Schenk mir dein Vertrauen - Katharina Lang - E-Book

Schenk mir dein Vertrauen E-Book

Katharina Lang

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Beschreibung

Rebecca, eine junge, hübsche Frau aus reichem Hause, will von ihren Eltern finanziell unabhängig sein und ihren eigenen beruflichen Weg gehen. Dieser führt sie zunächst in ein Callcenter. Dabei stolpert sie immer wieder über die Hindernisse und Unebenheiten zwischen dem Leben einer reichen Fabrikantentochter und dem holprigen Alltag einer arbeitenden jungen Frau. Zwischen diesen beiden Welten lernt sie auch den Bestsellerautor Vincent Hausmann kennen, einen Mann, der eine leidvolle und schwere Kindheit durchlebt hat. Das Durcheinander im Leben dieser beiden Menschen spielt Schicksal und sorgt dafür, dass sich Rebecca und Vincent wieder begegnen.

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Inhaltsverzeichnis

Schenk mir dein Vertrauen

Über das Buch

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Impressum

Schenk mir dein Vertrauen

Eine junge Frau geht ihren Weg

aus der Romanheftreihe „Sofie – My Love …“

Katharina Lang

Über das Buch

Rebecca, eine junge, hübsche Frau aus reichem Hause, will von ihren Eltern finanziell unabhängig sein und ihren eigenen beruflichen Weg gehen. Dieser führt sie zunächst in ein Callcenter. Dabei stolpert sie immer wieder über die Hindernisse und Unebenheiten zwischen dem Leben einer reichen Fabrikantentochter und dem holprigen Alltag einer arbeitenden jungen Frau.

Zwischen diesen beiden Welten lernt sie auch den Bestsellerautor Vincent Hausmann kennen, einen Mann, der eine leidvolle und schwere Kindheit durchlebt hat.

Das Durcheinander im Leben dieser beiden Menschen spielt Schicksal und sorgt dafür, dass sich Rebecca und Vincent wieder begegnen.

1

Es war ein traumhafter Frühlingsmorgen. Rebecca war in Eile, sie achtete an diesem Tag nicht auf die Natur, die sich von ihrer schönsten Seite zeigte. Zielstrebig fuhr sie mit ihrem Auto auf einen freien Parkplatz, lief eiligen Schrittes in das Bürohaus in einem Gewerbegebiet am Stadtrand, warf nebenbei rasch einen Blick zur Uhr und stellte fest, dass sie nur noch wenige Minuten Zeit hatte.

»Guten Morgen, Rebecca!«, rief ihr ihre Kollegin Loni freundlich entgegen, als sie kurz vor Arbeitsbeginn das Büro betrat.

»Hallo, Loni«, antwortete Rebecca noch völlig außer Atem. Sie hetzte zu ihrem Schreibtisch, startete den Computer und legte den Kopfhörer bereit. Dann lief sie zu ihrem Schrank, zog im Gehen ihre leichte Jacke aus, hängte sie auf den Bügel, stellte ihre Handtasche ins Fach und verschloss den Schrank sorgfältig. Schnell strich sie sich durchs Haar und setzte sich an ihren Schreibtisch. »Na, wie ist das Befinden unseres Chefs am heutigen Morgen?«, fragte sie Loni noch ganz außer Atem.

»Oje, vor wenigen Minuten lief er ohne Gruß an mir vorbei. Ich glaube, seine Stimmung ist schon schlecht, noch bevor die Arbeit beginnt. Wir werden wohl wieder einen schwierigen Tag haben«, antwortete Loni und verdrehte die Augen. »Der Mann ist einfach fürchterlich. Wie kann ein Mensch nur am frühen Morgen schon so schlecht gelaunt sein?«

Die beiden Frauen arbeiteten in einem Callcenter. Ihr Arbeitsplatz befand sich im fünften Stock in einem Großraumbüro, das mehr als vierzig Mitarbeiter beherbergte. Die Fenster waren groß, was den Raum sehr hell und freundlich erscheinen ließ, und zur Auflockerung hatte die Geschäftsleitung Grünpflanzen aufstellen lassen. Rebeccas und Lonis Schreibtische standen nebeneinander und waren nur durch eine kleine, dünne Wand getrennt, sodass sie sich ab und zu unterhalten konnten, wenn sie nicht gerade unter Beobachtung standen.

»Frau Blumenthal, bitte zum Chef«, tönte die Stimme der Chefsekretärin monoton aus der Sprechanlage.

»Das darf doch nicht wahr sein! Ich bin kaum fünf Minuten hier und muss schon antanzen.« Rebecca stöhnte, stand auf und machte sich mit einem unguten Gefühl auf den Weg.

Sie klopfte an und trat in das Allerheiligste. »Guten Morgen, Herr Bosch«, sagte sie wachsam und mit angespanntem Gesichtsausdruck.

Wie er da saß und hinter seinem Schreibtisch thronte, wirkte er wie eine Schlange im Terrarium. Er war ein überdurchschnittlich langer, magerer Mensch, dessen Knochenspitzen sich beinahe schon unter dem Hemd abzeichneten. Seine Haare trug er aalglatt gescheitelt und mit Pomade fixiert. Die Augen flackerten giftgrün und blickten eiskalt, seine Mimik war starr und zu keinerlei menschlicher Regung fähig. Er trug stets einen grauen Anzug und ein weißes Hemd, seine Krawatten hatte er wahrscheinlich schon von seinem Vater übernommen. Eigentlich sah er aus wie aus dem Wachsfigurenkabinett. Bei diesem Gedanken huschte Rebecca ein fast unmerkliches Lächeln über das Gesicht.

Er antworte erst gar nicht auf ihren Gruß, sondern legte sofort los: »Wir mussten gestern beim Mithören erneut feststellen, dass Ihr Umgang mit den Kunden nicht dem Niveau unseres Hauses entsprach. Auch haben Sie im Vergleich zu anderen Kolleginnen weit weniger Anrufe entgegengenommen. So kann das mit Ihrer schlampigen Arbeitsweise nicht weitergehen!«

Rebecca ballte die Fäuste und überlegte blitzschnell, ob sie sich überhaupt dazu äußern sollte. »Dieser Mann gestern, von dem Sie reden, hat mir obszöne Worte ins Ohr geflüstert. Das muss ich mir nicht gefallen lassen«, entgegnete sie schließlich erbost. »Außerdem kann ich nur einen Anrufer nach dem anderen entgegennehmen. Es geht nun einmal nicht, aus Mangel an Zeit den Kunden das Wort abzuschneiden und einfach aufzulegen«, antwortete sie ohne Pause, um ihm ja keine Gelegenheit zu geben, sie zu unterbrechen.

Doch er ließ sich nicht beirren. »Um eine Ausrede sind Sie wohl nie verlegen!«, schrie er. »Wie dem auch sei, ich fordere Sie auf, keine Kunden mehr zu beschimpfen, egal was diese sagen. Haben wir uns verstanden?« Er starrte abwartend durch sie hindurch.

Sie versuchte weiterhin, sich zu wehren. »Ich muss mir doch nicht alles gefallen lassen, was ein Kunde zu mir sagt!«

»Ich erwarte eigentlich keine Proteste von Ihnen. Die Kunden gehen vor, basta!«

»Aber, ich …«

Er sprang auf. »Ich werde darüber jetzt nicht mehr mit Ihnen diskutieren«, unterbrach er sie mit einer kurzen Handbewegung. »Bitte halten Sie sich an meine Anweisung.«

Rebecca war gerade im Begriff, sich umzudrehen und den Raum zu verlassen, als noch einmal seine schneidende Stimme an ihr Ohr drang: »Ach, und noch etwas: Sie sollten in Zukunft dafür Sorge tragen, dass fünf Telefonate pro Stunde mehr auf Ihrem Zähler erscheinen. Wenn nicht, muss ich mir überlegen, ob Sie für unsere Firma noch tragbar sind.« Ohne sie weiter zu beachten, griff er zum Telefon.

Konsterniert stand Rebecca auf dem Flur. Wie in aller Welt kam er denn dazu, sich so zu verhalten?

Währenddessen hatte Loni fast mechanisch die eingehenden Anrufe abgearbeitet, denn sie war in ihren Gedanken bei Rebecca. Nur zu gut kannte sie die Situation, mit einem flauen Gefühl im Magen vor diesem Mann zu stehen.

»Meine Güte, das hat ja lange gedauert! Hat er dich wieder fertiggemacht?«, fragte Loni sofort, als Rebecca eintrat.

»Ja, ausgerechnet bei diesem obszönen Anrufer gestern haben die mitgehört, und mein Arbeitstempo muss ich auch erhöhen. So langsam habe ich das alles satt!«

Während sie sprach, setzte sie sich wieder an ihren Schreibtisch, nahm den Kopfhörer in die Hand und grübelte vor sich hin. »Ich weiß nicht, vielleicht kündige ich ja bald. Das ist auf Dauer nichts für mich.«

»Gib doch nicht gleich auf, Rebecca. Der hat uns doch schon so oft zusammengebrüllt. Das bringt uns nicht mehr aus der Ruhe, das ignorieren wir einfach.«

»Aber irgendjemand müsste ihm einmal Einhalt gebieten.«

»Das schaffen wir nicht. Eher verlieren wir unsere Arbeit«, stellte Loni trocken fest.

»Genau damit arbeitet er, mit den Ängsten der Leute, das ist ja das Schlimme. Alles in mir sträubt sich dagegen, ich bin das nicht gewohnt. Weißt du, Loni, man darf sich nicht alles gefallen lassen.«

»Da hast du nicht Unrecht. Aber ich kann mir keine Machtkämpfe leisten. Wenn er mich rauswirft, liege ich meinen Eltern auf der Tasche.«

»Vielleicht auch nicht, wenn wir zum Vorstand gehen.«

»Ach, die sind doch auch nicht anders. Du kannst das ja machen, du bist nicht unbedingt darauf angewiesen.«

»So sehe ich das nicht. Meine Eltern würden sich die Hände reiben, wenn ich mit einem Misserfolg ankomme. Das werde ich nicht tun. Zu lange musste ich um meine berufliche Freiheit kämpfen.«

Rebecca erinnerte sich an die endlosen Diskussionen mit ihren Eltern. Sie konnte nichts anfangen mit dem Leben ihrer Freundinnen, deren Zeitvertreib darin bestand, nach Paris oder anderswohin zu fliegen, um die Boutiquen zu plündern und dabei gesehen zu werden. Die jungen Männer, die ihr bis dahin den Hof gemacht hatten, fanden Rebecca langweilig.

Loni überlegte und blickte Rebecca lächelnd an. »Deine Sorgen möchte ich haben, Rebecca. Dein Vater hat doch notfalls Beziehungen und verschafft dir eine Arbeit. Du hast dir ausgerechnet diesen Job ausgesucht. Man weiß doch, was in der Branche los ist. Es gibt nur ganz wenige, von denen man hört, dass es dort menschlich zugeht. Lass dir von deinem Vater helfen.«

»Genau das will ich aber nicht. Lass uns loslegen, sonst schmeißt er uns gleich raus«, forderte Rebecca Loni auf und zuckte die Schultern.

Der Tag verging dennoch schnell. Die beiden Frauen räumten pünktlich um fünf Uhr ihren Schreibtisch auf und verließen gemeinsam das Büro. Rebecca hatte es besonders eilig, sie musste zur Abendschule. Es war ihr wichtig, dort pünktlich zu erscheinen, ging es doch darum, bald ihre Prüfung zur Europasekretärin abzulegen. Während sie ihr kleines Auto aus der Parklücke steuerte, huschten ihr die Ereignisse des Tages noch einmal durch den Kopf. Sie überlegte ernsthaft, ob sie nicht im Callcenter kündigen sollte. Diese Arbeitsplätze waren ein Phänomen der Zeit und nicht sonderlich erbauend.

Ein leichtes Stöhnen kam über ihre Lippen. Es kam bei ihr alles zusammen. Sie war einfach im Augenblick mit sich und ihrem Leben nicht gerade zufrieden. Eine vernünftige Erklärung, warum das so war, hatte sie aber nicht. Alles störte sie.

An ihrer Seite war auch ihr Freund, Hendrik Pfitzer. Er war achtundzwanzig Jahre alt, hatte rote Haare und grüne Augen, und sein Gesicht war von Sommersprossen übersät. Versicherungskaufmann hatte er gelernt und bemühte sich zielstrebig und ehrgeizig um beruflichen Erfolg. Prinzipiell führten sie eine gute Beziehung, aber sie war ohne Höhen und Tiefen, beinahe schon langweilig. Wie bei einem alten Ehepaar, dachte Rebecca. Der einzige Unterschied war, dass sie nicht in einer gemeinsamen Wohnung lebten.

Rebeccas Handy klingelte und riss sie abrupt aus ihren Gedanken. Sie fuhr den Wagen an den Straßenrand und stellte den Motor ab. Es dauerte einen Moment, bis sie abheben konnte.

»Rebecca, hier ist Hendrik. Liebling, ich wollte dir nur sagen, dass wir uns heute nicht sehen können. Ich muss noch ein paar Außentermine bei Kunden wahrnehmen. Tut mir sehr leid. Das siehst du doch ein?«, sagte er und fiel gleich mit der Tür ins Haus.

Ein wenig verärgert dachte sie für einen kurzen Moment nach. Sollte sie das nun einsehen oder nicht? Eigentlich hätte sie nach diesem sehr unerfreulichen Tag eine breite Schulter gebraucht. Aber Hendrik? Er würde sie ja doch nicht verstehen.

»Ja, ist gut. Ich bin ohnehin müde und freue mich auf einen ruhigen Abend. Viel Erfolg«, antwortete sie knapp.

»Danke. Ich wusste, dass du Verständnis hast. Wir sehen uns dann morgen Abend.«

»Ja. Bis morgen Abend.«

Rebecca fühlte sich plötzlich erleichtert, obwohl sie eigentlich hätte enttäuscht sein müssen.

Die nächsten vierzehn Tage verliefen ohne besondere Vorkommnisse, wenn man einmal davon absah, dass Olaf Bosch täglich seine Abteilung aufmischte, sich aber zur Abwechslung einmal andere Kolleginnen vornahm. Auch Loni war unter den Opfern, dabei eskalierte die Situation so stark, dass sie einen Weinkrampf bekam.

Rebecca tröstete sie und half ihr über die schweren Klippen des Vormittags. »Komm, Loni, hör auf zu weinen. Das ist doch die ganze Sache nicht wert. Der ist doch ein Spinner.« Sie erhob sich und nahm die Freundin in den Arm.

»Ich habe doch nur meine Arbeit gemacht. Für den Auftrag, der storniert wurde, kann ich nichts. Der kann doch nicht mir die Schuld daran geben«, schniefte sie. Die Tränen liefen unaufhörlich. Ihre Hände zitterten, und ihre Augen waren gerötet.

»Aber du solltest doch inzwischen wissen, dass er immer solche Dinge für sich benutzt. Die Stornierungen schmälern seinen Umsatz, und das will er eben nicht. Die muss er unbedingt vermeiden.«

»Oh, Herr, lass Abend werden. Der Morgen kommt von selbst«, sagte Loni immer noch weinend.

Rebecca lachte. »Na, siehst du, du kannst schon wieder Sprüche loslassen. Außerdem hast du vor ein paar Tagen zu mir gesagt, dass wir das wegstecken.«

»Das stimmt. Aber es ist leichter, jemand anderem diesen Rat zu geben, als ihn selbst zu beherzigen.«

»Trotzdem sollten wir es wegstecken. Wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen, gerade nicht von ihm«, sagte Rebecca beschwörend und schüttelte Loni ganz leicht an der Schulter.

»Machen wir.« Loni hatte sich wieder etwas beruhigt und straffte die Schultern, während sie den Kopfhörer aufsetzte und wieder zu arbeiten begann.

2

Trotz oder gerade wegen ihrer vielen Verpflichtungen zerrte Rebeccas Unzufriedenheit auch in der nächsten Zeit an ihren Nerven. Sie wollte sich aber dennoch mit einer Entscheidung über ihre Zukunft Zeit lassen, um nichts zu überstürzen, sie musste überlegt handeln. An diesem Tag war sie gegen Abend so schlecht gelaunt, dass sie den Feierabend herbeisehnte und einfach nur noch nach Hause wollte.

Spontan betrat sie den Supermarkt in ihrer Straße. Sie würde an diesem Abend ein schönes Essen für Hendrik zubereiten. Vielleicht würde ihr das ja gegen ihre schlechte Laune helfen. An der Fischtheke verlangte sie ein schönes Lachsfilet, wählte anschließend Gemüse für einen gemischten Salat und kaufte ein Baguettebrot. Fast fröhlich und heiter trat sie nach ihrem Einkauf den kurzen Weg nach Hause an und nahm an der Ecke noch einen Blumenstrauß mit, der sie draußen vor dem Blumengeschäft angelacht hatte.

Zu Hause angekommen öffnete sie fröhlich pfeifend die Terrassentür und ließ die herrliche Luft des warmen Frühsommerabends einströmen. Dann ging sie in die Küche, packte die Einkaufstasche aus, tupfte den Fisch ab, putzte das Gemüse und rührte die Salatsoße an. Den Tisch deckte sie mit größter Freude. Sie nahm ihr gutes Geschirr, das sie sich selbst vor einiger Zeit gekauft hatte, ein weißes, edles Porzellan. Farblich dazu abgestimmt legte sie Servietten auf und stellte zwei Kerzen in die Mitte des Tisches. Fehlten nur noch die Blumen, Gläser und ein paar dekorative Kleinteile. Nachdem alles fertig war, betrachtete sie den beinahe schon festlich gedeckten Tisch. Die Blumen und Kerzen harmonierten vorzüglich mit dem Geschirr. Dann machte sie sich noch etwas frisch und streifte sich einen exklusiven Hausanzug über. Schon klingelte es dreimal kurz an der Haustür.

»Hallo, mein Schatz, hier bin ich.« Etwas abgehetzt trat Hendrik ein, nahm Rebecca zärtlich, aber kurz in die Arme und küsste sie mit einem flachen Schmatzer auf den Mund.

Rebecca ignorierte diese oberflächliche Begrüßung und unterdrückte die Enttäuschung, die langsam in ihr aufkeimte. »Schön, dass du da bist. Wie war dein Tag heute?«

»Anstrengend!« Hendrik verdrehte die Augen. »Du kannst dir nicht vorstellen, was bei uns zurzeit los ist.« Er blieb im Flur stehen, die Aktentasche unter den Arm geklemmt und in der anderen Hand zwei Ordner, dick und prall gefüllt mit Unterlagen aus der Firma.

»Komm, entspann dich, ich habe lecker für uns gekocht.«

Hendrik betrat das Wohnzimmer. Beim Anblick des festlich gedeckten Tisches hielt er inne. »Ach, du Schreck, habe ich einen besonderen Tag vergessen?«, fragte er fast schuldbewusst, und eine leichte Röte überzog sein Gesicht.

»Keineswegs! Kann man denn nicht auch ohne besonderen Anlass einen netten Abend verbringen?«, entgegnete Rebecca leicht zickig, während sie in die Küche ging, um das Essen aufzutragen.

»Entschuldige, aber ich war darauf nicht vorbereitet. Ich habe mir eine Menge Unterlagen mitgebracht, die ich heute noch dringend durcharbeiten muss. Für ein gemütliches Dinner habe ich jetzt keine Zeit, deshalb wäre mir eine schnelle Pizza lieber gewesen.« Er wollte sie tröstlich stimmen und schlug vor, später zum Ausklang des Abends noch ein Glas Wein zu trinken. Unbeeindruckt trat er an Rebeccas Schreibtisch und legte seine Unterlagen dort ab.

Rebecca stockte vor Wut der Atem, sie war außer sich und zog die Stirn kraus. Ihre Hände zitterten, und ihre Augen füllten sich mit Tränen, die sie nur mit Mühe zurückhalten konnte.

»Hendrik, pack deine Sachen und fahre in deine Wohnung zum Arbeiten! Du hast dich jetzt völlig danebenbenommen. Ich will dich für den Rest des Abends hier nicht mehr sehen!«, forderte sie ihn auf und blitzte ihn aus wütenden Augen an.

Hendrik stand immer noch am Schreibtisch und wollte gerade seine Akten dort ausbreiten. Er konnte nicht glauben, was er da gerade gehört hatte. So kannte er Rebecca gar nicht. Er hatte es doch nicht böse gemeint, schließlich musste er noch hart an seiner Karriere arbeiten, um ihr ein standesgemäßes Leben bieten zu können. So aufgebracht hatte er sie noch nie gesehen, was ihn gleichzeitig auch unsicher machte.

»Seit Wochen erstickst du in Arbeit. Wir sind noch so jung, und trotzdem geht jeder von uns jetzt schon seine eigenen Wege. Das ist doch absurd, findest du nicht?«

»Aber das müssen wir doch auch. Wir wollen doch etwas erreichen in unserem Leben. Das muss man eben Abstriche machen. Ich sehe keine Alternative.«

»Geh bitte«, konnte sie nur noch flüstern und zeigte unmissverständlich mit dem ausgestreckten Arm zur Tür.

Er zuckte resigniert mit den Schultern, packte seine Tasche und fügte sich widerwillig der bizarren Situation.

»Ich muss mein Leben ändern, das steht jetzt fest«, flüsterte sie unter Tränen. Aber was sollte sie zuerst tun? Sich von Hendrik trennen? Den Job kündigen? Oder sollte sie sich von beidem auf einmal lösen?

Müde machte sie sich für die Nacht fertig, legte sich ins Bett und nahm sich fest vor, in nächster Zeit ihr Leben neu auszurichten.