ich Leiths hagere Gestalt mit raschen Schritten aus dem Lagerschuppengebiet südlich des Hafens kommen. Er rannte beinahe - und das in der mörderischen Hitze.

»Martin!«, rief er schon von weitem. »Du kannst mich für verrückt erklären, aber ich habe das schönste Mädchen der Welt gesehen - eine reinrassige Europäerin! Du brauchst dir im Geiste nur Sophia Loren vorzustellen, dann weißt du genau, wie sie aussieht!« Er sprang ins Boot. »Was hältst du davon, wenn du mit Joe schon mal nach Madagaskar segelst und wir beide uns dann dort wieder treffen, hm?«

Ich zuckte die Achseln. »Nichts halte ich davon. Wenn das deine Weltreise ist... Abgesehen davon, ist es ja schließlich dein Boot und...«

»Du wirst es schon nicht stehlen.«

»Sagtest du nicht noch vorhin, dass die Mädchen von Pemba für uns tabu sein sollten?«

»Tja, da hatte ich Maria noch nicht gesehen«, lachte Leith. »Sie ist zauberhaft! Du hast im Leben noch nie so ein Mädchen gesehen. Ihrem Vater gehört das Magazin, in dem ich die Vorräte kaufte. Er stammt aus einer alten portugiesischen Handelsfamilie.«

Leith schien sich in einer Art Trancezustand zu befinden. Bei einem sonst so nüchternen und schweigsamen Mann wirkte das ziemlich komisch. Er war einfach wie verwandelt. Eine dumpfe Vorahnung breitete sich in mir aus, zumal er - das tat er sonst nie - einen Schlager zu pfeifen begann.

An eine vernünftige Unterhaltung mit ihm war für den Rest des Tages nicht zu denken. Er redete wie jemand, der das große Los gewonnen hat und schwieg nur, als er sich in der Kajüte landfein machte. Er wusch und rasierte sich über eine Stunde, das Zähneputzen und Gurgeln nicht mitgerechnet. Er war so aufgekratzt, dass er das Abendessen im Stehen einnahm oder, ein Sandwich in der Hand, auf und ab rannte.

Als die Sonne hinter den Hügeln versank und der aromatische Duft der Gewürznelken noch stärker die Luft erfüllte, machte Leith den Vorschlag, dass wir uns in einem ihm bekannten Café treffen könnten.

»Wir treffen uns am besten um neun. Dann werde ich dich Maria vorstellen.«

Ich nickte. Leith nahm keine Notiz davon und war im nächsten Augenblick in Richtung Stadt verschwunden. Kurz vor neun Uhr machte ich mich auf den Weg zu dem verabredeten Treffpunkt und trank zahllose kleine Tassen hervorragenden arabischen Kaffees. Gegen Mitternacht fand ich, dass ich nun wohl lange genug gewartet hatte und kehrte an Bord des Phoenix zurück. Am nächsten Morgen war Leiths Koje noch immer leer.

Während ich mich noch darüber wunderte, kam Leith anspaziert. Er sah so frisch und strahlend aus, als habe er ein warmes Bad genommen und wäre anschließend gleich zum Friseur gegangen.

»Ich denke, du hast schon gefrühstückt«, sagte ich sarkastisch. »Das gehörte doch sicher auch dazu - oder?«

Er überhörte den leichten Spott dieser Bemerkung. »Tut mir leid, dass ich nicht pünktlich war. Ich habe eben die Zeit vergessen.«

»Ausgezeichnet«, sagte ich kurz. »Du hast dein Vergnügen gehabt, aber heute ist ein neuer Tag. Wir haben Proviant für einen Monat aufgenommen. Was hindert uns also, bei der nächsten Flut nach Süden auszulaufen?«

Er rieb sich das Kinn. »Tut mir nochmals leid, Martin. Wie ich dir schon angedeutet habe, möchte ich gern noch ein wenig hierbleiben. Darum habe ich dir ja den Vorschlag gemacht, schon mal nach Madagaskar vorauszusegeln. Da treffen wir uns dann. Ich weiß gar nicht, was du dagegen einzuwenden hast. Ich werde noch einen Tag bleiben, vielleicht noch einen, aber so genau kommt’s ja nicht drauf an.«

Er suchte sich sorgfältig sein bestes Oberhemd aus. Als er sein normalerweise krauses rotes Haar in der Spiegelscherbe an der Kajütentür gekämmt hatte, begann er gleich wieder über Marias unbeschreiblichen Charme zu sprechen.

»Sie ist einfach ein Wesen aus einer andern Welt, mein Lieber. Mit einem Wort, sie ist jeden Einsatz wert. Ich werde es so einrichten, dass du heute Abend zum Essen eingeladen wirst. Am besten, wir treffen uns um sechs Uhr am Magazin, dann nehme ich dich mit. Du wirst sehen, dass ich nicht übertrieben habe.«

Er wartete meine Antwort gar nicht erst ab. Ich glaube, im Grunde war es ihm auch recht gleichgültig, ob ich um sechs Uhr an Ort und Stelle war oder nicht.

Doch ich war entschlossen, um sechs Uhr am Magazin zu sein, selbst auf die Gefahr hin, noch einmal von ihm versetzt zu werden.

 

Blendende Schönheit

 

Ich hatte mich an Leiths Gesellschaft gewöhnt. Außerdem wollte ich die geplante Weltreise natürlich fortsetzen.

Gegen sechs Uhr traf ich am Magazin ein, und Leith erwartete mich schon.

Wir gingen los. Vor einem großen luxuriösen Bungalow, wie ihn nur die französische Riviera aufzuweisen hat, machten wir Halt. Leith wollte nur noch einmal seine Krawatte zurechtrücken. Der Bungalow inmitten eines prächtigen Gartens lag direkt in der Nähe des Strandes.

»Phantastisch«, hörte ich mich halblaut murmeln.

Leith ging schnurstracks auf die Tür zu und trat ein, ohne anzuklopfen. In der Halle des Bungalows war es angenehm kühl. Die Wände waren mit kostbaren persischen Teppichen behängen, und durch die breite Fensterwand konnte man über das Meer blicken.

»Mach’s dir bequem, Martin«, sagte Leith. »Maria wird gleich kommen. Was möchtest du trinken, hm?« Er deutete in Richtung Bar, wo ein arabischer Diener, den ich erst jetzt bemerkte, die weiteren Anweisungen erwartete. Leith schien sich schon wie zu Hause zu fühlen. Dass ich zu träumen glaubte, versteht sich am Rande.

Ich hatte gerade einen Schluck besten schottischen Whisky getrunken, als die Vorhänge rauschten und Maria eintrat. Ich hielt unwillkürlich den Atem an und mein erster Eindruck war, dass Leith auch nicht im allermindesten übertrieben hatte. Sie war mehr als schön. Ihr kastanienbraunes Haar hatte eine kunstvolle Frisur und brachte ihre edlen Gesichtszüge äußerst vorteilhaft zur Geltung. Ich konnte mich nicht entsinnen, jemals in meinem Leben einer solchen Schönheit begegnet zu sein.

 

Vorahnungen

 

Sie trug nur sehr wenig Make-up, so wenig, dass ich es zunächst nicht glaubte. Alles an ihr war echt. Ihre Wangen waren matt rosa, ihre vollen Lippen rubinrot.

Doch es war nicht allein ihr Gesicht, das meine Kinnlade herunterklappen ließ. Sie hatte eine Figur, wie man sie auf den Titelbildern der Magazine bewundern kann. Ihre Haut war glatt wie ein Pfirsich und die Brosche an ihrem Kleid zierte ein Diamant, für den die Versicherungsgesellschaften nur dann die Garantie übernehmen, wenn sich der Besitzer verpflichtet, ihn nach dem Ablegen sofort in ein Safe einzuschließen.

Obwohl nicht sehr groß, hatte sie doch sehr hübsche lange Beine und eine Taille, die man mit zwei Händen umspannen konnte. Sie trug ein Abendkleid aus schimmernder Seide. Ihr Anblick würde meinen Verdacht erregt haben, doch jetzt war ich noch zu beeindruckt von ihr.

Sie kam auf uns zu und streckte mir lächelnd die Hand entgegen. »Ich freue mich, auch Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte sie mit ihrer seltsam vibrierenden Stimme. Ihre Hand war kühl, schmal und doch irgendwie fest. Sie wusste, was sie gesagt hatte und was sie noch sagen würde...

Sie sprach englisch mit portugiesischem Akzent.

Ich kannte ein paar Brocken dieser Sprache, und ihre Augen leuchteten auch sofort auf, als ich sie zum Besten gab. Ich hätte schwören können, dass sie - obwohl der Name ihres Vaters portugiesisch klang - doch eine Farbige war. Der sanfte Schimmer ihrer braunen Augen und ihre kaum merklich geblähten Nasenflügel verrieten es.

Während Leith an die Bar stürzte, um ihr einen Drink zu holen, den ihm der arabische Diener nicht rasch genug servieren konnte, traten die Eltern Marias ein. Ihr Vater, dick, freundlich und zufrieden aussehend, war ein typischer portugiesischer Kaufmann. Seinen Augen sah man an, dass er sehr gut rechnen konnte.

Ihre Mutter gehörte offensichtlich einer Halbkaste an. Sie war ungefähr vierzig, schlank und ebenso elegant gekleidet wie ihre Tochter. Doch ihre Haare verrieten mir sofort, dass in ihren Adern Negerblut floss. Nicht die Kunst des besten Friseurs hatte die kleinen Kräusellocken ganz beseitigen können.

Wir waren die einzigen Gäste. Das Essen bestand aus den Leckerbissen der europäischen und indischen Küchen und erlesenen französischen Weinen. Nach beendeter Mahlzeit konnte man unter den verschiedensten Likören seine Auswahl treffen, und ich hätte nicht sagen können, welcher davon am besten schmeckte.

 

Gefährliche Lichter!

 

Leith und Maria saßen mir Seite an Seite gegenüber. Maria machte einen äußerst verliebten Eindruck. Das war auch bei Leith der Fall, denn er blickte nicht einmal auf, als ich mich unter einem Vorwand verabschiedete; ich müsse mich um die Phoenix kümmern, noch einmal den Motor überprüfen und so weiter.

Dunkle Vorahnungen stürmten auf mich ein. Leith hatte mich vor diesen Frauen gewarnt - und nun? Zwischen Worten und innerer Überzeugung schien doch eine große Lücke zu klaffen...

In dieser Nacht beschloss ich, Leith beim Wort zu nehmen und bei Anbruch der Morgendämmerung nach Mozambique zu segeln.

Doch als es soweit war, änderte ich meinen Entschluss. Ich konnte Leith in dieser Situation nicht im Stich lassen. Er zappelte zwar schon im Netz, konnte sich aber mit ein wenig gutem Willen noch befreien.

Doch bald würde das Netz zugezogen werden und dann...

Ich konnte diesen Gedanken nicht zu Ende führen, denn in diesem Augenblick kamen zwei Mädchen, eine hübscher als die andere, und sagten fröhlich, dass sie das Boot besichtigen würden. Obwohl ich mein Hemd offen trug, wurde mir plötzlich der Kragen zu eng. Maria wäre ihre Freundin, behaupteten sie keck, und ich hätte versprochen, ihnen das Boot zu zeigen. Nicht einmal an der Riviera war mir ein solches Schönheitstrio begegnet.

Das erste Mädchen war indessen schon an Bord geklettert und stolperte über ein Seil, so dass ich unwillkürlich Hilfestellung leistete. Da sah ich das rote Warnlicht der Gefahr!

Ich ließ ihre Arme los und gab allen dreien bekannt, dass ich beschäftigt sei. »Banana Joe wird Ihnen das Boot zeigen, meine Damen«, sagte ich.

Mit einem breiten Grinsen im Gesicht kam Joe über Deck, streckte die Hand aus und half den beiden andern Mädchen an Bord. An ihm klammerten sie sich allerdings nicht fest, ja, sie schienen Joes Hilfe als Beleidigung aufzufassen. Ein Schwarzer sollte ihnen das Boot zeigen? Das kam ja überhaupt nicht in Frage!

 

Neue Zweifel

 

Damit hatte ich, ohne es zu wollen, den drei Mädchen eine gründliche Abfuhr erteilt. Die Gesellschaft eines Negers ließ ihr Stolz nicht zu. Ihre lieblichen Gesichter blickten recht finster drein, als sie sich höflich verabschiedeten und davonspazierten.

Abends erschien ein arabischer Boy und händigte mir einen Brief aus. Ich öffnete ihn. Er enthielt eine Einladung zu einer Party; weiter beehrten sich Leith und Maria, ihre Verlobung bekanntzugeben!

Ich war wie vor den Kopf geschlagen.

»Dieser Narr«, murmelte ich nur, riss den Brief in Fetzen und ließ sie ins Wasser segeln. Leith war kein Schürzenjäger, und soweit ich ihn kannte, hatte er sich aus Frauen nie viel gemacht. »Soll er doch zum Teufel gehen!«, sagte ich und wusste schon, dass ich die Einladung annehmen würde. Vielleicht gelang es mir, ihn zur Vernunft zu bringen und aus den Krallen der betörenden »Höllenkatze« zu befreien!

 

Ungefähr eine halbe Stunde früher machte ich mich auf den Weg zu der Traumvilla, die Maria mit ihren Eltern bewohnte.

Ein stattlicher als Lakai gekleideter Neger öffnete die Tür, verbeugte sich schweigend und führte mich in die Halle. Genauso schweigend und wieder mit einer Verbeugung zog er sich zurück.

Ich stand allein in der Halle und bemerkte zum ersten Mal, dass die Fenster zu beiden Seiten der schweren Teakholztür vergittert waren. Und ich hatte auch zum ersten Mal das Gefühl, als befände ich mich in einem goldenen Gefängnis.

Dann aber fiel mir ein, dass man auf einer halbzivilisierten Insel wie Pemba, die nichtsdestoweniger große Reichtümer barg, ja schließlich vorsichtig sein musste. Die Polizei konnte nicht überall zugleich sein. Schon allein das goldverzierte Sideboard zu meiner rechten Hand war ein kleines Vermögen wert.

 

Die Gefahr

 

Die Tür am Hallenende wurde geöffnet und der Vater Marias kam mit ausgestreckten Händen auf mich zu.

»Ich freue mich aufrichtig, Sie wiederzusehen, Senor Martin«, sagte er mit seiner tiefen und gutturalen Stimme. »Meine Gäste erwarten Sie voller Ungeduld.« Ich griff nach seiner Hand. Sie war fett und ein wenig feucht, doch ihr fester Druck überraschte mich. Dieser Mann besaß trotz seiner Korpulenz und seines kränklichen Gesichts eine Portion Muskeln. Seine kleinen dunklen Augen waren intelligent und wirkten auf den zweiten Blick irgendwie brutal. Doch wer sein Temperament genauer kennenlernen wollte, der musste ihn wohl aus seiner Reserve locken, denn sonst konnte man nicht so leicht eine Beurteilung seines Charakters abgeben.

Ich folgte ihm durch die Tür. Der Raum hatte sich seit meines ersten Besuches verändert. Überall standen Polstersessel, die, wie ich später feststellte, so weich waren, dass man beim Platznehmen das Gefühl hatte, man müsse bis auf den Teppich durchsacken. Die Sessel waren so konstruiert, dass sie stilistisch verblüffenderweise mit den Teufelsmasken und den aus Mahagoni geschnitzten Urwaldgottheiten an den Wänden übereinstimmten.

 

Kleines Privatvergnügen

 

Marias Vater holte mir einen Drink und machte keinerlei Anstalten, mich mit den Gästen bekanntzumachen. Ich stand da und grinste albern, wenn mich jemand anguckte.

Die Blicke gefielen mir nicht. Ein Mann unterhielt sich gedämpft mit meinem Gastgeber, den eine Flasche Scotch beschäftigte. Er war offenbar ein Bruder von Marias Vater, denn die Gestalten der beiden Männer hatten vieles gemeinsam. Er sah nur ein wenig älter und vielleicht noch dicker aus. Neben ihm saß eine ungeheuer stämmige Negerin.

Eine Gruppe junger Männer lachte über einen Witz, zu dem ich ihnen wahrscheinlich den Stoff geliefert hatte.

Sie waren schlank und sehnig und sicher Araber reinsten Geblüts - vielleicht Cousins von Maria.

Am Fenster stand ein junger Bursche und starrte mich ungeniert an. Er war sehr hübsch und nach seinen Gesichtszügen zu schließen Marias Bruder.

Ich bemerkte, dass Marias Vater ungeduldig wurde. Dann öffnete er eines der französischen Fenster und brüllte den Namen seiner Tochter in den Garten hinaus. Maria kam sofort. Mit Leith.

Als ich die beiden sah, wusste ich, dass kaum noch eine Rettung möglich war. Sie führte Leith an der Hand, der hinter ihr her trottete wie ein kleiner Hund, der einen Wurstzipfel gefressen hat und gern noch einen zweiten möchte. Wieder verschlug mir Marias Schönheit den Atem. Sie trug ein lebhaft blaues Abendkleid, das aus einem Stück gearbeitet zu sein schien. Alle Frauen Afrikas haben einen graziösen, beschwingten Gang, doch bei Maria lag noch etwas Besonderes darin.