150 Days to Date - Katharina Lang - E-Book
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150 Days to Date E-Book

Katharina Lang

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Beschreibung

Plötzlich Single und noch mal von vorne anfangen - das ist mit Ende zwanzig kein Weltuntergang. Eigentlich. Als einziger Single in einem Freundeskreis voller glücklicher Pärchen ist die Situation eher suboptimal. Steht zudem die Hochzeit der besten Freundin an, kann man schon mal am Rad drehen. Deshalb entwirft Feli einen Plan: Bis zur Hochzeit findet sie die perfekte Begleitung. Im besten Fall den Mann fürs Leben. Schließlich hat sie noch 150 Tage Zeit. Der Countdown läuft - auf die Männer, fertig, los!


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Ähnliche


Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Prolog

Der 10-Punkte-Plan

Schritt 1: Bestandsaufnahme

Tag 1

Tag 2

Tag 4

Schritt 2: Ach, tinder mir doch einen …

Tag 7

Tag 9

Tag 13

Tag 14

Tag 14, fünfzehn Minuten später

Tag 15

Tag 17

Tag 23

Tag 23, sehr viel später

Tag 24

Schritt 3: Strategie-Dating

Tag 24, eine Stunde später

Tag 26

Tag 27

Tag 27, ein paar Stunden später

Tag 28

Tag 31

Tag 33

Tag 33, eine Stunde später

Tag 34

Tag 35

Tag 39

Tag 40

Tag 41

Tag 46

Schritt 4: Feng-Shui your life

Tag 46, dreißig Minuten später

Tag 47

Tag 47, einige Stunden später

Tag 50

Tag 52

Tag 56

Tag 58

Tag 59

Tag 60

Tag 63

Tag 66

Schritt 5: Vegan verwegene Rollenspiele

Tag 66, zehn Minuten später

Tag 70

Tag 71

Tag 72

Tag 74

Tag 79

Tag 86

Tag 87

Tag 87, dreißig Minuten später

Tag 87, eine weitere Stunde später

Tag 88

Schritt 6: Aufsibraut!

Tag 94

Tag 94, fünf Sekunden später

Tag 94, sehr viel später

Tag 95

Tag 95, eine Stunde später

Tag 99

Tag 100

Tag 102

Schritt 7: Sprung ins kalte Fettnäpfchenwasser

Tag 107

Tag 108

Tag 110

Tag 115

Tag 121

Tag 123

Tag 126

Tag 126, dreißig Minuten später

Tag 127

Tag 128

Tag 135

Schritt 8: Oh boy! Mei, Bua!

Tag 135, zwanzig Minuten später

Tag 136

Tag 136, sieben Stunden später

Tag 136, weitere zehn Minuten später

Tag 140

Tag 143

Schritt 9: Prämatrimoniale Panikbräute

Tag 145

Tag 145, zehn Minuten später

Tag 146

Tag 147

Tag 147, zwanzig Minuten später

Tag 148

Tag 149

Tag 149, zehn Minuten später

Schritt 10: Hochzeitstag

Tag 150

Tag 150, eine halbe Stunde später

Tag 150, noch etwas später

Tag 150, kurz vor knapp

Danksagungen: 150 days later …

Über das Buch

Plötzlich Single und noch mal von vorne anfangen – das ist mit Ende zwanzig kein Weltuntergang. Eigentlich. Als einziger Single in einem Freundeskreis voller glücklicher Pärchen ist die Situation eher suboptimal. Steht zudem die Hochzeit der besten Freundin an, kann man schon mal am Rad drehen. Deshalb entwirft Feli einen Plan: Bis zur Hochzeit findet sie die perfekte Begleitung. Im besten Fall den Mann fürs Leben. Schließlich hat sie noch 150 Tage Zeit. Der Countdown läuft - auf die Männer, fertig, los!

Über die Autorin

Die 1987 geborene Münchnerin hat laut ihrer Mutter schon Geschichten erzählt, bevor sie überhaupt laufen konnte. Daher entschied sie sich nach einem Studium der Theaterwissenschaft auch für eine Karriere als Autorin und schreibt unter anderem für die bayrische Serie »Dahoam is Dahoam«. Ihr Blog www.150daystodate.de, in dem sie von Liebe, Dating und Männergeschichten erzählt, war 2015 mit dem »Isarnetz Blogaward« für den besten Blog Münchens nominiert.

Katharina Lang

150DAYS TODATE

Roman

Eine Hochzeit

150 Tage

Unzälige Dates

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Originalausgabe

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, KölnLektorat: Daniela JarzynkaTitelillustration:© shutterstock Happy Art | Miloje | Design Seed | Fine |macro-vectors | R_lion_O | R_lion_OUmschlaggestaltung: Jeannine Schmelzer

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-3975-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Prolog

Samstag, 14.02., Valentinstag (pfui bäh!)

Tick. Tack. Tick. Tack.

Die hippe Flohmarkt-Wanduhr macht ihren Job gut. Sie gibt unablässig und auf atemberaubend nervtötende Art und Weise das Fortschreiten der Zeit zum Besten.

Tick. Tack. Tick. Tack.

Währenddessen tue ich, als emotional gefasster und rational denkender Mensch, das einzig Sinnvolle: Ich stehe im Kopfstand an der Wand und versuche, mir einen Überblick über meine derzeitige verquere Situation zu verschaffen. Sehr meditativ. Dass mir dabei das Blut rauschend in den Kopf schießt, ist weder förderlich noch hinderlich bei diesem Denkprozess. Ufff. Mein Blick wandert angestrengt in Richtung Tisch. Trotz aller Meditation.

»Wir heiraten!«

Die Karte starrt mich an. Ganz heimtückisch. Stilvoll in Altrosa auf Mintgrün. Mit ekelhaft unkitschigem Times-New-Roman-Schriftzug. Ich halte die Luft an. »Wir heiraten!« Exclamation Mark! Als wäre die Aussage nicht schon Ausruf genug. Nebenan quietscht rhythmisch das Bett meiner Nachbarn.

»Schnauze, zefix!«

Ich muss schließlich nachdenken …

Seufzend steige ich von der Wand ab und begebe mich wieder in eine senkrechte Position.

Wenn einem die beste Freundin erzählt, dass sie heiraten wird, ist das die gängige Reaktion: »Oh mein Gott, wow, oh mein Gott …«, Tränen schießen in die Augen, »Wow, oh mein Gott – ich kann’s kaum glauben …« Der Rest geht in stoßartigen Schluchzern der Freude unter. Beide Freundinnen liegen sich halb weinend, halb lachend in den Armen.

Oder auch Variante zwei: KREISCH! »Oh … mein … Gott!!! Woooooooooooooow!«, heftiges fröhliches Quietschen, gefolgt von einer stürmischen Umarmung, bei der sich alle anderen im Restaurant peinlich berührt umdrehen. Beide Freundinnen liegen sich halb weinend, halb lachend in den Armen.

Es gibt noch weitaus mehr Variationen, das Ergebnis ist eigentlich immer dasselbe.

Nur nicht bei mir.

Als mir meine beste Freundin Gitta vor drei Monaten selig strahlend beim After-Work bei unserem Lieblingsitaliener gegenübersaß und mir gerade die romantischste aller Nachrichten offenbart hatte, kreischte ich nicht. Mir schossen auch keine Tränen in die Augen. Und fröhliches Quietschen liegt mir sowieso fern. Ich reagierte ungefähr so: »Wow.« Stille. »Äh … Und warum?«

»Und warum?« ist NICHT die angebrachte Reaktion auf den Satz »Wir werden heiraten«. Das ging mir in dem Moment, als die Worte meinen Mund verlassen hatten, auch auf. Da war es nur schon zu spät. Ich nahm schnell einen großen Schluck von meinem Feierabend-Radler, um die Stille zu überbrücken. Und spürte förmlich, wie sich die Blicke aller anderen Gäste im Restaurant vorwurfsvoll auf mich richteten: Wie kann sie nur? Wie unsensibel!

Gitta aber sagte nichts dergleichen. Sie strich sich eine lange blonde Strähne hinter die Ohren, schluckte und blickte mich dann verständnisvoll (!) an: »Feli, ich weiß, der Zeitpunkt ist gerade ziemlich ungünstig …«

Ich zuckte bemüht nonchalant mit den Schultern. Darin, so bilde ich es mir ein, bin ich Meister.

»Schmarrn. Du heiratest. Wow. Ich freu mich. Oh mein Gott! Wow!«

Ich bemühte mich, die Art weiblichen Enthusiasmus nachzuahmen, den die aufgebretzelten Anne Hathaways und Kate Hudsons dieser Welt in sämtlichen Hollywood-Romanzen immer so toll verkörpern. Klappt gut.

Oder auch nicht.

Gitta sah mich mitleidig an. »Oh shit. Dir geht’s wirklich mies!«

Ich hielt mitten im nächsten Zug von meinem Bier inne und schluckte. Im wahrsten Sinne des Wortes und im übertragenen gleich mit.

»Mir geht’s gut, wirklich. Mir geht’s super. S-U-P-E-R!«

Gitta hatte recht, der Zeitpunkt war denkbar ungünstig. Ich war gerade frisch getrennt. »Frisch getrennt« – pfff! Blöder Ausdruck. Als könnte man »abgelagert getrennt« sein. Mir wurde gerade erst das Herz herausgerissen? Nein, zu hart. Ich bin schließlich Optimist. Wobei … eigentlich war es genau so.

Während all meine engen Freundinnen ihre Single-Party-Phasen schon hinter sich und nun ihren Partner (den Einen und einzig Wahren) gefunden haben, bin ich plötzlich zum ersten Mal in meinem Leben so richtig Single. Die Zeit zwischen meiner ersten großen Liebe und meiner letzten, soeben zu Ende gegangenen Beziehung (die optimistische Herzrausreißnummer) war damals gerade mal lang genug, um den Umzug aus der gemeinsamen Wohnung mit meinem Ex (nun, da es zwei gibt, wohl eher der Ex-Ex) zu organisieren. Und um den obligatorischen One-Night-Stand zu absolvieren. Der dann allerdings kein One-Night-Stand blieb, sondern die nächste große Liebe und Beziehung wurde. Das war also abgehakt. Off the list.

Als nächste Punkte standen »Studium beenden« (Check) und »Ausbau der Karriere zu einem höchst zufriedenstellenden Level« (work in progress) auf der Liste. Danach, mit statistisch stabilen circa zweiunddreißig Jahren, könnte man langsam die Punkte »Heirat« und »Familiengründung« in Angriff nehmen. So weit der Plan.

Ich hatte nicht vor, jemals noch mal Single zu sein. Und dann war ich es plötzlich doch. Mit Ende zwanzig. Scheiße.

Gitta fand das alles nicht so dramatisch: »Mann! Du bist doch noch nicht mal dreißig! Du hast alle Zeit der Welt, dich neu zu verlieben – und bis Juli kann viel passieren.«

Sie hat ja keine Ahnung! Es gibt nur wenige Dinge, die man als Neu-Single noch ätzender findet als seine eigene, erbärmliche Situation. Krieg, Krankheit, Tod, die fünfte Staffel Der Bachelor – und auf der Hochzeit der besten Freundin als einziges bemitleidenswertes Single-Würstchen an einem Tisch voll verliebter Zweier-Kombinationen zu sitzen. Alle Freunde und ehemaligen Kommilitonen wiederzutreffen. In trauter Zweisamkeit. Paare, die gerade zusammenziehen oder schon zusammenwohnen, Kinder bekommen oder planen, Kinder zu bekommen, und/oder heiraten wollen oder bereits verheiratet sind. Not essentially in this order.

Kurz gesagt: Wenn man der einzige Single in einem Freundeskreis voller glücklicher Pärchen ist und mit seiner Lebensplanung schon einen Schritt weiter war, kann sich das durchaus suboptimal anfühlen.

Alles geht plötzlich so verdammt schnell. Auch bei Gitta ist jetzt, drei Monate später, aus »Wir heiraten« ein »Wir heiraten!«-Exclamation-Mark geworden. Und dann erst die Innenseite der Karte: »Ich/Wir komme(n).« Ja. Nein. Check the box. »Mit Begleitung?« Check the box. »Mit Kindern?« Check the … Mit Kindern??? Was habe ich verpasst? Ich seufze und setze mein erstes Häkchen. Selbstverständlich komme ich! Das Einzige, was es da zu überlegen gibt, ist, ob ich mein Festtagsdirndl aufbügle oder noch mal für ein hippes Cocktailkleid shoppen gehe. Und natürlich: »Mit Begleitung?« Grübelnd verharrt mein Stift über dem Papier. Habe ich bereits erwähnt, dass auch mein Ex-Ex zu der Hochzeit kommt? Mit seiner neuen großen Liebe? Die bauen bald ein Haus. Ich setze energisch mein Häkchen.

Gitta hat recht. Die Hochzeit ist erst in einem knappen halben Jahr. In etwas mehr als 150 Tagen, wenn man es genau nimmt. Bis dahin kann sich viel ändern. Ich meine, ich sehe ziemlich gut aus, bin klug, witzig und recht erfolgreich. Das muss man mal ganz klar so sagen. Wenn es sonst schon keiner tut. Bis jetzt hab ich mit Disziplin, guter Organisation und dem ordentlichen Maß an gesunder Selbstüberschätzung noch alles in meinem Leben geregelt bekommen! Warum sollte ich also länger als einen Tag Single bleiben? Pah, lächerlich. Man muss das nur systematisch angehen. Quasi die Unbekannte in meiner Gleichung finden. Oder besser gesagt: DEN Unbekannten. In 150 Tagen werde ich wieder einen Freund haben. Und somit ein Date für die Hochzeit!

Der 10-Punkte-Plan

Nach Jahren des Pärchendaseins steht ein eingehender Tauglichkeitscheck an – inklusive eventueller Nachbesserungen an der physiognomischen Flirt-Erscheinung.

Um eine möglichst hohe Erfolgsquote zu garantieren, werden alle Möglichkeiten des Datings im 21. Jahrhundert ausprobiert und ausgeschöpft – egal ob digital, analog, verkuppelt, angeflirtet, angetextet …

Dennoch wird nicht blind gedatet – sondern nur nach Plan und Männer mit Zukunft! Hierfür gilt die Orientierung an einer tabellarischen Übersicht mit positiven Charaktereigenschaften des zukünftigen Mr. Right, um Fehlgriffe aufgrund von geprüften Erfahrungswerten aus der Vergangenheit zu vermeiden.

Zusätzlich zur Männersuche werden die nächsten Monate genutzt, um wieder eine innere Ausgeglichenheit herzustellen, die sich gleichzeitig positiv auf oben genanntes Vorhaben auswirkt.

Das Singletum ist in diesem Zusammenhang als eine Chance zu sehen, sich zu öffnen – und auch die (durchaus vorhandene) spontane und verwegene Seite herauszukehren!

Spätestens bis zum Junggesellinnenabschied sollten dem Gremium (= Mädels) bereits erste Ergebnisse präsentiert werden können.

Sollte dies bis dahin nicht möglich sein, gilt die Devise: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Es müssen nun auch Risiken eingegangen und ungewohnte Terrains betreten werden.

Falls erforderlich, wird das Vorhaben natürlich auch über die Grenzen von Bayern hinaus ausgedehnt. Und von Deutschland.

Kurz vor Ablauf der Frist, wenn sich das Ende des Projekts und der Erfolg (hoffentlich) abzeichnen, wird sich vermehrt auf die Braut und deren Vorbereitungen auf den schönsten Tag im Leben konzentriert. Ohne schlechte Laune, Sarkasmus oder kritischen Seitenblick!

Das Ziel ist und bleibt schlussendlich: DEN Mann zu finden. Oder zumindest den Mann, der das perfekte Date für den Hochzeitstag abgibt. Und potenziell mehr ist.

Check!

♥Schritt 1:

Bestandsaufnahme

Tag 1

Donnerstag, 19.02.

Jetzt, da ich endlich einen vernünftigen Plan habe, geht’s mir hervorragend! Man muss sich nur in einem gut durchdachten Zeitfenster Ziele setzen, das ist die halbe Miete für ein glückliches und erfolgreiches Leben. Ha!

Ich mustere mich im Spiegel. Den obligatorischen Trennungs-Haarschnitt habe ich eben hinter mich gebracht. Check! Ein fransiger Pony umrahmt »suuuuper trendy« meine Stirn. Sagte zumindest die einundzwanzigjährige Friseurin meines Vertrauens. Meine braune Wuschelmähne hat auf jeden Fall nicht unter dem Post-Trennungs-Stress gelitten.

Und auch der Rest meines Körpers wird mich bei meinem »Mann-in-150-Tagen-Vorhaben« nicht im Stich lassen. Ich drehe mich zur Seite, betrachte wohlwollend meinen schlanken, gut in Schuss gehaltenen Body und klopfe mir dabei selbst im Geiste auf die Schulter. Meine Wadeln sind wirklich vorzeigbar, ein Hoch auf Yogalates!

Gut, ich bin mit meinen 158 Zentimetern nicht wirklich groß, dafür ist meine Oberweite umso üppiger. Allerdings werde ich oft für wesentlich jünger gehalten.

»Das liegt an den Sommersprossen und deinem Herzmund – das macht dich einfach zuckersüß!«, hat mein Ex immer gesagt. Pah, Herzmund. Volldepp.

Alles in allem sollte ich es durch mein Aussehen in Kombination mit meinem bayerischen Charme und meinem Bildungsstatus auf dem Singlemarkt rein statistisch einigermaßen leicht haben.

Das einzige marginal-klitzekleine Problem an der Sache ist nach wie vor: Ich hatte seit über zehn Jahren kein Date. Na ja. Um ehrlich zu sein, hatte ich noch nie ein richtiges Date. Außer man zählt den Eisdielen-Besuch mit Quirin in der vierten Klasse als Date (seine Lieblingssorte war Zitrone, meine Tiramisu – als Inbegriff der Romantik haben wir Eiskugeln getauscht). Ich war das letzte Mal mit sechzehn so richtig Single. Da gab es noch keine Smartphones. Man hat sich per SMS oder über den Festnetzanschluss der Eltern verabredet, Facebook steckte noch in den Kinderschuhen, und ja, es war durchaus noch üblich, seiner Angebeteten Mix-CDs zu schenken. Ich bin einfach Beziehungsmensch, schon immer gewesen. Das ist wie mit meiner langjährigen Liebe zur höheren Mathematik: Beides lässt nicht viel Raum für vage Spekulationen oder Chaos. Die Stabilität einer kuscheligen monogamen Beziehung hat eben was für sich. Schließlich hat man in seinen Zwanzigern schon genug damit zu tun, sich durchs Leben zu kämpfen. Vor allem nach dem Uni-Abschluss, wenn jeden Tag eine scheinbar lebensentscheidende Entscheidung (gepaart mit einer handfesten Zukunftskrise) ansteht. Kurzum: Ich weiß gar nicht, wie man das macht – Single sein. Muss ich jetzt jeden Freitag und Samstag ausgehen, um Männer kennenzulernen? Und vielleicht sogar unter der Woche?

Gitta, meine beste Freundin und engste Vertraute seit der Germanistik-Einführungsveranstaltung im ersten Semester, heiratet den Mann, den sie vor knapp zwei Jahren gefunden hat. In einem Club! Ob man es glaubt oder nicht. Davor war sie fast vier Jahre Dauersingle – und ich (wie immer) in einer glücklichen Beziehung. Während ich sonntags nach einem ausgedehnten Frühstück selig kuschelnd auf der Couch saß, schmiss sie gerade den Mann von letzter Nacht aus dem Bett, um dann ihren Hangover zu kurieren. Übrigens auch in der Zeit im zweiten Semester, als sie kurzzeitig bei mir und meinem Ex-Ex in unserer Kompromisswohnung am ländlichsten Sendlinger Stadtrand wohnte, weil ihre WG einen massiven Schimmelbefall hatte. Die fremden Männerschuhe im Flur waren für mich immer ein Zeichen, dass Gitta nicht alleine nach Hause gegangen war. Oder auch der unbekannte nackte Männerhintern in meiner Dusche.

Gitta ist also die Frau mit Erfahrungswert, und Gitta sagt: »Geh erst mal aus, lern ein paar Männer kennen. Ganz entspannt. Zum wieder warm werden!«

Aha.

Da es ab heute genau 150 Tage bis zur Hochzeit sind, ist das ein guter Tag für einen ersten Abschleppversuch. Aber was ist das Durchschnittsmaß, die Abschleppquote, die man von mir als Neu-Single erwartet? Oder gibt es die nur für Kerle? Finde ich so überhaupt jemand Adäquaten? Und wie, zefix!, schleppe ich die Männer eigentlich ab?!? »Hey, ich bin Feli. Lädst du mich auf ’nen Drink ein?«

Ich seufze tief, als es klingelt.

Eine ausgehfertige Gitta steht vor der Tür und streckt mir grinsend eine Flasche Pinot Grigio entgegen.

Bevor ich etwas sagen kann, schiebt sie sich energisch an mir vorbei in den Flur und stößt dann, nach einem kurzen Blick auf den neuen Haarschnitt und den knappen Rock, einen anerkennenden Pfiff aus: »Wow, nicht schlecht! Du willst es heute also wirklich wissen …«

Ich lächle und schmeiße mich in die Brust: »Klar. Du kennst mich doch. Heute geht was! Also, wir schau’n mal, was da geht. Und das ist bestimmt viel, was da geht! Tschakka!«

Kaum haben wir uns aber eine Stunde und eine Weinflasche später in den engen Münchner Club gequetscht, geht gar nix mehr. Denn meine Selbstsicherheit hat sich im Nu verflüchtigt. Ich war hier schon x-mal, aber nie hatte ich das Gefühl, dass mich alle Männer kritisch abscannen. Als würde ich das Single-Odeur direkt ausströmen.

Doch warum spricht mich dann keiner an? Ich blicke mich unruhig um. Die Tanzfläche ist voll mit Kerlen. Die Musik schallt laut in meinen Ohren, die Lichter blenden mich plötzlich, und alle Männer in dem Raum scheinen durch mich durchzustarren. Sehe ich nicht gut aus? Müffle ich etwa? HILFE!!!

Gitta nimmt zwei Bier an der Bar entgegen und mustert mich irritiert: »Was ist denn los?«

Ich ziehe eine Schnute und erkläre ihr mein Problem.

Gitta lacht und sagt: »Wir sind seit zehn Minuten hier. Entspann dich! Wir haben heute einfach ein bisschen Spaß!«

Sie hat gut reden. Sie muss ja keinen Treffer landen. Oh – diese verdammte Abschleppquote! Außerdem sieht man in den kniehohen Stiefeln meine Yogalates-Wadeln nicht. Ein fataler Fehler!

Ich nehme einen Schluck von meinem Bier. Dann noch einen. Und noch einen. Und während ich mit Gitta rhythmisch auf der Tanzfläche herumwippe, werde ich langsam ruhiger. Wie war die Devise? Ich muss das Ganze systematisch angehen. So mache ich das im Büro ja auch immer, wenn der Aufgabenberg über mir zusammenzustürzen droht und meine Chefin aufgedreht vor mir herumspringt. Dann sondiere ich die Lage und mache mir eine To-do-Liste, die ich nach und nach abarbeite. Ich tanze also weiter und sondiere die Lage.

Hmmm. In dem Club sind heute hauptsächlich Lackschuhträger. Und ein paar Pseudo-Hipster. Bäh.

Okay, Feli. So wird das nix. Was sagt dir deine ach-so-freigeistige Mutter immer? Kein Schubladendenken. Und: Triff dich nie mit einem Mann bei Vollmond. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich atme durch und versuche, die Typen nicht gleich vorzuverurteilen.

Tatsächlich kommt gerade einer der Pseudo-Hipster auf mich zu.

Nein! Ich korrigiere mich im Geiste selbst: Ein nett lächelnder Typ mit großer Brille in Vintage-Markenjeans und Flanellhemd kommt auf mich zu.

»Hey.«

»Hi.«

»Ziemlich laut hier.«

Ach nee.

Ich nicke.

»Ich bin Lars.« Der Flanellhemd-Typ reicht mir die Hand.

»Feli, hi.«

»Und was machst du so?«

Wow, der geht aber ran, denke ich mir sarkastisch.

»Ich bin Assistant Producer in einer Filmproduktion.«

»Producer … aaah. Das ist so was wie Produzent, oder? Dann kannst du gut mit Zahlen?«

»Auch, ja.«

Mit Mühe gelingt es mir, nicht die Augen zu rollen. Wir sind hier im Club, und er redet mit mir über ZAHLEN?

Feli, reiß dich zusammen! Vielleicht ist der Typ ja ganz nett.

Lars-Flanellhemd nimmt einen tiefen Schluck aus seiner Bierflasche. »Ich studier’ Japanologie und Geschichte. Aber ich mach dieses Semester meinen Bachelor. Also zumindest ist das der Plan, wenn mir nicht wieder so viele Partys dazwischenkommen.« Er lacht.

Reiß. Dich. Zusammen. Feli.

»Aha. Ja … schön. Und was machst du sonst so?«

»Oh, ich hab seit Längerem einen ziemlich guten Nebenjob am Flughafen. Ich bin da schon so lange, ich denke da kann ich dann nach dem Studium bestimmt in eine höhere Position einsteigen …«

Ich sehe ihn überrascht an.

»Kennst du den Gang im Terminal 1, wo es zu den Security Checks geht? Wo die internationale Bank ist?«

»Ja klar!«

»Da steh ich davor und verteile Barclay-Karten. Total easy verdientes Geld, und ich bin echt gut mit den Verkäufen! War schon mal Promoter des Monats!« Lars-Flanellhemd streckt stolz seine flanellhemdige Brust hervor.

Prost Mahlzeit.

Während ich mir ein Lächeln ins Gesicht meißle, schweift mein Blick im Raum herum, auf der Suche nach Gitta oder einer anderen Fluchtmöglichkeit. Schließlich fällt mein Blick auf die leere Bierflasche in Lars’ Hand.

Eilig (bevor das Gespräch den Tiefpunkt erreicht) ergreife ich diesen Rettungsring: »Wollen wir vielleicht noch was trinken?«

Wir gehen also zur Bar, und Lars zückt sofort nonchalant seinen Geldbeutel, bevor ich meinen herausholen kann: »Was willst du?«

Er kramt in seiner Börse herum, in der – oh Mann! – nur noch einzelne Münzen traurig herumlungern. Durch die Art und Weise, wie er hilflos kramt (als würden sich dadurch auf magische Weise noch ungeahnte Geldquellen auftun), wird mir nun klar: Lars-Flanellhemd hatte nicht nur ein Bier. In fact: Lars hat schon ziemlich einen sitzen!

In dem Moment beugt er sich auch schon zur Barfrau hinüber und flüstert halblaut (als könnte ich das nicht hören): »Äh … sorry … aber was is’n hier das Billigste?«

Die Barfrau wirft erst einen mitleidigen Blick in meine Richtung, bevor sie trocken erwidert: »Leitungswasser!«

Lars-Flanellhemd dreht sich halb resignierend, halb pragmatisch zu mir um: »Hmmm … Willst du dir vielleicht was teilen?«

Tag 2

Freitag, 20.02.

20. Februar 2015; 9:11 Uhr

Gitta:Heyyy! Du warst gestern so plötzlich weg. Alles ok?Feli:Ja. Alles ganz großartig. Vor allem der Typ!Gitta:War der nicht nett? Hab ihm gesagt, dass du frisch single bist und dich über ’nen Flirt freust. ;-)Feli:Aha. Super. Danke. Hab jetzt so richtig Lust aufs Dating! Love my life!Gitta:Ok. Übermorgen Krisensitzung im Augustiner. Aber pronto!

Tag 4

Sonntag, 22.02.

»Mit oder ohne?«

»Mit. Und kann ich einen kleinen Salat haben statt Knödeln? Aber für danach würd’ ich gleich den Kaiserschmarrn mitbestellen. Und ein Weißbier, das wär fein, danke!«

Ich sitze mit Gitta und meinem besten und treuesten Kumpel Olli (seit gefühlten hundert Jahren in einer Langzeitbeziehung – too good to be true) zum sonntäglichen Mittagessen im Augustiner.

Dank Gentrifizierung ist unsere Lieblingskneipe im ehemaligen Arbeiterviertel Westend jetzt ein hipper Szeneladen mit Sternekoch, zweistelligen Vorspeisenpreisen und einem neuen, amerikanisierten Namen mit »Food« im Titel. Pfui! Boykott! Daher sind wir vor Kurzem ganz traditionell ins Bräustüberl ausgewichen.

Ganz traditionell ist auch unser Sonntags-Familien-Mittagessen. Das hat sich irgendwie so eingebürgert. Ich muss zugeben, dass die großen fleischlastigen Sonntags-Mittagessen durchaus etwas sind, das ich vermisse, seitdem ich aus meinem dörflichen Elternhaus ausgezogen bin. Daher bin ich froh über diesen Ersatz. Seit wir alle Vollzeit arbeiten sind zwar die harten Bis-zum-Morgengrauen-Partynächte radikal auf ein Minimum geschrumpft, dafür schaffen es aber inzwischen alle sonntags vor zwölf aus dem Bett. Wenn sie nicht gerade zweisame Pärchensonntage genießen, was zu meinem Single-Leidwesen immer öfter der Fall ist. Heute jedoch wird der deftige Sonntagstisch auch wieder bei uns in der Großstadt zelebriert. Hurra!

»Für mich nur die Suppe und ein Wasser, danke.« Gitta reicht der Bedienung die Karte, und ich starre sie irritiert an: »Du bist ja wohl hoffentlich nicht schwanger?!«

Gitta winkt grinsend ab: »Oh Mann! Das haben wir wirklich erst für frühestens Zweitausendwasauchimmer geplant, wenn diese verdammt teure Hochzeit abbezahlt ist. Aber ich gehe nächste Woche schon mal Hochzeitskleider anprobieren, da will ich nicht semmelknödelig aus allen Nähten platzen.«

Auch Olli wählt etwas vergleichsweise Leichtes – weil seine perfekte Freundin Lisa nachher noch kocht.

Na super. Ich bin also die Einzige, die sich heute wieder Schweinsbraten-Hüftgold anfuttert. Und dabei bin gerade ich diejenige, die nicht schon einen Partner zu Hause sitzen hat und sich theoretisch gehen lassen könnte.

Olli bedenkt mich (wie üblich) mit einem deutlich überfürsorglichen Blick: »Also jetzt erzähl noch mal, wie lief denn der erste Abend in der freien Wildbahn?«

Gerade, als ich ansetzen will, die ganze flanellhemdige Katastrophe der letzten Partynacht auszupacken, stürmt eine große dunkelhaarige Schönheit in die Gaststube: wirres Haar, trendiger bunter Mantel und überdimensionale Sonnenbrille auf der Nase. Sie stürzt mit so einem Schwung in den Raum, dass dem Herrn am Eingang vor Schreck das Stück Weißwurst von der Gabel und in den Bierkrug plumpst.

»Oh my god, guys … I’m super late. ’tschuldigung! Aber ich habe noch mit Pete geskyped und dann dieser blöde MVV! Die S-Bahn kam nicht, dann hat sie mitten auf der Strecke gehalten – seriously! –, und dann war da dieser dämliche Kontrolleur …« Sammy plappert in hundertfacher Lichtgeschwindigkeit auf uns ein, während sie sich stöhnend auf die Eckbank fallen lässt und erst mal einen Schluck aus meinem Weißbierglas nimmt. »Again: Seriously! Wir sind doch hier in Deutschland – trotzdem ist der öffentliche Nahverkehr ein Desaster!«

Ich schmunzle.

Sammy ist Amerikanerin, hat aber ihre Abschlussarbeit hier an der Kunsthochschule geschrieben und lebt nun seit drei Jahren in München. Sie ist unfassbar klug und begabt, vor allem aber furchtbar chaotisch und verpeilt. Was als Fotodesignerin weder schlecht noch förderlich ist. Gerade ist bei ihr aber eher Frust statt Designer-Lust angesagt, da sie seit Ende ihres Trainee-Jobs leider arbeitslos ist. Überqualifiziert für Assistentenstellen, nicht genug hochgeschlafen für eine ordentliche Festanstellung, keine Kohle für ein eigenes Business. Das Übliche halt.

Ich stupse Sammy nett an, damit sie erst mal runterkommt: »Willst du nicht was bestellen?«

»Uff … ne. Ich nehme nur einen Salat. Und Wasser. Ich bin noch so hungover!«

Grrrrr.

Der Kellner, der uns drei gerade mit Getränken und mich mit meinem Braten-Dreierlei versorgt hat, nickt kurz, bevor er Richtung Tresen verschwindet.

Sammy setzt ihre Sonnenbrille ab und grinst mich an: »Aber jetzt erzähl doch mal, was war denn jetzt so schlimm bei deinem ersten Flirt?«

Ich seufze tief. Denn wenn meine Freitagabende als Single demnächst immer so ablaufen wie diese Woche – na merci!

Anscheinend spricht meine grantig-verzweifelte Miene Bände, denn Sammy haut so energisch auf den Tisch, dass sich Ollis Apfelschorle quer über meinen Teller ergießt. »Fee, seriously, so wird das nichts. Du weißt ja selbst nicht, was du willst. Zeit, dass wir endlich die Liste vervollständigen!«

Aha.

»Die Liste« wurde von meiner Clique bereits in meiner ärgsten Trennungsschmerzphase vor ein paar Monaten erstellt. Auf ihr stehen die Kriterien, nach denen ich meinen zukünftigen Partner auswählen sollte. Den Mann, der perfekt zu mir passen würde. Tatsächlich waren das alles Kriterien, die NICHT auf meinen Ex zutrafen. Eigentlich diente »die Liste« damals also hauptsächlich dem Zweck, ein völlig überzogenes Männer-Idealbild zu entwerfen, das mich berauschen und mir über den Schock-Zustand des plötzlichen Single-Daseins hinweghelfen sollte. Alkohol hätte es wahrscheinlich auch getan.

Gitta kramt grinsend ein verknittertes Stück Papier aus ihrer Handtasche.

Ich seh schon, meine Freunde haben mein zukünftiges Liebesleben gut organisiert. Wir scannen schmunzelnd die Aufzählung.

Einige Punkte sollte man vielleicht bei nüchterner … äh … näherer Betrachtung doch wieder streichen. Punkt 5: »Lässt nie schmutzige Socken oder getragene Unterwäsche rumliegen« ist zum Beispiel nicht unbedingt etwas, das man beim ersten Date abcheckt.

»There is only one essential, really important thing: Brusthaar!«, grölt Sammy laut.

»Iiih! Auf gar keinen Fall! Lieber die Haare am Kopf!« Gitta schüttelt sich entsetzt.

»Also Vollbart!« Ich grinse. »Da bin ich auch dafür.«

Olli seufzt nur: »Was ist denn mit den wirklich wichtigen Kriterien? Der Mann sollte dich und deine Spleens lieben. Und dich unterstützen.«

Hmmmm. Wohl wahr.

Nach einigen Diskussionen, welche Haar-relevanten Punkte jetzt zu den Kriterien gehören oder eben nicht, steht sie fest – »die Liste«, die meinen zukünftigen Traummann beschreibt:

nicht zu groß (maximal 1,75 Meter Körpergröße)

über dreißig (»Aber unter fünfzig!«, Einwurf Gitta)

mit beiden Beinen im Leben

lustig und spontan (damit ich auch mal ein bisschen lockerer werde)

sollte mich in großem Stil erobern (und mich somit von meinem Dating-Kontrollwahn befreien)

spannender und kreativer Job (kein Naturwissenschaftler, Patentamt-Mitarbeiter, Zahnarzt und vor allem: schnöder Anzugträger)

Job mit Zukunft (keine Musiker oder andersartigen Künstler mehr!)

Vollbart

Abenteurer mit Wunsch, sich niederzulassen

Katzenmensch

sehr schlau

bevorzugt überpünktlich (»Nicht in allen Lebenslagen!«, Einwurf Sammy)

mag bayerisches Bier

Ich bin zufrieden. So funktioniert das sicher super, mit der Männerauswahl. Da kann ich zumindest Flanellhemd-Katastrophen bereits im Vorfeld kategorisch ausschließen.

Plötzlich bemerke ich, wie der Kellner (knackig in Ledernen) amüsiert einen Blick über meine Schulter und auf die Liste wirft. Peinlich berührt packe ich den Zettel schnell weg. Aber der heiße Kellner lächelt mich weiter zwinkernd an. Na so was! Und Bart hat er auch! Ich lächle zwinkernd zurück. So schnell geht das also.

Sammy gibt mir einen sanften, aber bestimmten Tritt gegen das Schienbein. Wobei sie allerdings danebenhaut und mir mit voller Wucht eins aufs Knie gibt.

»Au! Hey, na …« Ich reibe unter dem Tisch unauffällig mein Knie und lächle den Kellner erneut an – diesmal bemüht flirtiv.

Der Kellner grinst, verlagert sein Tablett auf die andere Schulter und schüttelt schmunzelnd den Kopf: »Also, wenn i des seh, bin i ja totfroh, dass i scho verheiratet bin!«

Fail!

Gitta prustet los, und ich rutsche stöhnend einen Meter tiefer in die Bank hinein.

In dem Moment dreht sich der Kellner noch einmal um: »Tinder solltest’ mal probieren. A Spezl von mir schwört drauf. So viel … äh … Dates hat’ er angeblich noch nie!«

Eine Dating-App?? Hmmmmmm …

♥Schritt 2:

Ach, tinder mir doch einen …

Tag 7

Mittwoch, 25.02.

Es stellt sich heraus: Online-Partnerbörsen waren gestern. Ja-Nein-Vielleicht-Zettel gehören der grauen Vergangenheit an. Blind Dates mit schüchternen Blicken bei Kerzenschein? Pah, Steinzeit!

Im Zeitalter der Smartphones braucht man das Haus nicht mehr zu verlassen, um jemanden kennenzulernen. Ja, man muss sich nicht mal eine kreative Opening Line für seinen Flirt überlegen. Die Anmache im 21. Jahrhundert läuft digital und lautet meisterlich eloquent: »Yo babe! Wanna have Sex?«

Weitere beliebte und total kreative Begrüßungen, die eine mögliche Konversation zwischen zwei potenziellen Partnern fürs Leben eröffnen sollen, sind bei Tinder:

»Wie geht’s?«

»Wie groß bist du?«

Und last but not least:

»Was machst du heute noch so? Sex?«

So viel dazu.

Anscheinend ist Tinder aber, wie mir Gitta erklärt hat, inzwischen sowieso schon total »old school«. OkCupid, Badoo, Zoosk, Lovoo, Once – die Liste der Dating-Apps ist lang. Am gruseligsten ist aber ohne Frage die App happn. In einem zugegebenermaßen sehr professionellen Werbevideo wird das Prinzip erklärt: Immer, wenn man auf der Straße, in der U-Bahn, im Café et cetera jemandem begegnet, der auch ebendiese Dating-App nutzt und sein GPS aktiviert hat, bekommt man dessen Profil auf dem Handy angezeigt und kann es liken – und denjenigen theoretisch also auch »in echt« ansprechen. Das heißt, mittels Geolokalisierung zeigt einem die App in Echtzeit die registrierten Singles in seinem direkten Umfeld an: »Jetzt weniger als 500 m von dir entfernt.« Großartig. Wirklich großartig. Die App sieht sich selbst als Flirt-Helfer für schüchterne Menschen – es fühlt sich aber eher wie eine nette, praktische Hilfe für notgeile Perverse an.

Während ich in meinem Büro sitze und schockiert die ersten Tinder-Nachrichten lese (habe mich doch für den App-Klassiker entschieden), bin ich mir sicher: Diese Verrückten möchte ich nicht unbedingt im real life treffen, geschweige denn möchte ich, dass sie wissen, wo ich mich gerade aufhalte! Ich starre auf mein Display, und es ist wie bei einem Autounfall: Ich bin gleichzeitig fasziniert und schockiert von den menschlichen Flirt-Abgründen, die sich hier auftun. Ich möchte wegschauen, kann es aber nicht. Rein statistisch gesehen ist die Chance, dass man beim Durchklicken von an die fünfzehn Singles in der Minute schneller auf jemand Interessantes trifft als auf der Straße, relativ hoch. Rein menschlich gesehen ist eine App, bei der man innerhalb von circa zwei Sekunden und nach nur einem Foto beurteilt, ob man jemanden interessant findet oder nicht, total demütigend, oberflächlich und verwerflich. Als großer Fan der Wahrscheinlichkeitsrechnung hat mich das Prinzip aber überzeugt. Auf ins virtuelle Dating-Gefecht!

Da sitze ich also und tindere. Und meine Skepsis legt sich langsam: Denn ziemlich schnell fühle ich mich ziemlich toll. Jeder, der wenigen Männer, die ich nach langer und eingehender Betrachtung nach rechts gewischt und damit geliked habe, mag mich auch! Match, Match, Match. Hurra, ich bin begehrenswert! Die Wadeln und der Superbusen – die bringen’s halt. Rechts, links, rechts, rechts, links, links, links … hui. So geht’s dahin. Das macht ja richtig süchtig! Langsam habe ich Angst, dass ich bald so vom virtuellen Dating eingenommen werde, dass ich mich auch auf den Marienplatz stelle und versuche, die Männer mit einer Handbewegung nach links oder rechts wegzuwischen.

Pling. Da kommt auch schon wieder eine Chatnachricht – diesmal von meinem aktuellsten Match, Georg, 29, aus München. Mit Vollbart und Sonnenbrille vor Bergpanorama. Schaut nett aus!

Georg:Hey. Tolles Foto! :-)Feli:Danke. Deins ist aber auch cool!Georg:Ich würde dir gerne jemanden vorstellen.Feli:Aha? Wen denn?Georg:Den Johnny!Feli:Äh …Georg:Das ist der Mann in meiner Hose. ;-)

Oh Gott. Oh. Mein. Gott! Der sah doch völlig normal aus!

Plötzlich überkommt mich das dringende Bedürfnis, mich in eine Decke einzuwickeln und auf und ab zu wippen. Oder die gute, alte Aretha auf volle Pulle aufzudrehen: R-E-S-P-E-C-T!

»Feli?« Einer der Drehbuchautoren, die ab und zu zum Brainstorming in die Firma kommen, steckt den Kopf in mein Büro. Er sieht mich irritiert an, wie ich da immer noch fassungslos und mit offenem Mund vor meinem Handy sitze.

Ich reiße mich zusammen. »Äh … Thommy. Was gibt’s?« Eilig schiebe ich mein Handy zur Seite.

Der nerdige (und ehrlich gesagt ziemlich nervtötende) Autor reicht mir plappernd ein ellenlanges Exposé mit seiner neuesten abstrusen Filmidee. Ich nicke lächelnd, signalisiere mein eher peripheres Interesse (abgesehen davon, dass ich hier natürlich null Entscheidungsgewalt habe) und bin froh, als er nach ein paar Anekdoten aus seinem Leben mit Hund, Kanarienvogel und Staubsaugerroboter wieder abzieht.

»Hasta la vista! I’ll be back!«

»Jahahaaa … Servus!« Ich seufze und nehme mein Handy wieder in die Hand.

Eigentlich will ich Tinder nur schließen, aber dann reizt es mich doch, noch ein-, zweimal rumzuwischen. Is ja nix dabei. Ich habe gerade gedankenverloren Thorsten, 27, und Sebastian, 35, nach links und damit aus meinem Leben gewischt, als ich alarmiert innehalte. Auf meinem Handy sehe ich das Bild von Thommy, 36, in peinlich grinsender thumbs-up-Pose neben einem als Darth Vader verkleideten Hund.

25. Februar 2015; 15:35 Uhr

Feli:Oh Gott! Ich habe soeben einen Kollegen auf Tinder gesichtet! Wie kann das sein? Das ist doch die virtuelle Sub-Welt. Da kann doch niemand auftauchen, den ich wirklich kenne?! :-oGitta::-D Und???Feli:Bist du doof? Natürlich weggetindert! Wie peinlich!Gitta:Jetzt wirst du aber nie erfahren, ob er dich nach rechts getindert hätte.Feli:Moment … Noooo! »It’s a match!« Hab im Schockmoment rechts und links verwechselt. Großes Kino!

Tag 9

Freitag, 27.02.

Tinder taugt mir nicht, so viel ist klar. Menschen mit einer Links-Rechts-Schwäche sollte man das Bedienen einer Dating-App, die auf genau diesem Prinzip basiert, prinzipiell verbieten! Das Ergebnis nach drei Tagen tindern: fünfundzwanzig dubiose Typen in meiner Chatliste. Mehrere Frauen-unwürdige Anmachen, ein Foto von einem männlichen Genital. Und Autoren-Thommy wirft mir nun so wissend-lüsterne Blicke auf dem Flur zu. Prost Mahlzeit!

Meine Pärchen-Freunde finden Tinder aber super. Weil ich es auf meinem Handy habe und sie unverbindlich damit rumspielen können.

»Gib noch mal her! Jetzt bin ich dran! Du hast es schon seit mindestens zehn Minuten!« Gitta hüpft aufgeregt wie ein kleines Mädchen auf meiner Couch auf und ab.

Tarantino, mein grau gestreifter Hauskater, verzieht sich vor Schreck hinter mein Bett. Mein kleines, aber feines Schwabinger Einskommafünfzimmerapartment ist mein persönliches Home sweet Home, Ikea-Luxus auf kaum bezahlbaren siebenunddreißig Quadratmetern – und damit immerhin eine Fünfzehn-Quadratmeter-Steigerung zu meiner letzten Bude noch zu Studentenzeiten. Und hey – jetzt ohne mittellosen Partner als Dauergast ist auf einmal so richtig viel Platz (Zweckoptimismus-Alarm)! Aber wenn drei Freunde hier ihre Tinder-Begeis terung ausleben, kann das dennoch zu leicht klaustrophobischen Zuständen führen.

»Shit … he is hot! Fee, schau mal. Hier!«

Ich stelle mein Glas ab, um einen Blick auf den Typen auf dem Display zu werfen, das mir Sammy mit ihrem typisch unwiderstehlich-breiten Sammy-Grinsen entgegenhält. Sie hat die größte Gaudi bei dem Spieleabend, der sich irgendwie zu einer Tinder-Party entwickelt hat. Denn Sammys Freund Pete hockt in New York, deswegen nutzt sie mein Tinder für ein wenig unverbindliche Zerstreuung – in meinem Namen. Hurra!

»I’m telling you … he is smokin’! Ich mach dir ein Date mit dem, ja?«

Und zack – swipe rechts.

Ich stöhne auf. »Wer ist das überhaupt??«

»Relax!« Sammy stellt ihre tropfende Bierflasche auf meinem Couchtisch ab.

Von wegen relax! Nervös platziere ich die Flasche auf einen meiner zahlreichen Untersetzer und wische mit dem Ärmel den Wasserrand vom Tisch. Sammy rollt mit den Augen, und Olli grinst sich eins. Er kennt meinen neurotischen Tick seit Jahren, würde mich aber nie damit aufziehen.

»Jetzt schau ihn dir wenigstens mal an, Feli.« Er reicht mir das Handy weiter.

Ich werfe seufzend einen Blick auf das Display.

Ein erstaunlich ungreisliger, braun gebrannter, groß gewachsener Brasilianer mit nachtschwarzen Haaren lächelt mir mit einem perfekten Zahnpastalächeln entgegen.

Ich verziehe das Gesicht. »Geht noch mehr Klischee??«

Aber Sammys braune Augen funkeln mich aufgeregt an: »Ich hab dir den perfekten Mann gefunden. Honestly! Und den triffst du jetzt!«

Ich blicke stöhnend in Gittas Richtung, aber die zuckt nur mit den Schultern: »Das wird schon nicht wehtun, ein Date. Und außerdem: Denk an deinen 150-Tage-Plan!«

Ich werfe noch einen Blick auf das Display, auf dem mich der unverschämt attraktive Brasilianer breit angrinst. Hmmm. Abwarten. Vielleicht meldet er sich ja gar nicht …

Tag 13

Dienstag, 03.03.

»Hey beautiful, interesting and funny Munich Lady! I reeeaaaally want to meet you! When are you free?«

Ich schmunzle. Zumindest ist er hartnäckig, das muss man ihm lassen. Ricardo, so heißt Mr. Zahnpastalächeln, meldete sich nämlich nach dem durch Sammy verursachten Tinder-Match prompt. Und nicht nur mit plumpen Geschlechtsverkehr-Angeboten oder blödsinnigen Fragen. Nein. Ricardos Steckenpferd sind eher flirtiv-romantische Sprüche und non-stop Komplimente. Ich sei so hübsch und so schlau, ich habe so ein wahnsinnig tolles Lächeln (auf den Fotos), und Humor habe ich auch … (Dabei sagt man, die Deutschen hätten so viel Humor wie ein Stück Sauerteigbrot.) Mal ehrlich: Wer hört so etwas nicht gerne? Ricardo meint allerdings auch, dass er mich unbedingt treffen will, bevor er in ein paar Tagen erst mal wieder zurück nach Brasilien muss. Eigentlich schön und gut. Trotzdem kenne ich diesen Mann erst seit fünf Tagen, und das auch nur digital. Was, wenn er ein Serienkiller ist? Oder Helene-Fischer-Fan?!

»Es könnte die große Liebe sein – oder auch ein schöner Nachmittag. Was haben wir zu verlieren?«, weiß der Brasilianer auf meine – meiner Ansicht nach – durchaus berechtigten Bedenken einzuwerfen.

Ja, mein Gott, was habe ich zu verlieren?!

Tag 14

Mittwoch, 04.03.

Was für eine saudumme Idee! Ein Treffen mit einem völlig Fremden, den ich über eine Dating-App kennengelernt habe. Wie bescheuert muss man eigentlich sein?! Bestimmt versetzt er mich – und dann steh ich da wie bestellt und nicht abgeholt!

Unruhig trete ich von einem Fuß auf den anderen. Ich stehe direkt am Hauptbahnhof – wo theoretisch mein erstes Date ever aus Ingolstadt anreisen sollte. Ich blicke auf die Uhr und merke: Ich bin einfach nur überpünktlich. Typisch.

Doch just in dem Moment kommt er auch schon an, der äußert attraktive, braun gebrannte, groß gewachsene Brasilianer von Tinder – der in Wahrheit ein ziemlich kleiner, pummeliger Brasilianer ist. Auweia. Nur das breite Zahnpasta-Lächeln stimmt mit dem Foto überein. Allerdings komplettiert dieses zusammen mit Gel in den Haaren, der Ray-Ban-Pilotenbrille (es ist saukalt und nieselt!) und dem Bling-Bling-Ohrring nur das Südländer-Macho-Klischee.

Ich bin total baff, und so ist der allererste Satz, mit dem ich mein Date (auf Englisch und mit kaum verhohlener Abneigung) begrüße: »Oh … krass. Du hast ja einen Ohrring!«

Aaaargh. Ich beiße mir im selben Moment auf die Lippe. Megaunhöflich! Hätte ich nicht einfach: »Servus, wie geht’s?« oder »Schön, dich kennenzulernen« oder von mir aus auch »Quickie? Gleich da hinten?« sagen können?

Ich will mich gerade entschuldigen, aber zu meinem großen Erstaunen erwidert der Brasilianer strahlend: »Yeah, you like it?«

Der Mann ist entweder sehr von sich selbst überzeugt oder einfach nur etwas langsam.

Ich starre ihn fassungslos an: »Es ist nur … so ein Mädchending!«

Oje, ich bin wirklich aus der Flirt-Übung – falls ich jemals in Übung war! Und wenn ich es mir recht überlege, ist auch jede Motivation weiterzuüben, bereits dahin.

Doch Ricardo, aka Mr. Bling-Bling-Zahnpastalächeln, scheint das überhaupt nicht zu stören. Er lebt wohl in seiner eigenen Traumwelt, denn schon hakt er sich bei mir ein, und wir machen uns auf den Weg Richtung Isartor und zu einem meiner Lieblingscafés.

Ich versuche, nicht daran zu denken, dass ich eigentlich am liebsten wieder heimgehen würde, um mich mit einem Bad in meiner frisch geputzten Wanne von diesem ersten Date-Erlebnis zu erholen. So findest du keinen Mann, Feli! So nicht! Nicht mit dieser Anti-Einstellung!

Ricardo starrt mich indes unentwegt an, ist völlig fasziniert. Als wäre ich Superwoman von einem anderen Planeten.

Wir sind gerade aus der Tram ausgestiegen und noch keine drei Schritte gegangen, da fragt er zum ersten Mal: »And?«

Ja, was denn?

Ich schaue ihn verdutzt an.

»Do you feel a spark?«

Mr. Bling-Bling-Zahnpastalächeln blickt mich durch die Pilotenbrille erwartungsvoll an. Wie ein kleines Kind, das aufs Christkindl wartet. Hat der mich eben ernsthaft gefragt, ob es bei mir schon funkt?!

Wie zur Bestätigung greift Ricardo strahlend meine Hand und drückt sie an seine Brust: »Because I do! Can you feel my heart beating?«

In meinem Kopf tippe ich eine hasstiradische WhatsApp an Sammy, in der ich sie in zwei Sprachen plus Bairisch verfluche und ihr für dieses super Date danke. Thanks a million!

Mr. Bling-Bling versucht währenddessen mehrfach, mich zu küssen, Händchenzuhalten (ich reagiere äußerst allergisch auf Händchenhalten und jede andere Form von zu früher und zu intimer Nähe!) und Liebesbekundungen aus mir rauszuquetschen. Er selbst hat davon mehr als genug auf Lager. Vor allem meine »big green eyes, more beautiful than the sky« haben es ihm angetan. Dass der Himmel blau und nicht grün ist, lässt er dabei einfach außer Acht. Ich weise ihn mehrfach darauf hin, dass ich (und jeder andere normale Mensch) mich nicht innerhalb von fünf Minuten unsterblich in jemanden verliebe – und seine Art auch nicht gerade dazu beiträgt. Erst reagiere ich sehr irritiert (»Äh … okay. Thanks.«), dann genervt (»Look, I really just want to drink a cup of coffee, okay?!«) und schließlich äußerst grantig.

Er fordert: »Give me a kiss!«

»No, thanks.«

»Please …«

»No.«

»Why not?«

»Because … I don’t know you!«

»Okay. I understand.«

»Thanks.«

Dreißig Sekunden später:

»Just a little one? On the cheek?«

»NOOOO!!!«

An diesem Punkt war ich schon mehr als bereit, einfach aus dem Fenster im Klo des Cafés zu steigen. Leider sind wir im Turmstüberl, und das befindet sich in luftiger Höhe im Isartor.